Urteil des LG Düsseldorf vom 23.11.2007

LG Düsseldorf: widerruf, anschluss, sicherheitsleistung, datum, behinderung, wiederholungsgefahr, aufwand, daten, vollstreckbarkeit, wahrscheinlichkeit

Landgericht Düsseldorf, 38 O 260/06
Datum:
23.11.2007
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
38 O 260/06
Rechtskraft:
Nicht rechtskräftig
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen
Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise
Ordnungshaft, oder Ordnungshaft – zu vollstrecken an den
Geschäftsführern -, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
Pre-Selection-Aufträge an die E weiterzuleiten und/oder weiterleiten zu
lassen, die zuvor von dem Kunden schriftlich wirksam widerrufen
worden sind.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 107.000 Euro
vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann durch Selbstschuldnerische Bürgschaft
einer in der BRD ansässigen Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand:
1
Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich des Angebots von Telefondienstleistungen.
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Die Klägerin macht geltend, die Beklagte habe in mehreren Fällen Pre-Selection-
Aufträge an die Klägerin weitergeleitet, obwohl zuvor die Kunden jeweils die Aufträge
widerrufen hatten. Im Hinblick auf die Formulierung der Begrüßungsschreiben bestehe
jedenfalls auch eine Erstbegehungsgefahr. Dieses Verhalten sei gemäß den §§ 3, 4 Nr.
1 und Nr. 10, 5 UWG wettbewerbswidrig.
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Im Einzelnen schildert die Klägerin folgende Vorfälle:
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1. P
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Geworben sei der Kunde am 13. Juli 2006, am 25. Juli 2006 sei das
Begrüßungsschreiben vom 21. Juli eingegangen, am 27. Juli 2007 habe der
Kunde den Auftrag widerrufen, dies sei mit Schreiben vom 10. August 2006
durch die Beklagte bestätigt worden. Dennoch sei der Anschluss gemäß Auftrag
vom 03. August 2006 am 13. September 2006 dauerhaft voreingestellt worden.
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2. I
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Der Ende Mai 2006 erteilte und mit Schreiben vom 31. Mai 2006 bestätigte
Auftrag sei am 13. Juni 2006 per Fax vorab und dann schriftlich widerrufen
worden. Gleichwohl seien Gesprächskosten in Rechnung gestellt worden, also
eine Umstellung veranlasst worden.
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3. T
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Ein am 14. August 2006 erteilter Auftrag sei am 15. August 2006 widerrufen und
der Widerruf telefonisch bestätigt worden. Gleichwohl hätten die Kunden am 26.
September 2006 ein Begrüßungsschreiben erhalten und der Anschluss sei am
02. Oktober 2006 umgestellt worden, obwohl erneut am 30. September 2006 ein
Widerruf schriftlich erfolgt sei.
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4. N
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Am 08. November 2006 habe der Kunde ein Begrüßungsschreiben erhalten.
Die Umstellung des Anschlusses sei am 27. November 2006 erfolgt, obwohl der
Kunde am 15. und 23. November 2006 den Auftrag widerrufen habe.
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5. TT
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Dem Auftrag vom 14. Dezember 2006 sei am 02. Januar 2007 ein
Begrüßungsschreiben gefolgt, der Kunde habe per E-Mail am selben Tag
widersprochen, dennoch habe die Beklagte am 04. Januar 2007 einen
Umstellungsantrag an die Klägerin geschickt.
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Neben der Unterlassung verlangt die Klägerin Erstattung von Abmahnkosten im
Hinblick auf die Fälle 1., 2. und 3. betreffende Abmahnungen.
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Die Klägerin beantragt:
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1. wie erkannt,
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sowie
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2. an die Klägerin 900,10 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über den
Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB seit dem 01.12.2006 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt:
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Die Klage abzuweisen.
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Sie trägt vor:
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Zu 1. P:
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Eine Umstellung sei nicht erfolgt, der Kunde habe nie eine Rechnung erhalten.
