Urteil des LG Düsseldorf vom 08.02.2006

LG Düsseldorf (culpa in contrahendo, gebot der rechtssicherheit, verjährungsfrist, zeitpunkt, beginn, verletzung, verjährung, vorschrift, inhalt, anleger)

Landgericht Düsseldorf, 11 O 376/05
Datum:
08.02.2006
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Köstner, Richterin am Landgericht
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 O 376/05
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
bei-zutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
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Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind Schadensersatzansprüche der
Klägerin gegen die Beklagte wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit
einem am 14.01.2000 getätigten Wertpapiererwerbsgeschäft.
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Nachdem am 03.01.2000 ein Beratungsgespräch zwischen der am 21.12.1944
geborenen und als Zahnärztin tätigen Klägerin und dem Mitarbeiter der Beklagten,
Herrn X, stattgefunden hatte, erwarb die Klägerin am 14.01.2000 185 Stück
Fondsanteile X und 180 Stück Fondsanteile Eurovesta zu einem Gesamtpreis von
96.917,82 DM, entsprechend 49.553,29 €. In einem ebenfalls am 14.01.2000
ausgefüllten Wertpapiererhebungsbogen wurde als Anlageziel "Absicherung der
Altersversorgung" eingetragen. Wegen der weiteren Einzelheiten zu dem Inhalt der
Angaben in dem Erhebungsbogen wird auf die Anlage K 5 (Bl. 15 f. GA) Bezug
genommen. Im übrigen ist der Inhalt der zwischen der Klägerin und dem Mitarbeiter der
Beklagten geführten Gespräche sowie die Frage, welche Unterlagen der Klägerin
anlässlich der geführten Gespräche überreicht wurden, zwischen den Parteien streitig.
Zum 31.12.2004 belief sich der Kursverlust der von der Klägerin erworbenen
Fondsanteile auf ca. 25.000,- €. Nachdem die Klägerin sich durch ihren
Prozessbevollmächtigten erstmals am 22.12.2004 hatte beraten lassen, erhob sie mit
am 12.08.2005 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Klage gegen die Beklagte.
Gegenüber der geltend gemachten Schadensersatzforderung erhebt die Beklagte die
Einrede der Verjährung.
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Die Klägerin behauptet, die von der Beklagten zum Erwerb empfohlenen Aktienfonds
seien aufgrund ihres Risikocharakters nicht dazu geeignet, ihr Anlageziel, nämlich eine
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Absicherung der Altersversorgung, zu erreichen. Über den Risikocharakter der Fonds
sei sie nicht aufgeklärt worden. Sie ist der Ansicht, die Verjährungsvorschrift des § 37 a
WpHG sei mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht unvereinbar und beantragt
insofern die Vorlage an den Europäischen Gerichtshof.
Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 49.553,29 € Zug um Zug gegen Rückübertragung
von 185 Stück Fondanteilen X (WKN 847400) sowie 180 Stück Fond- anteilen
Eurovesta (WKN 849084) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem
14.01.2000 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte behauptet, bereits in dem am 03.01.2000 zwischen der Klägerin und ihrem
Mitarbeiter, Herrn X, geführten Beratungsgespräch seien mit der Klägerin die schließlich
am 14.01.2000 erworbenen Aktienfonds besprochen worden und diesbezügliche
Unterlagen mit Informationen zu Wertentwicklung, Anlageziel und Risikoklasse
ausgehändigt worden. In dem am 14.01.2000 geführten Gespräch habe die Klägerin zu
ihrer Ertragserwartung erklärt, dass sie mit dem anzulegenden Kapital einerseits ihre
Altersversorgung absichern wolle, andererseits aber Verluste aus einer zuvor getätigten
Investition in kanadische Dollar wieder erwirtschaften wolle. Mit der Klägerin sei sodann
erörtert worden, dass eine Chance zur Realisierung ihrer Ertragserwartung nur durch ein
längerfristiges Engagement im Aktienmarkt bestünde. Herr X habe sie sowohl über
unternehmensspezifische Risiken als auch über allgemeine Marktrisiken aufgeklärt. Zu
Angaben zu ihren finanziellen Verhältnissen sei die Klägerin nicht bereit gewesen. Im
Rahmen des Gesprächs vom 14.01.2000 seien der Klägerin ein Exemplar des
Wertpapiererhebungsbogens sowie die Verkaufsprospekte ausgehändigt worden.
Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren sowie weitergehende
Unterlagen seien ihr bereits im Oktober 1995 ausgehändigt worden.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin kann die Beklagte
nicht auf Schadensersatz wegen einer etwaigen Pflichtverletzung im Zusammenhang
mit dem von der Klägerin am 14.01.2000 getätigten Wertpapiererwerbsgeschäft in
Anspruch nehmen. Etwaigen Schadensersatzansprüchen der Klägerin gegen die
Beklagte wegen der behaupteten fehlerhaften Anlageberatung steht jedenfalls die von
der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen, § 214 I BGB.
