Urteil des LG Düsseldorf vom 08.02.2007
LG Düsseldorf: stand der technik, gestaltung, begriff, schadenersatz, form, erfindung, rechnungslegung, besitz, eigentum, ausbildung
Landgericht Düsseldorf, 4b O 88/06
Datum:
08.02.2007
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4b. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4b O 88/06
Tenor:
I.
Die Beklagte wird verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € - ersatzweise
Ordnungshaft bis zu 6 Monaten – oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten,
im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren,
wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu
vollstrecken ist, zu unterlassen,
Spreizdübel mit einem sich im wesentlichen in Längsrichtung des
Spreizdübels erstreckenden Spreizbereich, in welchem der Spreizdübel
scheibenförmige Spreizelemente aufweist, die näherungsweise
querstehend zur Längsrichtung des Spreizdübels angeordnet sind,
wobei die Spreizelemente mit in Längsrichtung des Spreizdübels
durchgehenden Spreizöffnungen versehen sind, die in benachbarten
Spreizelementen in unterschiedlichen Richtungen quer zum Spreizdübel
versetzt angeordnet sind,
anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den
genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
bei denen die Spreizelemente eine Randverdickung in einem Bereich
ihres Umfangs aufweisen, der der Richtung, in die die Spreizöffnung des
jeweiligen Spreizelements versetzt ist, gegenüberliegt,
und die Spreizelemente zur Ausbildung der Randverdickung in
Querrichtung des Spreizdübels von einer zur anderen Seite des
Spreizdübels dicker werden,
und die Spreizelemente keilförmige Scheiben sind,
und der Spreizdübel im Spreizbereich im wesentlichen in Längsrichtung
des Spreizdübels verlaufende Verbindungsstege aufweist, wobei jedes
Spreizelement mit einem Verbindungssteg verbunden ist und wobei
einander benachbarte Spreizelemente mit verschiedenen
Verbindungsstegen verbunden sind
und die Verbindungsstege an einem Einsteckende des Spreizdübels
schwenkbar miteinander verbunden sind;
2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die
Beklagte) die unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 28.
November 1999 begangen hat, und zwar unter Vorlage eines
chronologisch geordneten Verzeichnisses unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der
Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer
Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -
zeiten und –preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie
der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -
zeiten und –preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie
der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren
Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten
Gestehungskosten (einschließlich Bezugspreisen) und des erzielten
Gewinns, der nicht durch den Ab-zug von Fixkosten und variablen
Gemeinkosten gemindert ist (es sei denn, diese könnten den unter 1.
genannten Erzeugnissen unmittelbar zugeordnet werden),
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer
Angebots-empfänger statt der Klägerin einem von dieser zu
bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten,
vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland
mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt
und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein
bestimmter Abnehmer bzw. Angebotsempfänger in der Rechnung
enthalten ist;
3.
die in ihrem Besitz oder Eigentum in der Bundesrepublik Deutschland
befindlichen und unter Ziffer 1. bezeichneten Spreizdübel zu vernichten.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen
Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten
Handlungen seit dem 28. November 1999 entstanden ist und künftig
noch entstehen wird.
III.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
IV.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
V.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 200.000,00 €.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin ist ausschließliche und alleinvertretungsberechtigte Inhaberin des
deutschen Gebrauchsmusters xx xxx xx xxx xx (Klagegebrauchsmuster; Anlage L 10).
Das Klagegebrauchsmuster ist am 11.05.1998 angemeldet worden. Die Eintragung des
Klagegebrauchsmusters wurde am 28.10.1999 bekanntgemacht.
2
Das Klagegebrauchsmuster trägt die Bezeichnung "Spreizdübel". Die im vorliegenden
Rechtsstreit interessierenden Schutzansprüche 1, 2, 3, 4 und 6 lauten wie folgt:
3
Die nachfolgend wiedergegebenen Zeichnungen sind der Gebrauchsmusterschrift
entnommen. Figur 1 zeigt die perspektivische Darstellung eines erfindungsgemäßen
Dübels in auseinandergeklappter Stellung. Die Figuren 2 und 3 geben eine Draufsicht
auf den Spreizdübel und eine vergrößerte Darstellung des darin mit "III’"
gekennzeichneten Bereichs wieder. Die Beklagte bietet an und vertreibt Dübel mit der
Bezeichnung "xx", deren Ausgestaltung sich aus dem nachfolgend eingeblendeten,
verkleinert wiedergegebenen Ausdruck aus dem Internet-Auftritt der Beklagten ergibt
(Anlage L 8).
