Urteil des LG Düsseldorf vom 12.10.2006

LG Düsseldorf: stand der technik, vorschlag, international telecommunication union, nichtigkeitsklage, eigenes verschulden, begriff, sicherheitsleistung, wiederholung, vollstreckung, anschluss

Landgericht Düsseldorf, 4a O 292/05
Datum:
12.10.2006
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4a. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4a O 292/05
Tenor:
I.
Das Teil-Versäumnisurteil vom 21. Dezember 2005 gegen die Beklagte
zu 1) bleibt aufrecht erhalten.
II.
Die Beklagte zu 2) wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- € - ersatzweise
Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle
wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu
unterlassen,
Geräte zur Ausführung eines Initialisierungsprotokolls, um eine
Datenrate für eine spätere Datenübertragung über eine
Kommunikationsverbindung auszuhandeln, die zwischen einem ersten
Transceiver (TRX1) und einem zweiten Transceiver (TRX2)
angeschlossen ist,
Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten
und/oder an solche zu liefern,
wobei das Initialisierungsprotokoll folgende Schritte aufweist:
- Eine erste Phase (Vorschlag), in der wenigstens der erste Transceiver
(TRX1) einen ersten Satz von Datenratenwerten vorschlägt;
- eine zweite Phase (Auswahl), in der mitgeteilt wird, welcher
Datenratenwert ausgewählt wird;
- eine dritte Phase (Bestätigung), in der bestätigt wird, dass ein
ausgewählter Datenratenwert die Datenrate für die spätere Übertragung
wird;
- in der ersten Phase (Vorschlag) wird der erste Satz von
Datenratenwerten über eine zum zweiten Transceiver (TRX2) gesendete
Datenratenwerten über eine zum zweiten Transceiver (TRX2) gesendete
Vorschlagsnachricht vorgeschlagen;
- in der zweiten Phase (Auswahl) wird der Datenratenwert, der
ausgewählt wird, über eine zwischen dem ersten Transceiver (TRX1)
und dem zweiten Transceiver (TRX2) übertragene Auswahlnachricht
mitgeteilt;
- in der dritten Phase (Bestätigung) wird der ausgewählte
Datenratenwert über eine zwischen dem ersten Transceiver (TRX1) und
dem zweiten Transceiver (TRX2) übertragene Bestätigungsnachricht
bestätigt;
- bevor die dritte Phase (Bestätigung) ausgeführt wird, meldet der erste
Transceiver (TRX1) oder der zweite Transceiver (TRX2) über eine
zwischen dem ersten Transceiver (TRX1) und dem zweiten Transceiver
(TRX2) übertragene Meldenachricht einen neuen Datenratenvorschlag,
- worauf die erste Phase (Vorschlag) mit einem zweiten Satz von
Datenratenwerten, der sich vom ersten Satz von Datenratenwerten
unterscheidet, erneut durchgeführt wird;
2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten
Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem
Umfang sie seit dem 13. Juli 2001 die zu II.1. bezeichneten Handlungen
begangen hat und zwar unter Angabe
(a) der Herstellungsmengen und -zeiten sowie der Menge der erhaltenen
und bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der
Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
(b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -
zeiten und -preisen sowie Typenbezeichnungen und den Namen und
Anschriften der Abnehmer,
(c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -
zeiten und -preisen sowie Typenbezeichnungen und den Namen und
Anschriften der Angebotsempfänger,
(d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren
Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
(e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten
Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den
Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei
denn, diese könnten den unter II.1. bezeichneten Gegenständen
unmittelbar zugeordnet werden;
wobei die Beklagte zu 2) hinsichtlich der Angaben zu (a) und (b) Bestell-
, Lieferscheine und Rechnungen vorzulegen hat und
wobei der Beklagten zu 2) vorbehalten bleibt, die Namen und
Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der
Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu
bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten
vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte zu 2)
dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf
konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder
Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
3. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum in
Deutschland befindlichen, unter II.1. bezeichneten Geräte zu vernichten
oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum
Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 2) – Kosten
herauszugeben.
III.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) gesamtschuldnerisch neben
der Beklagten zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu
ersetzen, der ihr durch die zu II.1. bezeichneten und seit dem 13. Juli
2001 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
IV.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als
Gesamtschuldnern auferlegt, mit Ausnahme der Kosten, die durch die
Säumnis der Beklagten zu 1) im schriftlichen Vorverfahren entstanden
sind. Diese Kosten trägt die Beklagte zu 1) alleine.
V.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000.000,00 €
vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Teil-Versäumnisurteil
vom 21. Dezember 2005 darf nur gegen Sicherheitsleistung in dieser
Höhe fortgesetzt werden.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche,
unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in
der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank
oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist Herstellerin von Telekommunikationsausrüstung und beliefert
Netzbetreiber, Diensteanbieter und Unternehmen insbesondere mit Ausrüstung für
Festnetze und breitbandige Mobilfunknetze. Sie ist eingetragene Inhaberin des in
englischer Verfahrenssprache abgefassten europäischen Patents x xxx xxx
(Klagepatent), das bei dem Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen
2
xx xxx xx xxx.x geführt wird. Die Schrift xx xxx xx xxx xx liegt als Anlage K3 vor. Das
Klagepatent wurde am 12. November 1996 angemeldet, die Anmeldung am 13. Mai
1998 offengelegt. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 13. Juni
2001 veröffentlicht. Das Klagepatent steht in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft.
Mit Klageschrift vom 05. Januar 2006 (Anlage B3) hat die Beklagte zu 2) bei dem
Bundespatentgericht Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent erhoben.
Das Klagepatent befasst sich mit einem Initialisierungsprotokoll, d.h. mit einem
zwischen zwei Transceivern (Sende- / Empfangsgeräten) ablaufenden
Initialisierungsverfahren, für adaptive Datenübertragungsgeschwindigkeiten und eine
Sende-Empfangseinrichtung dafür. Der im vorliegenden Rechtsstreit als verletzt gerügte
Patentanspruch 1 des Klagepatents hat in der veröffentlichen deutschen Übersetzung
den folgenden Wortlaut:
3
"Initialisierungsprotokoll, das von einem ersten Transceiver (TRX1) und einem
zweiten Transceiver (TRX2) ausgeführt werden soll, um eine Datenrate für eine
spätere Datenübertragung über eine Kommunikationsverbindung (TL)
auszuhandeln, die zwischen dem ersten Transceiver (TRX1) und dem zweiten
Transceiver (TRX2) angeschlossen ist, wobei das Initialisierungsprotokoll
enthält:
4
a. eine erste Phase (VORSCHLAG), in der wenigstens der erste Transceiver (TRX1)
einen ersten Satz von Datenratenwerten vorschlägt;
b. eine zweite Phase (AUSWAHL), in der mitgeteilt wird, welcher Datenratenwert
ausgewählt wird; und
c. eine dritte Phase (BESTÄTIGUNG), in der bestätigt wird, dass ein ausgewählter
Datenratenwert die Datenrate für die spätere Übertragung wird,
5
6
dadurch gekennzeichnet, dass
7
in der ersten Phase (VORSCHLAG) der erste Satz von Datenratenwerten über
eine zum zweiten Transceiver (TRX2) gesendete Vorschlagsnachricht
vorgeschlagen wird, dass in der zweiten Phase (AUSWAHL) der
Datenratenwert, der ausgewählt wird, über eine zwischen dem ersten
Transceiver (TRX1) und dem zweiten Transceiver (TRX2) übertragene
Auswahlnachricht mitgeteilt wird, dass in der dritten Phase (BESTÄTIGUNG)
der ausgewählte Datenratenwert über eine zwischen dem ersten Transceiver
(TRX1) und dem zweiten Transceiver (TRX2) übertragene
Bestätigungsnachricht bestätigt wird und dass bevor die dritte Phase
(BESTÄTIGUNG) ausgeführt wird, der erste Transceiver (TRX1) oder der zweite
Transceiver (TRX2) über eine zwischen dem ersten Transceiver (TRX1) und
dem zweiten Transceiver (TRX2) übertragene Meldenachricht einen neuen
Datenratenvorschlag meldet, worauf die erste Phase (VORSCHLAG) mit einem
zweiten Satz von Datenratenwerten, der sich vom ersten Satz von
Datenratenwerten unterscheidet, erneut durchgeführt wird."
8
Nachfolgend ist zur Veranschaulichung die Figur 1 der Klagepatentschrift (entnommen
aus der veröffentlichten deutschen Übersetzung) wiedergegeben, die für eine
Ausführungsform der Erfindung ein Zeitdiagramm der aufeinanderfolgenden Phasen
darstellt, die bei einer Implementierung des Initialisierungsprotokolls gemäß der
vorliegenden Erfindung auszuführen sind:
9
Die Beklagte zu 1) ist eine in Israel ansässige Wettbewerberin der Klägerin. Sie stellt
her und vertreibt weltweit Telekommunikationseinrichtungen für DSL-Dienste,
insbesondere so genannte DSLAMs (Digital Subscriber Line Access Multiplexer), die
einen Kernbestandteil der für einen DSL-Dienst erforderlichen Hardware darstellen. Die
Beklagte zu 2) ist das für den deutschen Markt zuständige Tochterunternehmen der
Beklagten zu 1). Zu den von den Beklagten in Deutschland vertriebenen Produkten
gehören DSLAMs, die unter den Bezeichnungen "A1" bzw. "A2", "A3” und "A4”
(nachfolgend bezeichnet als angegriffene Ausführungsformen) angeboten und
vertrieben werden. In der Bundesrepublik Deutschland erfolgen Angebot und Vertrieb
durch die Beklagte zu 2). Die Beklagten bieten die genannten DSLAMs auch im Internet
an.
10
Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen der Beklagten
seien in Verbindung mit dem jeweils benutzerseitigen Modem geeignet und
bestimmt, das patentgemäße Verfahren anzuwenden. Dies ergebe sich bereits
daraus, dass in der die angegriffenen Ausführungsformen beschreibenden
Produktbroschüre (Anlage K9) auf die Kompatibilität der angegriffenen
Ausführungsformen mit den maßgeblichen ADSL-Standards, einschließlich der
Standards ITU xxxx.1 und ANSI xx.413 hingewiesen werde. Da beide genannten
Standards als zwingenden Bestandteil ein Initialisierungsprotokoll beinhalteten und
dieses Initialisierungsprotokoll von sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1
des Klagepatents Gebrauch mache, verwirklichten die angegriffenen
Ausführungsformen den geltend gemachten Patentanspruch 1.
11
Die Klägerin beantragt,
12
wie erkannt.
13
Die Beklagten beantragen,
14
die Klage unter Aufhebung des gegen die Beklagte zu 1) ergangenen Teil-
Versäumnisurteils vom 21. Dezember 2005 abzuweisen,
15
hilfsweise, die Verhandlung bis zur Entscheidung über die gegen das
Klagepatent gerichtete Nichtigkeitsklage auszusetzen,
16
weiter hilfsweise, ihnen zu gestatten, die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine
Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.
17
Die Beklagten bestreiten, dass sich das Klagepatent auf den Standard ITU-T xxx.1
lesen lasse, es sich bei dem Klagepatent also um ein für diesen Standard "essential
patent" handele, ohne das eine standardgemäße Kommunikation zwischen einem
Zentralstellenmodem ATU-C und einem Fernanschlussmodem ATU-R nicht möglich
sei.