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Denkbare Rechtsgrundlagen für einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die
Beklagte wegen fehlerhafter Anlageberatung sind zunächst das Rechtsinstitut der culpa
in contrahendo, cic, jetzt geregelt in §§ 311 II, 241 II, 280 BGB, wegen Verletzung
vorvertraglicher Aufklärungspflichten, oder das Rechtsinstitut der positiven
Vertragsverletzung, pVV, jetzt geregelt in § 280 BGB, wegen Verletzung der der
Beklagten aus einem mit der Klägerin geschlossenen Beratungsvertrag obliegenden
Pflichten. Insoweit kann aber dahingestellt bleiben, ob es zu einer die Haftung der
Beklagten begründenden Pflichtverletzung gekommen ist, denn vorvertragliche bzw.
vertragliche Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte sind jedenfalls
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gemäß § 37 a WpHG verjährt.
Gemäß § 37 a WpHG verjähren Schadensersatzansprüche des Kunden gegen ein
Wertpapierdienstleistungsunternehmen wegen Verletzung von Informationspflichten
oder wegen fehlerhafter Beratung innerhalb von drei Jahren ab dem Zeitpunkt, in dem
der Anspruch entstanden ist. Maßgeblich für den Beginn der dreijährigen
Verjährungsfrist des § 37 a WpHG ist nach der in Rechtsprechung und Schrifttum ganz
überwiegend vertretenen Auffassung, von der abzuweichen das erkennende Gericht
keinen Anlass sieht, der Zeitpunkt des Erwerbs der Wertpapiere durch den Kunden,
denn der Anleger, der aufgrund einer fehlerhaften Empfehlung eine für ihn nachteilige
Kapitalanlage erworben hat, ist bereits durch deren Erwerb geschädigt. Bereits der
Vertragsschluss über den Erwerb einer nicht den Anlagezielen des Kunden
entsprechenden Wertpapierkapitalanlage ist den konkreten Vermögensinteressen des
Anlegers nicht angemessen und für ihn nachteilig (vgl. BGH NJW 2005, 1579 ff. m.w.N.).
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Danach begann die dreijährige Verjährungsfrist des § 37 a WpHG vorliegend am
14.01.2000 zu laufen, als die Klägerin die streitgegenständlichen Fondsanteile
erworben hat. Sie endete gemäß §§ 187 I, 188 II BGB am 14.01.2003 und wurde durch
die Zustellung der am 12.08.2005 bei Gericht eingegangenen Klage nicht mehr
rechtzeitig gehemmt, § 204 I Nr. 1 BGB, Art. 229 § 6 I EGBGB.
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Bedenken gegen die Wirksamkeit der Vorschrift des § 37 a WpHG bestehen nicht, der
von der Klägerin beantragten Vorlage der Sache zum Europäischen Gerichtshof zur
Klärung der Frage der Vereinbarkeit von § 37 a WpHG mit dem europäischen
Gemeinschaftsrecht bedarf es nicht.
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Soweit die Klägerin das in dem europarechtlichen Grundsatz des effektiven
Rechtsschutzes verankerte Prinzip der Effektivität verletzt sieht, da die Anknüpfung des
Beginns der Verjährungsfrist an den Zeitpunkt der Anspruchsentstehung dem Anleger in
der Regel die Möglichkeit abschneide, seine Rechte tatsächlich wahrzunehmen, kann
dem nicht gefolgt werden. Eine unangemessene Verkürzung der Rechte des Anlegers
ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht ersichtlich, denn der Anleger, der sowohl
das Beratungsgespräch mit dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen führt als auch
selbst an dem sodann geschlossenen Vertrag über den Wertpapiererwerb beteiligt ist,
kennt aufgrund seiner eigenen unmittelbaren Beteiligung sowohl die Einzelheiten und
den Inhalt der ihm zuteil gewordenen Beratung als auch den Inhalt des schließlich
getätigten Erwerbsgeschäfts. Damit kennt er die für die Geltendmachung eines
Schadensersatzanspruchs maßgeblichen Voraussetzungen. Der von der Klägerin in
diesem Zusammenhang weiter angeführte Gesichtspunkt, dass die Fehlerhaftigkeit der
Beratung sich erst später mit Eintritt eines finanziellen Schadens offenbart, verfängt
nicht. Der Zeitpunkt des Eintritts eines finanziellen Schadens hat vielmehr für die Frage
des Beginns der Verjährungsfrist außer Betracht zu bleiben. Dies folgt aus dem Gebot
der Rechtssicherheit, dem durch die Regelung von Verjährungsfristen ebenfalls
Rechnung getragen werden soll. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass Wertpapiere auch
erst viele Jahre nach ihrem Erwerb in ihrem Kurs fallen können; ebenso ist es denkbar,
dass die Kurse von Wertpapieren, die zunächst fallen, später aber durch Wertzuwächse
wieder ansteigen. Würde man dem Zeitpunkt des Eintritts des finanziellen Schadens
aus einem Wertpapiergeschäft maßgebliche Bedeutung für den Beginn der
Verjährungsfrist zumessen, wäre eine Bestimmung der Verjährungsfrist im Ergebnis
nicht mehr möglich, da es an einem sicher feststellbaren Zeitpunkt, zu dem ein Schaden
eingetreten ist, fehlt. Eine Abgrenzung zwischen dem Schaden des Kunden infolge
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einer fehlerhaften Beratung durch das Wertpapierdienstleistungsunternehmen und dem
Schaden des Kunden, der auf allgemeine und von ihm zu tragende Kursrisiken
zurückzuführen ist, wäre nicht mehr möglich.
