Urteil des LG Düsseldorf vom 20.02.1995
LG Düsseldorf (gegen die guten sitten, bundesrepublik deutschland, kläger, leistung, zahlung, vertrag, erstellung, arbeit, honorar, literatur)
Landgericht Düsseldorf, 1 O 388/94
Datum:
20.02.1995
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 O 388/94
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 2.500.-, die
auch durch Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll-
und Steuerbürge zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden
kann, vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung von Honorar.
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Die Parteien schlössen am 1.JUNI 1993/7.Oktober1993 einen Vertrag darüber ab, daß
dar Kläger der Beklagten gegen Zahlung eines Honorars bei der Vorbereitung einer
Promotion behilflich sein sollte. Der Kläger verpflichtete sich, mit aktiver Unterstützung
der Beklagten für diese ein praktikables Dissertationsthema, einen Betreuer
("Doktorvater") sowie eine Fakultät zu finden. Unter Ziff. 2 des Vertrages heißt es
außerdem:
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" Herr XXX wird auf Basis seiner Erfahrung und in Zusammenarbeit mit dem
Doktorvater sowie Frau XXX das endgültige Thema so optimieren, daß der
Dissertationsaufwand für Frau XXX entscheidend gesenkt werden kann".
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Als Honorar war die Zahlung von 32:000 DM inklusive Mehrwertsteuer vereinbart.
Hierzu heißt es in Ziff. 3 des Vertrages unter anderem:
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"…
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Folgende Zahlungsweise wird vereinbart:
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22.000.- DM nach Einverständniserklärung des Doktorvaters, 10.000.- DM
nach Erhalt der Doktorurkunde.
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Im Honorar ist die Erstellung eines Literaturverzeichnisses (einschließlich
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zwei Datenbankrecherchen) enthalten. Die Beschaffung der Literatur wird mit
30 DM / Stunde für den Bibliothekar und 0,30 DM je Kopie abgerechnet.
Diese Zusatzkosten sind nach Erbringen der Leistung zahlbar. Herr Dr. Grätz
verpflichtet sich zusätzlich nach der Einverständniserklärung des
Doktorvaters, Frau XXX 5 Exemplare von Dissertationen zur Verfügung zu
stellen, die von dem Doktorvater positiv bewertet worden sind."
Die Beklagte verpflichtete sich unter Ziff. 7 des Vertrages sich innerhalb von sechs
Monaten ab ihrer Unterschrift unter den Vertrag nicht selbst um einen Doktorvater zu
bemühen.
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Am 4. März 1994 fand ein Gespräch zwischen der Beklagten, der Mitarbeiterin XXX des
Klägers und Herrn XXX, Außenstelle für Epidemiologie, Bakum über die Betreuung und
das Dissertationsthema statt. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, daß das Thema "
Untersuchungen zwischen Tierleistung und tiergesundheitlich relevanten Faktoren der
Haltung und des Managements in Schweinezuchtställen" diskutiert wurde. Die
Beklagte sollte sich über die Machbarkeit der Arbeit mit dem
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Ferkelerzeugerring abstimmen, dessen Angaben sie zur Erstellung der Arbeit benötigte.
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Mit Schreiben vom 14. 4. 1994 teilte XXX der Beklagten mit, daß Professor XXX sich
bereit erklärt habe, sie als Doktorandin zu betreuen. Unter dem 26. April 1994 forderte
der Kläger die Zahlung des ersten Teilhonorars von DM 22.000.- bei der Beklagten an.
Die Beklagte erklärte Ende Mai 1994, daß sie die Dissertation nicht durchführen wolle.
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Der Kläger behauptet, er habe diejenigen Leistungen erbracht, die ihn berechtigten,das
erste Teilhonorar zu fordern. Dissertationsthema und Doktorvater stünden fest. Die
Beklagte habe sich auch schon mit dem Ferkelerzeugerring, der
Landwirtschaftskammer und dem Tiergesundheitsamt Bonn wegen Materials in
Verbindung gesetzt.
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Die Beklagte habe auch bestätigt, daß die notwendigen Voraussetzungen vorlägen,
indem sie seinen Mitarbeitern erklärt habe, sie komme am 25. oder 26. Mai nach
Bergisch Gladbach, bringe das Geld mit und werde Literatur mitnehmen. Stattdessen
habe die Beklagte aber bei dieser Gelegenheit erklärt, die Dissertation nicht durch
führen zu wollen.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 22.000.- nebst 4 % Zinsen seit dem
30. Juli 1994 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte behauptet, das Thema der Dissertation sei noch nicht gefunden. Bei dem
Gespräch mit XXX habe man lediglich Vorüberlegungen angestellt und sich über
mögliche Themen ausgetauscht. Eine endgültige Formulierung eines Themas sei auch
nicht möglich gewesen, weil das Thema ohne die Mitarbeit des Ferkelerzeugerringes
nicht realisiert werden könne. Der Ferkelerzeugerring habe ihr gegenüber die Lieferung
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von Informationen zu einem Thema über die Untersuchung zwischen Tierleistung und
tiergesundheitlich relevanten Faktoren der Haltung abgelehnt. Professor XXX habe
sich zur Betreuung nicht bereiterklärt und auch das Thema nicht akzeptiert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die
Beklagte auf Zahlung des ersten Teilhonorars von DM 22.000-
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Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen
Sittenwidrigkeit nichtig.
