Urteil des LG Düsseldorf vom 12.04.2007

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Landgericht Düsseldorf, 11 O 389/06
Datum:
12.04.2007
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Vors.Richter am LG Oltrogge
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 O 389/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch selbstschuldnerische
Bürgschaft einer großen Bank oder Sparkasse mit Sitz in der
Bundesrepublik Deutschland erbracht werden.
T a t b e s t a n d
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Der Kläger unterhält bei der Beklagten für seine Geschäftsräume im 1. Obergeschoss
des Hauses X X 10 in Dorsten u.a. eine Einbruchs-Diebstahlsversicherung, auf welche
die AERB 87 Anwendung finden.
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Anfang Juli 2006 zeigte der Kläger bei der Beklagten einen Einbruchsdiebstahl in der
Nacht vom 29. auf den 30. 06. 2006 an. Jedenfalls nach Darstellung des Klägers sind in
dieser Nacht unbekannte Täter mit einer aus einer entfernter liegenden mit einer Stahltür
gesicherten Garage entwendeten Leiter bis in den 1. Stock gestiegen und von dort durch
ein auf Kipp stehendes Fenster in den Versicherungsort eingestiegen. Sodann haben
sie dort eine Tür aufgebrochen, hinter der sich die entwendeten Gegenstände befunden
haben. Sodann haben sie – nach Darstellung des Klägers – folgende Gegenstände
bzw. Bargeld im Gesamtwert von 12.870,62 EURO entwendet:
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1. Opta data pens im Wert von 5.828,70 EURO
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2. Bargeld in Höhe von 1.500,00 EURO
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3. ein Tom Tom Navigationsgerät im Wert von 599,00 EURO
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4. ein Tom Tom Navigationsgeräte im Wert von 479,00 EURO
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5. ein Tom Tom Navigationsgerät im Wert von 699,00 EURO
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6. ein Handy Pan DGD87 mit Kamera im Wert von 159,96 EURO
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7. ein Handy Nokia 6210 im Wert von 795,99 EURO
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8 ein Notebook Toshiba Nb Satellit M70-151 inklusive Zubehör gemäß Rechnung
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vom 09. 01. 2006 im Wert von 1.467,98 EURO
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9. ein Notebook Acer s-fire 5512WLMI nebst Zubehör gemäß Rechnung vom
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28. 01. 2006 im Wert von 1.376,99 EURO.
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Die Beklagte führte durch ihren Schadensregulierer X im Juli 2006 einen Ortstermin
durch. Mit Schreiben vom 25. 07. 2006 (Anlage B 7) erklärte die Beklagte daraufhin die
Deckungsablehnung sowie die Kündigung des Versicherungsvertrages wegen
Verstoßes gegen Sicherheitsvorschriften. Sie berief sich darauf, dass entgegen den
vereinbarten Sicherheitsrichtlinien (Sicherungsklasse S 1) an der Außentür zum
Versicherungsort ein nichtbündiger Schließzylinder und ein verschraubbares
Schließblech angebracht gewesen sei. Daraufhin ließ der Kläger durch seinen
Versicherungsmakler die Beklagte darauf hinweisen, dass es sich bei dem Flur, in den
die Täter über das auf Kipp gestellte Fenster eingestiegen seien, um einen Teil der
Geschäftsräume des Klägers handele und die Türen somit keine Außentüren seien.
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Daraufhin bestätigte die Beklagte mit Schreiben vom 03. 08 2006 (Anlage B 10) die
Deckungsablehnung noch einmal wegen Verstoßes gegen die Sicherheitsvorschriften,
dieses mal wegen des auf Kipp gelassenen Fensters zum Versicherungsort. Sie
wiederholte hierbei die Kündigung.
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Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger von der Beklagten Entschädigung aus
der Einbruchs-Diebstahlsversicherung.