4
Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform mache
wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters in der
Kombination seiner Schutzansprüche 1, 2, 3, 4 und 6 Gebrauch. Sie nimmt die Beklagte
daher auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Schadenersatz in
Anspruch.
5
Die Klägerin beantragt,
6
zu erkennen wie geschehen, jedoch ohne die Einräumung eines
Wirtschaftsprüfervorbehalts.
7
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen; hilfsweise, ihr einen Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen;
weiter hilfsweise, ihr Vollstreckungsschutz zu gewähren.
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Die Beklagte stellt das Vorliegen einer Gebrauchsmusterverletzung in Abrede. Überdies
sei das Klagegebrauchsmuster nicht schutzfähig, da die technische Lehre in der xx xx
xx xxx xx neuheitsschädlich vorweggenommen und im übrigen auch nicht erfinderisch
sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Klage ist in der Sache überwiegend gerechtfertigt. Mit dem Vertrieb der
angegriffenen Dübel "xx" macht die Beklagte widerrechtlich von der technischen Lehre
des Klagegebrauchsmusters Gebrauch. Sie ist gegenüber der Klägerin deshalb im
zuerkannten Umfang zur Unterlassung, zur Rechnungslegung, zur Vernichtung und zum
Schadenersatz verpflichtet. Der Beklagten war lediglich in Bezug auf die Namen und
Anschriften der Angebotsempfänger ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen.
12
I.
13
Das Klagegebrauchsmuster betrifft einen Spreizdübel.
14
Das Klagegebrauchsmuster geht von der xx xx xx xxx xx als nächstliegendem Stand der
Technik aus. Zur Veranschaulichung sind nachfolgend die Figuren 1 und 6 der
genannten Offenlegungsschrift eingeblendet. Figur 1 zeigt eine bevorzugte
Ausführungsform eines Spreizdübels mit einer Vielzahl von Spreizscheiben, während in
Figur 6 eine Ansicht des in einem Hohlbaustoff montierten Dübel dargestellt ist.
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Der bekannte Spreizdübel weist einen in Längsrichtung des Spreizdübels sich
erstreckenden Spreizbereich auf, in dem scheibenförmige Spreizelemente in
Radialebenen angeordnet sind. Zur Verbindung der Spreizelemente sind zwei einander
gegenüberliegende, am Umfang des Dübels in Längsrichtung verlaufende
Verbindungsstege vorgesehen, mit denen die Spreizelemente an einer Stelle ihres
Umfangs verbunden sind. Jedes zweite Spreizelement ist mit einem der beiden
Verbindungsstege, das jeweils dazwischenliegende mit dem anderen Verbindungssteg
verbunden. Ähnlich den Zinken eines Kamms an den Verbindungsstegen angeordnet,
greifen die Spreizelemente kammartig ineinander. Jedes Spreizelement ist mit einer
axial durchgehenden, exzentrisch im Spreizelement angeordneten Spreizöffnung
versehen, wobei die Öffnungen benachbarter Elemente in unterschiedlichen Richtungen
versetzt zueinander angeordnet sind. Durch das Einbringen eines stiftförmigen
Spreizkörpers, beispielsweise einer Spreizschraube oder eines Spreiznagels, werden
die Spreizöffnungen koaxial zueinander und zum Spreizdübel ausgerichtet. Dabei
verschieben sich die Spreizelemente in radialer Richtung des Spreizdübels zueinander,
wodurch der Spreizdübel aufgespreizt und in einem Bohrloch verankert wird.
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Das Klagegebrauchsmuster bezeichnet es als der Erfindung zugrunde liegende
Aufgabe, einen Spreizdübel der beschriebenen Art so auszubilden, dass er eine erhöhte
Verankerungskraft in einem Bohrloch aufweist. Dazu schlägt das
Klagegebrauchsmuster einen Spreizdübel nach Schutzanspruch 1 in Kombination mit
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den Ansprüchen 2, 3 4 und 6 vor, der sich durch folgende Merkmale auszeichnet: 1.
