Urteil des LG Düsseldorf vom 10.01.2006
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Landgericht Düsseldorf, 4b O 519/05
Datum:
10.01.2006
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4b. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4b O 519/05
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften
Tenor:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 598,39 EUR nebst Zinsen
in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
8.08.2004 sowie 9 EUR vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.
II. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 9 % und die Be-
klagte zu 91 % zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen,
die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung von
30 EUR abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstre-ckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Beklagten wird nach-gelassen,
die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung von 900 EUR
abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstre-ckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
V. Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger ist Patentanwalt in Düsseldorf. Er nimmt die Beklagte auf Zahlung eines
Vergütungsbetrages für patentanwaltliche Tätigkeiten im Gesamtbetrag von 626,57
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EUR in Anspruch.
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Gegenstand der Honorarforderung sind zwei Rechnungen des Klägers vom 7.07.2004,
deren eine Beratungsleistungen im Zusammenhang mit zwei von der Beklagten
beabsichtigte deutsche Markenanmeldungen ("X", "X") betrifft (Rechnung-Nr. 82698,
Anlage K 2) und deren andere eine beabsichtigte deutsche Patentanmeldung für eine
sog. "D2L = Dichtedifferenztrennung" zum Gegenstand hat (Rechnung-Nr. 82697,
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Anlage K 8). Nachfolgend sind beide Rechnungen auszugsweise eingeblendet.
Während des Rechtsstreits hat der Kläger vorgetragen, dass der Rechnung Nr. 82698
ein Stundenaufwand von 0,5 Stunden bei einem Stundensatz von 300 EUR zugrunde
liegt und dass in der Rechnung Nr. 82697 bezüglich der Besprechung vom 5.03.2003
ein Stundenanteil von 1,2 Stunden in Ansatz gebracht sei. Nach vorgerichtlichen
Mahnungen des Klägers vom 16.09.2004, 14.10.2004 und 24.11.2004 (Anlage K 10)
beantragt der Kläger,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 626,57 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8.08.2004 sowie vorgerichtliche
Mahnkosten in Höhe von 9,- EUR zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hält die Rechnungen des Klägers für nicht prüffähig und die Gebührenforderungen
deshalb für nicht fällig.
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Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze
der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage hat überwiegend Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein
Vergütungsanspruch von 598,39 EUR zu.
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I.
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Dem Grunde nach ergibt sich der - insoweit zwischen den Parteien auch nicht streitige -
Vergütungsanspruch des Klägers aus dem Mandatsverhältnis, welches zwischen den
Parteien bestanden hat und das als Geschäftsbesorgungsvertrag mit
Dienstvertragscharakter zu bewerten ist (§§ 675, 611 BGB). Da Vereinbarungen zur
Höhe der Dienstvergütung allenfalls insoweit getroffen worden sind, dass der Kläger
seine Leistungen – wie geschehen - nach Zeitaufwand abrechnet, und es eine
gesetzliche Regelung über die Höhe der Gebühren von Patentanwälten nicht gibt, eine
"Taxe" im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB also nicht besteht, schuldet die Beklagte gemäß
§ 612 Abs. 2 BGB die übliche, d.h. angemessene Vergütung, wobei das Anwaltshonorar
zunächst von dem Kläger zu bestimmen ist (§ 316 BGB), die von ihm getroffene
Bestimmung allerdings nur dann verbindlich ist, wenn sie der Billigkeit entspricht (§ 315
BGB). Der Kläger hat dabei diejenigen Umstände darzulegen und im Streitfall zu
beweisen, aus denen sich ergibt, dass die von ihm getroffene Bestimmung "billig" ist
(vgl. BGH, NJW 1992, 171, 174). Angesichts des Ermessensspielraums, den der
Patentanwalt bei der Festsetzung seiner Vergütung hat (§ 316 BGB), kann eine in
Rechnung gestellte Vergütung noch nicht deshalb als unbillig angesehen werden, weil
sie die als angemessen berechnete Vergütung überhaupt überschreitet. Dem
Patentanwalt steht vielmehr ein sogenannter Toleranzbereich zur Verfügung, der
besagt, dass der von ihm angesetzte Honorarbetrag nur dann unbillig ist, wenn er die
angemessene Vergütung um mehr als 20 % überschreitet (OLG Düsseldorf, Urteil vom
15.02.2001 - 2 U 10/98). Findet eine geringere Überschreitung statt, verbleibt es deshalb
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bei dem vom Patentanwalt festgesetzten Vergütungsbetrag; wird der Toleranzbereich
von 20 % überschritten, ist als Vergütung das als angemessen errechnete Honorar
(ohne jeden Zuschlag) anzusetzen.
Nach diesen allgemeinen rechtlichen Grundsätzen gilt für den Streitfall Folgendes:
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1.
