Urteil des LG Düsseldorf vom 30.10.2007

LG Düsseldorf: vergütung, schlüssiges verhalten, neuanmeldung, patentanwalt, erfinder, abrechnung, besuch, betrug, beratungsvertrag, billigkeit

Landgericht Düsseldorf, 4a O 140/07
Datum:
30.10.2007
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4a O 140/07
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.732,80 EUR nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
11.05.2007 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
1
Die Klägerin ist eine Patentanwaltskanzlei in der Rechtsform einer Gesellschaft
bürgerlichen Rechts. Der Beklagte betreibt unter der Bezeichnung X ein
Beratungsunternehmen.
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Am 28.12.2005 schloss der Beklagte mit der X, einen Beratungsvertrag. Die X
beabsichtigte, unter Beteiligung eines Herrn X eine Pyrolyse-Anlage zu entwickeln und
zu errichten. Der Beklagte sollte für die X unter anderem in den Patentangelegenheiten
tätig werden und monatlich 5.000,00 EUR Beratungshonorar erhalten. Wegen der
Einzelheiten des Vertrages wird auf die Anlage B1 Bezug genommen.
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Am 09.03.2006 suchte der Beklagte die Kanzlei der Klägerin auf und bat um eine
Beratung wegen der Neuanmeldung eines Patents für einen Verbrennungsofen. Dabei
übergab er eine Visitenkarte mit dem Schriftzug "X" Es folgte eine zweistündige
Besprechung. Der Beklagte sah durch die Anmeldung eines Erfinders aus
Ostdeutschland die Rechte Dritter beeinträchtigt und bat um die Klärung der vertrags-
und patentrechtlichen Situation.
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Am 01.06.2006 fand eine weitere etwa anderthalb Stunden andauernde Besprechung
zwischen der Klägerin und dem Beklagten statt, in deren Verlauf der Beklagte weitere
Unterlagen für die beabsichtigte Neuanmeldung überreichte. Für das Studium der
Unterlagen wandte die Klägerin eine Stunde auf. Weiterhin führte die Rechtsanwältin
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Unterlagen wandte die Klägerin eine Stunde auf. Weiterhin führte die Rechtsanwältin
Schuster verschiedene Telefonate mit dem Beklagten, Herrn X und und beriet diese im
Hinblick auf die Inhaberschaft am Schutzrecht und deren Übertragung. Die Dauer der
Telefonate betrug insgesamt zwei Stunden.
Schließlich wurde von der Klägerin ein Entwurf für die beabsichtigte Neuanmeldung
erarbeitet, eine Namensrecherche durchgeführt und bestehende Rechte in den X
ermittelt. Der Aufwand betrug zweieinhalb Stunden.
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Mit Schreiben vom 02.11.2006 stellte die Klägerin dem Beklagten für ihre Tätigkeit
einen Betrag von 2.731,80 EUR brutto in Rechnung. Die Abrechnung erfolgte auf der
Grundlage von Stundenhonoraren, wobei die Tätigkeit von X mit 280,00 EUR netto pro
Stunde, die der Rechtsanwältin X mit 250,00 EUR netto und die von X mit 230,00 EUR
netto in Ansatz gebracht wurde. Weiterhin wurden für Datenbankgebühren und –
ausdrucke, Handykosten, Schreibgebühren und Porto 145,00 EUR netto berechnet.
Wegen der Einzelheiten der Rechnung wird auf die Kopie derselben Bezug genommen.
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Mit Schreiben vom 12.11.2006 bat der Beklagte die Klägerin, die Rechnung auf die X
umzuschreiben, was von der Klägerin abgelehnt wurde. Sie forderte den Beklagten mit
anwaltlichem Schreiben vom 02.05.2007 auf, die Forderung bis zum 10.05.2007
auszugleichen.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.732,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.05.2007 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte behauptet, bereits bei seinem ersten Besuch bei der Klägerin habe er den
Hintergrund seines Besuches erläutert. Er habe erklärt, dass Herr X im Wesentlichen
der Erfinder und Herr X der Investor für die Entwicklung der Anlage sei. Er habe die
Termine bei der Klägerin ausschließlich im Interesse und im Auftrag der X
wahrgenommen. Persönlich habe er kein Interesse an der Anmeldung eines Patents
gehabt. Dies habe er durch sein Verhalten im ersten Termin bei der Klägerin
offenkundig gemacht.
