Urteil des LG Düsseldorf vom 11.10.2010

LG Düsseldorf (daten, bundesrepublik deutschland, rechtshilfe in strafsachen, ankauf, durchsuchung, stpo, unterlagen, beweiserhebung, steuerhinterziehung, beschlagnahme)

Landgericht Düsseldorf, 004 Qs 50/10
Datum:
11.10.2010
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
004. Strafkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
004 Qs 50/10
Tenor:
Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
(Das vorliegende Ermittlungsverfahren ist eines von vielen Verfahren wegen des
Verdachts der Einkommenssteuerhinterziehung, die auf den Ankauf einer Daten-CD
durch einen unbekannten Informanten zurückgehen. Die 14. große Strafkammer hat in
einem Parallelverfahren (14 Qs – 131 Js 150/10-60/10, Beschluss vom 17.9.2010) den
Erwerbsvorgang wie folgt zusammengefasst:
1
"Im Jahr 2008 nahm ein unbekannter Informant Kontakt zu der nordrhein-
westfälischen Finanzverwaltung auf und bot dieser eine CD mit Daten über bei
der Schweizer Großbank C. S. unterhaltene Kapitalanlagen von in der
Bundesrepublik Deutschland steuerpflichtigen Personen zum Kauf an. Auch in
der Folgezeit kamen die Kontakte mit dem Informanten ausschließlich auf
dessen Initiative zustande. Die Prüfung eines vorab erhaltenen
Probedatensatzes durch die Finanzverwaltung ergab, dass die auf der CD
enthaltenen Daten inhaltlich korrekt waren und in der Mehrheit der Fälle
entsprechende ausländische Kapitalerträge in den Steuererklärungen der
Steuerpflichtigen nicht angegeben worden waren. Am 26.2.2010 erwarb die
Finanzverwaltung die CD gegen Zahlung eines Entgelts. Die CD unterhält u. a.
1106 Datensätze, die in einer Excel-Tabelle zusammengefasst dargestellt sind.
Die Datensätze enthalten jeweils eine Ordnungsnummer, die Konto-Nummer
der C. S., Personalien der Kontoinhaber, Kontaktdaten wie Telefonnummern
oder Postversandadressen, den Anlagebetrag und das Kontoeröffnungsdatum.
Dieser Datenbestand ist augenscheinlich von dem Informanten aus einem
anderen Datenbestand entnommen, abgeschrieben und sodann – wie
beschrieben – aufgelistet worden.
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Auf diese Ausführungen kann auch für das vorliegende Verfahren Bezug genommen
werden.
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Der Beschuldigte ist eine der auf dieser CD benannten Personen.
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Nach dem Inhalt der CD unterhielt er zum 31.12.2007 bei der C. S. ein Konto, auf dem
sich ein Guthaben in Höhe von 1.841.00 SFR (= 1.109.900 €) befand. Kapitalerträge aus
dem Kontoguthaben wurden von ihm steuerlich nicht erklärt.
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Auf Antrag des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung hat das
Amtsgericht Düsseldorf am 22. April 2010 die Durchsuchung der Wohnräume des
Beschuldigten einschließlich sämtlicher Nebengelasse und Fahrzeuge sowie der
Person des Beschuldigten angeordnet. Gleichzeitig wurde die Beschlagnahme der
privaten und geschäftlichen Unterlagen wie Bankkonten, Verträge, Schriftverkehr,
Buchführung und sowie sonstiger angeordnet, die über die Einkommens- und
Vermögensverhältnisse des Beschuldigten Auskunft geben können, sowie die
Beschlagnahme solcher Unterlagen, die sich zu Geschäftsbeziehungen zu Banken,
insbesondere zur C. S., verhalten, für den Zeitraum ab dem Jahr 2000.
6
II.
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der angefochtene Durchsuchungs- und
Beschlagnahme-Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 25.6.2010 ist rechtmäßig.