Spreizdübel mit einem sich im wesentlichen in Längsrichtung erstreckenden
Spreizbereich.
2. Im Spreizbereich (18) weist der Spreizdübel auf a) scheibenförmige Spreizelemente
(22); b) Verbindungsstege (16).
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3. Die Spreizelemente (22) a) sind näherungsweise querstehend zur Längsrichtung
angeordnet; b) sind mit in Längsrichtung des Spreizdübels durchgehenden
Spreizöffnungen versehen; c) weisen eine Randverdickung in einem Bereich ihres
Umfangs auf; d) werden zur Ausbildung der Randverdickung in Querrichtung des
Spreizdübels (10) von einer zur anderen Seite des Spreizdübels (10) dicker; e) sind
keilförmige Scheiben.
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4. Jedes Spreizelement (22) ist mit einem Verbindungssteg (16) verbunden, wobei
einander benachbarte Spreizelemente (22) mit verschiedenen Verbindungsstegen (16)
verbunden sind.
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5. Die Spreizöffnungen sind in (zu) benachbarten Spreizelementen (22) in
unterschiedlichen Richtungen quer zum Spreizdübel versetzt angeordnet.
21
6. Die Randverdickung liegt gegenüber der Richtung, in der die Spreizöffnung des
jeweiligen Spreizelements (22) versetzt ist.
22
7. Die Verbindungsstege (16) a) verlaufen im wesentlichen in Längsrichtung des
Spreizdübels (10); b) sind an einem Einsteckende (20) des Spreizdübels (10)
schwenkbar miteinander verbunden. Die Beschreibung des Klagegebrauchsmusters
stellt als Vorteil eines erfindungsgemäßen Spreizdübels heraus, dass eine erhöhte
Verankerungskraft im Bohrloch bewirkt wird, indem die Anlagefläche dadurch größer
wird, dass die Spreizelemente eine vergrößerte Dicke, also eine größere Erstreckung in
Längsrichtung des Spreizdübels, in dem Bereich ihres Umfangs aufweisen, der beim
Aufspreizen gegen die Wandung des Bohrlochs gedrückt wird.
23
II.
24
Die angegriffene Ausführungsform macht von den Merkmalen der technischen Lehre
des Klagegebrauchsmusters in der geltend gemachten Kombination der Ansprüche 1, 2,
3, 4 und 6 Gebrauch. Entgegen der Auffassung der Beklagten gilt dies auch für die im
Streit stehenden Merkmale 2. a), 5 und 6. Zu Recht stehen die weiteren Merkmale der
technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters zwischen den Parteien nicht in Streit,
so dass es eines Eingehens darauf nicht bedarf.
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1. Die angegriffene Ausführungsform verfügt über scheibenförmige Spreizelemente
gemäß Merkmal 2. a) der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters.
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Der maßgebliche Durchschnittsfachmann misst dem Begriff des scheibenförmigen
Spreizelementes nicht den von der Beklagten vorgetragenen Inhalt betreffend eine
"Scheibe" bei. Indem das Klagegebrauchsmuster von "scheibenförmigen
Spreizelementen" spricht, eröffnet es dem Fachmann von vornherein Formgebungen,
die nicht Scheiben im streng geometrischen Sinne sind, denn unter "scheibenförmig"
versteht er auch an eine Scheibe im geometrischen Sinne angelehnte Formen. Im
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übrigen beschränkt sich schon der Begriff der Scheibe nicht auf "ebene, flach
übereinander angeordnete Flächen". Der Fachmann erkennt aufgrund der ihm zum
Anmeldezeitpunkt aus dem Stand der Technik bekannten Gestaltungen, dass der Sinn
der scheibenförmigen Spreizelemente darin liegt, zu vermeiden, dass beim Eindrehen
der Befestigungsschraube die Spreizbereiche des Dübelschaftes als Ganzes nach
außen bewegt werden, woraus hohe Flächendrücke resultieren, die beispielsweise bei
Gasbetonsteinen zum Aufplatzen des Bohrlochs führen können. Das
Klagegebrauchsmuster beruht auf dem ihm bekannten Prinzip, dass der Dübel nicht als
Ganzes in Längsrichtung gespreizt wird, sondern dass stattdessen einzelne
scheibenförmige Spreizelemente radial nach außen verlagert werden, die Spreizung
also im Wesentlichen in Querrichtung auftritt. Auf diese radiale Auswärtsbewegung, die
stattfindet, wenn die Befestigungsschraube eingedreht wird, nimmt der Begriffsteil
"Spreiz-" Bezug.
