Urteil des LG Düsseldorf vom 03.04.2009

LG Düsseldorf: umkehr der beweislast, internetseite, täuschung, auflage, akte, erstellung, beweisergebnis, vermögensvorteil, vertragsschluss, anfechtung

Landgericht Düsseldorf, 22 S 327/08
Datum:
03.04.2009
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
22 Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 S 327/08
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 10.09.2008 verkündete
Schluss - Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf – Az. 32 C 6293/08 – wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Gründe:
1
I.
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Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs.1
Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Entscheidungserhebliche Ergänzungen sind in der
Berufungsinstanz nicht erfolgt.
3
II.
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Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang
weiter. Sie begehrt Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und Vorbehaltloserklärung
des Vorbehaltsanerkenntnis-Urteils des Amtsgerichts Düsseldorf vom 10.09.2008.
5
III.
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Die Berufung ist zulässig, sie ist insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet
worden, §§ 517, 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
7
Die Berufungsbegründung genügt den formellen Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2
Nr. 2 ZPO. Die Klägerin rügt Rechtsverletzungen durch das Amtsgericht im Sinne von
§ 546 ZPO, die – als wahr unterstellt – entscheidungserheblich wären.
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Hierzu trägt sie vor, das Urteil des Amtsgerichts beruhe zunächst auf einem Verstoß
gegen den Grundsatz des Parteiprozesses. Das Amtsgericht habe seinem Urteil einen
Sachverhalt zugrunde gelegt, den keine Partei je behauptet habe und in den
Rechtsstreit eingeführt habe. Erstinstanzlich sei von dem Beklagten immer nur
vorgetragen worden, er sei darüber getäuscht worden, dass das Entgelt für den von ihm
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abgeschlossenen Internet-System-Vertrag allein der Deckung von Fremdkosten diene.
Etwas anderes habe er weder in seinen vorgerichtlichen Schreiben noch in seinem
Schriftsatz vom 19.07.2007 jemals behauptet. Anderes sei auch nicht Gegenstand ihres,
der Klägerin, Vortrag gewesen. Dementsprechend sei auch der Beweisbeschluss des
Gerichts gefasst gewesen. Der Beklagte habe nie, auch nicht im Anschluss an die
erstinstanzliche Beweisaufnahme, behauptet, darüber getäuscht worden zu sein, dass
der Vertrag zu besonders günstigen Konditionen abgeschlossen worden sei. Der
Beklagte habe sich auch nicht die Aussage der Zeugin xxx zu eigen gemacht. Das
Amtsgericht habe daher nach § 286 Abs. 1 ZPO diese Angaben der Zeugin überhaupt
nicht seinem Urteil zugrunde legen dürfen. Hierzu bezieht sich die Klägerin auf die
Entscheidung des Bundesgerichtshofes, BGH NJW-RR 1990, 507ff und macht weitere
umfangreiche Ausführungen.
Im Übrigen sei das Urteil das Amtsgerichts aber auch in der Sache fehlerhaft. Es
verkenne darin die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der
Tatbestandsmerkmale des § 123 Abs. 1 BGB. Der Beklagte habe schon nicht dargelegt,
dass das von der Zeugin xxx geschilderte Einsparpotential von Referenzverträgen
gegenüber normalen Verträgen überhaupt der Grund für seine Entscheidung zum
Vertragsschluss gewesen sei.
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Das Amtsgericht habe auch nach § 139 ZPO einen Hinweis erteilen müssen, wenn es
die Beweislast insoweit bei der Klägerin und nicht beim Beklagten gesehen habe und
die Aussage der Zeugin xxx seinem Urteil zugrunde legen wollte. Die vage Angabe im
Termin, wie sie sich aus dem Protokoll ergebe, werde der Hinweispflicht nach § 139
ZPO nicht gerecht. Hätte das Amtsgericht aber diesen erforderlichen Hinweis in der
erforderlichen Klarheit erteilt, so hätte sie Ausführungen dazu gemacht, dass die
Angaben der Zeugin xxx zum Einsparpotential von Referenzverträgen den Tatsachen
entsprächen und dazu Beweis angeboten. Hierzu macht sie umfangreiche
Ausführungen.
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Dieses Vorbringen stellt sich als formal ordnungsgemäßer Berufungsangriff im Sinne
des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO dar.
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IV
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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
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Der Klägerin stände aus dem zwischen ihr und dem Beklagten am 18.08.2006
geschlossenen Internet-System-Vertrag der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung
der Vergütung für das erste Vertragsjahr zuzüglich Abschlussgebühr und Verzugskosten
zu, mit der Folge, dass das Vorbehaltsurteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom
10.09.2008 für vorbehaltlos zu erklären wäre,
wenn
dass die Klägerin ihn bei Vertragsschluss anfechtungsrelevant getäuscht hatte, §§ 123
Abs. 1 Fall 1, 142 Abs. 1 BGB. Dies ist aber nach der erstinstanzlich durchgeführten
Beweisaufnahme erwiesen.
15
1.
16
Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, § 123 Abs. 1 BGB
17
1.1.