Hierbei kann vollinhaltlich auf die insgesamt in jeder Hinsicht überzeugenden,
nachfolgend zitierten Ausführungen der 14. großen Strafkammer des Landgerichts
Düsseldorf Bezug genommen werden, die – mit der Maßgabe, dass vorliegend die
Beschlagnahme von Unterlagen erst für den Zeitraum ab dem Jahr 2000 angeordnet
worden ist – auch auf den vorliegenden Parallelfall zutreffen. Im Einzelnen hat die 14.
große Strafkammer a.a.O. ausgeführt:
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"Nach § 102 StPO kann bei demjenigen, welcher als Täter oder Teilnehmer
einer Straftat verdächtig ist, eine Durchsuchung der Wohnung oder anderer
Räume vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, dass die Durchsuchung
zur Auffindung von Beweismitteln führen wird. Voraussetzung einer
Durchsuchung nach § 102 StPO ist damit die Wahrscheinlichkeit, dass eine
bestimmte Straftat begangen ist; hierfür müssen zureichende, tatsächliche
Anhaltspunkte vorliegen. Aufgrund kriminalistischer Erfahrung muss zudem die
konkrete Aussicht bestehen, dass der Zweck der Durchsuchung erreicht werden
kann (Meyer-Goßner, StPO, 53. Auflage, § 102 Rn. 2 m. w. N.). Nach § 94 I, II
StPO können Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von
Bedeutung sein können und sich im Gewahrsam einer Person befinden,
beschlagnahmt werden. Die Voraussetzungen der §§ 102, 94 I, II StPO liegen
hier vor.
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Der für den Erlass eines Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses
erforderliche, aber auch ausreichende Anfangsverdacht einer
Steuerhinterziehung gemäß § 370 I AO ergibt sich hier aus der von der
Finanzverwaltung am 26.2.2010 von einem Informanten erworbenen CD. Die
Beschuldigten sind auf dieser CD als Inhaber eines Kontos bei der C. S.
genannt. Nach den Ermittlungen der Finanzverwaltung haben die
Beschuldigten die daraus resultierenden Kapitalerträge steuerlich nicht erklärt.
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Der Annahme eines Anfangsverdachts steht die Herkunft dieser tatsächlichen
Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung nicht entgegen. Diese unterliegen
keinem Beweisverwertungsverbot.
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Die Annahme eines Beweisverwertungsverbots setzt nach allgemeiner Meinung
zunächst eine fehlerhafte staatliche Beweiserhebung voraus. Bereits das
Vorliegen einer staatlichen Beweiserhebung erscheint hier nach Auffassung der
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Kammer fraglich. Denn die Daten, die hier einen Anfangsverdacht gegen die
Beschuldigten begründen, sind von den Ermittlungsbehörden nicht selbst
ermittelt worden. Vielmehr handelt es sich um von einer Privatperson
"ermitteltes" Datenmaterial. Die Verwertung solchen "privat-deliktisch"
beigebrachten Materials ist nicht per se unzulässig (BVerfGE 34, 238, 245 ff.;
BGHSt 27, 355, 357; EGMR NJW 1989, 654, 656; BayObLG NJW 1997, 3454,
3455). Eine Unverwertbarkeit "privat-deliktisch" beigebrachten Beweismaterials
ist nach der herrschenden Meinung allerdings dann anzunehmen, wenn die
Beweisbeschaffung des Privaten extrem menschenrechtswidrig war, die
Verwertung des Materials einen eigenen und ungerechtfertigten
Grundrechtseingriff bildet oder das privat-deliktische Vorgehen durch
Ermittlungsbehörden gezielt ausgelöst wurde (Kölbel NStZ 2008, S. 241, 242 m.
w. N.). Keiner dieser Ausnahmefälle ist hier gegeben: Die Entwendung von
Bankdaten kann offenkundig nicht als "extrem menschenrechtswidrig" eingestuft
werden. Der in einer gerichtlichen Verwertung der Daten bestehende
Grundrechtseingriff wäre durch die Befugnisnorm des § 244 II StPO
gerechtfertigt und angesichts des Strafverfolgungsinteresses bei erheblichen
Steuerdelikten auch verhältnismäßig. Schließlich handelte es sich hier nicht um
eine staatlich initiierte Beweiserhebung durch einen Privaten, weil sich der
Informant aus eigenem Antrieb an die Finanzverwaltung wandte und der
Kontakt auf seine Initiative zustande kam (so auch Kölbel, aaO, für den
ähnlichen Fall "Kieber").