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Der Beklagte bestreitet die Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit der Höhe des
geltend gemachten Honorars.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.
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I.
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Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 2.563,60 EUR
aus §§ 675 Abs. 1, 611 Abs. 1 BGB.
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1. Zwischen der Klägerin und dem Beklagten bestand ein Geschäftsbesorgungsvertrag
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mit dienstvertraglichem Charakter über die Erbringung patentanwaltlicher
Beratungsleistungen.
a) Der Beklagte beauftragte die Klägerin am 09.03.2006, ihn hinsichtlich einer
beabsichtigen Neuanmeldung eines Patents für eine Pyrolyse-Anlage zu beraten. Der
Vertrag kam durch die Bitte des Beklagten um Beratung und die unmittelbar erfolgte
erste Besprechung durch schlüssiges Verhalten der beiden Parteien zustande.
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b) Der Vertragsschluss wirkt nicht gemäß § 164 Abs. 1 S. 1 BGB für und gegen die X.
Vertragspartner der Klägerin wurde vielmehr der Beklagte selbst. Denn der Beklagte hat
nicht dargelegt, dass er im Zeitpunkt der Beauftragung der Klägerin im Namen der X
handelte.
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Der Wille, im fremden Namen zu handeln, kann sich aus einer ausdrücklichen Erklärung
oder aus den Umständen ergeben, § 164 Abs. 1 S. 2 BGB. Eine ausdrückliche
Erklärung hat der Beklagte nicht vorgetragen. Auch die vom Beklagten vorgetragenen
Umstände der Beauftragung lassen nicht den Willen des Beklagten erkennen, im
Namen der X handeln zu wollen. Maßgeblich ist insofern, wie ein objektiver Dritter in der
Position der Klägerin das Verhalten des Beklagten verstehen durfte.
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Der Beklagte behauptet dazu, bei seinem ersten Besuch bei der Klägerin den
Hintergrund seines Besuches erläutert zu haben. Er habe erklärt, dass Herr X der
Erfinder sei und Herr X der Investor. Dies allein genügt nicht, einen nach außen
erkennbaren Willen, im Namen eines Dritten handeln zu wollen, deutlich werden zu
lassen. Das Interesse eines objektiven Dritten in der Position der Klägerin beim
Abschluss eines Vertrages geht regelmäßig dahin, sich Klarheit über den
Vertragspartner zu verschaffen. Der Umstand, dass Herr X der Erfinder und die X oder
Herr X der Investor ist, verschafft diese Klarheit nicht. Vielmehr war es aus Sicht der
Klägerin ebenso möglich, dass der Beklagte selbst weiterer Beratung bedurfte und
eigene Beratungsleistungen in Anspruch nehmen wollte, um die X besser beraten zu
können. Selbst wenn die Beratung unmittelbar der X zugute kommen sollte, sagt dies
über die beabsichtigten Vertragsbeziehungen nichts aus. Denn es ist ebenso gut
möglich, dass der Beklagte den Beratungsvertrag unmittelbar mit der Klägerin schließen
wollte und die ihm entstandenen Kosten durch die von der X geleisteten
Beratungshonorare in Höhe von 5.000,00 EUR netto abgegolten werden sollten.
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Soweit der Beklagte behauptet, er habe die Termine bei der Klägerin ausschließlich im
Interesse und im Auftrag der X wahrgenommen, ist auch dieser Vortrag unerheblich. Es
ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte diese Interessenlage für die Klägerin erkennbar
nach außen deutlich machte. Vielmehr dürfte eine solche Interessenlage auch gar nicht
bestanden haben. Denn aus der Präambel des Beratungsvertrages ergibt sich, den der
Beklagte selbst in jahrelanger Vorarbeit und mit selbst durchgeführten Versuchsreihen
ein Verfahren zur Pyrolyse von kohlenwasserstoffhaltigen Produkten entwickelt und zur
Serienreife gebracht hatte. Dies spricht für ein starkes eigenes Interesse des Beklagten
an den klägerischen Beratungsleistungen.