18
Des Weiteren sei das Klagepatent nicht rechtsbeständig. Bereits am 11. November
1996, mithin einen Tag vor der Anmeldung des Klagepatents, habe die Klägerin den
gesamten Inhalt des Klagepatents in Gestalt des "Proposal für Rates Re-Negotiation
and Initialisation" (Anlage B1) auf einer öffentlichen Konferenz des American National
Standards Institute (ANSI) in Dallas (USA) der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Zudem sei das Klagepatent gegenüber der ursprünglich angemeldeten Fassung
unzulässig erweitert und seine technische Lehre werde nicht so deutlich und vollständig
offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne.
19
Dem tritt die Klägerin entgegen. In Abstimmung mit ihrer Patentabteilung habe der
Miterfinder und Zeuge xxx x die Unterlage nach Anlage B1 erst am 12. November 1996,
dem Tag der Anmeldung des Klagepatents, auf der Konferenz in Dallas verteilt.
20
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
21
Entscheidungsgründe:
22
Die Klage ist zulässig und begründet, so dass das gegen die Beklagte zu 1)
ergangene Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten und die Beklagte zu 2) in
entsprechendem Umfang antragsgemäß zu verurteilen ist. Der Klägerin stehen die
geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz,
Rechnungslegung, Auskunftserteilung und Vernichtung aus Art. 64 EPÜ in
Verbindung mit §§ 139 Abs. 1 und 2; 140a Abs. 1 Satz 1; 140b Abs. 1 und 2; 10 Abs.
1 PatG; §§ 242; 259 BGB zu.
23
I. Das Klagepatent betrifft ein Initialisierungsprotokoll für adaptive
Datenübertragungsgeschwindigkeiten und eine Sende-/Empfangseinrichtung dafür.
Das Initialisierungsprotokoll dient dazu, eine Kommunikation zwischen einem
Fernanschlussmodem (ATU-R; in der Terminologie des Klagepatents: TRX2) und
einem Zentralstellenmodem (ATU-C; entsprechend TRX1), die über eine
Kommunikationsverbindung miteinander verbunden sind, zu ermöglichen. Ziel der
Initialisierung ist die Einstellung der für die konkrete Verbindung angepassten
Übertragungseigenschaften, wozu insbesondere die Datenrate gehört.
24
Den technischen Hintergrund des Gegenstands des Klagepatents bildet die
Telefon- und Datenübertragung über DSL (Abkürzung für Digital Subscriber Line),
insbesondere ADSL (Asymmetric Digital Subscriber Line; im Deutschen:
Asymmetrische digitale Teilnehmer-Anschlussleitung). Will ein Benutzer
beispielsweise auf das Internet zugreifen, ist es erforderlich, dass der
Personalcomputer des Benutzers mit einem Internetanbieter verbunden wird. Unter
Nutzung der ADSL-Technik kann diese Verbindung über die Zweidrahtleitung des
privaten Telefonanschlusses des Benutzers erfolgen. Die ADSL-Technik
einschließlich eines Initialisierungsprotokolls ist unter anderem in den Standards
der Standardisierungsorganisation ITU (International Telecommunication Union)
ITU-T xxxx.1 und xxxx.2 sowie in dem Standard T1.413 des ANSI (American
National Standards Institute) im Detail definiert.
25
Bei der ADSL-Technik werden digitale Daten in einem oberen Frequenzbereich
über die Zweidrahtleitung eines vorhandenen Telefonanschlusses übertragen,
26
während ein unteres Frequenzband für die analogen Signale des
Telefonanschlusses freigehalten wird, so dass wie bisher analog telefoniert werden
kann. Der Begriff der Asymmetrie steht dafür, dass in Richtung zum Benutzer hin
("downstream", stromabwärts) ein Frequenzband vorgesehen ist, das um ein
Mehrfaches breiter ist als das Frequenzband in Richtung zu dem Netzbetreiber bzw.
Internetanbieter hin ("upstream", stromaufwärts).
Zur Realisierung von ADSL sind sowohl auf der Teilnehmerseite als auch auf der
Netzbetreiberseite spezielle Sende- und Empfangsgeräte erforderlich. Diese
werden auf der Benutzerseite als ATU-R (ADSL transceiver unit - remote terminal;
umgangssprachlich auch als "Modem") und auf der Netzbetreiberseite als ATU-C
(ADSL transceiver unit - central office) bezeichnet. Die ADSL-Signale einer Vielzahl
von Benutzern werden bei dem Netzbetreiber in einem so genannten DSLAM
(Digital Subscriber Line Access Multiplexer) zusammengeführt, in dem für jeden
Benutzer ein ATU-C als Gegenstück zum ATU-R des Benutzers vorgesehen ist.
Von dem DSLAM erfolgt die weitere Übertragung des digitalen Datenstroms zu dem
Internetanbieter und zurück. Ein DSLAM ist damit ein Kernbestandteil der
Infrastruktur, die für die Anbindung vieler Endkunden über die ADSL-Technik
erforderlich ist.
27
Das Klagepatent befasst sich mit einem Initialisierungsvorgang, der automatisch
abläuft und zwingend erforderlich ist, wenn der Benutzer sein Modem zum ersten
Mal benutzt, um dieses bei dem DSLAM erstmals anzumelden. Das Modem ist dann
zunächst für den ATU-C des Netzbetreibers noch völlig unbekannt. Bei der
Initialisierung werden unter anderem die zu verwendenden Datenraten zwischen
dem DSLAM und dem Modem vereinbart, ohne die eine Kommunikation zwischen
Modem und DSLAM nicht möglich wäre. Diese Initialisierung ist als
Initialisierungsprotokoll in den bereits genannten Standards definiert, unter anderem
dem Standard ITU-T xxxx.1 und in dem Standard ANSI T1.xxx.
28
In dem von der Klagepatentschrift gewürdigten Stand der Technik waren
gattungsgemäße Initialisierungsprotokolle z.B. aus der Kommunikation zwischen
zwei Modems für ADSL bekannt, insbesondere aus den Vorschriften des Standards
der ANSI für ADSL, von denen die Klagepatentschrift den Standard T1E1.xxx mit
dem Titel "Network and Customer Installation Interfaces, Asymmetric Digital
Subscriber Line (ADSL) Metallic Interface" (nachfolgend: ANSI-Standardentwurf)
erwähnt. Dieses Initialisierungsprotokoll läuft zwischen zwei Transceivern ab, einem
Zentralstellenmodem (ATU-C) und einem Fernanschlussmodem (ATU-R). Nach den
Ausführungen der Klagepatentschrift ist im Hinblick auf die vorliegende Erfindung
nur der Teil des Initialisierungsprotokolls relevant, in dem zwei kommunizierende
ADSL-Transceiver die künftigen stromabwärtigen und stromaufwärtigen Datenraten
aushandeln und der in Figur 29 des ANSI-Standardentwurfs (Anlagen K5/K5a) mit
"Kanalanalyse" (Channel Analysis) und "Austausch" (Exchange) beschrieben
werde (Anlage K2, Spalte 1 Zeile 20-27; Anlage K3, Seite 1 Zeile 23-30). In der
Prozedur "Kanalanalyse" sende das Zentralstellenmodem vier optionale Werte für
die stromaufwärtige und die stromabwärtige Datenrate an das
Fernanschlussmodem. Dieses antworte bei Empfang dieses Vorschlags mit dem
Senden von vier optionalen Werten für die stromaufwärtige Datenrate zum
Zentralstellenmodem. Die optionalen Datenratenwerte seien in den so genannten
Nachrichten C-RATES1 und R-RATES1 eingekapselt (Anlage K2, Spalte 1 Zeile
27-41; Anlage K3, Seite 1 Zeile 30 bis Seite 2 Zeile 7). Die Prozedur "Austausch"
29
enthalte eine Phase, in der die beiden Modems einander mitteilen, welche der
optionalen Datenraten sie zu verwenden vorziehen. In einer letzten Phase, die
ebenfalls Teil der Prozedur "Austausch" des ADSL-Initialisierungsprotokolls nach
dem ANSI-Standardentwurf sei, sende das Fernanschlussmodem eine so genannte
Nachricht R-B&G zum Zentralstellenmodem, welche die Bit- und
Verstärkungsinformation für die Träger enthalte, die die diskreten Mehrton(DMT)-
Symbole trügen, die die künftige Kommunikation zwischen den ADSL-Transceivern
bilden würden (Anlage K2, Spalte 1 Zeile 41-52; Anlage K3, Seite 2 Zeile 7-17).
Diese Bit- und Verstärkungsinformation könne als Bestätigung der in der
vorangehenden Phase ausgewählten Datenrate angesehen werden (Anlage K2,
Spalte 1 Zeile 52-56; Anlage K3, Seite 2 Zeile 17-21).
Im Hinblick auf den ANSI-Standardentwurf kritisiert es die Klagepatentschrift als
nachteilig, dass sich die endgültig ausgewählten und bestätigten stromaufwärtigen
und stromabwärtigen Datenraten nicht von den vier in der ersten Phase
vorgeschlagenen Datenratenwerten unterscheiden können. Diese vorgeschlagenen
Datenratenwerte würden ziemlich willkürlich gewählt und könnten sich alle
wesentlich von den optimalen stromaufwärtigen und stromabwärtigen Datenraten
unterscheiden, die von den Eigenschaften der Kommunikationsverbindung
abhingen. Das bekannte Initialisierungsprotokoll unterstütze damit keine adaptiven
Datenraten, d.h. solche, die an die Kapazität der Kommunikationsverbindung
angepasst werden. Der einzige Weg, Datenraten anzupassen, sei der Neustart des
gesamten Identifizierungs- und Initialisierungsvorgangs (Anlage K2, Spalte 1 Zeile
56 bis Spalte 2 Zeile 11; Anlage K3, Seite 2 Zeile 21-35).
30
Im Stand der Technik werde in der US-Patentschrift x,xxx,xxx (Anlage K6) ein
Verfahren zur Bestimmung der Senderaten zwischen zwei Transceivern offenbart,
wobei ein vorher bestimmter Satz von Senderaten in Abwärtsrichtung geprüft werde,
bis eine Prüfung erfolgreich sei (Anlage K2, Spalte 2 Zeile 12-19; Anlage K3, Seite
3 Zeile 1-8). Dieses Verfahren kritisiert die Klagepatentschrift insofern als nachteilig,
als es aufgrund der für jede Senderate erforderlichen Prüfung zum einen sehr
zeitaufwendig sei, zum anderen müsse die aus einem vorher fest bestimmten Satz
ausgewählte Senderate nicht notwendiger Weise die optimale Datenrate darstellen.
Schließlich sei die Auswahl auf die vorher bestimmte Treppenstufe von Senderaten
eingeschränkt (Anlage K2, Spalte 2 Zeile 28-34; Anlage K3, Seite 3 Zeile 16-22).
31
Schließlich befasst sich die Klagepatentschrift mit dem in dem europäischen Patent
x xxx xxx (Anlage K7) offenbarten Verfahren, bei dem Identifizierungs- und
Antwortnachrichten zwischen zwei Modems wiederholt übertragen werden. Da die
Identifizierungsnachrichten jedoch keine verschiedenen Datenratenvorschläge
enthielten, seien die Modems nicht in der Lage, sich über einen oder mehrere
Datenratenvorschläge der optimalen Datenrate zu nähern (Anlage K2, Spalte 3
Zeile 8-12; Anlage K3, Seite 4 Zeile 22-26).