Hingegen weist das Klagegebrauchsmuster der Scheibenform, wie sie die Beklagte
versteht, an keiner Stelle eine bestimmte Funktion zu. Vielmehr hat in die
Schutzansprüche – im Gegensatz zum Anspruch des Klagepatents im Parallelverfahren
4b O xxx/05 – der Begriff des "Spreizelements" Eingang gefunden, welcher durch das
Attribut "scheibenförmig" konkretisiert wird, ohne – wie bereits ausgeführt – dadurch
eine zwingende Vorgabe zur Form zu machen. Dass gerade der Scheibenform eine
bestimmte relevante Wirkung zuzumessen ist, die einem anders gestalteten
Spreizelement nicht zufällt, kommt in der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters
nicht zum Ausdruck. Soweit die Beklagte auf die Härte des für den Dübel verwendeten
Kunststoffmaterials verweist, führt dies schon deshalb nicht weiter, weil sich die
Klagegebrauchsmusterschrift an keiner Stelle mit einer bestimmten Materialauswahl
auseinandersetzt oder sich damit befasst, dass durch die beanspruchte Dübelgestaltung
insofern irgendein Handlungsspielraum gewonnen wird. Erst recht gibt es keinen Anhalt
dafür, dass erfindungsgemäß besonders harter Kunststoff verwendet werden soll,
welcher den Schraubenwindungen aufgrund der vom Klagegebrauchsmuster
vorgesehenen Gestaltung einen niedrigen Reibungswiderstand entgegensetzt, damit es
beim Eindrehen der Schraube nicht zum Durchdrehen des Dübels im Bohrloch kommt.
Ebenso wenig gibt es einen Anhalt dafür, dass ein hoher Einschraubwiderstand
vermieden werden soll. Unter diesem Gesichtspunkt ließe sich ohnehin allenfalls eine
Abstimmung von Bohrungsweite und Schraubendurchmesser fordern, den das
Klagegebrauchsmuster indes gerade nicht zu seinem Inhalt gemacht hat. Die
Scheibenform steht jedenfalls mit dem Eindrehwiderstand in keiner Beziehung, zumal
das Klagegebrauchsmuster irgend eine Scheibendicke weder fordert noch ausschließt.
28
Der Fachmann erkennt auch das in der angegriffenen Ausführungsform verwendete
Spreizelement als scheibenförmig. Dies gilt umso mehr, als jeweils eine Scheibenseite
eine anders verlaufende dreieckförmige Aussparung erhalten hat, so dass von der einen
zur anderen Seite betrachtet im Wesentlichen ein Scheibenkörper erhalten geblieben
ist. Da es für die Zwecke der Erfindung – wie dargelegt – nicht auf die Einhaltung einer
geometrisch strengen Scheibenform ankommt, sondern lediglich darauf, dass
Spreizelemente vorliegen, die aufgrund ihrer Formgebung einen Formschluss herstellen
bzw. eine potentielle Andrückfläche bereitstellen können, rechtfertigen es die bei der
angegriffenen Ausführungsform gewählte Gestaltung, das Klagegebrauchsmuster als
verwirklicht anzusehen.
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2. Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht Merkmal 5 der technischen Lehre des
Klagegebrauchsmusters. Die Spreizelemente verfügen über Öffnungen, die
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abwechselnd unterschiedliche Ausrichtungen aufweisen. Bei diesen Öffnungen handelt
es sich um Spreizöffnungen im Sinne der technischen Lehre des
Klagegebrauchsmusters, da sie beim Durchführen einer Schraube die Verspreizung der
Spreizelemente bewirken. Dabei kommt es entgegen den Ausführungen der Beklagten
nicht darauf an, ob eine Materialverdrängung stattfindet oder ob die Elemente
verschoben werden. Dieses Merkmal ist nicht Gegenstand der Schutzansprüche. Die
vom Klagegebrauchsmuster in der Beschreibung (Anl. L10, S. 5 Z. 32-34) damit
verbundene Wirkung, dass die Spreizelemente durch die von Merkmal 5 gelehrte
Anordnung der Spreizöffnungen koaxial ausgerichtet werden, tritt auch dann ein, wenn
das Eindrehen der Schraube mit einem Verdrängen von Dübelmaterial einhergeht und
die Öffnungen dadurch (auch) auseinander gedrückt werden.
