Urteil des LG Düsseldorf vom 04.07.2001

LG Düsseldorf: treu und glauben, geschäftsführung ohne auftrag, örtliche zuständigkeit, pseudonym, verwechslungsgefahr, schüler, internet, namensrecht, namensschutz, handelsregister

Landgericht Düsseldorf, 2a O 474/00
Datum:
04.07.2001
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2a. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2a O 474/00
Tenor:
In dem Rechtsstreit
hat die 2 a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf auf
die mündliche Verhandlung vom 6. Juni 2001
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von DM. 1.600,00 abwenden, wenn nicht
der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d:
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Die Klägerin begehrt den Ersatz von Abmahnkosten sowie die Feststellung der
Schadensersatzpflicht des Beklagten wegen der Benutzung und Veräußerung der
Internet-Domain "infinis.de".
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Die Klägerin firmiert als " GmbH" und bietet u.a. EDV-Dienstleistungen an. Der Beklagte
heißt mit Nachnamen "XXX". Er ist von Beruf Mathematiklehrer. Zu den Schwerpunkten
des von ihm gehaltenen Leistungskurses gehört die Infinitesimalrechnung.
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Der Beklagte meldete am 21.02.2000 bei dem Provider T die Domain "infinis.de" an
(vgl. Bl. 39 GA). Wegen der Namensverwandtschaft seine Familiennamens mit seinem
mathematischen Spezialgebiet wählte er die Wortkombination "infinis". Rund 2 %
Monate später, nämlich am 04.05.2000 wurde die Klägerin durch Gesellschaftsvertrag
gegründet. Am 16.05.2000 wurde sie in das Handelsregister eingetragen. Der Beklagte
beabsichtigte, unter der domain eine Website mit Themen aus der höheren Mathematik
für sich und seine Schüler einzurichten. Zu dieser Darstellung kam es aus
organisatorischen Gründen nicht. Vielmehr befand sich auf der Homepage lediglich die
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Nachricht: "Diese Seite befindet sich gerade im Aufbau" (Bl. 3 GA) sowie die Angabe
einer Emailadresse.
Die Klägerin trat nach ihrer Gründung mit dem Beklagten in Kontakt und wollte die
Domain "infinis.de" zunächst zu einem Kaufpreis von DM 200,00, später dann zu einem
Kaufpreis von DM 1.000,00 erwerben. Der Beklagte lehnte diese Angebote ab. Er
verkaufte die Domain für DM 5.000,00 an die " ZAG, München" (Bl. 44 GA).
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Die Klägerin behauptet, die " Z AG" sei im Zeitpunkt der Übertragung der Domain noch
nicht im Handelsregister eingetragen gewesen. Die Klägerin ist der Meinung, ihr stehe
gegen den Beklagten ein Unterlassungsanspruch aus § 15 MarkenG zu. Sie ist darüber
hinaus der Auffassung, gemäß § 12 BGB gegen die Benutzung und den Verkauf der
Domain "infinis.de" durch den Beklagten geschützt zu sein.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen,
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1. an sie 1.895,21 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 25.11.2000 zu zahlen,
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2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu
ersetzen, der dieser durch die Benutzung und/oder Veräußerung der Internet-Domain
"infinis" durch den Beklagten bisher entstanden ist und/oder noch entstehen wird.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 02.03.2001 (Bl. 31 GA) zunächst die örtliche
Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf im Hinblick auf den Klageantrag zu 2.
gerügt. Diese Rüge hat er in der mündlichen Verhandlung vom 06.06.2001 jedoch nicht
aufrechterhalten (vgl. Bl. 58 GA) .
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Der Beklagte meint, ihm stehe aufgrund des Prioritätsgrundsatzes ein vorrangiges
eigenes Namensrecht an der Domain "infinis" zu.
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Entscheidungsgründe :
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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klage ist zulässig. Die Zuständigkeit des
Landgerichts Düsseldorf ergibt sich aus § 39 ZPO. Die Klage ist jedoch nicht begründet.
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Dem Beklagten steht kein Anspruch auf Ersatz seiner Abmahnkosten sowie auf
Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten zu.
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I. Ein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten ergibt sich weder aus Geschäftsführung
ohne Auftrag noch aus §§ 5, 15 Abs. 2, Abs. 5 MarkenG oder aus § 12 in Verbindung mit
§ 823 Abs. 2 BGB. Denn der Beklagte hat Kennzeichen- oder Namensrechte der
Klägerin nicht verletzt.