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Der Kläger hat in seinen Rechnungen und in seinem ergänzenden Prozessvortrag
dezidiert dargestellt, welche anwaltlichen Tätigkeiten er im Zusammenhang mit den
Markenanmeldungen sowie der Patentanmeldung der Beklagten entfaltet hat. Der
Behauptung, mit dem Geschäftsführer der Beklagten seien 7 im Ähnlichkeitsbereich der
zur Anmeldung bestimmten Marken liegende Bezeichnungen zu erörtern gewesen, ist
die Beklagte ebenso wenig entgegen getreten wie dem Vortrag, die Patentanmeldung
sei am 5.03.2003 für die Dauer von 1,2 Stunden Gegenstand einer Besprechung mit
dem Geschäftsführer der Beklagten gewesen; im Anschluss daran hätten zwei zum
Stand der Technik gehörende Druckschriften (X und X) beschafft, durchgearbeitet und
mit dem Geschäftsführer der Beklagten erörtert werden müssen. Der betreffende
Sachvortrag des Klägers, zu dem die Beklagte substantiiert hätte erwidern können, weil
die behaupteten Tätigkeiten unmittelbar Gegenstand der eigenen Wahrnehmung ihres
Geschäftsführers waren, hat deswegen als unstreitig zu gelten. Es ist ohne weiteres
plausibel, dass der Kläger für die vergütungspflichtigen Tätigkeiten die in Ansatz
gebrachten Zeiten (0,5 Stunden und 1,2 Stunden) aufgewandt hat und der berechnete
Zeitaufwand auch objektiv erforderlich und angemessen war. Zusätzlich zu
berücksichtigen ist die Beschaffung, das Studium und die Erörterung der X sowie der X,
zu denen der Kläger selbst allerdings keine Zeitangaben gemacht hat. Es liegt jedoch
auf der Hand, dass für die Durchsicht und die Besprechung von zwei technischen
Druckschriften mindestens eine Stunde aufgewandt worden ist.
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2.
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Welcher Stundensatz im Einzelfall angemessen ist, hängt neben der Schwierigkeit, dem
Umfang und der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache auch von der Kostenstruktur der
jeweiligen Anwaltskanzlei ab, weil es Einzelkanzleien mit wenig Personal, zum Teil mit
Familienangehörigen, in ländlichen und mietpreismäßig günstigen Landesteilen gibt,
und Großkanzleien in Städten mit teuren Mieten und einem großen und kostspieligen
Personalbestand. Nach der Praxis der Patentanwaltskammer bieten die Stundensätze
für Rechtsanwälte einen Anhaltspunkt, die in dem Kommentar Gerold/Schmidt/ von
Eicken/Madert mit einer Bandbreite von 125 - 500 EUR angegeben sind. Zieht man
vorliegend in Betracht, dass der Kläger eine Einzelkanzlei in Düsseldorf-Niederkassel
betreibt und weder ersichtlich ist, dass die vergütungspflichtigen Anmeldungen
besondere technische oder rechtliche Schwierigkeiten aufgeworfen, besonders
umfangreich oder komplex gewesen sind, noch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die
Angelegenheit umgekehrt besonders einfach gelagert war, erscheint ein Stundensatz
von 250 EUR angemessen. Dass die Parteien einen geringeren Stundensatz von 200
EUR vereinbart haben, hat die – insoweit beweispflichtige – Beklagte nicht unter
Beweis gestellt.
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3.
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Als Bearbeitungshonorare ergeben sich damit folgende Beträge:
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Markenanmeldungen: 0,5 Stunde x 250 EUR = 125 EUR;
Patentanmeldung: 2,2 Stunden x 250 EUR = 550 EUR. Der vom Kläger
berechnete Vergütungsbetrag von 350 EUR ist daher in vollem Umfang berechtigt.
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4.
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Soweit der Kläger Nebenkosten beansprucht, ist die Klage lediglich hinsichtlich der
Schreibgebühren und der Kopierkosten schlüssig.
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Da der Kläger nach Zeitaufwand abrechnet, ist es zunächst selbstverständlich, dass er
Auslagen, die ihm bei der Ausführung des Mandates entstanden sind, gesondert
vergütet verlangen kann. Wegen der Höhe ist dabei auf die Bestimmungen der - zuletzt
im Jahre 1968 von der Patentanwaltskammer herausgegebenen - Gebührenordnung für
Patentanwälte (PatAnwGebO) zurückzugreifen, wobei die dort verzeichneten
Gebührenbeträge allerdings mit Rücksicht auf die seit 1968 eingetretene allgemeine
Teuerung angemessen zu erhöhen sind. Für nach dem 1.07.1994 erteilte Aufträge wird
der Teuerungszuschlag von der Rechtsprechung mit 275 % bemessen (OLG
Düsseldorf, Urteil vom 15.02.2001 - 2 U 10/98). Da die Mandatserteilung vorliegend
nach dem 1.01.2002 erfolgt ist, ist der für 1994 angewendete Teuerungszuschlag weiter
maßvoll zu erhöhen. Dem Gericht ist bekannt, dass die Patentanwaltskammer bei einer
Auftragserteilung nach dem 1.01.2002 einen Teuerungszuschlag von 340 % ansetzt.