Auch eine Verletzung des ebenfalls aus dem europarechtlichen Grundsatz des
effektiven Rechtsschutzes hergeleiteten Äquivalenzprinzips, da die Verjährung von
Ansprüchen des Kunden gegen ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen grundlos
kürzer ausgestaltet sei als die Verjährung von Ansprüchen gegen andere qualifizierte
Dienstleister wie Rechtsanwälte oder Steuerberater, kann entgegen der Auffassung der
Klägerin nicht angenommen werden. Ebenso wie in § 37 a WpHG vorgesehen, beträgt
gemäß § 195 BGB auch die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. Diese Vorschrift
gilt auch für Schadensersatzansprüche aus einem Dienst- oder einem Beratungsvertrag
(vgl. Palandt – Heinrichs, BGB, 64. Aufl. 2004, § 195 Rn. 4 m.w.N.; die aufgehobene
Vorschrift des § 51 b BRAO sah ebenfalls eine dreijährige Verjährungsfrist für
Ersatzansprüche gegen einen Rechtsanwalt vor). Lediglich der Beginn dieser
regelmäßigen Verjährungsfrist ist in der Vorschrift des § 199 I BGB anders ausgestaltet
als der Beginn der Verjahrungsfrist des § 37 a WpHG. Während in § 199 I BGB für den
Beginn der Verjährungsfrist auf den Schluss des Jahres, in dem der Anspruch
entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis von den seinen Anspruch begründenden
Umständen erlangt hat bzw. erlangen musste, abgestellt wird, knüpft § 37 a WpHG an
den Zeitpunkt der Anspruchsentstehung an. Zu diesem Zeitpunkt aber hatte der Anleger
aufgrund seiner eigenen unmittelbaren Beteiligung an der Anlageberatung Kenntnis von
den seinen Anspruch begründenden Umständen. Eine "kundenungünstigere"
Ausgestaltung der Verjährungsfrist des § 37 a WpHG gegenüber den allgemeinen
Verjährungsvorschriften kann folglich allein darin gesehen werden, dass § 37 a WpHG
auf den Zeitpunkt der Anspruchsentstehung abstellt, während nach § 199 I BGB auf den
Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, abzustellen ist. Eine mit dem
Äquivalenzprinzip nicht mehr vereinbare Ausgestaltung der Verjahrungsvorschrift des §
37 a WpHG kann vor diesem Hintergrund nicht angenommen werden. Im übrigen hat
bereits der BGH darauf hingewiesen, dass es Aufgabe des Gesetzgebers ist, als zu kurz
erachtete Verjährungsfristen aufzuheben, wie er es in Bezug auf § 37 a WpHG in
Erwägung zieht (vgl. BGH NJW 2005, 1579 ff.).
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Die Klageforderung ist kann auch nicht auf die Vorschriften der §§ 823 II BGB iVm § 31
II WpHG gestützt werden. Etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die
Beklagte aus unerlaubter Handlung sind ebenfalls gemäß § 37 a WpHG verjährt. Dass
die Verjährungsvorschrift des § 37 a WpHG nicht nur für Ansprüche aus vertraglichen
und vorvertraglichen Pflichtverletzungen, sondern auch für Ansprüche aus Delikt wegen
Verletzung der aus § 31 II WpHG folgenden Pflichten gilt, entspricht der in
Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung (vgl. BGH NJW
2005, 1579 ff., m.w.N.), von der abzuweichen das erkennende Gericht keinen Anlass
sieht.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen ergehen gemäß §§ 91 I 1, 709 ZPO.
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Streitwert: 49.553,29 €
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