Urteil des LG Düsseldorf vom 03.09.2008

LG Düsseldorf: bedingter vorsatz, negative feststellungsklage, freier mitarbeiter, störer, abmahnung, internetseite, inhaber, werbung, unterlassen, markenrechtsverletzung

Landgericht Düsseldorf, 2a O 40/08
Datum:
03.09.2008
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
2a. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2a O 40/08
Tenor:
1. Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist,
a) es zu unterlassen, die Einstellung der Internet-Domain www.X.de
unter gleichzeitiger Beifügung von Immobilienangeboten auf der
Internet-Seite www.X.de zu ermöglichen;
b) die Kosten der Inanspruchnahme der X Rechtsanwaltsgesellschaft
mbH im Zusammenhang mit der Abmahnung vom 4. Januar 2008 zu
übernehmen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.641,96 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen
Zentralbank seit dem 8.5.2008 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die X mit Sitz in Washington ist u.a. Inhaberin der Domains www.X.de und www.X.de .
Der Kläger ist freier Mitarbeiter der X und als administrativer Ansprechpartner der X für
diese Domains registriert.
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Die X ist ein Internet-Dienstleister, deren Geschäftsmodell u.a. das sog. Domain-Parking
ist. Es ermöglicht Kunden, von ihnen nicht genutzte Domains auf der Plattform der X zu
parken, dort zum Verkauf anzubieten und zur Adressierung von Werbung einzusetzen.
Auf den mit solchen Domains adressierten Seiten wird Werbung angezeigt, die zu dem
Gegenstand der Domain passt, und mit dem diesbezüglichen Angebot eines Dritten
verlinkt.
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Die Beklagte ist im Bereich der Immobilienentwicklung tätig. Sie entwickelt derzeit ein
großes Wohngebiet in Köln-Widdersdorf, welches unter der Internetdomain www.X.de
beworben wird. Die Beklagte ist Inhaberin der Wortmarke "X", die u.a. für
Immobilienwesen geschützt ist.
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Im Jahre 2007 erlangte die Beklagte Kenntnis von einer Domain www.X.de, welche bei
der X geparkt war. Unter dieser Domain fanden sich Anzeigen für Dessous und Reisen
sowie auf der linken Seite u.a. Links, die auf Immobilienangebote in Köln verwiesen.
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Mit Schreiben vom 4.1.2008 mahnte die Beklagte den Kläger wegen der Verwendung
der Domain X.de zur Adressierung einer Anzeigenseite ab und forderte ihn zur Abgabe
einer strafbewehrten Unterlassungserklärung des Inhalts auf, dass er es unterlassen
solle, die Einstellung der Internetdomain www.X.de unter gleichzeitiger Beifügung von
Immobilienangeboten auf der Internetseite www.X.de zu ermöglichen. Des Weiteren
forderte sie ihn zur Übernahme der für die Abmahnung entstandenen Anwaltskosten in
Höhe einer 1,5 Geschäftsgebühr auf der Grundlage eines Streitwertes von 50.000,00 €
auf. Der Kläger überprüfte daraufhin, ob die Domain in der von der Beklagten gerügten
Art und Weise verwendet wurde und stellte fest, dass das Domain-Parking beendet war.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.1.2008 forderte der Kläger die Beklagte auf, auf die
geltend gemachten Ansprüche zu verzichten.
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Die Parteien streiten nunmehr im Rahmen einer negativen Feststellungsklage über die
Rechtsfrage, ob dem Kläger als administrativem Ansprechpartner Prüfungspflichten
bezüglich etwaiger Verstöße gegen Rechte Dritter durch auf einer Internetplattform
geparkte Domains obliegen. Des Weiteren verlangt der Kläger die ihm durch die
Abwehr des Abmahnschreibens entstandenen Kosten ersetzt.
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Der Kläger ist der Ansicht, eine Haftung seinerseits sei nicht gegeben. Es liege schon
keine Verwechslungsgefahr vor, da die Domain X.de für Werbung, nämlich ein
Anzeigenportal, verwendet worden sei, und nicht für Baumaterialien und
Immobilienwesen. Im Übrigen behauptet er, keinerlei Einfluss darauf zu haben, welche
Werbeanzeigen auf dem mit X.de adressierten Portal angezeigt worden seien. Er ist im
Übrigen der Auffassung, eine Haftung seinerseits scheitere daran, dass die Domain
www.X.de auch gar nicht auf der Domain www.X.de verwendet worden sei, sondern auf
der Domain www.X.com. Hierauf hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom
30.7.2008 ausdrücklich hingewiesen und dadurch seinen Vortrag auf Seiten 5 und 9 der
Klageschrift ergänzt.