32
Vor diesem Hintergrund benennt es die Klagepatentschrift als Aufgabe der ihr
zugrunde liegenden Erfindung, ein Initialisierungsprotokoll des obigen bekannten
Typs bereitzustellen, das aber den oben beschriebenen Nachteil überwindet, d.h.
das eine Anpassung von Datenraten ohne Neustart unterstützt, also ohne alle
vorherigen Identifizierungs- und Initialisierungsschritte nochmals auszuführen
(Anlage k2, Spalte 2 Zeile 35-40; Anlage K3, Seite 3 Zeile 24-29).
33
Zur Lösung schlägt Anspruch 1 des Klagepatents ein Initialisierungsprotokoll vor,
dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
34
1. Initialisierungsprotokoll, das von einem ersten Transceiver (TRX1) und einem
zweiten Transceiver (TRX2) ausgeführt werden soll, um eine Datenrate für eine
spätere Datenübertragung über eine Kommunikationsverbindung (TL)
auszuhandeln, die zwischen dem ersten Transceiver (TRX1) und dem zweiten
Transceiver (TRX2) angeschlossen ist.
2. Das Initialisierungsprotokoll enthält eine erste Phase (VORSCHLAG), in der
wenigstens der erste Transceiver (TRX1) einen ersten Satz von Datenratenwerten
vorschlägt.
3. Das Initialisierungsprotokoll enthält eine zweite Phase (AUSWAHL), in der
mitgeteilt wird, welcher Datenratenwert ausgewählt wird.
4. Das Initialisierungsprotokoll enthält eine dritte Phase (BESTÄTIGUNG), in der
bestätigt wird, dass ein ausgewählter Datenratenwert die Datenrate für die spätere
Übertragung wird.
5. In der ersten Phase (VORSCHLAG) wird der erste Satz von Datenratenwerten
über eine zum zweiten Transceiver (TRX2) gesendete Vorschlagsnachricht
vorgeschlagen.
6. In der zweiten Phase (AUSWAHL) wird der Datenratenwert, der ausgewählt wird,
über eine zwischen dem ersten Transceiver (TRX1) und dem zweiten Transceiver
(TRX2) übertragene Auswahlnachricht mitgeteilt.
7. In der dritten Phase (BESTÄTIGUNG) wird der ausgewählte Datenratenwert über
eine zwischen dem ersten Transceiver (TRX1) und dem zweiten Transceiver
(TRX2) übertragene Bestätigungsnachricht bestätigt.
8. Bevor die dritte Phase (BESTÄTIGUNG) ausgeführt wird, meldet der erste
Transceiver (TRX1) oder der zweite Transceiver (TRX2) über eine zwischen dem
ersten Transceiver (TRX1) und dem zweiten Transceiver (TRX2) übertragene
Meldenachricht einen neuen Datenratenvorschlag,
9. worauf die erste Phase (VORSCHLAG) mit einem zweiten Satz von
Datenratenwerten, der sich vom ersten Satz von Datenratenwerten unterscheidet,
erneut durchgeführt wird.
35
36
Hinsichtlich der weiteren Ansprüche des Klagepatents wird auf die Klagepatentschrift
verwiesen.
37
II. Die Parteien streiten allein über Auslegung und Verwirklichung der Merkmale 8 und 9
der oben wiedergegebenen Merkmalsgliederung. Nähere Ausführungen zur Auslegung
der Merkmale 1 bis 7 erübrigen sich daher. Im Ergebnis werden aber entgegen der
Auffassung der Beklagten auch die Merkmale 8 und 9 durch das Initialisierungsprotokoll
nach dem Standard ITU xxxx.1 verwirklicht. Die Beklagten bestreiten nicht, dass die
angegriffenen Ausführungsformen geeignet und bestimmt sind, das
Initialisierungsprotokoll nach dem Standard ITU xxxx.1 durchzuführen, zumal sie
ausdrücklich damit beworben werden, mit den internationalen Standards, unter anderem
mit dem Standard ITU xxxx.1, konform zu sein (Anlage K9, Kapitel 1.1 im dritten Absatz,
38
Kapitel 2.2.3.1 letzte Zeile: "Fully complies with ITU xxxx.1 ...", "volle Konformität mit ITU
xxxx.1 ..."). Die Eignung und Bestimmung der angegriffenen Ausführungsformen im
Sinne des § 10 Abs. 1 PatG, das in Patentanspruch 1 geschützte Verfahren
auszuführen, hängt damit allein davon ab, ob das standardgemäße
Initialisierungsverfahren nach ITU xxxx.1 zwingend von sämtlichen Merkmalen des
Patentanspruchs 1 Gebrauch macht. Dies stellen die Beklagten hinsichtlich der
Merkmale 8 und 9 zu Unrecht in Abrede.
1. Die im Standard ITU xxxx.1 im Abschnitt 10 niedergelegten Anforderungen an das
Initialisierungsprotokoll sind Bestandteil der zwingenden Anforderungen, müssen also
von einem DSLAM, der wie die angegriffenen Ausführungsformen mit dem Standard ITU
xxxx.1 konform ist, erfüllt werden. Im Abschnitt 10.1.1 heißt es unter "Basic functions of
initialization" (Anlage K13/K13a, Seite 86, Absatz 1 und 2), dass eine Initialisierung der
ADSL-Transceiver erforderlich sei, um eine Verbindung zwischen einem physikalisch
verbundenen Paar von ATU-R und ATU-C herzustellen. Um die Leistungsfähigkeit und
Zuverlässigkeit dieser Verbindung zu maximieren, "sollen" ("shall") ADSL-Transceiver
bestimmte relevante Eigenschaften des Verbindungskanals ermitteln und Übertragungs-
und Bearbeitungseigenschaften festlegen, die an diesen Kanal angepasst sind. In der
Terminologie des Standards beschreibt dieser die Kategorie der verbindlichen
Anforderungen mit dem Begriff "shall" (soll), Empfehlungen mit dem Begriff "should"
(sollte) und bloße Optionen mit dem Begriff "may" (kann) (vgl. Anlage K13/K13a, Seite i).
39
2. Da die Verwirklichung der Anspruchsmerkmale 1 bis 7 durch das
standardgemäße Initialisierungsprotokoll ITU xxxx.1 zwischen den Parteien nicht
umstritten ist, dienen die nachfolgenden Ausführungen, durch welche konkreten
Nachrichten des Protokolls diese Merkmale verwirklicht werden und durch welche
Signale die Klägerin eine Verwirklichung der streitigen Merkmale 8 und 9 sieht,
vorrangig dem Verständnis des Protokollablaufs insgesamt. Bei dem
standardgemäßen Initialisierungsverfahren handelt es sich um ein
Initialisierungsprotokoll, das von einem ersten Transceiver (dem
Zentralstellenmodem ATU-C) und einem zweiten Transceiver (dem
Fernanschlussmodem ATU-R) ausgeführt werden soll, um eine Datenrate für eine
spätere Datenübertragung über eine Kommunikationsverbindung (Telephone Line;
TL) auszuhandeln, die zwischen dem ersten und dem zweiten Transceiver
(TRX1/ATU-C und TRX2/ATU-R) angeschlossen ist (Merkmal 1).
40
Wie sich der Figur 10-1 der Anlage K13/K13a (Seite 86) entnehmen lässt, beginnt die
gesamte Initialisierung mit einer "Handshake Procedure" und einem "Transceiver
Training" und wird fortgesetzt mit einer "Channel Analysis" und einem "Exchange". Die
für das Klagepatent relevanten Abschnitte "Kanalanalyse" ("Channel Analysis") und
"Austausch" ("Exchange") sind in den Abschnitten 10.6 bis 10.9 beschrieben. Im
Rahmen des Schrittes "Kanalanalyse" wird von dem Zentralstellenmodem ATU-C eine
Vorschlagsnachricht C-RATES1 an das Fernanschlussmodem ATU-R gesendet (vgl.
Abschnitt 10.6.2 und Figur 10-3, Seite 95). Der Zweck von C-RATES1 liegt darin, vier
Optionen für Datenraten und Formate an den ATU-R zu übermitteln (vgl. Abschnitt
10.6.2 Abs. 1, Seite 95). Diese Datenraten betreffen die Übertragungsrichtung ATU-C zu
ATU-R (downstream). Darin liegt die erste Phase (VORSCHLAG), in der wenigstens der
erste Transceiver (ATU-C) einen ersten Satz von Datenratenwerten über eine an den
zweiten Transceiver gesendete Vorschlagsnachricht vorschlägt (Merkmale 2 und 5).
41
Daran anschließend sendet das Fernanschlussmodem ATU-R im Rahmen der
42
"Channel Analysis" eine Vorschlagsnachricht R-RATES1 an das Zentralstellenmodem
ATU-C, was wie die folgenden Ausführungen dieses Absatzes für das Verfahren nach
Patentanspruch 1 nicht von unmittelbarer Bedeutung ist. Mit R-RATES1 werden vier
Optionen für Datenraten in der Übertragungsrichtung "ATU-R zu ATU-C" (upstream)
übermittelt. Daraufhin werden in beiden Richtungen bestimmte Signalfolgen C-MEDLEY
(in der downstream-Richtung) und R-MEDLEY (upstream) übertragen, mit deren Hilfe
eine Analyse der Übertragungsleitung stromabwärts und stromaufwärts durchgeführt
wird. Anhand ihrer kann der jeweils empfangende Transceiver die Übertragungsqualität
bei den einzelnen Datenraten in Richtung auf ihn hin ermitteln, was sich nach dem
Verhältnis von Signal und Rauschen (engl. "SNR" für "Signal to Noise Ratio") bemisst.
Im Rahmen des letzten Abschnitts "Exchange" des standardgemäßen
Initialisierungsverfahrens werden zwischen den Transceivern Nachrichten
entsprechend der Figur 10-4 der Anlage K13/K13a (Seite 103) ausgetauscht. Figur
10-4 setzt die Figur 10-3 in nunmehr vertikaler Darstellung fort; die linke Spalte
betrifft dabei das Zentralstellenmodem ATU-C, die rechte das Fernanschlussmodem
ATU-R. Dieses sendet eine Meldenachricht R-RATES-RA (RA für "rate adaptation",
Anpassung der Datenrate) an das Zentralstellenmodem ATU-C, die das Ergebnis
der "downstream" durchgeführten Kanalanalyse berücksichtigt. R-RATES-RA stellt
damit eine Antwort auf die Vorschlagsnachricht C-RATES1 dar (vgl. Abschnitt
10.9.4, Seite 112 der Anlage K13/K13a). Wie Abschnitt 10.9.4 (Seite 112 der Anlage
K13/K13a) näher beschreibt, sendet das Modem ATU-R mit dieser Nachricht eine
von drei optionalen Mitteilungen: Entweder (1) wird von den vier in C-RATES1
vorgeschlagenen Optionen diejenige mit der höchsten Datenrate für die
downstream-Richtung mitgeteilt oder (2) es wird mitgeteilt, dass im Moment keine
der vorgeschlagenen Optionen ausgewählt wird, sondern dass dies erst später auf
der Grundlage einer weiteren Nachricht C-RATES-RA gemacht wird, oder (3) es
wird mitgeteilt, dass keine der über C-RATES1 vorgeschlagenen Optionen
brauchbar ist. Einen neuen Vorschlag für Datenraten enthält R-RATES-RA
hingegen selbst nicht.