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Er trägt im wesentlichen vor:
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Am 29./30. 06. 2006 seien unbekannte Täter in der oben geschilderten Weise in seine
Geschäftsräume eingedrungen und hätten dabei die oben aufgeführten
Gegenstände/Bargeld entwendet. Die Tür, die die Täter aufgebrochen hätten, liege
innerhalb des Versicherungsortes und stelle daher keine Außentür dar.
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Durch die Stellung "auf Kipp" sei der Versicherungsort ordnungsgemäß verschlossen
gewesen. Aufgrund der hohen Temperaturen zum Einbruchszeitpunkt sei dieses
Fenster tagsüber auf Kipp gestellt worden, um die Sauerstoffzufuhr in den
Arbeitsräumen zu gewährleisten.
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Selbst bei korrektem Verhalten – hier Schließen des auf Kipp befindlichen Fensters –
wäre der Einbruch durchgeführt worden. Denn nach diesem Einbruch sei ein weiterer
Einbruch in die Räumlichkeiten in der Nacht vom 18. auf den 19. 09. 2006 erfolgt. Dort
seien die Täter über den im gleichen Stock befindlichen Balkon eingedrungen und
hätten die Balkontür aufgehebelt. Ein weiterer Einbruch sei in der Nacht vom 21. auf den
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22. 12. 2006 erfolgt. Dieses mal seien die Täter wiederum über den Balkon gegangen.
Die Tür sei mittlerweile durch dreifache Sicherheitsriegel verriegelt gewesen. Sie hätten
versucht, die Balkontür aufzuhebeln. Dies sei ihnen jedoch nicht gelungen. Daraufhin
seien sie durch die zertrümmerte Glasscheibe eingestiegen. Damit liege es auf der
Hand, dass die Täter auch bei ordnungsgemäß verschlossenem Fenster in die
Geschäftsräume des Klägers eingebrochen wären. Es handele sich insoweit um die
gleichen Täter, die später im September und Dezember 2006 nochmals bei dem Kläger
eingestiegen seien.
Auch die Stehlgutliste sei ordnungsgemäß und fristgerecht seitens des Klägers bei der
Polizeidienststelle eingereicht gewesen. In dieser Leiste seien auch die Opta-data-pens
eingetragen.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 12.870,62 EURO nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt im wesentlichen vor:
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Zum Nachweis des "äußeren Bildes" eines Einbruchsdiebstahls gehöre insbesondere
der Nachweis des Verlustes der als entwendet gemeldeten Gegenstände. Sie bestreite
in diesem Zusammenhang mit Nichtwissen, dass sämtliche in der Klageschrift
aufgeführten Gegenstände unmittelbar vor dem behaupteten Einbruchsdiebstahl in den
Geschäftsräumen vorhanden gewesen seien und unmittelbar danach dort nicht wieder
hätten vorgefunden werden können. Diesen Entwendungsnachweis möge der Kläger
führen. Teilweise habe der Kläger die nunmehr als entwendet behaupteten
Gegenstände gegenüber der Kriminalpolizei nicht einmal als entwendet gemeldet.
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Weiterhin habe der Kläger gegen die Sicherheitsvorschrift des § 7 AERB 87 verstoßen,
so dass sie nach § 7 Ziff. 2 AERB 87 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 und Abs. 2 VVG
leistungsfrei sei.
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Nach dem Vortrag des Klägers sollen unbekannte Täter über das nicht ordnungsgemäß
geschlossene Fenster – dieses habe auf Kipp gestanden – in den Flur eingedrungen
sein. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers führe das Fenster unmittelbar in den Flur,
der mit zu den versicherten Räumlichkeiten gehöre. Diese Behauptung des Klägers
mache sie sich ausdrücklich zu eigen. Dieses Fenster hätte der Kläger in der Zeit, als
die Arbeit in der Nacht zwischen dem 29. und 30. 06. 2006 geruht habe, verschlossen
zu halten gehabt.
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Ein auf Kipp zurückgelassenen Fenster sei nicht verschlossen.