Eine Umstellung zum 13. September 2006 sei nicht erfolgt.
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zu 2. I:
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Ein Widerruf sei bei der Beklagten erst eingegangen, nachdem die
Telefongespräche abgerechnet worden seien. Das Telefaxschreiben müsse falsch
zugeordnet sein. Zum Zeitpunkt der Umstellung Ende Mai 2006 habe die Beklagte
keine Kenntnis vom Widerruf gehabt.
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zu 3. T:
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Die Kunden hätten den von Frau T am 22. September 2006 erteilten Auftrag nicht
widerrufen, sondern am 02. Oktober 2006 gekündigt. Die Kündigung sei zum 09.
Oktober 2006 ausgeführt, bis dahin angefallene Gebühren berechnet worden.
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zu 4. N:
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Der Auftrag sei Ende Oktober erteilt und 14 Tage später weiter geleitet worden.
Erst danach sei das Widerspruchsschreiben eingegangen.
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zu 5. TT:
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Der Kunde habe am 15. Dezember 2006 den Auftrag zur Umstellung erteilt. Dieser
sei 14 Tage später, Ende Dezember 2006, an die Klägerin weiter geleitet worden.
Zu diesem Zeitpunkt habe die Beklagte keine Kenntnis vom Widerruf des Kunden
gehabt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Akteninhalt verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist im wesentlichen begründet.
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Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der im
Urteilstenor beschriebenen Verhaltensweise gemäß den §§ 3, 4 Nr. 10 UWG.
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Zwischen den Parteien besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Die Beklagte hat
sich in einer die Wiederholungsgefahr begründenden Weise unlauter verhalten, indem
sie Aufträge zur Umstellung der Telefonanschlüsse von Kunden der Klägerin erteilt hat,
obwohl die Kunden zuvor bereits den Umstellungsauftrag widerrufen hatten. Eine
solche Verhaltensweise ist als gezielte Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG
anzusehen. Auf die den Parteien bekannte Rechtssprechung der Kammer und des OLG
Düsseldorfs (AZ 20 U 33/05) wird Bezug genommen.
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Dass die Beklagte solche Umstellungsaufträge an die Klägerin geleitet hat, obwohl zu
diesem Zeitpunkt bereits ein Kundenwiderruf vorlag, zeigen die Fälle N und TT. Aus
den von der Klägerin vorgelegten Protokollen, deren Richtigkeit nicht in Zweifel
gezogen wird, ergibt sich, dass der Umstellungsauftrag betreffend den Kunden N am 20.
November 2006 bei der Klägerin eingegangen ist. Die Klägerin hat vorgetragen, dass
am 15. November ein Widerspruch erfolgt ist. Dem ist die Beklagte nicht
entgegengetreten. Sie hat vielmehr selbst den Eingang des Widerrufsschreibens vom
15. November 2006 bestätigt. Die Behauptung, schon vorher sei der Umstellungsantrag
gestellt worden, ist zum einen nicht hinreichend präzise, zum anderen durch das
Protokoll der Anlage K 15 widerlegt.
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Hinsichtlich des Kunden TT gilt Vergleichbares:
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Aus dem Protokoll K 15 ergibt sich, dass der Umstellungsantrag der Beklagten am 04.
Januar 2007 eingegangen ist. Unstreitig war seit dem 02. Januar 2007 bekannt, dass
der Kunde die Umstellung nicht – mehr – wünschte. Zwar hat die Beklagte erstmals im
Schriftsatz vom 31. Oktober 2007 den Eingang des Widerrufs am 02. Januar 2007
bestritten. Dieses Bestreiten ist jedoch unsubstantiiert. Die Beklagte räumt nämlich ein,
den Widerspruch erhalten zu haben, ohne selbst konkret ein Datum zu nennen. Sie
spricht davon, der Widerruf sei am 08. Januar 2007 "eingepflegt" worden. Angesichts
der von der Beklagten im übrigen geschilderten Praxis und Organisationsstruktur ist
davon auszugehen, dass der Widerruf bereits mehrere Tage vor dem 08. Januar 2007
eingegangen ist. Die Beklagte schildert, dass die Bearbeitung von Anträgen, Widerrufen
und Umstellungen durch verschiedene Unternehmensbereiche erfolgt und daher einen
gewissen Zeitablauf erfordert.