Dem schließt sich die Kammer an.
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Nach Abschnitt Q Ziffer 6 PatAnwGebO kann für einen 1 ½ zeilig geschriebenen Text in
deutscher Sprache pro Seite ein Betrag von 5,50 DM angesetzt werden. Vorliegend
ergibt die Rechnungsstellung des Klägers, dass der Schreibaufwand in jeder
Angelegenheit 1 Seite betragen hat, insgesamt also Schreibgebühren für 2 Seiten in
Ansatz zu bringen sind. Unter Berücksichtigung eines Teuerungszuschlages von 340 %
ergibt sich somit ein Kostenbetrag von 19,12 EUR.
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Abschnitt Q Ziffer 6 PatAnwGebO bestimmt, dass Kopierkosten von 0,50 DM/Seite
berechnet werden können. Bei 25 Abzügen und einem Teuerungszuschlag von 340 %
schuldet die Beklagte dem Kläger einen Betrag von 21,73 EUR.
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Soweit der Kläger Porto und Telefongebühren geltend macht, ergibt sein Vortrag nicht,
wofür genau welche Einzelkosten angefallen sind. Ein Vergütungsanspruch scheidet
daher mangels ausreichenden Sachvortrages aus.
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5.
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Insgesamt ergibt sich damit folgender Vergütungsanspruch des Klägers:
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Bearbeitungshonorar für die Markenanmeldungen: 125,00 €
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Bearbeitungshonorar für die Patentanmeldung: 350,00 €
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Schreibkosten: 19,12 €
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Kopierkosten: 21,73 €
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Summe : 515,85 €
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zzgl. gesetzliche Mehrwertsteuer: 82,54 €
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Endsumme: 598,39 €
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6.
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Der vorgenannte Honorarbetrag war infolge der Rechnungsstellung vom 7.07.2004
fällig. Dass die Vergütungsberechnung aus sich heraus nicht bis ins Letzte
nachvollziehbar war, weil der vom Kläger zugrunde gelegte Zeitaufwand, der in Ansatz
gebrachte Stundensatz und die Einzelheiten der Nebenkostenabrechnung nicht
ersichtlich waren, hindert den Eintritt der Fälligkeit nicht. Maßgeblich dafür ist, dass die
PatAnwGebO keine Regelung kennt, die den Patentanwalt – vergleichbar einem
Rechtsanwalt, für den § 18 Abs. 2 BRAGO, § 10 Abs. 2 RVG gilt – zu einer besonderen
Vergütungsabrechnung anhält und die Fälligkeit seines Honorars von einer eben diesen
Anforderungen entsprechenden Abrechnung abhängig macht. Auch die Vorschriften zur
Geschäftsbesorgung (§ 675 BGB) und zum Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB) enthalten
derartige Bestimmungen nicht. Für eine analoge Anwendung des § 10 Abs. 2 RVG ist
kein Raum, nachdem die Vorschriften zur Patentanwaltsvergütung einerseits
(PatAnwGebO) und die Vorschriften zur Rechtsanwaltsvergütung andererseits (BRAGO,
RVG) hinsichtlich der Abrechnungsmodalitäten unterschiedliche Regelungen enthalten
und nichts dafür ersichtlich ist, dass im Hinblick auf die PatAnwGebO eine unbewusste
Regelungslücke vorliegt, die durch Analogie geschlossen werden muss. Mit Urteil vom
9.08.2001 (2 U 231/99) hat auch das OLG Düsseldorf bereits ausgesprochen, dass es
bedenklich sei, die für Rechtsanwälte gesetzlich normierten Vorgaben für eine
Vergütungsabrechnung im Wege der Analogie auf Patentanwälte zu erstrecken.
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7.
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Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1, 3, § 288 BGB. Der Anspruch auf Ersatz
vorgerichtlicher Mahnkosten ist mit Blick auf die wiederholten Mahnungen gerechtfertigt,
die der Kläger nach Eintritt des Verzuges ausgebracht hat (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB).
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II.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
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Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 11, 711,
108 ZPO.
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Die Kammer hat die Berufung zugelassen, weil die entscheidungserhebliche
Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, ob die Fälligkeit der
Patentanwaltsvergütung eine in besonderer Weise spezifizierte, aus sich heraus
nachvollziehbare Abrechnung voraussetzt.
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