43
Als Antwort auf die Nachricht R-RATES-RA sendet das Zentralstellenmodem ATU-C
immer, mithin unabhängig vom konkreten Inhalt der Nachricht R-RATES-RA, vier neue
optionale Datenratenvorschläge mit der Nachricht C-RATES-RA an das
Fernanschlussmodem ATU-R. Diese betreffen sowohl die upstream- als auch die
downstream-Richtung. Die neuen Vorschläge für die downstream-Richtung beruhen auf
der mit R-RATES-RA erfolgten Mitteilung; die neuen Vorschläge für die upstream-
Richtung berücksichtigen die mittels R-MEDLEY durchgeführte Analyse der
Datenübertragungsleitung (upstream). Damit können sich die neuen Optionen für
Datenraten von den in C-RATES1 übermittelten ersten vier Optionen unterscheiden (vgl.
Abschnitte 10.8.2 und 10.8.3 erster Absatz).
44
Nach Auffassung der Klägerin stellt die Nachricht R-RATES-RA eine Meldenachricht im
Sinne des Merkmals 8 dar, indem vor Ausführung der dritten Phase (BESTÄTIGUNG) –
und zugleich vor Ausführung der zweiten Phase (AUSWAHL) – von dem zweiten
Transceiver (ATU-R) über eine zwischen beiden Transceivern übertragene
Meldenachricht R-RATES-RA ein neuer Datenratenvorschlag gemeldet wird. Daraufhin
werde – so die Klägerin – die erste Phase (VORSCHLAG) mit einem zweiten Satz von
Datenratenwerten in Gestalt der Nachricht C-RATES-RA erneut durchgeführt, wobei
sich der zweite Satz (C-RATES-RA) vom ersten Satz (C-RATES1) unterscheide
(Merkmal 9).
45
Auf die Nachricht C-RATES-RA folgt die Auswahlnachricht R-RATES2 des
Fernanschlussmodems ATU-R, mit der dieses eine der in C-RATES-RA
angebotenen Datenraten für die downstream-Richtung auswählt, wobei die Auswahl
nach den Ergebnissen der Analyse der Übertragungsleitung anhand des Signals C-
MEDLEY und der downstream gemessenen SNR getroffen wird (vgl. Abschnitt
10.9.10 erster Absatz, Seite 114 der Anlage K13/K13a). Dies stellt, wie zwischen
den Parteien wiederum unstreitig ist, die zweite Phase (AUSWAHL) dar, in der über
eine zwischen dem ersten und dem zweiten Transceiver übertragene
Auswahlnachricht (R-RATES2) mitgeteilt wird, welcher Datenratenwert ausgewählt
wird (Merkmale 3 und 6).
46
Schließlich wird von dem Zentralstellenmodem ATU-C im Rahmen einer mit C-
RATES2 bezeichneten Nachricht die endgültig ausgewählte Datenrate für beide
Richtungen an das Fernanschlussmodem ATU-R gesendet (vgl. Abschnitt 10.8.11
Absatz 1 und 2, Seite 108 der Anlage K13/K13a). Da das Modem ATU-C in der
Nachricht C-RATES2 die downstream-Option gegenüber der in R-RATES2
gewählten nicht verändern soll (vgl. Abschnitt 10.8.11 zweiter Absatz, Seite 108 der
Anlage K13/K13a), bestätigt die Nachricht C-RATES2 die von R-RATES2
übermittelte Datenrate für die downstream-Richtung sowie die durch das
Zentralstellenmodem ATU-C ausgewählte Datenrate für die upstream-Richtung.
Dies stellt die dritte Phase (BESTÄTIGUNG) dar, in der über eine zwischen den
beiden Transceivern übertragene Bestätigungsnachricht, die Nachricht C-RATES2,
bestätigt wird, dass ein ausgewählter Datenratenwert die Datenrate für die spätere
Übertragung wird (Merkmale 4 und 7).
47
3. Die Beklagten stellen die Eignung der Nachricht R-RATES-RA, eine (wie es in
der veröffentlichten deutschen Übersetzung des Anspruchs 1 heißt)
"Meldenachricht" im Sinne des Merkmals 8 darzustellen, zum einen mit der
Begründung in Abrede, die "Meldenachricht" könne nur von demjenigen
Transceiver ausgehen, der im Anschluss auch den zweiten Satz von
Datenratenwerten nach Merkmal 9 übersendet. Zum anderen verlange Merkmal 8,
dass patentgemäß vor Eintritt in die erneute Vorschlagsphase eine Entscheidung
über das "Ob" eines wiederholten Vorschlags getroffen werden müsse. Dies sei bei
dem standardgemäßen Verfahren nicht der Fall, denn hier erfolgt – wie die Klägerin
in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat – zwingend die Übermittlung eines
zweiten Satzes von Datenratenwerten. Wegen dieses Automatismus des zweiten
Datenratenvorschlags werde eine Verwirklichung des Anspruchs 1 ausgeschlossen.
Zugleich sehe das Initialisierungsverfahren nach dem Standard ITU xxxx.1 keine
erneute Wiederholung vor, der zweite Satz von Datenratenwerten sei zugleich der
letzte, was im Tatsächlichen ebenfalls unstreitig ist. Die Beklagten meinen, eine
"Meldenachricht" nach Merkmal 8 setze die Möglichkeit voraus, die
Vorschlagsphase "wieder und wieder", also nicht nur ein weiteres Mal,
durchzuführen. Merkmal 8 werde deshalb von dem standardgemäßen
Initialisierungsprotokoll nicht erfüllt.
48
a) Maßgeblich für die Auslegung des Patentanspruchs ist gemäß Art. 70 Abs. 1 EPÜ der
verbindliche Anspruchswortlaut in der englischen Verfahrenssprache. Er lautet in der für
Merkmal 8 relevanten Passage:
49
"... before said third phase (CONFIRMATION) is executed, said first transceiver
50
(TRX1) or said second transceiver (TRX2) announces a new data rate proposal
via an announcement message transmitted between said first transceiver
(TRX1) and said second transceiver (TRX2).”
Zum einen spricht der verbindliche englische Anspruchswortlaut damit von einer
"announcement message", die zutreffender mit "Ankündigungsnachricht" übersetzt
worden wäre, und von der Tätigkeit des Ankündigens ("to announce"). Zum anderen
stellt es der Anspruchswortlaut aber ausdrücklich frei, ob der erste oder der zweite
Transceiver (TRX1 oder TRX2) über eine "announcement message" den neuen
Datenratenvorschlag ankündigt; er lässt damit explizit beide Richtungen der
Ankündigungsnachricht zu, während die gemäß Merkmal 9 wiederholte
Vorschlagsphase einen Vorschlag neuer Datenratenwerte beinhaltet, die (wenigstens,
so Merkmal 2) von dem ersten Transceiver TRX1 ausgeht (so Merkmal 5). Die von den
Beklagten postulierte Identität zwischen dem "ankündigenden" und dem anschließend
(erneut) vorschlagenden Transceiver in dem Sinne, dass beide Tätigkeiten von dem
Transceiver 1 ausgeführt werden müssten, findet in Anspruchswortlaut damit keinerlei
Stütze. Die Beschreibung des bevorzugten Ausführungsbeispiels nach Figur 1 des
Klagepatents (Anlage K2, Spalte 8 Zeile 8-12; Anlage K3, Seite 13 Zeile 8-10), ein
spezielles zusätzliches Bitmuster in der Nachricht zeige an, "dass für die stromauf- und
stromabwärtigen Datenraten keine Auswahl getroffen, aber vom Zentralstellenmodem
TRX1 ein neuer Vorschlag formuliert wird", lässt sich nicht verallgemeinern. Wie in der
höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt ist, erlaubt ein Ausführungsbeispiel
regelmäßig keine einschränkende Auslegung eines die Erfindung allgemein
kennzeichnenden Patentanspruchs (BGH, GRUR 2004, 1023ff. – Bodenseitige
Vereinzelungsvorrichtung). Hier ist von den Beklagten nicht dargetan und auch sonst
nicht ersichtlich, warum die technische Lehre des Klagepatents unter funktionalen
Gesichtspunkten darauf beschränkt werden sollte, dass Ankündigungs- und
Vorschlagsnachricht zwingend von demselben (ersten) Transceiver gesendet werden
müssten.
51
Auch die philologischen Überlegungen der Beklagten können diese Auffassung
nicht tragen. Die Beklagten meinen, eine "Ankündigung" liege nur dann vor, wenn
der Gegenstand der Ankündigung nicht vom Empfänger der Ankündigung ausgehe.
Der Sinne einer Ankündigung bestehe darin, den Empfänger darauf vorzubereiten,
dass eine weitere Nachricht - die Vorschlagsnachricht mit dem neuen Satz von
Datenratenwerten - folge, weshalb die Ankündigungsnachricht bei nur zwei
beteiligten Einheiten von derselben sendenden Einheit ausgehen müsse, die im
Anschluss auch die Vorschlagsnachricht übermittelt. Andernfalls liege sprachlich
schon keine Ankündigung (englisch: announcement), sondern eine Anfrage
(englisch: request) vor, wobei die Klagepatentschrift für ein solches Verständnis
keine Anhaltspunkte enthalte. Dieser Auffassung steht bereits entgegen, dass die
Klagepatentschrift den von den Beklagten eingeführten Begriff der
"Anfragenachricht" (request) als Gegenbegriff zu einer Ankündigungsnachricht nicht
kennt. Ihm kann daher für die Abgrenzung, die sich vorrangig an funktionalen
Gesichtspunkten orientieren muss, auch keine Bedeutung beigemessen werden.
52
Weder unter funktionalen Gesichtspunkten noch vor dem Hintergrund des von der
Beschreibung gewürdigten Standes der Technik ist es gerechtfertigt, die technische
Lehre des Klagepatents darauf zu beschränken, dass ein und derselbe Transceiver die
Meldenachricht im Sinne des Merkmals 8 und im Anschluss die Vorschlagsnachricht
nach Merkmal 9 übersenden müsse. Protokolle zur Initialisierung waren aus dem Stand
53
der Technik bekannt. Die Festlegung der Übertragungseigenschaften erfolgte danach
dergestalt, dass jeder Transceiver eine bestimmte Menge von exakt getakteten Signalen
produzierte und in angemessener Weise auf solche Signale reagierte, die Transceiver
gleichsam eine "Unterhaltung" führten. An den bekannten Initialisierungsprotokollen
orientiert sich die Klagepatentschrift grundsätzlich, beispielsweise indem sie auf das
Initialisierungsprotokoll nach dem ANSI-Standardentwurf (Anlage K5) verweist (Anlage
K2, Spalte 1 Zeile 7ff.; Anlage K3, Seite 1 Zeile 10ff.). Sie kritisiert daran jedoch, dass
sich die ausgewählten und bestätigten Datenraten nicht von denjenigen unterscheiden
könnten, die in einem ersten Vorschlag enthalten waren, während für einen neuen
Vorschlag das komplette Verfahren wiederholt werden müsse (Anlage K2, Spalte 2
Zeile 9-11; Anlage K3, Seite 2 Zeile 33-35). Zur Lösung schlägt es das Klagepatent vor,
dass es den beiden Transceivern gestattet werde, innerhalb eines bereits begonnenen
Initialisierungsprotokolls einen erneuten Vorschlag mit neuen Datenratenwerten zu
übermitteln, mithin die Phase des Aushandelns zu wiederholen, ohne an die
Datenratenwerte des ersten Vorschlags gebunden zu sein. Zu diesem Zweck dienen die
Verfahrensschritte nach den Merkmalen 8 und 9 (Anlage K2, Spalte 4 Zeile 44-51;
Anlage K3, Seite 3 Zeile 35 bis Seite 4 Zeile 5).
