Urteil des LG Düsseldorf vom 30.07.2010

LG Düsseldorf (offensichtliches versehen, einleitung des verfahrens, eigentümer, zwangsvollstreckung, darlehensnehmer, notar, einleitung, inkrafttreten, zeitpunkt, urkunde)

Landgericht Düsseldorf, 25 T 536/09
Datum:
30.07.2010
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
25. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
25 T 536/09
Tenor:
Die Kostenrechnung des Notars XXX Nr. 09-03030 - MU vom
25.08.2009 wird aufgehoben.
Der Beteiligte zu 1. hat die der Kostenschuldnerin zur
zweckentsprechenden Erledigung des Beschwerdeverfahrens
notwendig entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Verfahrenswert: 227,65 €
Gründe
1
I.
2
Der Beteiligte zu 1. erstellte am 13.10.2004 unter der Urkundennummer 1926 für 2004 D
eine notarielle Urkunde, in der der Verkäufer und Eigentümer eines Grundstückes –
vertreten durch die Käuferin – der Beteiligten zu 3. eine Grundschuld an dem verkauften
Grundstück zur Sicherung eines Darlehens bestellte und sich der sofortigen
Zwangsvollstreckung in das Grundstück in der Weise unterwarf, dass die sofortige
Zwangsvollstreckung auch gegen den jeweiligen Eigentümer zulässig sein soll. Der
Beteiligte zu 1. hatte am gleichen Tag den notariellen Kaufvertrag beurkundet.
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Die Beteiligte zu 3. hatte den – von der Käuferin personenverschiedenen -
Darlehensnehmer gebeten, die Grundschuld unter Verwendung ihres Vordrucks 192070
beurkunden zu lassen. Dort sind unter der Zwischenüberschrift "Dingliche
Zwangsvollstreckungsunterwerfung" die Möglichkeiten aufgeführt, dass sich der
Sicherungsgeber und gegebenenfalls der Darlehensnehmer der sofortigen
Zwangsvollstreckung unterwerfen. In einer erläuternden Fußnote ist ausgeführt, dass
diese Worte – gemeint sind " und der Darlehensnehmer" - zu streichen sind, wenn der
Darlehensnehmer nicht Eigentümer des Grundstückes werde, weil z.B. ein
Drittsicherungsfall gegeben ist. Insoweit wird auf die Ablichtung (Bl. 25 GA) verwiesen.
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Die Beteiligte zu 3. hat gegen die Kostenrechnung mit bei Gericht am 16.09.2009
eingegangenen Schreiben "Beschwerde" eingelegt. Sie beanstandet, dass der
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Beteiligte zu 1. in die von ihm beurkundete Grundschuldbestellung nicht auch eine
dingliche Zwangsvollstreckungs-unterwerfung der Käuferin und künftigen Eigentümerin
aufgenommen hat. Hierdurch sei die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung der
Grundschuldbestellungsurkunde gegen die künftige Eigentümerin erforderlich
geworden, wofür überflüssige Kosten angefallen seien. Diese Kosten seien wegen
unrichtiger Sachbehandlung nicht zu erstatten (§ 16 KostO).
Der Beteiligte zu 1. beruft sich darauf, dass er sich – dem Wunsch der Beteiligten zu 1.
entsprechend - an deren Vordruck gehalten habe.
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Der Präsident des Landgerichts hat unter dem 15.01.2010 und 04.06.2010 Stellung
genommen.
7
Aufgrund der Beanstandung hinsichtlich des Zitiergebotes hat der Beteiligte zu 1. eine
neue Kostenrechnung erstellt, die nunmehr Gegenstand des vorliegenden Verfahrens
ist.
8
II.
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Auf den Antrag der Beteiligten zu 3. ist die streitgegenständliche Rechnung, die in der
nunmehr eingereichten Fassung dem Zitiergebot entspricht, aufzuheben.
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1.
11
Es liegt ein Antrag auf Entscheidung des Landgerichts gemäß § 156 Abs. 1 KostO n.F.
vor, da der das Verfahren einleitende Schriftsatz der Beteiligten zu. 3 nach dem
01.09.2009 bei Gericht eingegangen ist. Die Bezeichnung als Beschwerde ist
unbedeutend.