3. Die angegriffene Ausführungsform weist in einem Bereich ihres Umfangs eine
Randverdickung im Sinne des Merkmals 3. c) auf. Diese liegt gegenüber der Richtung,
in der die Spreizöffnung des jeweiligen Spreizelements versetzt ist (Merkmal 6).
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Aus der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters ergibt sich, dass es die
Randverdickung in Längsrichtung des Spreizdübels versteht (vgl. Anlage L 10, S. 2 Z. 8-
11). Die Randverdickung besteht bei der angegriffenen Ausführungsform in den sich
keilförmig hervorschiebenden Dübelabschnitten. Die angegriffene Ausführungsform
weist damit zwar im Bereich der Keilspitze keine Randverdickung, sondern nur in etwa
ab der Mitte des Keils bis zur Keilgrundfläche auf. Dies genügt hingegen zur
Merkmalsverwirklichung auch unter Berücksichtung der Beschreibung des
Klagegebrauchsmusters (aaO.), derzufolge der Spreizdübel die Randverdickung in dem
Bereich des Umfangs aufweist, der beim Aufspreizen gegen die Wandung des
Bohrlochs gedrückt wird.
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Die technische Lehre verlangt weder, dass die Randverdickung über den gesamten
Bereich vorhanden ist, noch dass sie gleichmäßig vorhanden ist oder gar in dem am
weitesten herausbewegten Bereich am größten ist. Auch der außerhalb des Bereichs
der Keilspitze radial heraustretende Bereich des Dübels, der den Keil bildet, wird in die
Bohrlochwandung gedrückt; dieser weist die dem Klagegebrauchsmuster gemäße
Randverdickung auf. Dass dies auf die Keilspitze, die am weitesten herausgedrückt
wird, aber keine Verdickung aufweist, mithin nicht zutrifft, ist daher ohne Belang.
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Bei der Randverdickung der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich auch nicht
bloß um den Verbindungssteg, sondern die Randverdickung hebt sich erkennbar davon
ab. Auch die spiegelbildliche Gestaltung der scheibenförmigen Spreizelemente bei der
angegriffenen Ausführungsform steht der Annahme einer des Klagegebrauchsmusters
nicht entgegen. Maßgeblich für die technische Lehre ist, dass bei der Betrachtung des
der exzentrisch versetzten Spreizöffnung gegenüberliegenden Bereichs eine
Randverdickung feststellbar sein muss. Dies ist – wie ausgeführt – der Fall. Ob auch auf
der an der Spreizöffnung gelegenen Seite ebenfalls eine Randverdickung vorliegt, ist
dabei ohne Bedeutung. Entsprechendes gilt für die von der Beklagten in der mündlichen
Verhandlung geäußerten Auffassung, die scheibenförmigen Spreizelemente müssten
wie aus Figur 3 des Klagegebrauchsmusters ersichtlich in der Draufsicht an der einen
Seite dicker sein als an der anderen. Ein solches Erfordernis stellt die technische Lehre
des Klagegebrauchsmusters nicht auf; es mag sein, dass bei einer solchen Gestaltung
von der technischen Lehre Gebrauch gemacht wird, eine derartige körperliche
Ausformung muss aber nicht zwingend vorliegen, um von der technischen Lehre des
Klagegebrauchsmusters Gebrauch zu machen.
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4. Das Klagegebrauchsmuster ist in der Kombination seiner geltend gemachten
Schutzansprüche schutzfähig, denn seine – unstreitig – gewerblich anwendbare
technische Lehre ist neu und weist einen erfinderischen Schritt auf (§ 1 Abs. 1 GebrMG).
