Urteil des LG Düsseldorf vom 04.03.2009

LG Düsseldorf: beförderung, verzicht, sorgfalt, kontrolle, obhut, kauf, form, abmahnung, transportunternehmen, ablieferung

Landgericht Düsseldorf, 12 O 660/07
Datum:
04.03.2009
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
12. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 O 660/07
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd
in Beförderungsverträgen in Beförderungsbedingungen (AGB) wörtlich
oder inhaltsgleich nachstehende Klausel zu verwenden und/oder sich
bei der Abwicklung bestehender Verträge auf diese Klausel zu berufen:
„Um die vom Versender gewünschte kurze Beförderungsdauer und das
niedrige Beförderungsentgelt zu ermöglichen, werden die Sendungen im
Rahmen einer Sammelbeförderung transportiert. Der Versender nimmt
mit der Wahl der Beförderungsart in Kauf, dass aufgrund der
Massenbeförderung (vgl. für Deutschland § 449 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2
Satz 1 HGB) nicht die gleiche Obhut wie bei einer Einzelbeförderung
gewährleistet werden kann.
Eine Kontrolle des Transportweges durch Ein- und Ausgangskontrollen
an den einzelnen Umschlagstellen innerhalb des USP-Systems ist nicht
Gegenstand der vereinbarten Leistungen.“
Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 189,00 € zuzüglich
Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 28.01.2008 zu
zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 5.000,00 €.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin ist die Zentrale für Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, deren
Klagebefugnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG und § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG anerkannt ist.
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Die Beklagte ist ein großes national tätiges Logistikunternehmen, das
Beförderungsaufträge von Verbrauchern und Unternehmern nur nach Maßgabe ihrer
"UPS-Beförderungsbedingungen" übernimmt. In diesen Beförderungsbedingungen
heißt es unter 2. Serviceumfang wie folgt:
3
…Um die vom Versender gewünschte kurze Beförderungsdauer und das niedrige
Beförderungsentgelt zu ermöglichen, werden die Sendungen im Rahmen einer
Sammelbeförderung transportiert. Der Versender nimmt mit der Wahl der
Beförderungen in Kauf, dass aufgrund der Massenbeförderung (vgl. für
Deutschland § 449 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 HGB) nicht die gleiche Obhut
wie bei einer Einzelbeförderung gewährleistet werden kann.
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Eine Kontrolle des Transportweges durch Ein- und Ausgangskontrollen an den
einzelnen Umschlagsstellen innerhalb des UPS-Systems ist nicht Gegenstand der
vereinbarten Leistung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten der UPS-Beförderungsbedingungen wird auf die
Anlage K 1 verwiesen.
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Mit Schreiben vom 29.05.2007 mahnte die Klägerin die Beklagte wegen der zitierten
Klausel ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung
auf, die seitens der Beklagten jedoch verweigert wurde.
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Die Klägerin trägt vor:
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Der Ausschluss von Kontrollen des Transportweges durch Ein- und Ausgangskontrollen
an den einzelnen Umschlagstellen innerhalb des UPS-Systems sei mit § 449 Abs. 2
Satz 1 HGB nicht vereinbar, weil damit von den gesetzlichen Haftungsregelungen der
§§ 425 bis 438 HGB abgewichen werde. Aus der angegriffenen Klausel ergebe sich
auch keine bloße Leistungsbeschreibung, die der Inhaltskontrolle nicht unterliege, weil
das Hauptleistungsversprechen eingeschränkt werde.
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Mit dem Betrag von 176,64 € (zuzüglich 7 % Mehrwertsteuer) werde nur der Anteil der
klägerischen Aufwendungen geltend gemacht, der erheblich unter der
Kostendeckungsgrenze liege.
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Die Klägerin beantragt,
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wie erkannt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte trägt vor:
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Die angegriffene Klausel könne nicht dahingehend verstanden werden, dass sich die
Beklagte mit dieser Vereinbarung von den ihr als Transportunternehmen gemäß § 426
HGB ausgeübten wesentlichen Sorgfaltspflichten frei zu zeichnen versuche. Immerhin
handele es sich lediglich um einen dem Paketgeschäft immanenten Hinweis auf Ziffer 2
Abs. 2 der Beförderungsbedingungen lasse sich nicht entnehmen, dass die Beklagte die
ihr übergebenen Pakete nicht unter Wahrung der von der Rechtsprechung als
erforderlich angesehenen Sorgfalt abholen, transportieren und zustellen werde. Eine
unangemessene Benachteiligung sei nicht gegeben. Auch statuiere die Klausel keinen
Haftungsausschluss.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
19
I.
20
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgt aus § 1 UKlaG in Verbindung mit §
307 Abs. 2 BGH.
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Die streitgegenständliche Klausel verstößt gegen § 307 BGB, weil sie zu einer
unangemessenen Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 2 BGB führt.