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Nach Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-ReformG (FGG-RG) sind (nur) auf die Verfahren, die
bis zum Inkrafttreten des FGG-RG am 01.09.2009 eingeleitet worden sind oder deren
Einleitung bis zu diesem Zeitpunkt beantragt worden ist, weiter die vor Inkrafttreten des
FGG-RG geltenden Vorschriften anzuwenden. Wird das Verfahren hingegen - wie hier –
nach dem 01.09.2009 eingeleitet, sind die Vorschriften in der ab dem 01.09.2009
geltenden Fassung anzuwenden. Für die Anwendung der Übergangsvorschrift ist allein
der Zeitpunkt der Einleitung bzw. des Antrags auf Einleitung des Verfahrens in der
ersten mit ihm befassten gerichtlichen Instanz maßgebend
286, juris Rn. 3).
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Die Kammer folgt damit nicht der Ansicht des Oberlandesgerichts München, wonach §
161 S. 1 KostO insoweit eine Sonderregel darstelle und es darauf ankäme, ob die
Kosten vor dem 01.09.2009 fällig geworden sind (vgl. OLG München, Beschluss vom
07.05.2010 - Az.: 32 Wx 12/10, juris Rn. 4 f). Vielmehr stellt nach Auffassung der
Kammer für die durch Art. 47 Abs. 2 Nr. 38 des FGG-RG neu gefasste Vorschrift des §
156 KostO die Überleitungs-vorschrift in Art. 111 Abs. 1 FGG-RG gegenüber § 161
KostO die Sondervorschrift dar. Aus der in Art. 111 Abs. 1 FGG-RG enthaltenen
Formulierung "Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des FGG-RG eingeleitet worden
sind", folgt, dass die Übergangsvorschrift sich auf sämtliche Verfahren bezieht, die durch
das FGG-RG erfasst werden, also nicht nur solche des FamFG, sondern auch auf die in
den weiteren Artikeln des FGG-RG neu geregelten Verfahren (vgl. Musielak/Borth,
FamFG, 1. Auflage 2009, Einl Rn. 90). Diese generelle Anwendung des Art. 111 Abs. 1
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FGG-RG als Überleitungsvorschrift entspricht auch dem ausdrücklichen Willen des
Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 16/6308 S. 358 f.).
2.
15
Der Erhebung der Kosten aus der Rechnung des Beteiligten zu 1 Nr. 09-03030 - MU
vom 25.08.2009 steht die Vorschrift des § 16 Abs. 1 KostO entgegen, wonach Kosten,
die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben werden.
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Für die Frage, ob Notarkosten wegen falscher Sachbehandlung unerhoben bleiben
müssen, gelten nach der Rechtsprechung die gleichen Grundsätze und der gleiche
Maßstab wie bei der Niederschlagung von Gerichtskosten: Nur ein offen zutage
tretender Verstoß gegen eindeutige Normen oder ein offensichtliches Versehen
rechtfertigt die Anwendung des § 16 KostO (vgl. OLG Düsseldorf RNotZ 2005, 374 juris
Rn. 3, JurBüro 2005, 318 juris Ls. 1; OLG Zweibrücken Beschluss vom 18.03.2010 - Az.:
3 W 41/10 juris Rn. 8; Korintenberg/Bengel/Tiedtke, Kostenordnung, 18. Auflage 2009, §
16 KostO Rn. 2). Ein solcher Verstoß des Beteiligten zu 1. liegt hier vor.
17
a.