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1. Ein Unterlassungsanspruch gemäß § 12 Abs. 2 BGB scheidet aus. Denn es ist weder
eine Namensleugnung noch eine Namensanmaßung gegeben.
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Eine Namensanmaßung im Sinne des § 12 Satz l 2. Alternative BGB liegt dann vor,
wenn jemand den gleichen Namen unbefugt gebraucht und dadurch schutzwürdige
Interesse des Namensträgers verletzt. Eine Namensleugnung ist dann anzunehmen,
wenn jemand ausdrücklich oder konkludent dem
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Namensträger das Recht zum Gebrauch des Namens abspricht (vgl. OLG Düsseldorf
OLGR 1999, 205).
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Die Klägerin kann grundsätzlich Namensschutz für die Bezeichnung "infinis" in
Anspruch nehmen. Namens- und kennzeichenrechtlich geschützt (§§ 12 BGB, 5, 15
MarkenG) ist insoweit der Name der juristischen Person der Klägerin. Der Beklagte hat
sich dieses Namens auch durch die Verwendung der Domain "infinis.de" bedient. Denn
die Domainen haben, wie die Kammer in Übereinstimmung mit der ganz herrschenden
Auffassung in Literatur und Rechtsprechung bereits wiederholt entschieden, hat, nicht
nur Adressen-, sondern auch Namensfunktion. Der Verkehr ist es gewohnt, dass
Domainen nicht durchweg, aber vielfach aus dem Namen desjenigen gebildet werden,
der unter dieser Adresse sich, sein Unternehmen, sein Tätigkeitsfeld oder sein
geschäftliches Angebot präsentiert.
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Der Beklagte gebraucht den Domainnamen "infinis" jedoch nicht unbefugt im Sinne des
§ 12 BGB. Denn er hat an diesem Namen zeitlich vor der Beklagten eigene
Namensrechte begründet. Aus der Namensfunktion der Domains ist nämlich nicht nur
abzuleiten, dass die Verwendung eines fremden Namens oder Kennzeichens in einer
Domain Namens- oder Kennzeichenrechte Dritter verletzen kann, sondern auch, dass
die Verwendung einer Domain Namens- oder Kennzeichenrechte begründen kann,
wenn sie aus einer unterscheidungskräftigen Bezeichnung besteht, die von den
angesprochenen Verkehrskreisen als Name oder besondere Geschäftsbezeichnung
des Inhabers gewertet wird ( vgl. LG Düsseldorf 4 O 160/98- JPNW).
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Der Beklagte führt den Namen "infinis" als sein Pseudonym, das heißt als einen von
seinem bürgerlichen Namen verschiedenen Wahlnamen. Dieses Pseudonym dient
seiner
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Kennzeichnung innerhalb des Internets. Unter dem Pseudonym "infinis" beabsichtigte
der Beklagte, auf der Website Informationen für seine Schüler über Themen der höheren
Mathematik vorzuhalten, insbesondere über sein im Leistungskurs behandeltes Thema
der Infinitesimalrechnung. Danach beschreibt die Vorsilbe "In" in Kombination mit dem
Nachnamen des Beklagten " " unstreitig den Beklagten und das Angebot, mit dem sich
der Beklagte im Internet präsentieren wollte. Die Verwendung eines Pseudonyms in
einer Domain kann grundsätzlich Namensrechte begründen, wenn sie aus einer
unterscheidungskräftigen Bezeichnung besteht, die von den angesprochenen
Verkehrskreisen als Name gewertet wird (vgl. dazu Landgericht Düsseldorf,
Aktenzeichen 4 0 160/98 - JPNW). Eine derartige Unterscheidungskraft der
Bezeichnung "infinis" ist nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall gegeben.
Denn das Pseudonym "infinis" ist hinreichend phantasievoll. Es leitet sich wie bereits
ausgeführt von dem Nachnamen des Beklagten ab und kennzeichnet zusammen mit der
Vorsilbe "In" in origineller Weise den beabsichtigten Webauftritt. Durch das Pseudonym
wird auch eine Zuordnung zu der konkreten Person, die die Homepage unterhält,
ermöglicht. Denn für den Beklagten und für Dritte, wie etwa seine Schüler, ist wegen der
Bedeutung des Pseudonyms erkennbar, dass das Pseudonym gerade der
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Individualisierung des Beklagten im Internet dient. Eine besondere Verkehrsgeltung
setzt der Namensschutz von Pseudonymen nach Ansicht der Kammer nicht voraus.