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Täuschungshandlung "nur Fremdkosten"
19
Der erstinstanzliche Vortrag des Beklagten, wonach die Täuschungshandlung der
Klägerin darin bestanden hatte, dass die Zeugin xxx ihm gegenüber erklärt hatte, das zu
zahlende Entgelt von 125,00 € netto enthalte nur die Fremdkosten, also Anmeldekosten
für die Domain bei der xxx und die Fremdserverkosten, ist durch die erstinstanzliche
Beweisaufnahme zwar
nicht bewiesen
xxx noch die Ehefrau des Beklagten, welche nach den Angaben der Zeugin xxx bei dem
Vertriebsgespräch im Wesentlichen dabei war, haben solches bekundet. Eine
erfolgreiche Anfechtung wegen dieser behaupteten Täuschung kommt somit nicht in
Betracht.
20
1.2.
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Täuschungshandlung "Referenzkunde, Vertrag günstiger als ohne
Referenzkunde zu sein"
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Aber es ist erwiesen, dass die Klägerin dem Beklagten durch die Zeugin xxx erklärt
hatte, er erhalte den Vertrag zu einem erheblichen Vermögensvorteil, weil er nämlich ein
Referenzkunde sein könne, wodurch er nur die Hälfte dessen bezahle, was ein solcher
Vertrag normalerweise monatlich koste.
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Die Zeugin xxx hat bei ihrer Vernehmung am 31.007.2008 angegeben, es habe bei dem
Beklagten ein relativ langes Gespräch stattgefunden, etwa zweieinhalb bis drei Stunden
habe dieses gedauert. Sie sei mit dem Beklagten übereingekommen, dass seine
Internetseite als Referenzseite genutzt werden sollte. Das habe bedeutet, dass die
Kosten der Erstellung der Internetseite nicht von ihm zu tragen gewesen wären. Auch
habe sich die Firma xxx an den laufenden, das heißt den monatlichen Gebühren, mit
einem hälftigen Betrag beteiligen sollen. Da die monatlichen Kosten, wie die Zeugin
sich erinnerte, für den Beklagten 125,00 € betragen sollten, wären normalerweise für so
eine Internetseite monatlich 250,00 € zu zahlen gewesen, wenn nicht vereinbart worden
wäre, die Seite als Referenzseite zu nutzen.
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Auch die Ehefrau des Beklagten hat übereinstimmend und glaubhaft erklärt, dass die
Zeugin xxx ihnen erklärt habe, sie können ihnen ein Angebot machen dergestalt, dass
die zu erstellende Internetseite als Referenzseite genutzt werde. In diesem Fall, so die
Zeugin xxx, sollten sich die vom Beklagten zu zahlenden Kosten reduzieren, er habe
dann nur noch die Kosten einer Aktualisierung und Pflege der Internetseite zu tragen
gehabt. Auch sie erinnerte sich, dass insoweit Beträge von 250,00 € versus 120,00 € im
Raum gestanden hätten.
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Damit ist erwiesen, dass die Zeugin xxx dem Beklagten erklärt hatte, dass seine Seite
als Referenzseite genutzt werden sollte – also letztlich zur Werbung für die Klägerin –
und dass sich hieraus eine monatliche Vergünstigung ergab dergestalt, dass er nur die
Hälfte des üblichen Preises zu zahlen hatte.
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1.2.1.
27
Das Amtsgericht durfte diese Erklärung der Zeuginnen xxx und Schmitz seiner
Entscheidung auch zugrunde legen.
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Bewiesen sind aufgrund der erstinstanzlichen Beweisaufnahme folgende Äußerungen
der Zeugin xxx während des Vertriebsgesprächs am 18.08.2006:
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es handle sich bei der Seite, die für den Beklagten gemacht werde, um eine
Referenzseite
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deshalb müsse er die Kosten der Erstellung der Internetseite nicht tragen
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es sei eine Referenzseite, deshalb seien die
Kosten reduziert
die nicht solche Referenzseiten seien
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diese Ersparnis liege bei der Hälfte dessen, was die Seite sonst koste, nämlich
250,00 € versus 125,00 €
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Das Amtsgericht durfte diese Erklärung – die bis zu diesem Zeitpunkt von keiner Partei
so vorgetragen war – seiner Entscheidung zugrunde legen, wenn sich der Beklagte
diese Tatsachen erkennbar zu eigen gemacht hatte (BGH NJW-RR 1990, 507ff –
Beweis
Entscheidung nach § 286 Abs. 1 ZPO nicht zugrunde legen. Hier hatte sich der Beklagte
aber diese Angaben der Zeugin xxx schlüssig zu eigen gemacht, nämlich durch
entsprechendes Aufgreifen dieser Aussage im Rahmen der Beweisaufnahme. Aus dem
Protokoll vom 31.07.2008 geht hervor, dass es der Beklagtenvertreter war, der der
Zeugin xxx die Frage stellte, auf die sie antwortete, sie habe jedenfalls mit anderen als
Referenzverträgen noch nie etwas zu tun gehabt. So, wie davon auszugehen ist, dass
jede Partei ihr günstiges Vorbringen des
Gegners
(vgl. zum
Partei
ist hier durch das Befragungsverhalten des Beklagtenvertreters während der
erstinstanzlichen Beweisaufnahme sowie dem weiteren Verhalten im Rahmen der
stattgefundenen Erörterung davon auszugehen, dass der Beklagte sich dieses für ihn
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günstige Beweisergebnis schlüssig zu eigen gemacht hatte.