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Die Beklagte entlastet nicht, dass die Bearbeitung von Widerrufsfällen einen
bürokratischen und mit Zeitablauf verbunden Aufwand erfordert. Es ist nicht vorgetragen
oder sonst ersichtlich, welche Vorkehrungen die Beklagte zur Vermeidung solch
vorhersehbarer Probleme getroffen hat. Zwar mag es nicht zu beanstanden sein, wenn
die Beklagte nicht grundsätzlich abwartet, ob der Kunde seine vertraglichen
Erklärungen innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist widerruft. Zuzumuten sind
jedoch Maßnahmen, die eine umgehende Umsetzung des Kundenwillens im Falle
eines Widerrufs zu ermöglichen geeignet sind. Nach dem eigenen Vortrag betreffend
das Einpflegen von Daten fehlt es genau hieran.
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Die beiden Fälle betreffend die Kunden N und TT reichen aus, um als Rechtsverstöße
das Unterlassungsbegehren zu rechtfertigen.
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Zur Erstattung von Abmahnkosten ist die Beklagte jedoch nicht verpflichtet. Die
Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG sind vorliegend nicht erfüllt. Die
Abmahnungen vom 31. Oktober und 02. November 2006 waren nicht berechtigt.
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Die Fälle der Kunden P und I und T rechtfertigten die Abmahnungen nicht. Nach den
von der Klägerin selbst vorgelegten Unterlagen wusste die Klägerin am 03. August
2006, dass der Kunde P die Umstellung auf die Klägerin nicht – mehr – wollte, die
dauerhafte Voreinstellung also unterbleiben konnte. Diese Darstellung verträgt sich
nicht mit der hinsichtlich des Datums nicht nachvollziehbaren Angabe, die Umstellung
sei am 13. September 2006 erfolgt. Unbestritten ist geblieben, dass der Zeuge P keine
Rechnung der Beklagten erhalten hat.
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Der Kunde I hat am 13. Juni 2006 den Auftrag widerrufen. Zu diesem Zeitpunkt war die
Umstellung bereits durchgeführt. Ausweislich der Rechnung K 5 sind Telefonate für den
Zeitraum ab 30. Mai 2006 erfasst. Die Beklagte ist nicht grundsätzlich verpflichtet, die
Widerrufsfrist abzuwarten, bevor sie mit der Ausführung des Kundenauftrags beginnt.
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Hinsichtlich des Kunden T fehlen konkrete Angaben dazu, wann der Auftrag zur
Umstellung an die Klägerin weiter geleitet wurde. Schon die Ausführungen zur
Auftragserteilung sind widersprüchlich. In der Abmahnung heißt es, Frau T habe am 15.
August 2006 einen Auftrag unterzeichnet und am 16. August widerrufen. In der
Klageschrift und im Schriftsatz vom 03. April 2007 ist sodann vom 14. und 15. August
die Rede, während im Schriftsatz der Klägerin vom 21. Juni 2007 es unter anderem
heißt, es sei unstreitig, dass der Auftrag am 22. September 2006 erteilt worden sein soll.
Ein Widerruf vom 30. September 2006 – es handelt sich um einen Samstag – kann mit
einiger Wahrscheinlichkeit sich zeitlich mit der Beauftragung der Klägerin und der
Umstellung am 02. Oktober 2006 überschnitten haben.
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Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.
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Der Streitwert wird auf 100.900,10 Euro festgesetzt.
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