Soweit eine staatliche Beweiserhebung bereits in der bloßen Übernahme des
Beweismaterials durch die Ermittlungsbehörden zu sehen sein sollte (so Kölbel,
a.a.O, S. 242 f.), scheitert die Annahme eines Beweisverwertungsverbots bereits
daran, dass diese Beweiserhebung nicht rechtswidrig war. Entgegen der
Ansicht der Verteidigung haben sich die Beamten der Finanzverwaltung durch
den Ankauf der CD auch nicht strafbar gemacht.
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Eine Strafbarkeit der Beamten wegen Hehlerei nach § 259 I StGB scheidet
bereits deshalb aus, weil die angekauften Daten keine "Sachen" i. S. d. § 259 I
StGB darstellen. Die CD als Speichermedium der Daten war hingegen nicht
Gegenstand der Vortat. Diese Vortat, die nach deutschem Recht ein Ausspähen
von Daten gemäß § 202a StGB oder einen Verstoß gegen § 17 I, II Nr. 2 UWG
darstellen kann, richtete sich zudem nicht gegen das Vermögen der C. S., so
dass der Tatbestand des § 259 I StGB auch aus diesem Grunde nicht erfüllt ist.
Eine strafbare Teilnahme der Beamten an einem Ausspähen von Daten gemäß
§ 202a StGB kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil der Vorgang der
Zugangsverschaffung zu den Daten im Zeitpunkt der Kontaktaufnahme des
Informanten mit der Finanzverwaltung bereits abgeschlossen und die Tat mithin
bereits beendet war.
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Die in den Ankauf der Daten involvierten Beamten haben sich auch nicht einer
strafbaren Teilnahme an einem Geheimnisverrat gemäß § 17 I, II Nr. 2 UWG
oder einer Begünstigung gemäß § 257 I StGB schuldig gemacht. Denn der
Ankauf der Daten ist durch die allgemeine Ermittlungsbefugnis gemäß §§ 399 I,
404 AO i. V. m. §§ 161 I, 163 I StPO gedeckt. Insoweit ist zunächst zu
berücksichtigen, dass der Informant wegen des Nichtvorhandenseins eines
Zeugnisverweigerungsrechts für Geschäftsgeheimnisse nach § 17 UWG auch
zu einer entsprechenden Zeugenaussage verpflichtet gewesen wäre. Die
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Offenbarung der Daten als solche stellte damit nur den Zustand her, den die
Strafprozessordnung mit der Aussagepflicht eines Zeugen erreichen will (so
auch Sieber NJW 2008, 881, 884, der allerdings davon ausgeht, dass die
Zahlung eines Geldbetrages in der StPO keine Begründung findet).
Den Steuerbehörden steht nach Ansicht der Kammer nicht nur die Befugnis zu,
im Rahmen steuerstrafrechtlicher Ermittlungen potenziell relevantes Material
entgegenzunehmen, sondern auch dafür auch eine finanzielle Gegenleistung zu
erbringen. Eine spezielle Ermächtigungsgrundlage ist hierfür nicht erforderlich.
Dafür spricht bereits, dass der Gewährung eines finanziellen Vorteils für sich
genommen jegliche Eingriffsqualität im Hinblick auf den Rechtskreis von
Zeugen und Beschuldigten fehlt (Kölbel, aaO, S. 243). Auch ist die Zahlung von
Belohnung für Hinweise zur Aufklärung von Straftaten ein traditionelles Mittel
der Strafverfolgung (…).
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Aus dem bloßen Ankauf von Daten, die eine Privatperson rechtswidrig erlangt
hat, ergibt sich mithin kein Beweisverwertungsverbot (so auch Kölbel, a.a.O., S.
245). Soweit in der Rechtsliteratur zu dieser Frage abweichende Ansichten
vertreten werden (Göres/Kleinert NJW 2008, S. 1353, 1357; Trüg/Habetha NStZ
2008, S. 481, 491; Schünemann NStZ 2008, 305, 309), werden diese zumeist
mit moralisierenden Betrachtungen begründet, die unberücksichtigt lassen, dass
kein ausdrückliches Verbot existiert, steuerrechtlich relevantes Material gegen
Entgelt zu erwerben. Da die Leistung eines Entgelts – wie oben ausgeführt –
keine Eingriffsqualität hat, ist auf der anderen Seite eine ausdrückliche
Ermächtigungsgrundlage für ein solches Vorgehen nicht erforderlich.