1.2.2.
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Die oben dargelegten, während des Verkaufsgesprächs mit der Zeugin Einhoff
gemachten Erklärungen waren falsch: Die Tatsache, dass ein Referenzvertrag
geschlossen wurde, der einen messbaren finanziellen Vorteil für den Beklagten
gegenüber "Normalverträgen" mit sich bringen sollte, entsprach bezogen auf den
damaligen Zeitpunkt, August 2006
nicht den Tatsachen
Klägerin darauf hingewiesen, dass es gegebenenfalls darauf ankomme, in welchem
Verhältnis die "Normalverträge" zu den besonderen "Referenzverträgen" gestanden
hätten, und die Klägervertreterin hatte zugesagt, eine entsprechende Aufstellung zu der
Akte zu reichen, aus der hervorging, in welchem Verhältnis seinerzeit "Normalverträge"
zu Referenzverträge standen. Dies hatte die Klägerin jedoch nicht getan. Nach dem
gerichtlichen Hinweis musste der Klägervertreterin klar sein, dass es genau darauf
ankam, ob denn tatsächlich der Abschluss eines "Referenzvertrags" einen messbaren
Vorteil brachte oder aber, weil es gar keine anderen Verträge zum damaligen Zeitpunkt
gab, dies schlicht und einfach gelogen war, um den potentiellen Kunden zu suggerieren,
sie würden hierdurch einen einmaligen Vorteil erlangen. Dass dieser Hinweis für die
Klägerin eindeutig und verständlich war, zeigt sich schon daran, dass die
Klägervertreterin im Termin selbst zugesagt hatte, eine entsprechende Aufstellung zur
Akte zu reichen.
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Hierin liegt, entgegen der Ansicht der Berufung, auch keine Umkehr der Beweislast,
sondern dies ist eine Folge der sekundären Darlegungslast der Klägerin (vgl. Moritz in:
jurisPK-BGB, 4. Auflage 2008, § 123 Rn. 19, zum vergleichbaren Problem des sog.
"Lockvogelangebots").
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Da die Klägervertreterin zugesagt hatte, eine entsprechende Aufstellung zu den Akten
zu reichen, dies unstreitig aber nie getan hatte, war sie in diesem Fall ihrer sekundären
Darlegungslast nicht nachgekommen, weshalb davon auszugehen ist, dass es
tatsächlich 2006 nur "Referenzverträge" gab und keine anderen, so dass der Abschluss
dieses Vertrags de facto entgegen der Aussagen der Klägerin überhaupt nicht mit einem
besonderen Vermögensvorteil verbunden war (zur Täuschung durch Vorspiegelung
eines "besonders günstigen Angebots" vgl. LG Flensburg, Urteil vom 31.1.2006, Az. 1 S
101/05, OLG Hamm, Urteil vom 12.06.1992, NJW-RR 1993, 628ff).
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Mit ihrem nunmehr in der Berufungsinstanz erstmals gebrachten Vortrag zu dem
Verhältnis von Normal- und Referenzverträgen ist sie nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO
ausgeschlossen, weil nicht erkennbar ist, wieso sie gehindert gewesen sein soll, dies
innerhalb der vom Amtsgericht eingeräumten Schriftsatzfrist von 3 Wochen vorzutragen
und insbesondere fristgerecht die von ihr selbst in Aussicht gestellte Aufstellung zu der
Akte zu reichen.
43
2.
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Die Täuschung durch die Klägerin war auch kausal für die entsprechende
Willensentscheidung des Beklagten. Hierbei genügt eine Mitursächlichkeit im Sinne
eines Motivbündels, der in Aussicht gestellte Vorteil muss nicht der einzige Grund für
den Abschluss des Vertrags gewesen sein (Palandt-Ellenberger, BGB 68. Auflage
2009, § 123 Rn. 24 m.w.N.). Der Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass jedenfalls
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2009, § 123 Rn. 24 m.w.N.). Der Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass jedenfalls
neben dem allgemein vom ihm als günstig empfundenen Preis es für ihn wichtig war,
dass die Zeugin xxx es so dargestellt hatte, dass er die Kosten der Erstellung der
Internetseite nicht zu tragen habe und von den laufenden Gebühren nur die Hälfte, dass
ihm also der Eindruck vermittelt worden war, die Klägerin "lege Geld drauf", um ihn als
Referenzseite zu gewinnen.
Es entspricht auch der Lebenswahrscheinlichkeit, dass ein Vertragspartner, dem ein
besonderer, ja außergewöhnlicher finanzieller Vorteil durch eine bestimmte
Vertragsgestaltung in Aussicht gestellt wird, sich hiervon zum Vertragsabschluss
jedenfalls auch motivieren lässt.
46
V.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche
Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert, § 543 Abs. 2
ZPO.
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Streitwert für die Berufungsinstanz:
2.068,74 €
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