18
Er hat es bei der Beurkundung der Grundschuldbestellung unterlassen, auf die
Möglichkeit hinzuweisen, dass sich auch zugleich die künftige Eigentümerin in der
notariellen Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen kann und damit für
den Fall der Vollstreckung Kosten gespart werden können
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Zwar kann nach § 800 Abs. 1 ZPO die dingliche Zwangsvollstreckungs-unterwerfung
nur vom Eigentümer abgegeben werden. Allerdings kann er sie wirksam auch schon vor
dem Eigentumserwerb als künftiger Eigentümer abgeben (vgl. OLG Naumburg NotBZ
2001, 114 juris Rn. 5 m.w.N. aus der RSpr.), wenn er zum Zeitpunkt des
Wirksamenwerdens der Unterwerfungserklärung mit Eintragung im Grundbuch (§ 800
Abs. 1 ZPO) Eigentümer des Grundstücks ist bzw. gleichzeitig wird (vgl. BayObLG
DNotZ 1987, 216 juris Os.). Haben der Veräußerer als bisheriger Eigentümer und der
Grundstückserwerber als künftiger Eigentümer in gemeinsamer notarieller Urkunde eine
dingliche Unterwerfungserklärung abgegeben und hat der Notar alsdann dem Gläubiger
eine Ausfertigung des notariellen Titels erteilt, ohne Schuldner und Schuldgrund näher
zu bezeichnen, so bedarf es nach Eigentumsübergang einer Klauselumschreibung auf
den Erwerber nicht mehr (vgl. Zöller, Stober, ZPO, § 800 Rn. 5, 7 m.w.N.) Notarkosten
für die Umschreibung der Vollstreckungsklausel gemäß § 133 KostO entstehen dann
nicht.
20
b.
21
Es handelt sich vorliegend auch um ein derart offenkundiges Versehen, dass dies –
auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung (vgl. (OLG Zweibrücken Beschluss vom
18.03.2010 – Az.: 3 W 41/10 juris Rn. 8) - die Anwendung des § 16 Abs. 1 S. 1 KostO
rechtfertigt.
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Nach § 17 Abs. 1 BeurkG soll der Notar den Willen der Beteiligten erforschen, den
Sachverhalt klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts
belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiedergeben.
Dabei soll er darauf achten, dass Irrtümer und Zweifel vermieden sowie unerfahrene
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ungewandte Beteiligte nicht benachteiligt werden. Der Notar ist zur kostensparenden
und billigsten Sachbehandlung verpflichtet, wobei aber gleichzeitig der sichere oder
sachdienlichere Weg einzuschlagen ist (vgl. Korintenberg/Bengel/Tiedtke,
Kostenordnung, 18. Auflage 2009, § 16 KostO Rn. 51 f.).
Dabei vermag nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf eine bloße unvollständige
Erforschung des wirklichen Willens eines Beteiligten eine Nichterhebung der Kosten
grundsätzlich nicht zu rechtfertigen. Etwas anderes gilt dann, wenn erkennbar ist, dass
der Notar sich nicht darum bemüht hat, den wahren Willen des Kostenschuldners zu
erforschen oder wenn eine völlig unbrauchbare, unzweckmäßige oder erheblich
kostenintensivere Lösung gewählt hat (vgl. OLG Düsseldorf JurBüro 2005, 318 juris
Rn.4).
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So liegt es hier. Zunächst ist festzuhalten, dass zusätzliche Kosten in Höhe von 227,65
€ entstanden sind, die – wie dargestellt – mit einer ebenso sichern Lösung hätten
vermieden werden können. Weiter kann sich der Beteiligte zu 1. auch nicht mit Erfolg
darauf berufen, dass er sich an die unter der Zwischenüberschrift "Dingliche
Zwangsvollstreckungsunterwerfung" geregelten Vorgaben aus dem Vordruck der
Beteiligten zu 3 gehalten habe. Denn bei der gebotenen sachgerechten und
wirtschaftlichen Betrachtungsweise musste es für den Beteiligten zu 1. erkennbar sein,
dass mit dem Begriff des Sicherungsgeber in dem Vordruck in dem konkreten Fall
zumindest auch die Erwerberin des Grundstückes gemeint ist, da diese nach der von
ihm am gleichen Tag eingeleiteten Veräußerung des Grundstückes Eigentümerin wird
und damit das Darlehen sichert. Insoweit war auch der Wille der Beteiligten zu 3. zu
erforschen, da die Grundschuld gerade für diese bestellt wurde. Danach hat der
Beteiligte zu 1. entweder sich nicht darum bemüht den wahren Willen der Beteiligten zu
3. erforschen oder er hat eine offenkundige unzweckmäßige Lösung gewählt, die
Mehrkosten verursacht hat, ohne sicherer zu sein.
25
3.
26
Die Kostenentscheidung beruht auf 81 Abs. 1 FamFG. Es entsprach billigem Ermessen,
dem Beteiligten zu 1, die außergerichlichen Kosten der Beteiligten zu 3. aufzuerlegen,
da er das Verfahren durch sein offensichtliches Versehen verursacht hatte.
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