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Selbst wenn in dem Ankauf der CD eine fehlerhafte Beweiserhebung liegen
würde, ergäbe sich hieraus nicht zwangsläufig ein Beweisverwertungsverbot.
Vielmehr ist in den Fällen, in denen das Gesetz nicht ausdrücklich ein
Verwertungsverbot vorsieht, das Interesse des Staates an der Tataufklärung
gegen das Individualinteresse des Bürgers an der Bewahrung seiner
Rechtsgüter abzuwägen (Meyer-Goßner, StPO, 53. Auflage, Einl. Rn. 55, 55a m.
w. N.). Bei dieser Abwägung sind das Gewicht eines Verfahrensverstoßes und
seine Bedeutung für die rechtlich geschützte Sphäre des Betroffenen ebenso zu
beachten wie die Erwägung, dass der Staat eine funktionstüchtige Rechtspflege
zu gewährleisten hat (Meyer-Goßner, a.a.O). Unter Zugrundelegung dieser
Maßstäbe sind die durch den Ankauf der CD erlangten Informationen
strafprozessual verwertbar. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass es hier nicht
um die Aufklärung eines besonders schwerwiegenden Delikts geht. Auf der
anderen Seite ist der gegen die Beschuldigten bestehende Tatverdacht der
Steuerhinterziehung gemäß § 370 I AO auch nicht zu bagatellisieren. Die
Beschuldigten sind verdächtig, die aus einem Konto bei der C. S. resultierenden
Kapitalerträge nicht versteuert zu haben. Dieses seit Anfang 2007 bestehende
Konto wies in dem genannten Zeitraum ein Guthaben in Höhe von ca.
1.930.000 SFR auf. Da nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis davon
auszugehen ist, dass sich dieses Vermögen bereits zuvor im Vermögen der
Beschuldigten befunden hat, summieren sich die im nicht verjährten Zeitraum
2004-2008 hinterzogenen Steuern (Einkommenssteuer und
Solidaritätszuschlag) auf vorsichtig geschätzte 7.839 €. Hinzu kommt, dass die
Beschuldigten durch den Ankauf und die Auswertung der CD nicht in ihrer
absolut geschützten Intimsphäre verletzt sind. Lediglich ihre allgemeine
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persönliche Geheimnissphäre ist von der Beweiserhebung betroffen, wobei die
angekauften Daten lediglich einen Ausschnitt der wirtschaftlichen
Gesamtsituation der Beschuldigten betreffen. Ferner spricht für die
Verwertbarkeit der Daten, dass die Finanzbehörden nicht gezielt Ermittlungen
durch eine Privatperson in Auftrag gegeben haben. Sie haben lediglich Daten
angekauft, die sich eine Privatperson aus eigenem Antrieb verschafft und den
Finanzbehörden von sich aus angeboten hat. Schließlich haben die an dem
Ankauf der Daten beteiligten Finanzbeamten auch nicht "gezielt Straftaten
begangen", wie die Verteidigung meint. Insoweit wird auf die obigen
Ausführungen Bezug genommen.
Ein Verwertungsverbot besteht auch nicht aus völkerrechtlichen Gründen.
Selbst wenn der Ankauf der in der Schweiz durch eine Privatperson beschafften
Daten der Bundesrepublik Deutschland als Umgehung des Europäischen
Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20.4.1959
zurechenbar wäre, ergäbe sich ein Beweisverwertungsverbot nur dann, wenn
die Verwertung des außerhalb eines vereinbarten Rechtshilfeverkehrs erlangten
Beweismittels selbst völkerrechtswidrig ist (BGHSt 37, 30, 33; LG Bochum NStZ
2010, 351, 352). Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben, weil das
möglicherweise völkerrechtswidrige Geschehen mit der Datenbeschaffung
abgeschlossen ist und das Übereinkommen durch die Verwendung der Daten
im Ermittlungsverfahren nicht erneut beeinträchtigt wird.