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a) Die technische Lehre des Klagegebrauchsmusters ist nicht durch die xx xx xx xxx xx
(Anlage B9) neuheitsschädlich vorweggenommen. Die Merkmale 3. c) bis e) und 6., die
die Gestaltung der Spreizelemente beschreiben, lassen sich der Entgegenhaltung nicht
entnehmen. Die Beklagte erschließt diese Merkmale in der Klageerwiderung selbst nur
über die Auslegung des Klagegebrauchsmusters in Verbindung mit dem Klagepatent
des Parallelverfahrens, da dieses nach der Auffassung der Klägerin auch die Gestaltung
der angegriffenen Ausführungsform erfasse. Es stellt hingegen einen Unterschied dar,
ob sich eine bestimmte angegriffene Ausführungsform unter die Anspruchsmerkmale
eines Schutzrechtes subsumieren lässt, oder ob ein Schutzrecht eine bestimmte
Gestaltung offenbart. Eine solche Offenbarung der fraglichen Merkmale des
Klagegebrauchsmusters findet sich in der xx xx xx xxx xx an keiner Stelle.
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Auch nach der Rechtsprechung des BGH (GRUR 1995, 330 – Elektrische
Steckverbindung), wonach alles als offenbart und damit als neuheitsschädlich
vorweggenommen anzusehen, was für den Fachmann als selbstverständlich oder
nahezu unerlässlich zu ergänzen ist oder was er bei deren aufmerksamer Lektüre ohne
weiteres erkennt und in Gedanken gleich mitliest, ist die technische Lehre nicht
neuheitsschädlich vorweggenommen. Der BGH führt dazu aus (aaO. [332]):
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Zum maßgeblichen Gegenstand eines Schutzrechts gehört demnach auch alles, was
zwar in den Merkmalen des Patentanspruchs und im Wortlaut der Beschreibung nicht
ausdrücklich erwähnt ist, aus der Sicht des Fachmanns jedoch nach seinem
allgemeinen Fachwissen für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre
selbstverständlich oder nahezu unerlässlich ist und deshalb keiner besonderen
Offenbarung bedarf. Dazu gehören ferner auch solche Abwandlungen, die nach dem
Gesamtzusammenhang der Schrift für den Fachmann derart nahe liegen, dass sie sich
ihm bei aufmerksamer, weniger auf die Worte als auf ihren erkennbaren Sinn achtenden
Lektüre ohne weiteres erschließen, so dass er sie gewissermaßen in Gedanken gleich
mitliest, auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist. Unter diesen Voraussetzungen
wird weitgehend auch das als neuheitsschädlich offenbart anzusehen sein, was in der
Literatur vielfach mit dem unscharfen und zur Abgrenzung weniger geeigneten Begriff
der fachnotorisch bekannten Austauschmittel umschrieben wird; für eine weitergehende
Einbeziehung solcher Austauschmittel dürfte kein Bedürfnis bestehen.
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Die körperliche Ausgestaltung der Spreizelemente in einer bestimmten Weise gehört
dazu nicht, da es sich weder um eine Selbstverständlichkeit noch um eine naheliegende
Abwandlung oder gar ein fachnotorisches Austauschmittel handelt. Zwar ist es richtig,
dass der Fachmann unter einer Scheibe entgegen der eigentlich von der Beklagten
vertretenen Auffassung nicht nur einen Körper mit annähernd regelmäßig geformten
glatten Ebenen (GA 56) versteht. Der Umstand, dass der Begriff der Scheibe keine
festgelegte geometrische Form beschreibt, hat jedoch nicht zur Folge, dass sämtliche
Gestaltungen damit als vorbekannt anzusehen wären (und auch ein erfinderischer
Schritt nicht in betracht käme). Vielmehr sind solche speziellen Gestaltungen, wie sie
insbesondere in den Unteransprüchen 2 und 3 zum Ausdruck kommen, grundsätzlich
schutzfähig.
39
b) Gegenüber dem von der Beklagten entgegengehaltenen Stand der Technik beruht
die Merkmalskombination nach den Schutzansprüchen 1, 2, 3, 4 und 6 des
Klagegebrauchsmusters auf einem erfinderischen Schritt. Dies ergibt sich daraus, dass
der Durchschnittsfachmann zu der Gesamtheit der Anspruchsmerkmale - ohne
unzulässige rückschauende Betrachtung in Kenntnis des Klagegebrauchsmusters - nur
aufgrund das handwerkliche Können überschreitender Erwägungen gelangen konnte.
