Urteil des LG Düsseldorf vom 04.01.2006

LG Düsseldorf: billigkeit, hauptsache, anbieter, wahrscheinlichkeit, ermessensausübung, erdgas, erdöl, abfallentsorgung, gestaltungsrecht, verfügung

Landgericht Düsseldorf, 12 O 544/05
Datum:
04.01.2006
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
12. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
12 O 544/05
Tenor:
I. Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.
II. Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:
a) bis zur übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien im
Termin vom 14.12.2005: 500,00 €;
b) seit dem: die Summe der bis zur übereinstimmenden
Erledigungserklärung entstandenen Kosten.
G r ü n d e:
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Nachdem die Parteien das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt
erklärt haben, entspricht es unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und
Streitstandes billigem Ermessen, die Kosten der Antragsgegnerin aufzuerlegen (§ 91 a
ZPO). Im Rahmen der Ermessensausübung war dabei insbesondere der Grundsatz des
Kostenrechts anzuwenden, dass die unterliegende Partei die Kosten des Verfahrens zu
tragen hat (§ 91 Abs. 1 ZPO).
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Hätten die Parteien das Verfahren nicht in der Hauptsache für erledigt erklärt, wäre die
Antragsgegnerin nach überwiegender Wahrscheinlichkeit unterlegen gewesen. Die
Beurteilung der Erfolgsaussichten der Parteien nach "überwiegender
Wahrscheinlichkeit” genügt im vorliegenden Fall, da es sich um einen rechtlich
schwierig gelagerten Fall handelt, und das Verfahren gemäß § 91 a ZPO nicht der
Klärung schwieriger Rechtsfragen grundsätzlicher Art dient (vgl. Zöller,
Zivilprozessordnung, 24. Aufl., § 91 a ZPO, Rnrn. 24; 26 a). Ohne die Abgabe der im
Sitzungsprotokoll vom 14.12.2005 wiedergegebenen strafbewehrten
Unterlassungsverpflichtungserklärung hätte die Antragsgegnerin zur Unterlassung
verurteilt werden müssen.
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Dem Antragsteller stand gegen die Antragsgegnerin ein Unterlassungsanspruch zu.
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Dem Antragsteller geht es um die Zurückbehaltung des reinen Erhöhungsbetrages für
den Gasbezug, den die Antragsgegnerin für den Zeitraum ab dem 01.01.2005 geltend
macht und der sich in den von der Antragsgegnerin ab dem 08.03.2005 geforderten
Abschlagszahlungen niederschlägt. Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, es handele
sich dabei um selbständig einklagbare Forderungen, die sie auch schon mit ihrer Klage
im Verfahren 12 O 542/05 vor dem Landgericht geltend gemacht hat. Der Antragsteller
erhebt die Einrede, dass die Erhöhung des Gaspreises zum 01.01.2005 unangemessen
und unbillig sei und deshalb für ihn, den Kunden, nicht verbindlich sei. Es kann
dahinstehen, ob der Kunde eine solche Unbilligkeit nur durch die Erhebung einer
Feststellungsklage - dass die Preisfestsetzung unbillig sei - oder durch eine Einrede
gegenüber der Leistungsklage, mit der der höhere Preis verlangt wird, geltend machen
darf (vgl. hierzu Ehricke, JZ 2005, 599, 606). Dem Kunden muss es jedenfalls auch
möglich sein, sich gegen die vom Energieversorgungsunternehmen angekündigte
Einstellung der Lieferung mit einem Antrag auf Unterlassung dieser Einstellung zu
wenden, wenn der Kunde vorher gegen die Erhöhung des Gaspreises die
Unangemessenheit und Unbilligkeit der Erhöhung eingewendet hat. Dies bedeutet für
den vorliegenden Fall, dass der Antragsteller berechtigt war, die Unterlassung der von
der Antragsgegnerin angekündigten Einstellung der Gaslieferung zu verlangen, so
lange er sich gegen die Erhöhung des Gaspreises wandte und den Erhöhungsbetrag
nicht zahlte.