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Der Kläger könne sich nicht im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 VVG exkulpieren.
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Auch könne der Kläger den von ihm zu führenden Kausalitätsgegenbeweis (Abs. 2)
nicht erbringen. Dieser sei erst geführt, wenn mit Sicherheit festzustellen sei, dass die
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Obliegenheitsverletzung in keiner Weise auf den Eintritt des konkreten
Versicherungsfalles sich ausgewirkt habe. Dass die Täter auch bei ordnungsgemäß
verschlossenem Fenster in die Geschäftsräume eingebrochen wären, bestreite sie.
Diesen Nachweis werde der Kläger nicht führen können. Insbesondere bestehe kein
Anscheinsbeweis dafür, dass die Täter auch bei ordnungsgemäß verschlossenem
Fenster und Türen eingebrochen wären. Wie erforderlich, habe sie den
Versicherungsvertrag auch gekündigt.
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Zudem sei sie nach § 13 Ziff. 1 b AERB 87 leistungsfrei. Zwar habe der Kläger am 07.
07. 2006 eine Stehlgutliste bei der Polizei eingereicht. In dieser Schadenaufstellung
fehle jedoch die als Ziffer 1. der Klageschrift (Seite 2) geltend gemachte Position "Opta-
data-pens" im Gesamtwert von 5.828,70 EURO. Mit Nichtwissen bestreite sie den
Schadensumfang, d. h. sowohl die Existenz als auch Besitz und Eigentum des Klägers
an jedem einzelnen der als entwendet gemeldeten Gegenstände.
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Zudem sei hilfsweise auch die Entschädigungsberechnung des Klägers nach näherer
Maßgabe der Seiten 10 unten bis 12 ihres Schriftsatzes vom 31. 01. 2007 (Bl. 50 – 52
GA) zu bestreiten.
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Wegen der weitren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt
Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist nicht begründet.
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Dem Kläger steht kein Anspruch auf Leistungen aus der Einbruchs-
Diebstahlsversicherung gem. §3 1 Abs. 1, 49 VVG in Verbindung mit den AERB 87, die
Vertragsbestandteil sind, für den Einbruchsdiebstahl vom 29./30. 06. 2006 zu.
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Die Beklagte ist jedenfalls wegen Verstoßes gegen vereinbarte Sicherheitsvorschriften
gem. § 7 Ziff. 2 AERB 87 in Verbindung mit § 6 Abs. 1, Abs. 2 VVG leistungsfrei.
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Nach § 7 Ziff. 1 b aa AERB 87 hat der Versicherungsnehmer, solange die Arbeit im
Betrieb ruht, die Türen und alle sonstigen Öffnungen des Versicherungsortes stets
ordnungsgemäß verschlossen zu halten.
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Nach dem eigenen Vortrag des Klägers – den die Beklagte sich insoweit zu eigen
macht – hat sich der Einbruchsdiebstahl in der Nacht vom 29. auf den 30. 06. 2006
ereignet. Hierbei sind unbekannte Täter über das auf Kipp stehende Fenster (mittels
einer Leiter) in die Versicherungsräume eingedrungen und habe dann – nach
Aufbrechen einer Tür innerhalb der Versicherungsräume – Gegenstände bzw. Bargeld
entwendet.
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Mithin liegt ein objektiver Verstoß gegen die vereinbarte Sicherheitsvorschrift seitens
des Klägers vor. Der Kläger hatte das in Rede stehende Fenster in der Zeit, als die
Arbeit in der Nacht vom 29. auf den 30. 06. 2006 ruhte, verschlossen zu halten. Ein "auf
Kipp" zurückgelassenes Fenster ist nicht ordnungsgemäß verschlossen im Sinne des §
7 Ziff. 1 b aa AERB 87.
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Dass der Kläger insoweit nicht fahrlässig gehandelt hat, hat er nicht dargetan. Auch
wenn es die Wetterverhältnisse erforderten, das Fenster tagsüber gekippt zu halten,
stellt es dennoch einen fahrlässigen Verstoß gegen die vereinbarten
Sicherheitsvorschriften dar (§ 6 Abs. 1 VVG), dass das Fenster bei Arbeitsende (über
Nacht) nicht verschlossen wurde.