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Der Kläger beantragt,
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1. festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist,
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a. es zu unterlassen, die Einstellung der Internet-Domain www.X.de unter
gleichzeitiger Beifügung von Immobilienangeboten auf der Internet-Seite
www.X.de zu ermöglichen;
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b. die Kosten der Inanspruchnahme der X Rechtsanwaltsgesellschaft mbH im
Zusammenhang mit der Abmahnung vom 4. Januar 2008 zu übernehmen;
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2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.902,80 € nebst Verzugszinsen hieraus
seit Klageerhebung nach einem Zinssatz von 5 Prozentpunkten über dem
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Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte behauptet, der Inhaber der X, Herr X, sei als Domaingrabber bereits in
Erscheinung getreten. Inhaber der Domain X.de sei eine Virtual Services Corporation
mit Sitz in Nassau, Bahamas, gewesen. Diese Gesellschaft diene lediglich als
"Versteckvehikel" der X. Sie behauptet weiter, wenn eine Domain bei der X geparkt
werde, werde sie automatisch auf deren deutsche Internetdomain www.X.de umgeleitet.
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Sie ist der Ansicht, der Kläger hafte als AdminC als Störer für die aus ihrer Sicht
vorliegende Markenverletzung sowie der unzulässigen Behinderung im Sinne des § 4
Nr. 10 UWG. Den Kläger treffe als allein verfügbaren Ansprechpartner im Inland eine
besondere Verpflichtung zur Überwachung der unter der Internet-Domain abgewickelten
Vorgänge.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze ergänzend
Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Klage ist mit Ausnahme eines geringen Teils des geltend gemachten
Zahlungsbetrages begründet.
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I.
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Die Beklagte hat keinen Anspruch gegen den Kläger auf Abgabe einer
Unterlassungserklärung hinsichtlich der Einstellung der Domain www.X.de unter
Beifügung von Immobilienangeboten auf der Internetseite www.X.de in der durch das
Abmahnschreiben vom 4.1.2008 geforderten Art und Weise. Auch ein
Zahlungsanspruch bezüglich der durch die Abmahnung entstandenen
Rechtsanwaltskosten steht der Beklagten nicht zu.
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Die negative Feststellungsklage ist zulässig, da die Beklagte der Aufforderung des
Klägers, auf die geltend gemachten Ansprüche zu verzichten, nicht nachgekommen ist
und dadurch zum Ausdruck gebracht hat, sich sowohl des Unterlassungsanspruchs als
auch des Zahlungsanspruchs weiter zu berühmen.
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Der seitens des Beklagten gegenüber dem Kläger geltend gemachte
Unterlassungsanspruch bestand nicht, so dass die auf negative Feststellung gerichtete
Klage auch begründet ist.
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Dahingestellt bleiben kann, ob vorliegend eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr
gegeben ist. Denn jedenfalls haftet der Kläger für eine Markenverletzung unter der
Domain www.X.de nicht deshalb, weil er es ermöglicht hätte, dass diese Domain unter
gleichzeitiger Beifügung von Immobilienangeboten auf der Internetseite www.X.de
eingestellt war.
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Denn die Beklagte hat zum einen weder in ihrem Abmahnschreiben vom 4.1.2008 noch
im vorliegenden Klageverfahren vorgetragen, dass die Domain überhaupt auf der
Internetplattform www.X.de geparkt war. Sie hat lediglich ausgeführt, die Domain sei auf
der Internetseite der X geparkt worden, ohne diese genau zu bezeichnen. Dies wäre
allerdings erforderlich gewesen, da die X unstreitig Inhaberin mehrerer Domains ist.
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Soweit die Beklagte behauptet, die bei der X geparkte Domain sei automatisch auf die
deutsche Internetdomain www.X.de umgeleitet worden, führt auch dies nicht dazu, dass
der gegenüber dem Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch begründet wäre.
Zwar ist der Kläger auch administrativer Ansprechpartner der Domain www.X.de . Der
geltend gemachte Anspruch war aber allein und ausdrücklich darauf gerichtet, dass sich
der Kläger zur Unterlassung verpflichten sollte, die Einstellung auf der Internetseite
www.X.de zu ermöglichen.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte vorgetragen hat, die
Inhaberin der Domain www.X.de habe lediglich als "Versteckvehikel" der X gedient. Die
rechtliche Relevanz dieses Vortrags konnte auch auf Nachfrage in der mündlichen
Verhandlung nicht ermittelt werden. Dies gilt gleichermaßen für den Vortrag, der Inhaber
der X sei bereits als Domaingrabber in Erscheinung getreten.
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Unabhängig davon, dass die Handlung, deren Unterlassung die Beklagte gefordert hat,
von dem Kläger also gar nicht begangen wurde, scheitert eine Haftung des Klägers aber
auch aus anderen Gründen.