Daraus ergibt sich, dass die "announcement message" ("Meldenachricht") nach
Merkmal 8 die technische Funktion aufweist, im Zuge der "Unterhaltung" zwischen den
beiden Transceivern denjenigen Punkt zu markieren, an den sich die Wiederholung der
ersten Phase (entsprechend Merkmal 9) anschließt, anstatt mit dem weiteren Protokoll
(Auswahl aus den vorliegenden Datenratenwerten und Bestätigung) fortzufahren. Um
diese Funktion im Rahmen des gesamten Initialisierungsprotokolls wahrnehmen zu
können, muss die Nachricht nach Merkmal 8 so ausgestaltet sein, dass sie an keiner
anderen Stelle des Protokolls übermittelt wird. Andernfalls könnte sie nicht in der
erforderlichen unmissverständlichen Weise den Punkt markieren, an dem die
Vorschlags-Phase wiederholt und noch nicht in die Auswahl- oder Bestätigungsphase
eingetreten oder das Initialisierungsprotokoll abgebrochen wird. Zudem wäre der neue
Vorschlag ohne eine dahingehende Nachricht nicht von dem erstmaligen Vorschlag zu
unterscheiden. Aufgabe und Gegenstand der Nachricht nach Merkmal 8 ist es mithin,
genau festzulegen und den Transceivern anzuzeigen, dass im Anschluss an das
spezifische Signal die Übermittlung eines neuen Vorschlags folgt. Wie die "Melde-" oder
"Ankündigungsnachricht" im Einzelnen ausgestaltet ist, überlässt die Klagepatentschrift
vielmehr der Gestaltung des Fachmanns. Entscheidend ist allein die Anzeige im Sinne
einer Ankündigung, dass eine erneute Vorschlagsnachricht erfolgen soll, bevor die
Transceiver in die Auswahl- und Bestätigungsphase eintreten. Damit ist es in der Tat
ohne Bedeutung, welchen der drei möglichen Inhalte die Nachricht R-RATES-RA an
den ersten Transceiver (ATU-C) übermittelt. In jedem Fall markiert die Nachricht in einer
für beider Transceiver unmissverständlichen Weise, dass im Anschluss ein neuer Satz
von Datenratenwerten durch ATU-C an ATU-R übermittelt wird. Die Richtung dieser
erneuten Vorschlagsnachricht von demjenigen Transceiver, der zuvor die
Ankündigungsnachricht empfangen hat (ATU-C) an den sie sendenden Transceiver
(ATU-R) steht der patentgemäßen Ordnungsfunktion der Nachricht ebenso wenig
entgegen wie der Automatismus, mit dem eine erneute (d.h. zweite und zugleich letzte)
Vorschlagsnachricht angekündigt wird.
54
b) Für die weitergehende Annahme der Beklagten, die Ankündigungsnachricht nach
Merkmal 8 setze eine vorangehende Entscheidung darüber voraus, ob überhaupt eine
Wiederholung der Vorschlagsphase erfolgen soll oder nicht, finden sich keine
Anhaltpunkte im Anspruchswortlaut. Die Beklagten haben nicht aufgezeigt, aus
55
welchem Element des Anspruchswortlauts sich ableiten lasse, dass der Nachricht nach
Merkmal 8 in patentgemäßer Weise eine Entscheidung über die Wiederholung
vorausgehen müsste. Schon aus diesem Grunde können die in der Duplik angeführten
Beschreibungsstellen die Ansicht der Beklagten nicht stützen. Die Erwähnung der
Möglichkeit, dass ein Transceiver den anderen über seinen Wunsch informieren könne,
einen neuen Vorschlag zu formulieren (Anlage K2, Spalte 3 Zeile 22ff.; Anlage K3, Seite
5 erster Absatz), beschreibt nicht lediglich das Verfahren nach dem Hauptanspruch 1.
Wie sich aus der Einleitung des Absatzes ergibt (Anlage K2, Spalte 3 Zeile 17ff.; Anlage
K3, Seite 4 Zeile 33ff.), steht diese Stelle der Beschreibung in Zusammenhang mit einer
Messung der Kapazität der Kommunikationsverbindung, die nicht Gegenstand des
Anspruchs 1, sondern erst des abhängigen Unteranspruchs 2 ist. Rückschlüsse auf die
Auslegung des Anspruchs 1 in dem Sinne, dass der Nachricht nach Merkmal 8
zwingend eine Entscheidung über das Ob einer erneuten Vorschlagsphase zugrunde
liegen müsste, verbieten sich daher. Die weitere von den Beklagten angeführte
Beschreibungsstelle (Anlage K2, Spalte 4 Zeile 1ff.; Anlage K3, Seite 6 erster
vollständiger Absatz) bestätigt dies, indem sie herausstellt, dass es die vorliegende
Erfindung für Hauptanspruch 1 nicht erfordert, dass die Verbindung analysiert wird,
bevor ein Transceiver einen neuen Vorschlag meldet. Die Beschreibungsstelle in
Absatz [0024] (Anlage K2, Spalte 5 Zeile 19ff.; Anlage K3, Seite 8 vierter Absatz) befasst
sich schließlich mit einer vorteilhaften Gestaltung der Transceiver gemäß
Unteranspruch 9 (vgl. Anlage K2, Abschnitt [0023], Spalte 5 Zeile 14ff.; Anlage K3, Seite
8 dritter Absatz), ist für Anspruch 1 aber nicht verallgemeinerungsfähig.
Schließlich berufen sich die Beklagten darauf, in der Beschreibung (Anlage K2, Spalte 8
Zeile 49ff.; Anlage K3, Seite 14 Zeile 9ff.) heiße es im Zusammenhang mit dem
bevorzugten Ausführungsbeispiel, die Phasen Vorschlag, Kanalanalyse und Auswahl
würden (wie es bei korrekter Übersetzung des Wortes "repetitively" heißen müsste)
"wiederholt" ausgeführt, bis zufrieden stellende Datenratenwerte ermittelt seien. Dies
berechtigt aber nicht zu der Annahme, es müsse optional auch zu mehrfachen
Wiederholungen kommen können, was eine Entscheidung über das Ob einer weiteren
Vorschlagsphase voraussetzen würde. Der maßgebliche Anspruchswortlaut bietet für
eine in dieser Weise einschränkende Auslegung keinen Auslegungsspielraum.
56
c) Soweit sich die Beklagten schließlich darauf berufen, das Klagepatent setze einen
beliebig häufig wiederholten Vorgang der erneut durchgeführten Vorschlagsphase
voraus, ist ihnen auch darin nicht zu folgen. Zum einen haben sie auch für diese
Einschränkung des Schutzbereichs keine Anhaltspunkte aus dem Anspruchswortlaut
dargetan. Dass die Beschreibungsstelle in Anlage K3 (Seite 14 Zeile 9ff.; Anlage K2,
Spalte 8 Zeile 49ff.) nicht den Schluss zulässt, es müsse zwingend zu mehrfachen
Wiederholungen der Vorschlagsphase kommen können, wurde unter b) bereits erörtert.
Zum anderen ist es für das technische Problem der Erfindung nach dem Klagepatent,
ein Initialisierungsprotokoll bereitzustellen, das eine Anpassung von Datenraten ohne
Neustart unterstützt, mithin ohne alle vorherigen Identifizierungs- und
Initialisierungsschritte nochmals ausführen zu müssen (Anlage K2, Spalte 2 Zeile 35-40;
Anlage K3, Seite 3 zweiter Absatz), nicht zwingend erforderlich, dass die
Vorschlagsphase beliebig oft wiederholt wird. Ausreichend zur Erreichung dieser
Verbesserung gegenüber dem Stand der Technik, der eine erneute Vorschlagsphase
innerhalb desselben Initialisierungsprotokolls überhaupt nicht unterstützte, ist es bereits,
wenn es (nur, aber immerhin) einmal zur Übermittlung eines neuen Satzes von
Datenratenwerten kommt. Mag es auch wünschenswert erscheinen, die Auswahl sogar
auf der Grundlage weiterer, über den zweiten Satz an Datenratenwerten
57
hinausgehender Vorschläge treffen zu können, so hat diese mögliche weitergehende
Verbesserung jedenfalls keinen Niederschlag in der Anspruchsfassung gefunden.
Wenn schließlich in dem als Anlage B15 vorgelegten Meeting Report der Tagung vom
11.-14. November 1996 in Dallas auf Seite 19 davon die Rede ist, der die technische
Lehre des Klagepatents umfassende Vorschlag der Klägerin (die Contribution
T1E1.4/96-xxx, nachfolgend Contribution ´352) biete die Möglichkeit "wieder und wieder
nachzuverhandeln", ist dies gegenüber der hier vertretenen Auslegung des
Anspruchswortlauts im Ergebnis unerheblich. Denn die Klagepatentschrift ist aus sich
heraus auszulegen (vgl. Art. 69 Abs. 1 EPÜ). Fachkundige Äußerungen, wie sie im
Meeting Report nach Anlage B15 gesehen werden könnten, vermögen allenfalls einen
Anhalt dafür zu bieten, wie ein Fachmann die technische Lehre des Klagepatents
anknüpfend an auslegungsbedürftige Merkmale unter Berücksichtigung seiner
Fachkenntnisse versteht. Wenn es aber wie im vorliegenden Fall im Anspruchswortlaut
keine Grundlage für eine weiter einschränkende Auslegung des Anspruchswortlauts
gibt, können auch fachkundige Äußerungen eine solche Einschränkung nicht tragen.
58
4. Im Hinblick auf Merkmal 9 vertreten die Beklagten die Ansicht, der zweite Satz von
Datenratenwerten dürfe sich von dem ersten ausschließlich darin unterscheiden, dass
anstelle des ersten Satzes von Datenratenwerten nunmehr vier neue Datenraten
vorgeschlagen werden. Dies sei jedoch hinsichtlich der Nachricht C-RATES1 – der
ersten Vorschlagsnachricht im Sinne des Merkmals 5 – einerseits und der Nachricht C-
RATES-RA, mit der neue Datenratenwerte vorgeschlagen werden, andererseits nicht
der Fall. Denn ausweislich des Abschnitts 10.8.3 des Standards (Anlage K13/K13a,
Seite 104) bestünden darüber hinaus weitere Unterschiede. So sei zwar das Format der
Nachricht C-RATES-RA dasselbe wie das der Nachricht C-RATES1, aber mit der
Ausnahme, dass ein dort genanntes 4-Byte-Präfix nicht vorhanden sei und dass das
Signal mit acht Bit per Symbol übertragen werde, wie für die Nachricht C-MSG2 in
Abschnitt 10.8.9 definiert.
59
Diese weiteren Unterschiede, auf die die Beklagten hinweisen, sind für Merkmal 9 nicht
von Relevanz. Die Beklagten legen weder dar, woran sie ihre Auffassung, die
Vorschlagsnachricht in der zweiten Vorschlagsphase dürfe sich ausschließlich durch
die neuen Datenratenwerte von der ersten unterscheiden, im Anspruchswortlaut
festmachen wollen, noch zeigen sie auf, welche Funktion und Bedeutung dieser
Beschränkung im Rahmen der Lehre des Klagepatents zukommen sollte. Merkmal 9
spricht zwar davon, dass sich die beiden Sätze von Datenratenwerten unterscheiden
sollen, was bei dem Standard ITU xxxx.1 der Fall ist, bringt aber keineswegs zum
Ausdruck, dass sie sich ausschließlich darin unterscheiden dürfen, weitere
Abweichungen also aus dem Schutzbereich des Klagepatents herausführen sollten.