Diese ist lediglich für die Frage von Bedeutung, ob die Führung einer ähnlichen
Bezeichnung einen Unterlassungsanspruch begründet (vgl. dazu auch
Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 12, Rn. 8; OLG Köln, OLGR 2000, 377, 378).
Nach allem hat der Beklage durch die Annahme und den Gebrauch des Pseudonyms
"infinis" ein Namensrecht im Sinne des § 12 BGB begründet, dass dem
prioritätsjüngeren Namensrecht der Klägerin vorgeht.
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2. Ein Unterlassungsanspruch gemäß § 12 Satz 2 BGB würde - jedenfalls in Form einer
Namensanmaßung - im übrigen auch an einer fehlenden Interessenverletzung der
Klägerin scheitern (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 12, Rn. 28 f.; Landgericht
Düsseldorf, Aktenzeichen 4 0 473/97 - Nazar).
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Bei der Prüfung der für einen derartigen Anspruch erforderlichen Interessenverletzung
ist zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin auf den Schutz ihrer im Geschäftsleben
tätigen Firma beruft. Der Namensschutz nach § 12 BGB beschränkt sich wie der
Kennzeichenschutz nach § 5, 15 MarkenG nicht auf die Branche des Namensträgers. Er
setzt weder ein Wettbewerbsverhältnis noch eine Gleichartigkeit der von den Parteien
vertriebenen Waren oder Dienstleistungen voraus. Die beiderseitigen
Geschäftsbereiche dürfen allerdings nicht so weit voneinander entfernt sein, dass die
Gefahr ausscheidet, ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise
könne durch gleiche oder verwechslungsfähige Bezeichnungen zu der irrigen Annahme
verleitet werden, die fraglichen Waren oder Dienstleistungen stammten aus dem selben
Geschäftsbetrieb oder zwischen den beteiligten Unternehmen gäbe es irgendwelche
geschäftlichen Zusammenhänge (BGH GRUR 1966, 267, 269 - White Horse; GRUR
1985, 461, 463 -GEFA/GEWA, GRUR 1986, 253, 255 - Zentis; GRUR 1990, 1042, 1044
- Data Color). Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist aber die Nähe oder Ferne
der beiderseitigen Tätigkeitsgebiete nicht isoliert zu sehen. Die Frage der
Verwechslungsgefahr ist vielmehr aufgrund einer gesamten Wertung aller Umstände
des Einzelfalls zu entscheiden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Wechselwirkung
zwischen dem wirtschaftlichen Abstand der Tätigkeitsgebiete und dem Grad der
Ähnlichkeit der Bezeichnung besteht.
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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist nach Auffassung der Kammer davon
auszugehen, dass der Tätigkeitsbereich eines EDV-Dienstleistungsunternehmens
einerseits und eines Mathematiklehrers andererseits, der für seine Schüler einen
Informationsumschlagplatz über Themen der höheren Mathematik anbietet, so weit
auseinander liegt, dass bei identischen Bezeichnungen, wie sie im Streitfall gegeben
sind, auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne ausgeschlossen werden kann.
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3. Diese fehlende Verwechslungsgefahr führt im übrigen dazu, dass neben Ansprüchen
aus § 12 BGB auch Ansprüche aus §§ 5, 15 MarkenG zu verneinen sind.
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4. Eine Verletzung der klägerischen Namens- und Kennzeichenrechte lässt sich ferner
nicht aus einem anderen Rechtsgrund, insbesondere der Verletzung des Grundsatzes
von Treu und Glauben ableiten. Der Beklagte hat die Domain zu einem Zeitpunkt
gewählt, als die Klägerin weder gegründet noch im Handelsregister eingetragen war.
Für ein sogenanntes "Domain-Grabbing" bestehen keine Anhaltspunkte.
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II. Da nach allem Unterlassungsansprüche der Klägerin nicht begründet sind, scheiden
Ansprüche auf Ersatz der Abmahnkosten sowie auf Feststellung der
Schadensersatzpflicht aus.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Streitwert: DM 12.000,00.
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