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Die angegriffene Klausel unterliegt zunächst entgegen der Auffassung der Beklagten
der Inhaltskontrolle, weil es sich nicht lediglich um eine Leistungsbeschreibung handelt,
die Art, Güte und Umfang der Hauptleistung unmittelbar fest legt. Vielmehr führt die
Klausel in ihrer Gesamtheit zu einer die Eirreichung des Vertragszweckes gefährdenden
Einschränkung wesentlicher Rechte und Pflichten.
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Zwar trifft es zu, dass der einleitende Satz der Klausel lediglich einen
selbstverständlichen Hinweis auf die Durchführung von Sammelbeförderungen
beinhaltet. Jedoch knüpfen die beiden folgenden Sätze sprachlich unmittelbar an den
Einleitungssatz an, so dass der Einleitungssatz nicht isoliert werden kann. Vielmehr
wird nur durch den Einleitungssatz deutlich, dass sich die folgenden Anordnungen nur
auf Sammelbeförderungen beziehen. Der Regelungsgehalt der Klausel in ihrer
Gesamtheit ist in ihrer kundenfeindlichsten Auslegung dahingehend zu verstehen, dass
die Beklagte (jedenfalls bei anderen Sendungen als den in den folgenden Sätzen
erörterten Wertpaketen) zu keinen Schnittstellenkontrollen verpflichtet sein soll. Diese
Vereinbarung ist jedoch unwirksam. Insoweit folgt die Kammer in vollem Umfang der
von dem Kläger als Anlage K 5 vorgelegten Entscheidung des Oberlandesgerichts
Düsseldorf I-18 U 132/06 vom 17. Januar 2007, ( siehe Ziffer I 4. cc, Blatt 9 der
Entscheidungsgründe).
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Auf den Verzicht auf Schnittstellenkontrollen ist § 449 Abs. 2 Satz 1 HGB anzuwenden,
weil damit von der gesetzlichen Haftungsregelung der §§ 425, 438 HGB abgewichen
wird. Zu dem Katalog derjenigen Regelungen, die nur unter den qualifizierten
Voraussetzungen des § 449 Abs. 2 Satz 1 HGB einer vertraglichen Vereinbarung
zugänglich sind, gehören die haftungsrechtlichen Bestimmungen der §§ 425, 426 HGB.
Das Leistungsversprechen der Beklagten ist auf die Beförderung von Transportgut
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gerichtet. Gegenstand ihrer geschuldeten Leistungen ist der Beförderungserfolg, also
die Ablieferung des vollständigen und unbeschädigten Gutes beim Empfänger. Von der
Haftung für den Verlust des Transportguts ist die Beklagte nach der Vorschrift des § 426
HGB nur befreit, wenn der Verlust auf Umständen beruht, die sie auch bei größter
Sorgfalt nicht vermeiden und deren Folgen sie nicht abwenden konnte. Eine
Haftungsbefreiung ist bei einem Verstoß gegen wesentliche Sorgfaltspflichten
ausgeschlossen. Zu den wesentlichen Sorgfaltspflichten des Frachtführers gehört der
Schutz des Transportgutes vor Verlust. Er hat daher, wenn der Umschlag von
Transportgut besonders verlustanfällig ist, die Beförderung so zu organisieren, das Ein-
und Ausgang der Güter kontrolliert werden, damit Fehlbestände frühzeitig festgelegt
werden können. Der Verzicht auf diese Schnittstellenkontrollen läuft somit auf eine
Einschränkung der nach §§ 426 HGB geforderten wesentlichen Sorgfaltsanforderungen
hinaus, die gemäß § 449 Abs. 2 Satz 1 HGB nur durch einen im Einzelnen
ausgehandelte Vereinbarung möglich ist (BGH 01.12.2005 – I ZR 108/04). Durch die
vorliegende Klausel soll aber aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von der
gesetzlichen Verpflichtung zur Durchführung von Schnittstellenkontrollen abgewichen
werden. Zugleich wird durch die Formulierung des zweiten Satzes im ersten Absatz der
angegriffenen Klausel durch die Bezugnahme auf § 449 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1
HGB der irreführende Eindruck erweckt, dass für Massenbeförderungen abweichende
Regelungen gelten.
II.
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Gemäß § 5 UKlaG in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG kann der Kläger von der
Beklagten im Hinblick auf die berechtigte Abmahnung die insoweit angefallenen Kosten
beanspruchen für einen Verband, dem es zuzumuten ist, typische und durchschnittlich
schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße zu erkennen und abzumahnen In
derartigen Fällen kommt nur einen Anspruch auf anteiligen Ersatz der Personal- und
Sachkosten in Form einer Kostenpauschale in Betracht, die sich für die Zentrale zur
Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs auf 176,64 € zuzüglich 7 % Mehrwertsteuer
beläuft (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, § 12 Rdnr. 1.98). Genau diesen Betrag
macht die Klägerin vorliegend geltend.
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Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
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Streitwert. 3.000,00 €.
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