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2. Der Vergütungsanspruch ist fällig gemäß § 614 BGB, denn die vom Beklagten
beauftragten Beratungsleistungen wurden von der Klägerin unstreitig erbracht.
Patentanwalt Zapf, der für die Klägerin tätige X und Rechtsanwältin X führten am
13.04.2006 und am 01.06.2006 zwei Besprechungen mit dem Beklagten und
verschiedene Telefonate mit dem Beklagten, Herrn X und Herrn X hinsichtlich der
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beabsichtigten Patentanmeldung für eine Pyrolyse-Anlage. X arbeitete die übergebenen
Unterlagen durch. Außerdem arbeitete er den Entwurf für die Neuanmeldung aus und
führte eine Namensrecherche durch. Inhalt und Zeitaufwand für die erbrachten
Beratungsleistungen hat der Beklagte nicht bestritten.
3. Für die Tätigkeit des Patentanwalts X und ihrer Beschäftigen X und Rechtsanwältin X
kann die Klägerin eine Vergütung von 2.210,00 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer
verlangen. Die Parteien haben eine konkrete Vereinbarung über die Art der Vergütung –
hier die Berechnung nach Zeitaufwand – und die Vergütungshöhe – hier den
Stundensatz – nicht getroffen. Der Beklagte hat aber nicht in Abrede gestellt, dass im
Rahmen des Mandatsverhältnisses beide Parteien von einer Abrechnung der
klägerischen Leistungen nach Zeitaufwand ausgingen.
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a) Da es eine gesetzliche Regelung über die Höhe der Gebühren von Patentanwälten
nicht gibt, eine "Taxe" im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB also nicht besteht, schuldet der
Beklagte gemäß § 612 Abs. 2 BGB die übliche, das heißt angemessene Vergütung.
Dabei ist das Anwaltshonorar zunächst von der Klägerin zu bestimmen, § 316 BGB.
Diese Bestimmung ist allerdings nur dann verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht,
§ 315 BGB. Dabei hat die Klägerin die Umstände darzulegen, aus denen sich ergibt,
dass die von ihr getroffene Vereinbarung "billig" ist (BGH NJW 1992, 171, 174).
Angesichts des Ermessensspielraums, den der Patentanwalt bei der Festsetzung seiner
Vergütung gemäß § 316 BGB hat, kann eine in Rechnung gestellte Vergütung noch
nicht deshalb als unbillig angesehen werden, weil sie die als angemessen berechnete
Vergütung überhaupt überschreitet. Dem Patentanwalt steht vielmehr ein so genannter
Toleranzbereich zur Verfügung, der besagt, dass der von ihm angesetzte Honorarbetrag
nur dann unbillig ist, wenn er die angemessene Vergütung um mehr als 20 %
überschreitet (OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.02.2001 – 2 U 10/98; LG Düsseldorf Mitt.
2006, 283). Findet eine geringere Überschreitung statt, so verbleibt es deshalb bei dem
vom Patentanwalt festgesetzten Vergütungsbetrag. Wird der Toleranzbereich von 20 %
überschritten, ist als Vergütung das als angemessen errechnete Honorar (ohne jeden
Zuschlag) anzusetzen.
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Welcher Stundensatz im Einzelfall angemessen ist, hängt neben der Schwierigkeit, dem
Umfang und der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache auch von der Kostenstruktur der
jeweiligen Anwaltskanzlei ab. Nach der Praxis der Patentanwaltskammer bieten die
Stundensätze für Rechtsanwälte einen Anhaltspunkt. Für sie wird allgemein eine
Bandbreite von 125,00 EUR bis 500,00 EUR angegeben (Gerold/Schmidt/v.