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Der angefochtene Durchsuchungsbeschluss ist angesichts des bereits
dargelegten Umfangs der den Beschuldigten vorgeworfenen
Steuerhinterziehung auch verhältnismäßig. Dass sich der
Durchsuchungsbeschluss selbst nicht zu seiner Verhältnismäßigkeit verhält, ist
unschädlich, da dieser Begründungsmangel im Beschwerdeverfahren
nachgebessert werden kann (BVerfG NJW 2004, 3171, 3172). Im Übrigen
genügt der Beschluss auch den inhaltlichen Anforderungen, die nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an Durchsuchungsbeschlüsse
zu stellen sind. Nach dieser Rechtsprechung dient der gerichtliche
Durchsuchungsbeschluss auch dazu, die Durchführung der Eingriffsmaßnahme
messbar und kontrollierbar zu gestalten. Dazu muss der Beschluss
insbesondere den Tatvorwurf so beschreiben, dass der äußere Rahmen
abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist.
Um die Durchsuchung rechtsstaatlich zu begrenzen muss der Richter die
aufzuklärende Straftat, wenn auch kurz, doch so genau umschreiben, wie es
nach den Umständen des Einzelfalls möglich ist. Der Richter muss weiterhin
grundsätzlich auch die Art und den vorgestellten Inhalt derjenigen Beweismittel,
nach denen gesucht werden soll, so genau bezeichnen, wie es nach Lage der
Dinge geschehen kann (BVerfG NStZ 2002, 372, 372 f. m. w. N.; NJW 2004,
1517, 1518; NJW 2004, 3171, 3171 f.). Liegt dem Durchsuchungsbeschluss der
Vorwurf der Steuerhinterziehung zugrunde, muss grundsätzlich die Art der
Steuer bestimmt und eine zeitliche Eingrenzung vorgenommen werden (BVerfG
StV 1990, 483, 483). Der Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom
25.6.2010 ist "wegen des Verdachts der Einkommenssteuerhinterziehung 2004-
2008" ergangen. Damit ist die Straftat, deren Begehung Anlass zur
Durchsuchung gab, die betroffene Steuerart und der Tatzeitraum bezeichnet
worden. Die Gründe des Beschlusses enthalten auch tatsächliche Angaben
über den Inhalt des Tatvorwurfs sowie die wesentlichen Verdachtsmomente. So
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wird dargelegt, dass die Beschuldigten die Kapitalerträge aus dem Guthaben
eines Kontos bei der C. S. nicht steuerlich erklärt haben und dass dieser
Verdacht aus einer von der Finanzverwaltung erlangten CD mit Datensätzen
herrührt. Ferner sind auch die Beweismittel, denen die Durchsuchung galt, in
der Form beispielhafter Angaben konkretisiert worden. Diese Angaben genügen
den Anforderungen der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung. Denn nach
der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genügen nur
solche Durchsuchungsbeschlüsse nicht den rechtsstaatlichen
Mindestanforderungen, die keinerlei tatsächliche Angaben über den Inhalt des
Tatvorwurfs enthalten und zudem den Inhalt der konkret gesuchten Beweismittel
nicht erkennen lässt (BVerfG NStZ 2000, 601, 601; NStZ 2002, 372, 373; NJW
2004, 1517, 1518). Ein solcher Fall ist hier jedoch – wie oben dargelegt – nicht
gegeben.
Der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses steht schließlich auch
nicht entgegen, dass dieser die Beschlagnahme von im Einzelnen genannten,
beweisrelevanten Unterlagen "für den Zeitraum ab dem Jahr 1999" anordnet,
obwohl eine Steuerhinterziehung in den Veranlagungszeiträumen vor dem Jahr
2004 verjährt wäre. Nach § 94 I, II StPO können Gegenstände beschlagnahmt
werden, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können.