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Der Antragsteller war berechtigt, von der Antragsgegnerin die Unterlassung der
Liefereinstellung zu verlangen. Es stand nicht fest, dass die Ermessensentscheidung
der Antragsgegnerin bei der Bestimmung der Gaspreiserhöhung der Billigkeit im Sinne
der §§ 315 Abs. 1 BGB entsprach. Der Antragsteller geriet mit seiner
Zahlungsverweigerung nicht in Verzug, weil er sich gegenüber dem Zahlungsverlangen
der Antragsgegnerin auf dessen Unverbindlichkeit gemäß § 315 Abs. 3 BGB berufen
konnte.
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Eine Billigkeitskontrolle nach den Maßstäben des § 315 Abs. 3 BGB ist für den Bereich
der Erdgaspreise zu bejahen. Die entsprechende Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB
soll einen Ausgleich für die fehlende Ausweichmöglichkeit des Kunden auf einen
anderen Anbieter oder eine andere Energieart bewirken. Sie setzt eine Monopolstellung
des Energieversorgungsunternehmens in seinem Leistungsbereich voraus, in deren
Rahmen es die Tarife mit bestimmender Wirkung für den Kunden einseitig festsetzen
kann (vgl. BGH NJW 1992, 171 ff.). Im vorliegenden Fall bedarf es dieses
Kundenschutzes, da die Antragsgegnerin eine Monopolstellung inne hat und der
Antragsteller nicht auf einen anderen Anbieter ausweichen kann. Der Erdgasmarkt ist
noch nicht liberalisiert, und der Antragsteller hat in Ratingen nicht die Möglichkeit, statt
der Antragsgegnerin einen anderen Gasversorger zu wählen. Da er sich für einen
Energieträger entschieden hat, kann er auch nicht mehr ohne erhebliche Kosten oder
Umstellungsschwierigkeiten zu einer anderen Energieart (Erdöl) wechseln. Bei dieser
Sachlage kann nicht mehr von einem Substitutionswettbewerb gesprochen werden mit
der Folge, dass der Antragsteller einstweilen weiter wie ein monopolgebundener Kunde
behandelt werden muss. Bei dem leitungsgebundenen Bezug von Erdgas aufgrund
eines Erdgaslieferungsvertrages handelt es sich damit um Leistungen, deren Tarife
nach billigem Ermessen festgesetzt werden müssen, und die einer Billigkeitskontrolle
nach § 315 Abs. 3 BGB unterworfen sind (vgl. für die Abfallentsorgung und
Straßenreinigung: BGH WuM 2005, 593, 594). Die Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB
hat zur Folge, dass die von der Antragsgegnerin angesetzten Tarife für den Antragsteller
nur verbindlich sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen. Nach ständiger
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Rechtsprechung trifft das Versorgungsunternehmen die vollständige Darlegungs- und
Beweislast für die Billigkeit bei der Ermessensausübung bei der Festsetzung des
Leistungsentgelts (§ 315 Abs. 3 BGB), wenn es hieraus Ansprüche gegen den Kunden
erhebt (vgl. BGH NJW 2003, 3131). Ohne Offenlegung der Preiskalkulation seitens des
Energieversorgungsunternehmens ist es dem Gericht nicht möglich zu überprüfen, ob
sich das von ihm ausgeübte Gestaltungsrecht im Rahmen der von § 315 BGB
gezogenen Grenzen hält. Die Antragsgegnerin hat auch im vorliegenden Verfahren ihre
Kostenkalkulation nicht offen gelegt. Das vorliegende Verfahren auf Erlass einer
einstweiligen Verfügung wäre auch zur Beurteilung der Frage, ob sich die
Preisforderung der Antragsgegnerin anhand der offen gelegten Preiskalkulation im
Rahmen der Billigkeit gemäß § 315 BGB bewegt, nicht das geeignete Verfahren.
Da das Erhöhungsentgelt der Antragsgegnerin so lange nicht fällig ist, bis die
Antragsgegnerin die Billigkeit ihrer Preisbestimmung bewiesen hat, ist sie wegen des
gesetzlichen Anspruches des Kunden aus § 5 Abs. 1 AVBGasV bzw. aufgrund des
vertraglichen Anspruchs des Antragstellers verpflichtet, die Gaslieferung
uneingeschränkt fortzusetzen. Der Antragsteller war damit berechtigt, die Unterlassung
der angekündigten Lieferungseinstellung zu verlangen.
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