Eicken/Mader/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl.: § 4 Rn 86).
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b) Diese Grundsätze sind im vorliegenden Fall auch hinsichtlich der von Rechtsanwältin
Schuster erbrachten Leistungen anwendbar. Diese Leistungen sind nicht nach dem
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) abzurechnen. Denn der Beklagte erteilte der
Klägerin einen Auftrag zu einer patentanwaltlichen Beratung. Eine rechtsanwaltliche
Beratung und damit eine Abrechnung nach dem RVG war nicht gewollt und nicht
Gegenstand des Auftrags. Dementsprechend hat die für die Klägerin tätige
Rechtsanwältin X mit der Beratung hinsichtlich der Patentinhaberschaft und ihrer
Übertragung auch nur Leistungen erbracht, die üblicherweise mit einem
patentanwaltlichem Mandat einhergehen und von Patentanwälten selbst erbracht
werden und gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 1 Patentanwaltsordnung erbracht werden dürfen.
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c) Im vorliegende Fall ist mangels anderer Darlegungen von einem durchschnittlichen
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Schwierigkeitsgrad der Sache auszugehen. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass es
sich um einen technisch oder rechtlich schwierigen Fall handelte; ebenso wenig hat der
Beklagte dargelegt, dass der Fall einfach gelagert war. Weiterhin ist zu berücksichtigen,
dass es sich bei der Klägerin um eine kleinere Patentanwaltskanzlei mit zwei
Patentanwälten, einen European Patent Attorney und einer Rechtsanwältin handelt, die
aber ausweislich ihres Briefkopfes Standorte in Wuppertal, München, Bergisch
Gladbach und Alicante unterhält. Vor diesem Hintergrund hält die Kammer einen
mittleren Stundensatz von 250,00 EUR für angemessen.
Die Klägerin hat für die zweistündige Besprechung am 13.04.2006 einen Stundensatz
von 280,00 EUR in Ansatz gebracht. Dieser Betrag ist angemessen, da er innerhalb der
Toleranzgrenze von 20 % liegt. Für die telefonische Beratung seitens der
Rechtsanwältin Schuster wurde der mittlere Stundensatz von 250,00 EUR abgerechnet.
Soweit für den Mitarbeiter Mayerhofer ein Stundensatz von 230,00 EUR berechnet
wurde, liegt dieser Betrag sogar unter dem für angemessen erachteten Stundensatz.
Unter Berücksichtigung des in der Rechnung angegebenen Zeitaufwands von zwei
Stunden für Patentanwalt X, zwei Stunden für Rechtsanwältin X und insgesamt fünf
Stunden für den Mitarbeiter X ergibt sich ein Betrag von 2.210,00 EUR zuzüglich 353,60
EUR Mehrwertsteuer.
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II.
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Weiterhin hat die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von
145,00 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer aus §§ 611, 675 Abs. 1, 670 BGB. Zwischen den
Parteien bestand ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit dienstvertraglichem Charakter.
Dementsprechend kann die Klägerin Ersatz ihrer Aufwendungen in Form von
Datenbankgebühren und –ausdrucken, Mobilfunkkosten, Schreibgebühren und Porto
verlangen. Dass diese Aufwendungen in Höhe von 145,00 EUR netto anfielen, wird
vom Kläger nicht in Frage gestellt und ist im Übrigen hinsichtlich der von der Klägerin
erbrachten Telefonate, Namensrecherche, Rechtsstandsermittlung und Korrespondenz
auch nicht fernliegend. Die Auslagen betragen zuzüglich Mehrwertsteuer von 23,20
EUR insgesamt 168,20 EUR.
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III.
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Schließlich hat die Klägerin gegen den Beklagten Anspruch auf Zahlung von Zinsen
gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Der Beklagte befand sich aufgrund der
klägerischen Zahlungsaufforderung seit dem 11.05.2007 in Verzug.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
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Streitwert: 2.732,80 EUR
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