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Die Entgegenhaltungen offenbaren die Merkmalsgruppen 3. c) bis e) und 6. (Anlage
L15: Merkmale C, D und E) nicht; ohne Kenntnis der Erfindung war der Fachmann nicht
in der Lage, aufgrund naheliegender Überlegungen zu ihr zu gelangen.
41
Aus dem allgemeinen Wissen des Fachmanns (vgl. Anlage L16 im Parallelverfahren)
war diesem (lediglich) bekannt, dass der Begriff der Scheibe bei zutreffendem
Verständnis nichts über die Lage der Stirnflächen zueinander und den Randverlauf
aussagt. Dadurch ist zwar eine Keilform auch vom fachmännischen Verständnis des
Begriffs der Scheibe umfasst, allerdings ist eine solche Ausgestaltung damit noch nicht
vorgegeben und eine Aussage dazu noch nicht getroffen [s. o. unter 4.a)]. Die
Möglichkeit, eine bestimmte Ausgestaltung unter die technische Lehre zu subsumieren,
gibt dem Fachmann noch keine Anweisung, diese – expressis verbis nicht erwähnte –
Gestaltung zu wählen und vermittelt ihm insbesondere nicht die Erkenntnis, welche
bestimmte Form besonders vorteilhaft ist. Denn im Rahmen der vielgestaltigen
Möglichkeiten, die der Begriff der Scheibe eröffnet, gibt es Unterschiede hinsichtlich der
Wirksamkeit der Gestaltung.
42
Weder das Klagepatent aus dem Parallelverfahren (xx x xxx xxx; Anlage L1) noch die xx
xx xx xxx xx (Anlage B9) verhalten sich zur näheren förmlichen Ausgestaltung der
Scheiben; dazu bedurfte es eines erfinderischen Schrittes. Der Fachmann erhält
insbesondere keine Angaben, welche bestimmte Form besonders vorteilhaft ist. Erst
recht sagt die bloße Möglichkeit, ungleichmäßige Körperformen unter den Begriff der
Scheibe zu fassen, nichts über die Lage einer Randverdickung aus, wie sie das
Klagegebrauchsmuster in der geltend gemachten Anspruchskombination lehrt.
43
III.
44
Da die Beklagte das Klagegebrauchsmuster widerrechtlich benutzt hat, ist sie der
Klägerin gemäß § 24 Abs. 1 GebrMG zur Unterlassung verpflichtet. Die Beklagte trifft ein
zumindest fahrlässiges Verschulden. Sie hat daher der Klägerin Schadenersatz zu
leisten (§ 24 Abs. 2 GebrMG). Da die genaue Schadenshöhe derzeit noch nicht
feststeht, hat die Klägerin ein rechtliches Interesse daran, dass die Haftung der
Beklagten auf Entschädigung und Schadenersatz zunächst dem Grunde nach
festgestellt wird (§ 256 ZPO). Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihren
Schadenersatzanspruch zu beziffern, ist die Beklagte im zuerkannten Umfang
verpflichtet, über ihre Verletzungshandlungen Rechnung zu legen, § 24b GebrMG, §§
242, 259 BGB. Allerdings ist der Beklagten im Hinblick auf die der Klägerin zu
offenbarenden Angebotsempfänger ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (OLG
Düsseldorf, InstGE 3, 176 - Glasscheiben-Befestiger). Gemäß § 24a GebrMG ist die
Beklagte schließlich verpflichtet, die patentverletzenden Gegenstände, soweit sie sich in
der Bundesrepublik Deutschland in ihrem Besitz oder Eigentum befinden, zu vernichten.
45
IV.
46
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.
47
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 709, 108 ZPO.
48
Vollstreckungsschutz war nicht zu gewähren, da die insoweit darlegungs- und
beweisbelastete Beklagte nichts dafür vorgetragen hat, dass ihr im Falle der
Vollstreckung ein nicht zu ersetzender Nachteil droht.
49
V.
50
Der Streitwert wird auf 200.000,00 € festgesetzt (§ 3 ZPO, § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG).
51