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Der Zweck des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages, der auf die Hilfe bei
der Erlangung der Doktorwürde gegen Entgelt gerichtet ist, verstößt gegen die guten
Sitten. Die Kommerzialisierung der Erlangung eines akademischen Grades verstößt
gegen die in diesem Lebensbereich geltende Maßgeblichkeit eigener Leistung und der
Lauterkeit in der Erbringung dieser Leistung und kann deshalb nicht hingenommen
werden ( zur Sittenwidrigkeit wegen Kommerzialisierung vgl. RGZ79, 135 ff; Münchener
Kommentar/ Mayer-Maly, 3 Auflage, § 138 RN 109; Palandt/Heinrichs, 52. Auflage, §
138 RN 56 - zur mißbilligten Kommerzialisierung in anderen Lebensbereichen vgl.
BGH, NJW 1991, 1047 -Abkaufen einer Strafanzeige; KG, NJW 1989, 2983))
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Der Doktorgrad wird für eine wissenschaftlich beachtliche Leistung verliehen, durch die
der Doktorrand die Fähigkeit bewiesen hat, selbständig wissenschaftlich zu arbeiten.
Belegt wird diese Qualifikation in erster Linie durch eine selbständig angefertigte
Dissertation, daneben eventuell durch eine zusätzliche Leistung innerhalb einer
mündlichen Prüfung ( Nebendahl/Rönnau, Der Verzicht auf den Doktorgrad - eine
mögliche Alternative zum Entziehungsverfahren, NVWZ 1988, 873/874). Die mit
Erfüllung dieser Anforderungen verbunden Auszeichnung ist einer entgeltlichen Hilfe
nicht zugänglich.
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Die Kammer verkennt nicht, daß Inhalt des zwischen den Parteien abgeschlossenen
Vertrages lediglich Hilfe bei der Erstellung der Dissertation und dem Finden eines
Doktorvaters und eines geeigneten Themas ist. Es handelt sich dagegen nicht um den
Fall, daß die Dissertation vollständig fremd angefertigt oder der Titel gar verkauft würde.
Dahin gerichtete Verträge wären ohne weitere Überlegung als sittenwidrig anzusehen (
vgl. insbesondere RGZ79, 371).
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Die Kammer ist auch der Auffassung, daß die angegebenen Hilfestellungen nicht per
se dem Sinn des Promotionsverfahrens widersprechen, weiterhin, daß auch eine mit
solcher Hilfe angefertigte Dissertation den Anforderungen an die Selbstständigkeit der
Anfertigung entsprechen mag.
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Gewisse, an sich zulässige Verhaltensweisen, müssen jedoch von finanziellen
Überlegungen frei bleiben ( Medicus, Bürgerliches Recht, Allgemeiner Teil, RN 702).
Zu diesen gehörte die Hilfe bei der Dissertation. Wie dargestellt, läuft es dem Sinn des
Promotionsverfahrens und überhaupt der Verleihung akademischer Grade zuwider,
wenn gegen die Zahlung von Honorar ohne vorherige eigene Beziehungen zwischen
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Doktorvater und Doktoranden auf Umwegen ein Betreuer für die Arbeit gefunden wird,
das Thema nicht in eigenständiger Leistung und in Abstimmung mit dem Doktorvater
festgelegt wird, sondern hierfür bezahlte Hilfe zur Verfügung steht und weiterhin sogar
der Doktorand die zur Erstellung der Arbeit verwendete Literatur nicht selbst finden
muß, sondern dies von nach Stunden bezahlten Hilfskräften erledigt wird. Selbst wenn
die so erstellte Dissertation von den Promotionsordnungen als eigenständige
wissenschaftliche Arbeit hingenommen werden sollte, was die Kammer nicht zu
entscheiden hat, kann der Vertrag, der auf die Erbringung und Honorierung dieser
Leistung gerichtet ist, nicht hingenommen werden. Ausdrücklich ist in dem Vertrag
zudem unter Ziff. 2 der mißbilligte Vertragsgegenstand aufgenommen, nämlich gegen
die Zahlung von entsprechenden Pauschal- und Stundenvergütungen den Aufwand
des Doktoranden zur Erstellung der Dissertation entscheidend zu senken.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§91, 709 ZPO Der Streitwert
beträgt DM 22.000.-
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