Urteil des LG Düsseldorf vom 23.10.2003

LG Düsseldorf (internationale zuständigkeit, ordre public, nichtigkeit, beschwerde, verletzung, verfügung, antrag, eröffnung, sache, durchführung)

Landgericht Düsseldorf, 25 T 537/03
Datum:
23.10.2003
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Richterin
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
25 T 537/03
Tenor:
hat die 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf auf die sofortige
Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des
Amtsgerichts Düsseldorf vom 10. Juli 2003 durch die Richterin am
Landgericht X als Einzelrichterin
am 23. Oktober 2003
beschlossen:
Der Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts vom 29. Juli 2003
wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Durchführung des
Abhilfeverfahrens an das Amtsgericht Düsseldorf zurückgege-
ben.
G r ü n d e :
1
Durch Beschluss des High Court of Justice in Leeds/England vom 16. Mai 2003
wurde das Insolvenzverfahren über die Schuldnerin eröffnet (Bl. 19-21 GA). Durch
Beschlüsse vom selben Tag wurden Insolvenzverfahren über weitere Unternehmen
der X Group of Companies eröffnet, u.a. über die X GmbH und die Y GmbH. Zu
Insolvenzverwaltern wurden Herr X, Herr Y und der Beschwerdeführer bestellt, wobei
sie für die Zeit ihres Amtes sowohl einzeln, als auch gemeinschaftlich zur Vornahme
aller ihnen gesetzlich auferlegten und übertragenen Handlungen berechtigt sind.
2
Geschäftsführer der X GmbH sind Herr X und Frau Y, Geschäftsführerin der
Schuldnerin und der Y GmbH ist allein Frau Y.
3
Herr X hatte am 16. Mai 2003 u.a. den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über die Schuldnerin in Leeds eingebracht.
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Mit Schreiben vom 17. Mai 2003 reichte die Geschäftsführerin der Schuldnerin den
Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Schuldnerin bei dem
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Amtsgericht Düsseldorf ein.
Durch Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 19.Mai 2003 wurde zur
Sicherung der künftigen Insolvenzmasse angeordnet, dass Maßnahmen der
Zwangsvollstreckung einschließlich der Vollziehung eines Arrestes oder einer
einstweiligen Verfügung gegen die Schuldnerin untersagt werden, soweit nicht
unbewegliche Gegenstände betroffen sind. Bereits begonnene Maßnahmen wurden
einstweilen eingestellt. Des weiteren wurde Rechtsanwalt Dr. X zum vorläufigen
Insolvenzverwalter bestellt und die Einholung eines schriftlichen
Sachverständigengutachtens bezüglich des Vorliegens eines Eröffnungsgrundes
und des Vorhandenseins von Masse durch den vorläufigen Insolvenzverwalter
angeordnet.
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Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht Düsseldorf das
Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin nach Eingang des
Gutachtens des vorläufigen Insolvenzverwalters vom 9. Juli 2003 wegen
Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet und zum Insolvenzverwalter
Rechtsanwalt Dr. X ernannt.
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Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer rechtzeitig sofortige Beschwerde
eingelegt, welche der Amtsrichter nach Nichtabhilfe der Kammer zur Entscheidung
vorgelegt hat.
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Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§§ 34 Abs. 2 InsO, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und
führt zur Aufhebung des Nichtabhilfebeschlusses und Rückgabe der Sache zur
erneuten Durchführung des Abhilfeverfahrens.
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Nach Auffassung der Kammer kann über eine Beschwerdeberechtigung des
Beschwerdeführers nicht ohne weitere Ermittlungen durch das Amtsgericht befunden
werden.
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Der Amtsrichter hat eine Nichtigkeit des Beschlusses des High Court of Justice in
Leeds vom 16. Mai 2003 in Bezug auf die Schuldnerin angenommen.
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Insofern ist anzumerken, dass Prof. Dr. X eine Nichtigkeit nicht festgehalten hat,
sondern nur eine Nichtanerkennung bzw. Angreifbarkeit der Entscheidung darlegt
(Absätze 19,21,24,25,26,27 des Gutachtens vom 03. Juli 2003).
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Ob eine Weigerung der Anerkennung von dem einzelnen Gericht des Mitgliedstaates
ausgesprochen werden kann, hat der Amtsrichter nicht problematisiert.
13
Eine Anwendung des Art. 26 EuInsVO würde sich zudem nur bei einer Verletzung
des rechtlichen Gehörs rechtfertigen. Hierzu hat der Amtsrichter aber nicht die
Geschäftsführerin der Schuldnerin angehört. Erst nach deren Stellungnahme - bei
einer Bevollmächtigung des Herrn X bzw. einer Genehmigung des Vorgehens des
Herrn X dürfte ein Verstoß nicht in Betracht kommen - kann über die Bejahung oder
Verneinung eines solchen Verstoßes befunden werden.
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Der Amtsrichter wird daher nach Anhörung der Geschäftsführerin der Schuldnerin
und gegebenenfalls des Beschwerdeführers erneut über die Abhilfe zu befinden
haben.
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Abschließend sei angemerkt, dass nach der Verordnung der ordre public Einwand
das einzige Anerkennungshindernis darstellt, wenn das Gericht des Hauptverfahrens
seine internationale Zuständigkeit bejaht hat und die Eröffnungsentscheidung
wirksam ist.
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Das Gericht in Leeds hat unter Heranziehung der Europäischen Insolvenzordnung
das Hauptverfahren nach Art. 3 EuInsVO eröffnet.
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Die Entscheidung des Court of Justice in Leeds vom 16. Mai 2003 ist nach dem
Akteninhalt nicht angefochten worden und somit gültig. Es wäre zu prüfen, ob der
Schuldnerin, wenn der Eröffnungsantrag ohne Zustimmung der Geschäftsführerin
eingebracht worden sein sollte, nicht die Möglichkeit einer Anfechtung des
Insolvenzeröffnungsbeschlusses zur Verfügung gestanden hätte. Wäre diese
Möglichkeit aber von der Schuldnerin, die allein in ihrem Recht auf Gewährung
rechtlichen Gehörs verletzt worden sein könnte, nicht wahrgenommen worden, wäre es
fraglich, ob es einem Gericht in Deutschland zukommt, über Art. 26 EuInsVO die
Nichtigkeit wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs der Schuldnerin anzunehmen.
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