Maßgeblich für die technische Lehre des Klagepatents ist, dass die Auswahl der
Datenratenwerte aus einem neuen (sich also vom ersten unterscheidenden) Satz, der in
der wiederholten Vorschlagsphase übermittelt wird, erfolgt, um mittels dieser
Abweichung die gewünschte Adaptation der Datenratenwerte vornehmen zu können,
ohne das gesamte Protokoll erneut durchlaufen zu müssen. Für diesen Zweck genügt
aber der Unterschied jedenfalls in den neuen vorgeschlagenen Datenratenwerten. Auf
das Vorhandensein oder Fehlen anderer Unterschiede zwischen der ersten und der
neuen Vorschlagsnachricht kommt es erkennbar nicht an.
60
5. Legt man das unter 3. und 4. dargelegte Verständnis der Merkmale 8 und 9 zugrunde,
verwirklicht das Initialisierungsverfahren nach dem Standard ITU xxxx.1 diese Merkmale
61
wortsinngemäß.
So stellt die Nachricht R-RATES-RA eine Meldenachricht (im Sinne einer
"announcement message" des Merkmals 8) dar. Die Nachricht R-RATES-RA besagt mit
ihrem zweiten möglichen Inhalt, dass keine der in C-RATES1 vorgeschlagenen
Optionen im Moment ausgewählt wird, sondern dass dies erst später auf der Grundlage
einer weiteren Nachricht C-RATES-RA gemacht wird (vgl. Abschnitt 10.9.4, Seite 112
der Anlage K13/K13a). Aber auch im Falle des ersten oder dritten möglichen Inhalts der
Nachricht R-RATES-RA kommt es zur Wiederholung der Vorschlagsphase. Dies ist
zwischen den Parteien unstreitig, nachdem die Klägerin im Termin bestätigt hat, dass
das Initialisierungsprotokoll in jedem Fall, also nicht nur bei dem zweiten möglichen
Inhalt der Nachricht R-RATES-RA, in die zweite Vorschlagsphase eintritt. Auch mit
diesem Inhalt markiert die Nachricht R-RATES-RA aber eindeutig den Punkt, ab dem
das Protokoll die zweite Vorschlagsphase durchführt und erfüllt damit den Zweck der
"Meldenachricht" nach Merkmal 8, die eine neue Vorschlagsphase meldet (ankündigt).
Da es anspruchsgemäß für die Merkmalsverwirklichung irrelevant ist, ob die
"Meldenachricht" von dem ersten oder von dem zweiten Transceiver versandt wird, ist
es unschädlich, dass die Nachricht R-RATES-RA von dem Fernanschlussmodem ATU-
R (entsprechend dem Transceiver TRX2) ausgeht, während die erneute
Vorschlagsphase nach Merkmal 9 in Gestalt der Nachricht C-RATES-RA einen
Vorschlag umfasst, der durch das Zentralstellenmodem ATU-C (entsprechend dem
Transceiver TRX1) unterbreitet wird. Dass nach dem Verständnis des Standards ITU
xxxx.1 die Nachricht R-RATES-RA eine "Antwort" auf das Signal C-RATES1 unter
Berücksichtigung der Ergebnisse der downstream-Kanalanalyse darstellt (vgl. Abschnitt
10.9.4 Satz 1, Seite 112 der Anlage K13/K13a: "reply"), steht dem gleichzeitigen
Verständnis dieser Nachricht als Ankündigungsnachricht im Sinne des Merkmals 8 nicht
entgegen. Dem Begriff der "Antwort" muss der Standard, der terminologisch auf die
Lehre des Klagepatents keine Rücksicht nehmen konnte, keine Bedeutung beimessen,
die dem gleichzeitigen Verständnis der Nachricht R-RATES-RA als Ankündigungs-
bzw. Meldenachricht im Sinne des Klagepatents entgegensteht. Die Nachricht R-
RATES-RA gibt aber im Ablauf des Initialisierungsprotokolls gerade an, dass als
nächster Schritt die Wiederholung der Vorschlagphase zu erwarten ist; dieses
patentimmanente Verständnis ist unabhängig davon, dass der Standard in der Nachricht
R-RATES-RA eine "Antwort" sehen mag. Ob neben der Nachricht R-RATES-RA auch
in der Nachricht C-SEGUEx des Standards ITU xxxx.1 eine "Meldenachricht" nach
Merkmal 8 gesehen werden kann, wie die Klägerin es ebenfalls vertreten hat, bedarf
angesichts dessen keiner Entscheidung.
62
Die Nachricht C-RATES-RA, die das Zentralstellenmodem ATU-C an das
Fernanschlussmodem ATU-R übermittelt, enthält vier neue Optionen von
Datenratenwerten für die upstream- und die downstream-Richtung. Die neuen
Vorschläge für die downstream-Richtung beruhen auf der mit R-RATES-RA erfolgten
Mitteilung, diejenigen für die upstream-Richtung auf der mittels R-MEDLEY
vorgenommenen Analyse der Übertragungsleitung durch das Zentralstellenmodem
ATU-C und können sich dadurch von den in C-RATES1 übermittelten Optionen
unterscheiden. So heißt es in Abschnitt 10.8.3 des Standards ITU G992.1 (Anlage
K13/K13a, Seite 104) in deutscher Übersetzung ausdrücklich, dass C-RATES-RA dazu
verwendet werde, vier neue Optionen für die Transportkonfiguration sowohl in upstream-
als auch in downstream-Richtung zu senden, wobei der Inhalt der Nachricht C-RATES-
RA nicht durch frühere Meldungen, etwa C-RATES1, beschränkt sei. Die Meldung C-
RATES-RA ist damit eine Vorschlagsnachricht, die Merkmal 9 wortsinngemäß
63
verwirklicht.
III. Durch Angebot und Liefern der angegriffenen Ausführungsformen in die
Bundesrepublik Deutschland verletzen die Beklagten Anspruch 1 des Klagepatents
mittelbar (§ 10 Abs. 1 PatG). Wie ausgeführt, sind die angegriffenen Ausführungsformen
geeignet und bestimmt, für die Benutzung des Patentanspruchs 1 verwendet zu werden.
Zudem werden sie ausdrücklich als konform unter anderem mit dem Standard ITU
G992.1 beworben, so dass auch die subjektiven Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 PatG
erfüllt sind.
64
IV. Aus der Verletzung des Klagepatents ergeben sich die folgenden Rechtsfolgen:
65
Die Beklagten sind der Klägerin nach Art. 64 EPÜ in Verbindung mit § 139 Abs. 1 PatG
zum Unterlassen der Verletzungshandlungen verpflichtet. Dem Unterlassungsanspruch
fehlt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis,
weil sich die Klägerin gegenüber der Allgemeinheit bereit erklärt hat, gegen Zahlung
nicht diskriminierender und angemessener Gebühren ihren Wettbewerbern auf
Nachfrage Lizenzen am Klagepatent einzuräumen. Die Beklagten haben der Klägerin
kein konkretes Lizenzangebot unterbreitet und sehen dies auch nicht als erforderlich an,
weil sie sich nicht für verpflichtet halten, vor einer gerichtlichen Feststellung, dass die
angegriffenen Ausführungsformen bzw. der Standard ITU xxxx.1 tatsächlich vom
Klagepatent Gebrauch machen, auf das allgemeine Lizenzangebot der Klägerin
einzugehen. Damit können sie das notwendige Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für
einen Anspruch auf Unterlassung patentverletzender Handlungen aber nicht erheblich
in Frage stellen. Das Risiko der Einschätzung, ob es einer Lizenznahme zur
Vermeidung einer Verletzung des Klagepatents bedarf, tragen die Beklagten selbst. Mit
der von ihnen vertretenen Auffassung stünde der Klägerin kein wirksames Mittel zur
Verfügung, ihre aus dem Schutzrecht resultierenden Verbietungsrechte durchzusetzen
und zu diesem Zweck etwaige Verletzungshandlungen von Wettbewerbern gerichtlich
untersagen zu lassen. Wenn sich die Beklagten wie im vorliegenden Fall dafür
entscheiden, den Verletzungsvorwurf in der Sache zu bestreiten, ohne die Verletzung
durch die konkrete Nachrage einer Lizenz zu nicht diskriminierenden und
angemessenen Bedingungen auszuschließen, tragen sie die rechtlichen
Konsequenzen einer Fehleinschätzung der Verletzungsfrage selbst. Würde man die
Möglichkeit der Klägerin, sich gegen Verletzungshandlungen zur Wehr zu setzen, auf
eine nachträglich (mit rechtskräftiger Feststellung der Verletzung) zu verlangende
Lizenz beschränken und ihr den Unterlassungsanspruch versagen, wäre der
Patentschutz in einer durch die Interessen der Beklagten nicht gerechtfertigten Weise
entwertet.
66
Gemäß Art. 64 EPÜ in Verbindung mit § 139 Abs. 2 PatG kann die Klägerin von den
Beklagten als Gesamtschuldnern (§ 840 Abs. 1 BGB) Ersatz des ihr durch die
mittelbaren Patentverletzungen entstandenen und noch entstehenden Schadens
verlangen. Denn als auf dem relevanten Gebiet tätige Fachunternehmen hätten die
Beklagten die mittelbare Schutzrechtsverletzung bei Anwendung der im Verkehr
erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Da es überdies
hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die schutzrechtsverletzenden
Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin alleine
deshalb noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden
Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein
rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung
67
im Sinne des § 256 ZPO anzuerkennen.
Damit die Klägerin die ihr zustehenden Schadensersatzansprüche beziffern kann, sind
die Beklagten ihr gegenüber zur Rechnungslegung verpflichtet, §§ 242; 259 BGB. Denn
die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes
Verschulden nicht verfügt und die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten
Auskünfte nicht unzumutbar belastet. In dem Umfang, in dem die Beklagten gemäß §
140b PatG zur Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg rechtsverletzender
Erzeugnisse verpflichtet sind, steht der Klägerin auch ein Anspruch auf Übergabe
entsprechender Belege zu.
68
Der Vernichtungsanspruch folgt aus § 140a Abs. 1 Satz 1 PatG.
69
V. Den Ansprüchen der Klägerin steht weder der Verwirkungseinwand noch ein
Einwand der Beklagten aus § 826 BGB oder aus §§ 3; 4 Nr. 10; 9 UWG entgegen.
70
1. Zu den Voraussetzungen einer Verwirkung haben die Beklagten jedenfalls nicht
schlüssig vorgetragen, woraus sich das neben dem bloßen Zeitmoment erforderliche
Umstandsmoment ergeben soll. Ob die Dauer von fünf Jahren zwischen der letzten
(noch vor Patenterteilung liegenden) Kontaktaufnahme der Klägerin am 07. April 2000
und der ersten erneuten Kontaktaufnahme am 27. April 2005 insoweit als ausreichend
anzusehen ist, kann dahingestellt bleiben. Denn es ist zumindest nicht vorgetragen oder
anderweit erkennbar, aufgrund welchen konkreten Verhaltens der Klägerin die
Beklagten davon hätten ausgehen dürfen, dass die Klägerin Unterlassungs- oder
andere Ansprüche wegen Verletzung des Klagepatents nicht mehr geltend machen
würde.
