Urteil des LG Düsseldorf vom 16.02.2007

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Landgericht Düsseldorf, 20 S 179/06
Datum:
16.02.2007
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Berufungszivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 S 179/06
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Düssel-
dorf vom 28.9.2006, Az: 27 C 5787/06, wird auf ihre Kosten zurückge-
wiesen.
Entscheidungsgründe:
1
I.
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Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Freistellung von Rechtsanwaltskosten.
Hierzu behauptet sie, nach Erhalt der Kündigung durch ihren Arbeitgeber ihren
Rechtsanwalt zunächst mit der außergerichtlichen Vertretung beauftragt zu haben.
Hieraus resultiere die allein streitgegenständliche 2,5 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2400
VV RVG. Erst nachdem die außergerichtlichen Bemühungen um eine Streitbeilegung
gescheitert seien, habe sie den Rechtsanwalt zur Erhebung einer
Kündigungsschutzklage beauftragt. Die hiermit verbundenen Kosten hat die Beklagte
unstreitig ausgeglichen. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird
gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil
Bezug genommen.
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Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Freistellungsanspruch scheitere daran,
dass die für die außergerichtliche Vertretung aufgewandten Kosten keine erforderlichen
Kosten im Sinne von § 1 ARB seien. Zwar seien die Kosten für die außergerichtliche
Vertretung vom Versicherungsschutz grundsätzlich umfasst. Vorliegend sei der Erfolg
von Einigungsbemühungen indes unwahrscheinlich gewesen, weshalb die Klägerin
aufgrund ihrer Kostenminderungspflicht gehalten gewesen sei, sofort Klageauftrag zu
erteilen.
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Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihren Klageantrag weiter.
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II.
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Die zulässige Berufung ist unbegründet.
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1.
8
Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Kostenübernahme gemäß §§
1, 2 b) ARB 2001 zu. Ein Kostenerstattungsanspruch ist gemäß § 17 Abs. 5 c) cc) ARB
2001 ausgeschlossen weil die vorprozessual angefallenen Kosten nicht notwendig
waren und zu einer unnötigen Kostensteigerung geführt haben. Dies stellt eine grob
fahrlässige Obliegenheitsverletzung der Klägerin dar, die zur Leistungsfreiheit führt.
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Gemäß § 17 Abs. 5 c) cc) ARB 2001 hatte die Klägerin "alles zu vermeiden, was eine
unnötige Erhöhung der Kosten ... verursachen könnte."
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Hätte die Klägerin ihrem Rechtsanwalt sofort nach Zugang der Kündigung
Prozessauftrag erteilt, anstatt ihn sukzessive zunächst zur außergerichtlichen und
sodann zur gerichtlichen Wahrnehmung ihrer Interessen zu beauftragen, wäre die
geltend gemachte außergerichtliche 2,5-Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG nicht
angefallen, weil außergerichtliche Verhandlungen gemäß § 19 I Nr. 2 RVG mit zu den
durch die Verfahrensgebühr abgegoltenen Tätigkeiten zählen.
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Weil auch nach erteiltem Prozessauftrag außergerichtliche Vergleichsverhandlungen
zum Tätigkeitsbereich des Rechtsanwalts gehören, ist die Klägerin durch die von ihr
gewählte Art der Bevollmächtigung nicht in den Genuss anwaltlicher Mehrleistungen
gekommen. Sie hat lediglich für die gleiche Leistung mehr Kosten verursacht.
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Auch in zeitlicher Hinsicht erscheint die sofortige Erteilung des Prozessauftrags daher
geboten, ohne dass dem Auftraggeber hierdurch ein Nachteil entstünde, denn im
arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzprozess die Klagefrist von drei Wochen gem. § 4
KSchG zu beachten. Dies setzt anders als in anderen Rechtsstreitigkeiten die zeitnahe
Erteilung des Klageauftrags voraus, damit unbeschadet parallel laufender
Vergleichsgespräche die nur kurze Klagefrist durch Erhebung der
Kündigungsschutzklage gewahrt wird.
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Die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten der Kläger zur außergerichtlichen
Vertretung ist als grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung zu qualifizieren. Dabei muss
sich die Klägerin das Verschulden ihres Rechtsanwalts zurechnen lassen, für den die
Gebührentatbestände als bekannt vorauszusetzen sind. Dass dem Rechtsanwalt die
Problematik positiv bekannt war, belegt seine Bitte um Deckungszusage vom 1.3.2006,
die "rein vorsorglich – für den Fall, dass Sie beabsichtigen sollten, Ihren VN ... auf einen
sofortigen Klagauftrag zu verweisen" umfassende Ausführungen zur Rechtslage enthält.
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Zur Erfüllung der gegenüber der Beklagten obliegenden Kostenminderungspflicht hätte
der Rechtsanwalt der Klägerin sie daher dahingehend beraten müssen, sofort
Klageauftrag zu erteilen, da damit die geringsten Kosten verursacht würden. Die
Klageerhebung hätte der Klägerin auch unter taktischen Gesichtspunkten nicht
schaden, sondern allenfalls den Druck auf den Arbeitgeber erhöhen können.
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Der Klägerin kann nicht damit gefolgt werden, sie habe gerade den günstigeren Weg
gewählt. Sie übersieht, dass die Gegenüberstellung der Kosten für die außergerichtliche
und die gerichtliche Interessenwahrnehmung nur dann einen Sinn ergibt, wenn eine
erfolgreiche außergerichtliche Erledigung ersichtlich ist (AG Hamburg - St. Georg, AGS
2006, 311). Schließt sich an die außergerichtliche Tätigkeit nämlich die
Kündigungsschutzklage an, kommt es zu den streitgegenständlichen Mehrkosten (AG
Düsseldorf, Urteil vom 28.7.2005, Az: 56 C 5800 45/05). Wird das arbeitsgerichtliche
Verfahrens allerdings ohne streitige Verhandlung erledigt, fällt gemäß Anmerkung (2) zu
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Nr. 8210 der Anlage 1 zum GKG keine Verfahrensgebühr an.
Eine außergerichtliche Erledigung war nicht ersichtlich. Dabei wird nicht verkannt, dass
die Klägerin vorprozessual unter dem 1.3.2006 geschrieben hat, "eine gewisse
Einigungsbereitschaft zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung" sei
erkennbar. Sie hat diese Behauptung nämlich prozessual weder wiederholt, noch in der
gebotenen Weise substantiiert. Sind aber keine konkreten Anhaltspunkte für die
Möglichkeit einer außergerichtlichen Einigung erkennbar, hätte die Beklagte die
Deckungszusage für die sofortige Klage unter keinem Gesichtspunkt verweigern
können. Indem die Klägerin diese ihr sichere Deckungszusage mit der Folge verspätet
einholte, dass zusätzliche Kosten anfielen, verursachte sie Kosten im Sinne von § 17
Abs. 5 c) cc) ARB 2001.
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2.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche
Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.
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Streitwert: 1.664,60 €.
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