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Der Kläger hat auch nicht den sogenannten Kausalitätsgegenbeweis im Sinne des § 6
Abs. 2 VVG geführt. Insoweit genügt nicht der Nachweis, dass der Schadenseintritt bei
korrektem Verhalten (hier dem Verschließen des auf Kipp befindlichen Fensters)
ebenso wahrscheinlich gewesen wäre wie bei einem Verstoß gegen die Obliegenheit
(hier auf Kipp stehendes Fenster), vielmehr muss feststehen, dass sich die
Obliegenheitsverletzung in keiner Weise auf den Eintritt des konkreten
Versicherungsfalles ausgewirkt hat. Diesen Kausalitätsgegenbeweis hat der Kläger
nicht geführt. Der Kläger macht hierzu geltend, dass die Täter auch bei ordnungsgemäß
verschlossenem Fenster in jener Nacht in seine Geschäftsräume eingebrochen wären.
Es handele sich insoweit um die "gleichen" Täter, die später im September und
Dezember 2006 noch mal bei ihm eingestiegen seien. Im September 2006 seien diese
Täter über den im gleichen Stock befindlichen Balkon eingestiegen
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und hätten die Balkontür aufgehebelt. Ein weiterer Einbruch in der Nacht vom 21. auf
den 22. 12. 2006 sei wiederum über den Balkon erfolgt, diesmal sei die Glasscheibe
zertrümmert worden und die Täter auf diese Weise eingestiegen.
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Dieser Vortrag des Klägers ist indessen nicht geeignet, den genannten
Kausalitätsgegenbeweis zu führen. Auch wenn später zweimal – mögen es auch die
selber Täter gewesen sein – erneut auf andere Weise als über das auf Kipp stehende
Fenster in die Räumlichkeiten eingedrungen wurde, besagt dies nach Auffassung des
Gerichts nicht, dass ein Einbruch auf irgendeine andere Weise auch in der Nacht vom
29. und den 30. 06. 2006 mit Sicherheit erfolgt wäre, wenn das auf Kipp stehende
Fenster geschlossen gewesen wäre. Vielmehr ist allgemein bekannt, dass das auf Kipp
zurückgelassene Fenster keine hinreichende Sicherheit gegen den Einbruchsdiebstahl
bietet, so dass ein solches Fenster geradezu Täter anreizt, einzubrechen, auch wenn
sie hierzu sich einer Leiter bedienen müssen. Die vom Kläger geschilderten Umstände
sind mithin nicht geeignet mit Sicherheit festzustellen, dass die Obliegenheitsverletzung
sich in keiner Weise auf den Eintritt des konkreten Versicherungsfalles ausgewirkt hat.
Ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Täter auch bei ordnungsgemäß verschlossenen
Fenstern und Türen eingebrochen wären, besteht nicht. Dass dies nach dem Vortrag
des Klägers später zweimal erfolgt sein soll, rechtfertigt – wie schon erwähnt – keine
andere Beurteilung.
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Schließlich hat die Beklagte – wie zur Leistungsfreiheit erforderlich – den
Versicherungsvertrag mit Schreiben vom 25. 07. 2006 (Anlage B 7) und mit Schreiben
vom 03. 08. 2006 (Anlage B 10) gekündigt.
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Mithin ist die Beklagte – jedenfalls – wegen Verstoßes gegen die vereinbarte
Sicherheitsvorschrift des § 7 Ziff. 2 AERB 87 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 und 2 VVG
leistungsfrei, so dass die Klage abzuweisen ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 2
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ZPO.
Streitwert: 12870,62 EURO.
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