71
2. Die Beklagten meinen, die Klägerin sei wegen treuwidrigen Verschweigens des
Klagepatents gegenüber der Standardisierungsbehörde (ITU) an einer Geltendmachung
der Klageansprüche gehindert. Die Klägerin habe es entgegen ihren Verpflichtungen
gegenüber der ITU, wie sie in der "ITU-T Patent Policy" einschließlich der "Guidelines
for Implementation of the xxx Patent Policy" gemäß Anlage B21 statuiert seien,
unterlassen, bei der Verabschiedung des Standards ITU xxxx.1 rechtzeitig und konkret
auf das Klagepatent bzw. die zum damaligen Zeitpunkt anhängige Anmeldung des
Klagepatents hinzuweisen. Damit unterstellen die Beklagten, die bereits im Jahre 1998
erfolgte, auf die Empfehlung xxxx.1 bezogene Lizenzbereitschaftserklärung der Klägerin
gemäß Anlage B11 sei nicht ausreichend gewesen, um den der Klägerin obliegenden
Mitteilungspflichten gegenüber der ITU zu genügen.
72
Bereits darin ist den Beklagten nicht zu folgen, so dass die Klägerin schon keine
Pflichtverletzung gegenüber der ITU begangen hat. Selbst wenn man mit den Beklagten
unterstellt, dass die als Anlage B21 vorgelegte Fassung der "ITU-T Patent Policy" nebst
Richtlinien zu ihrer Umsetzung im Zeitpunkt der Verabschiedung des Standards im Juni
1999 bereits Gültigkeit beanspruchte, sieht das bei der Erklärung des
Schutzrechtsinhabers zu verwendende Formular eine Mitteilung der relevanten
Schutzrechte nicht zwingend vor. Die Mitteilung über als für einen Standard relevant
bekannte Patente und Patentanmeldungen dient dazu, das Telekommunikations-
Standardisierungs-Büro (xxx) in die Lage zu versetzen, die Relevanz von Patenten oder
Patentanmeldungen für einen konkreten Standardisierungsvorschlag rechtzeitig
überprüfen zu können und sicherzustellen, dass patentgeschützte Elemente eines
Standards Dritten im Wege der Lizenzierung zugänglich gemacht werden. Zu diesem
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Zweck kann der Patentinhaber entweder seine Bereitschaft zur Erteilung kostenloser
Lizenzen (Ziffer 2.1 der Patent Policy; Anlage B21) oder zur Erteilung von Lizenzen zu
angemessenen Bedingungen (Ziffer 2.2) erklären. Geschieht dies nicht, soll die
Verabschiedung einer Empfehlung für einen Standard unterbleiben (Ziffer 2.3). In jedem
der genannten Fälle soll der Patentinhaber nach Ziffer 3 der "ITU-T Patent Policy" eine
schriftliche Erklärung bei dem xxx einreichen und dabei das Formular "Patent Statement
and Licensing Declaration" benutzen, wie es als "Appendix II" (Seiten 10 und 11) der
vorliegenden Anlage B21 beigefügt ist. In Umsetzung der "Patent Policy" geben die
"Guidelines for Implementation of the xxx Patent Policy" in Ziffer 3.1 vor, wie die
Erklärung vorgenommen werden soll. Danach soll die Anmeldung unter Verwendung
des genannten Formulars erfolgen, um eine einheitliche Mitteilung der zu machenden
Erklärungen an das TSB (insbesondere der drei Optionen nach Ziffer 2 der Patent
Policy) sicherzustellen, wobei typischerweise ein Formular für jede Empfehlung, welche
einen patentgeschützten Inhalt hat, verwendet werde. Hinsichtlich der auf Seite 2 des
Formulars möglichen "Patent Information" heißt es ausdrücklich, dass diese "erwünscht,
aber nicht erforderlich" ("desired but not required") sei. Zu den notwendigen
Bestandteilen der Erklärung, von der typischerweise eine pro Empfehlung abzugeben
sei, gehören danach nur Angaben zur Person des Patentinhabers, zum relevanten
Standard (ITU-T Recommendation) und die Lizenzerklärung nach Maßgabe der drei
Optionen aus Ziffer 2 der "Patent Policy".
Die Auflistung der für den jeweiligen Standard relevanten Patente ist sodann eine
freiwillige Zusatzinformation. Notwendig für eine allen Anforderungen der Patent Policy
sowie der Richtlinien genügende Erklärung ist sie nicht. Die in Kopie als Anlage B11
vorliegende Erklärung der Klägerin enthält die Angabe der bezogenen Empfehlung ITU
xxxx.1, sämtliche erforderlichen Angaben zur Klägerin als Patentinhaberin sowie die
Erklärung, gemäß Ziffer 2.2 der Patent Policy zur Erteilung nicht diskriminierender und
angemessener Lizenzen bereit zu sein und genügt damit den Anforderungen der
"Patent Policy" sowie der zugehörigen Richtlinien. Weiterer Angaben zu relevanten
Patenten oder Patentanmeldungen bedurfte es nicht.
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Damit fehlt es aber bereits an einer Grundlage für die von den Beklagten
angenommenen Gegenansprüche aus § 826 BGB und §§ 3; 4 Nr. 10; 9 UWG.
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VI. Zu einer nach § 148 ZPO möglichen Aussetzung der Verhandlung bis zur
Entscheidung über die gegen das Klagepatent angestrengte Nichtigkeitsklage besteht
keine hinreichende Veranlassung.
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Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung;
BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch von dem Oberlandesgericht Düsseldorf
(GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und von
dem Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen
ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als
solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, weil dies
faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den
Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (vgl. § 58
Abs. 1 Satz 3 PatG, wonach der Patentschutz mit Veröffentlichung der Patenterteilung
eintritt). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei
grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten
Patents Vorrang gebührt. Die Aussetzung kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn
mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des
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Klagepatents zu erwarten ist.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze besteht hier keine Veranlassung zur
Aussetzung des Rechtsstreits, weil weder der Einwand unzulässiger Erweiterung noch
derjenige der mangelnden Offenbarung des Erfindungsgegenstands oder der
mangelnden Patentfähigkeit eine überwiegende Erfolgswahrscheinlichkeit für die
Nichtigkeitsklage begründen, die eine Aussetzung des Verletzungsrechtsstreits
rechtfertigen könnten. Soweit die Beklagten eine neuheitsschädliche Offenbarung der
technischen Lehre auf dem ANSI-Meeting in Dallas am 11. November 1996 behaupten,
dürfte jedenfalls eine Beweisaufnahme vor dem Bundespatentgericht durchzuführen
sein, deren Ausgang nicht beurteilt und daher auch nicht zur Begründung einer
überwiegenden Erfolgswahrscheinlichkeit herangezogen werden kann.
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1. Der Einwand unzulässiger Erweiterung des Gegenstands des erteilten Patents
gegenüber der ursprünglichen Anmeldung (Art. 138 Abs. 1 Bst. c) EPÜ; Art. II § 6 Abs. 1
Nr. 3 IntPatÜG) begründet hier keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg
der Nichtigkeitsklage. Soweit es in Merkmal 2 mit Merkmal 5 der erteilten Fassung heißt,
dass "wenigstens" ("at least") der erste Transceiver einen ersten Satz von
Datenratenwerten über eine zum zweiten Transceiver gesendete Vorschlagsnachricht
vorschlägt, ist für den Fachmann klar ersichtlich, dass eine Vorschlagsnachricht des
zweiten Transceivers an sich selbst völlig sinnlos wäre. Der Zusatz "wenigstens" geht in
einer für den Fachmann ohne weiteres erkennbaren Weise auf die im Zusammenhang
mit dem Ausführungsbeispiel des Klagepatents offenbarte Möglichkeit zurück, dass der
zweite Transceiver an den ersten die Vorschlagsnachricht Vorschlag_21 (Proposal_21)
übersendet, mit der die Datenratenwerte für die upstream-Richtung vorgeschlagen
werden. Allein im Hinblick auf diese zwei Vorschlagsnachrichten des
Ausführungsbeispiels erklärt sich der Begriff "wenigstens" ("at least").
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Wenn die Beklagten meinen, der erteilte Hauptanspruch lasse im Hinblick auf Merkmal
3 (auch in der Zusammenschau mit Merkmal 6) offen, auf welcher Grundlage der
Datenratenwert ausgewählt wird, weil anders als in der ursprünglichen Anmeldung nicht
mehr deutlich werde, dass der ausgewählte Datenratenwert einem der in dem ersten
oder zweiten Satz enthaltenen entspricht, lässt sich auch darauf keine unzulässige
Erweiterung stützen. Denn auch ohne ausdrückliche Erwähnung erschließt sich dem
Fachmann aus der Formulierung "... welcher Datenratenwert ausgewählt wird" ("...
which data rate value is selected", dass den Transceivern bereits Datenratenwerte zur
Auswahl vorliegen müssen. Als solche kommen nur die Datenratenwerte in Betracht, die
in einer vorangegangenen Vorschlagsphase vorgeschlagen wurde, was der Fachmann
auch ohne weitere Erläuterung erkennt.
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2. Auch aus dem Einwand mangelnder Offenbarung der Erfindung (Art. 138 Abs. 1 Bst.
b) EPÜ; Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG) lässt sich keine überwiegende
Erfolgswahrscheinlichkeit ableiten. Anhand des in der Beschreibung des Klagepatents
enthaltenen ausführlich erläuterten Ausführungsbeispiels kann ein Fachmann die
Erfindung ohne weiteres verstehen und realisieren. Die von den Beklagten
angenommene Möglichkeit, dass ein Transceiver eine Vorschlagsnachricht an sich
selbst sendet, stellt sich technisch sinnvoller Weise gar nicht. Jedenfalls ist der im
Ausführungsbeispiel aufgezeigte Weg ausreichend, um einem Fachmann zu erlauben,
die Erfindung in ihrem gesamten beanspruchten Umfang auszuführen, ohne seinerseits
erfinderische Überlegungen anstellen zu müssen.
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3. Schließlich können die Beklagten auch auf den Einwand der mangelnden
Patentfähigkeit (Art. 138 Abs. 1 Bst. a) EPÜ; Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, jeweils
i.V.m. Art. 54 Abs. 1 und 2 EPÜ) keine überwiegende Erfolgswahrscheinlichkeit ihrer
Nichtigkeitsklage stützen.
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a) Dass der Inhalt des als Anlage B1 vorgelegten Beitrags der Klägerin (Contribution
´352) zu der Tagung des Standardisierungskomitees T1-Telecommunications des ANSI,
Arbeitsgruppe T1E1.4, die am 11. November 1996 in Dallas (USA) begann, bereits am
Anmeldetag, dem 12. November 1996, zum Stand der Technik zu zählen war, wird im
Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht nicht ohne eine
Zeugenbeweisaufnahme zu klären sein, deren Ergebnis sich aus Sicht der Kammer
derzeit als völlig offen darstellt.
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Aus dem druckschriftlich belegten Vorbringen der Beklagten lässt sich jedenfalls nicht
entnehmen, dass die Contribution ´352 - wie die Beklagten behaupten - tatsächlich
bereits am ersten Tag des Meetings (11. November 1996) in der hierfür erforderlichen
Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Das auf der Anlage B1
angegebene Datum "November 11-15, 1996" lässt nicht erkennen, wann dieser Beitrag
tatsächlich der Öffentlichkeit - sei es in Form von Papierkopien, sei es in elektronischer
Form – zur Verfügung gestellt wurde. Auch die Aufforderung des Vorsitzenden der
Arbeitsgruppe T1E1.x vom 10. Oktober 1996 an die Mitglieder (Anlage B2a), dass 150
Kopien aller Beiträge zur Konferenz bereits am ersten Tag der Konferenz bis 8.00 Uhr
ausgegeben werden müssten, besagt nicht, dass es auch im Falle der Contribution ´352
tatsächlich so gehandhabt wurde. Die als Anlage B2b vorgelegte vorläufige
Tagesordnung stand hinsichtlich der Zeiten unter ausdrücklichem Änderungsvorbehalt.