Zur Untersuchung gehört jede Tätigkeit im Strafverfahren, die der Aufklärung
des Tatbestandes oder sonst der Vorbereitung des gerichtlichen Verfahrens
dient. Der Untersuchung dienen auch Beweisstücke, die für die Aufklärung des
objektiven Tatbestandes oder der Schuldfrage ohne Bedeutung sind, aber die
Strafzumessung beeinflussen können (Karlsruher Kommentar zur
Strafprozessordnung, 6. Auflage, § 94 Rn. 11 m. w. N.). Nach diesem Maßstab
sind auch die in dem Beschluss aufgeführten Unterlagen für Zeiträume vor dem
Jahr 2004 für die Untersuchung von Bedeutung. Denn nach dem bisherigen
Ermittlungsergebnis ist davon auszugehen, dass sich der im Jahre 2007 auf
dem Konto der Beschuldigten bei der C. S. befindliche Kapitalbetrag bereits
zuvor im Vermögen der Beschuldigten befunden hat. Die Herkunft dieses
Betrages ist allerdings ungeklärt. Sollte dieser Betrag aus einer Erbschaft
herrühren und sich das Kapital bereits zum Zeitpunkt des Erbfalls auf einem
ausländischen Konto befunden haben, dessen Erträge die Beschuldigten in den
Folgejahren nicht versteuerten, wäre dies nach Ansicht der Kammer für die
Strafzumessung von Bedeutung. Bankunterlagen aus den Vorjahren könnten
zur Aufklärung der Herkunft des betreffenden Kapitalbetrages führen."
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Aus den vorgenannten Gründen sind die Durchsuchungs- und die Beschlagnahme-
Anordnung rechtmäßig.
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Es ist zudem nicht zu beanstanden, dass zunächst 14 Aktenordner, drei Umschläge mit
losen Unterlagen, 10 CDs und drei Computer vorläufig sichergestellt worden sind.
Naturgemäß kann eine Sichtung von Schriftstücken und Daten nicht anlässlich der
Durchsuchung stattfinden, wenn – wie vorliegend – eine Vielzahl von Unterlagen als
tatrelevant in Betracht kommt.
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Zu der angeregten Vorlage an das Bundesverfassungsgericht oder an den EuGH sieht
die Kammer keinen Anlass, da sie die Datenbeschaffung als rechtmäßig ansieht und
auch unter Berücksichtigung kritischer Stimmen im Schrifttum keinen Verstoß gegen
Vorschriften mit Verfassungsrang sieht.
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Die vom Beschuldigten angeführte Entscheidung des BVerfG zur Online-Durchsuchung
(Urteil vom 27.2.2008, Az.: 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07) befasst sich mit einem Eingriff
in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch Maßnahmen der
Internetaufklärung des Verfassungsschutzes. Vorliegend sind zwar Daten in den Besitz
des Staates gelangt. Dieser hat jedoch weder die Daten selbst erhoben, noch dies
veranlasst. Eine Vergleichbarkeit ist somit nach Ansicht der Kammer nicht gegeben.
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Auch die Entscheidung des BVerfG zur Vorratsdatenspeicherung (Urteil vom 2.3.2010,
Az: 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08) hält die Kammer nicht für vergleichbar.
Während die Vorratsdatenspeicherung die Betreiber von Telekommunikationsdiensten
verpflichten sollte, sämtliche Telekommunikationsverkehrsdaten zu Festnetz-, Internet-
und Mobilfunktelefonaten, zum Versand von SMS-, MMS- und ähnlichen Nachrichten,
zu E-Mail-Verbindungen und zum Internetzugang für einen Zeitraum von sechs Monaten
zu speichern, und zwar unabhängig davon, wer mit wem worüber kommuniziert hat,
insbesondere also ohne jeden Anhaltspunkt dafür, ob die Daten später für Zwecke der
Strafverfolgung relevant werden würden, sind vorliegend konkret die Daten von 1.106
deutschen Anlegern der C. S. angekauft worden. Dabei verkennt die Kammer nicht,
dass es für deutsche Anleger auch andere Gründe geben mag, Geld in der Schweiz
anzulegen, als die Kapitalerträge nicht zu versteuern. Dem steht jedoch entgegen, dass
die Wahrung des Bankgeheimnisses durch die Schweiz in der Vergangenheit
bekanntermaßen einen typischen Grund darstellte, Gelder, die in Deutschland der
Versteuerung entzogen werden sollten, auf Schweizer Konten einzuzahlen. Es konnte
somit beim Ankauf der CD damit gerechnet werden, in einer Vielzahl von Fällen
Steuerstraftaten aufzudecken. Demgegenüber ist nicht ersichtlich, dass das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht
"steuerehrlicher" Anleger verletzt wird, wenn deren Daten ebenfalls übermittelt und
sodann – weil strafrechtlich nicht relevant – nicht weiter verwendet werden.
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