Die in Kopie als Anlagen B13a und B13b/B20 zur Akte gereichten "Preliminary
Agendas" ´xxx und ´xxx, von denen die zweite revidierte Fassung, die die Contribution
´352 zur Diskussion am Nachmittag des 12. November 1996 erstmals enthält,
spätestens am 11. November 1996 erstellt wurde - wie hier zugunsten der Beklagten
unterstellt werden soll -, lassen ebenfalls nicht erkennen, dass der Inhalt der
Contribution ´352 der Öffentlichkeit auf der Tagung bereits am 11. November 1996
tatsächlich zugänglich gemacht wurde. Allenfalls in Verbindung mit dem in das Wissen
des xxx xx x als des Tagungsleiters gestellten weiteren Vorbringen, es habe keine
Abweichung von dem vorgesehenen Tagungsablauf gegeben und er, der xxx xx x,
könne sich (gegebenenfalls gestützt auf die mit persönlichen Anmerkungen versehene
Fassung der "Preliminary Agenda ´239R2; Anlage B20a) an keine verspätete Übergabe
von Beiträgen erinnern, zumal eine verspätete Übergabe praktisch überhaupt nicht
zugelassen worden wäre, könnte das Bundespatentgericht daraus Indizien ableiten,
dass es zu einer Übergabe der Contribution ´xxx. und einer Weitergabe an die
Tagungsteilnehmer zur Vorbereitung der Diskussion bereits am 11. November 1996
gekommen sein müsse.
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Dem steht jedoch der substantiierte und im Nichtigkeitsverfahren gegenbeweislich unter
Zeugenbeweis gestellte Vortrag der Klägerin entgegen, der Zeuge xxx x habe die
Contribution ´352 nach Anlage B1 bewusst und in Abstimmung mit der Patentabteilung
der Klägerin erst am 12. November 1996 den Tagungsteilnehmern zugänglich gemacht,
um der Patentabteilung der Klägerin dadurch mehr Zeit zur Ausarbeitung und
Einreichung der Anmeldung des Klagepatents zu geben. Damit ist aus Sicht der
Kammer nicht sicher abzuschätzen, wie eine mutmaßlich vor dem Nichtigkeitssenat
durchgeführte Zeugen-Beweisaufnahme enden wird. Nach der zur offenkundigen
Vorbenutzung ergangenen, auf den vorliegenden Fall übertragbaren ständigen
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Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (vgl. GRUR 1979, 636, 637 –
Ventilanbohrvorrichtung), der die Kammer folgt, bleibt ein Aussetzungsantrag, der
zumindest in Teilen auf einen Zeugenbeweis angewiesen ist, weil er sich nicht
lückenlos auf liquide Beweismittel (insbesondere Urkunden) stützen kann, ohne Erfolg.
Die gänzlich unsichere Prognose zum Ausgang einer mutmaßlich durchzuführenden
Beweisaufnahme verbietet die Annahme, es sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit
eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten.
b) Soweit die Beklagten eine mangelnde Erfindungshöhe (Art. 56 EPÜ) auf der
Grundlage einer Kombination der Entgegenhaltungen ANSI-Standard xx.xxx-1995
(Anlage K5 zur Nichtigkeitsklage, Anlage B3) und xx-xx xx, xxx,xxx (Anlage K3 zur
Nichtigkeitsklage, Anlage B3, und Anlage K6) geltend machen, kann ihnen darin nicht
gefolgt werden. Bei beiden Entgegenhaltungen handelt es sich um Stand der Technik,
der im Prüfungsverfahren bereits berücksichtigt und in der Klagepatentschrift
ausdrücklich gewürdigt wurde (Anlage K2, Abschnitte [0002] und [0003]; Anlage K3,
Seite 1 Zeile 10 bis Seite 3 Zeile 22). Dass ein Widerruf oder eine Vernichtung eines
Patents mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu anzunehmen sei, kann aber in der
Regel dann nicht gesagt werden, wenn die Argumente, auf die der Einspruch oder die
Nichtigkeitsklage gestützt werden, bereits im Erteilungsverfahren von den dort tätigen
sachkundigen Stellen geprüft und für nicht patenthindernd angesehen worden sind
(OLG Düsseldorf, GRUR 1979, 636, 637 – Ventilanbohrvorrichtung). Unabhängig davon
ist nicht ersichtlich, warum sich ein Fachmann veranlasst sehen sollte eine Kombination
der genannten Entgegenhaltungen vorzunehmen. Die Entgegenhaltung K5 als
näherliegender Stand der Technik betrifft die ADSL-Technik (ein Frequenz-Multiplex-
Verfahren), während sich die Entgegenhaltung K3 mit der Übertragung von Sprache und
Daten unter Verwendung der ISDN-Technik, eines Zeit-Multiplex-Verfahrens, befasst.
Diese grundlegenden Unterschiede halten einen Fachmann von der Kombination
beider Entgegenhaltungen ab.
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c) Schließlich können die Beklagten die erfinderische Tätigkeit (Art. 56 EPÜ) auch nicht
gestützt auf den Beitrag der Klägerin "Proposal for ATM transport over ADSL" zu dem
Meeting der Arbeitsgruppe xxxx.4 vom 22.-25. Juli 1997 in Nashua, New Hampshire,
(Anlage K9 zu Anlage B19) mit Erfolg in Abrede stellen. Der Beitrag befasst sich wie
das Klagepatent mit Problemen bei der Aushandlung von Datenraten in ADSL
basierend auf den ANSI-Standards von 1995 und stellt fest, dass die Auswahl der
maximalen Bitrate aus den in den Nachrichten C-RATES1 und R-RATES1 mitgeteilten
Optionen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht der maximalen Datenrate der konkreten
Verbindung, die zwischen ATU-C und ATU-R möglich ist, entsprechen wird. Die
Entgegenhaltung K9 regt zwar an, diesen Nachteil durch eine Modifikation der
Trainingssequenz des Initialisierungsprotokolls zu lösen, geht aber nicht explizit auf
eine spezielle Lösung ein. Auf Seite 10 im ersten Absatz heißt es hingegen
ausdrücklich zur erforderlichen Modifikation der Trainingssequenz: "This is left to further
study." Wenn die Beklagten meinen, die davon ausgehend erforderlichen
Überlegungen, die erforderlich seien, um zu den Merkmalen 8 und 9 des Klagepatents
zu gelangen, lägen im allgemeinen Fachwissen des Fachmanns, ist dies nur auf der
Grundlage einer unzulässigen rückschauenden Betrachtung in Kenntnis des
Klagepatents möglich. Gegen eine Kombination des Offenbarungsgehalts der
Entgegenhaltung K9 mit der Entgegenhaltung K3 sprechen die bereits unter b)
angesprochenen Unterschiede. Die xx-xx x,xxx,xxx betrifft mit dem ISDN-Verfahren ein
Zeit-Multiplex-Verfahren, was den Fachmann davon abhält, sie zur Verbesserung des
ADSL-Verfahrens heranzuziehen.
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VII. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1 (1. Halbsatz); 100 Abs. 4
ZPO.
88
Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709 Satz 1 und 3;
108 ZPO.
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Dem Antrag der Beklagten, ihnen Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO
einzuräumen, war nach Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien
nicht nachzukommen. In Fällen der Verurteilung zur Unterlassung wegen
Patentverletzung wirkt sich die Verurteilung regelmäßig gegenüber allgemeinen
Vollstreckungsfällen in besonderem Maße nachteilig auf die wirtschaftliche
Entwicklung des schuldnerischen Betriebs aus, so dass die tatbestandlichen
Voraussetzungen des § 712 Abs. 1 ZPO häufig zu bejahen sein werden. Die
Handhabung der Vollstreckungsschutz-Regeln darf aber nicht schon im Regelfall
dazu führen, dass die vorläufige Vollstreckung von Unterlassungstiteln praktisch
unmöglich wird. Demgegenüber ist das Interesse des Gläubigers an der baldigen
Vollstreckung - insbesondere angesichts der zeitlichen Beschränkung des
patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs auf die Laufzeit des Schutzrechts - zu
berücksichtigen und im Falle der Patentverletzung im Sinne des § 712 Abs. 2 ZPO
in der Regel als überwiegend anzuerkennen (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR 1979,
188, 189 – Flachdachabläufe). Soweit sich die Beklagten darauf berufen, ihnen
entstünde mit dem Verlust des einzigen Kunden in Deutschland, der xxx, ein
unersetzbarer Nachteil, ist nicht zu erkennen, dass dieser Schaden nicht durch
einen Schadensersatz nach § 717 Abs. 2 ZPO auszugleichen wäre. Im
vorliegenden Fall kommt zu Lasten der Beklagten hinzu, dass sie es konsequent
unterlassen haben, sich bei der Klägerin um eine Lizenzierung zu nicht
diskriminierenden und angemessenen Bedingungen, zu der diese sich bereit erklärt
hat, zu bemühen. Die Beklagten hätten es auf diese Weise selbst in der Hand
gehabt, ihr Interesse an einer weiteren Belieferung der xxx zu schützen. Dass die
allgemeine Lizenzbereitschaftserklärung dem Rechtsschutzinteresse der Klägerin
an einem titulierten Unterlassungsanspruch nicht entgegensteht, wurde oben (IV.)
bereits ausgeführt. Auch im Zusammenhang mit dem Vollstreckungsschutzantrag ist
den Beklagten nicht darin zu folgen, dass die Interessen der Klägerin allein im
Hinblick auf ihre Lizenzbereitschaftserklärung geringer zu bewerten wären. Darauf
liefe es aber hinaus, wenn im Zuge der hier gebotenen Interessenabwägung die
Interessen der Klägerin an einer vorläufigen Vollstreckbarkeit (auch) des
Unterlassungstenors alleine im Hinblick auf ihre Bereitschaft zur Lizenzerteilung
gegenüber den Interessen der Beklagten an einer weiteren Patentverletzung
zurückstehen müssten, nachdem die Beklagten zu einer konkreten Nachfrage einer
Lizenz bei der Klägerin nicht bereit waren.
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Bei der Bemessung der von der Klägerin für eine vorläufige Vollstreckung dieses Urteils
zu erbringenden Sicherheitsleistung wurde der von den Beklagten mit 50 Millionen Euro
jährlich angegebene Umsatz der Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland sowie
die Gefahr berücksichtigt, dass ein Ausbleiben von Lieferungen an die Deutsche
Telekom dazu führen könnte, dass die Beklagten ihre – nach ihrem eigenen Vorbringen
– einzige Abnehmerin dauerhaft verlieren. Diesem wirtschaftlichen Interesse der
Beklagten im Hinblick auf den ihnen drohenden Schaden aus einer vorläufigen
Vollstreckung, die sich im Nachhinein als ungerechtfertigt herausstellt, trägt die Höhe
der konkreten Sicherheitsleistung von 30 Millionen Euro Rechnung.
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Der Streitwert wird auf 750.000,- € festgesetzt.
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