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Die Kammer hat mit Urteil vom 28.11.2007 (GRUR-RR 2008, 122 mit zust. Anmerkung
Luckhaus, GRUR-RR 2008, 113 f.)
allerdings nicht der administrative Ansprechpartner, sondern der Inhaber der
Internetplattform selbst in Anspruch genommen wurde, bereits entschieden, dass ein
Unterlassungsanspruch als Täter oder Gehilfe einer Markenrechtsverletzung aus § 14
Abs. 5, Abs. 2 Nr. 2 MarkenG deshalb nicht besteht, weil die Inhaberin der
Internetplattform die Beklagtenmarke bzw. ein ähnliches Zeichen nicht selbst im
geschäftlichen Verkehr genutzt hat und ein zumindest bedingter Vorsatz in Bezug auf
die Haupttat nicht vorliegt. Auch eine Haftung als Störer hat die Kammer nicht als
gegeben erachtet. Denn als Störer haftet derjenige, der – ohne Täter oder Teilnehmer
einer Verletzungshandlung zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat
kausal zu dem Verstoß gegen das Recht eines anderen beigetragen hat, sofern der
Inanspruchgenommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung der Handlung hatte.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, weil die Prüfungspflichten für den
Plattformbetreiber zur Verhinderung einer Rechtsverletzung das gesamte
Geschäftsmodell zum Erliegen brächten und damit nicht zumutbar sind. Denn er müsste
für jeden Fall der Verlinkung auf jeder einzelnen bei ihm geparkten Domain prüfen, ob
gerade durch die konkrete Verknüpfung einer Domain mit bestimmten Werbeangeboten
eine Markenrechtsverletzung entsteht. Daher wird der Plattformbetreiber erst dann zum
Störer, wenn er auf ein entsprechendes Abmahn- oder Hinweisschreiben nicht reagiert.
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Wenn aber selbst der Inhaber der Domain, auf der sich die Werbeplattform befindet, und
damit der Betreiber der Plattform nicht als Störer zu qualifizieren ist, gilt dies erst recht
für denjenigen, der lediglich als administrativer Ansprechpartner für diese Domain
eingetragen ist, so dass es auch unerheblich ist, ob der Kläger der alleinige Mitarbeiter
der X in Deutschland ist oder nicht. Denn dieser kann nicht mehr Pflichten haben als
dem Domaininhaber selbst obliegen. Vorliegend hat der Kläger nach Erhalt des
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Abmahnschreibens sofort überprüft, ob die streitgegenständliche Domain auf der
Plattform geparkt und mit den beanstandeten Anzeigen verlinkt war. Dabei hat er
festgestellt, dass die Domain nicht auf der Seite geparkt war, so dass eine Haftung als
Störer auch nicht deshalb in Betracht kommt, weil er auf das Schreiben nichts
unternommen hätte.
Etwas anderes gilt vorliegend auch nicht deshalb, weil die Beklagte vermutet, der
Kläger müsse selbst irgendeinen Beitrag im Zusammenhang mit der Bestückung der
Website mit Immobilienwerbung geleistet haben. Ihr Vortrag, aus dem Domainnamen
www.X.de allein ergebe sich nicht, dass diese sich auf ein Immobilienangebot beziehe,
vielmehr bedürfe es hierzu eines Blickes auf die Internetseite selbst, führt nicht zu der
zwingenden Annahme, dass es für die Platzierung von Werbung für andere
Immobilienangebote auch tatsächlich der entsprechenden Einsichtnahme einer
natürlichen Person bedarf. Vielmehr ist angesichts der Vielzahl der geparkten Domains
ohne weiteres davon auszugehen, dass dies – soweit die Keywords nicht ohnehin von
dem die Domain einstellenden Domaininhaber angegeben werden - mit Hilfe eines
automatisierten Systems geschieht, wie der Kammer im Übrigen aus
Rechtsstreitigkeiten mit einem deutschen Domainparkingportal bekannt ist.
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Ein Anspruch der Beklagten ergibt sich schon mangels Haftung als Störer auch nicht
aus § 4 Nr. 10 UWG. Im Übrigen liegt eine gezielte Behinderung von Mitbewerbern nicht
vor, weil die Beklagte weder zu der X noch zu dem Kläger in einem
Wettbewerbsverhältnis steht.
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Da die Abmahnung demzufolge unbegründet war, ist der Kläger auch nicht zum Ersatz
der Abmahnkosten verpflichtet, so dass die Feststellungsklage auch insoweit begründet
ist.
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II.
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Der Kläger hat gegenüber der Beklagten auch einen Anspruch darauf, dass diese die
ihm entstandenen Anwaltskosten für die Abwehr des Abmahnschreibens ersetzt. Ein
Anspruch ergibt sich insoweit aus § 678 BGB. Die Abmahnung war wie dargelegt
unbegründet und widersprach damit dem Willen des abgemahnten Klägers. Die
Beklagte hat auch fahrlässig gehandelt, da dies für sie erkennbar war, ohne dass es auf
das Problem, ob der administrative Ansprechpartner einer Domain, auf der sich eine
Internetplattform befindet, dafür haftet, dass unter einer auf der Plattform geparkten
Domain Rechte Dritter verletzt werden. Denn unter der Domain, für die der Kläger als
administrativer Ansprechpartner eingetragen war, ist die streitgegenständliche
Markenverletzung nicht begangen worden.
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Der Anspruch besteht allerdings nur in Höhe von 1.641,96 €. Nach der ständigen
Rechtsprechung der Kammer ist in markenrechtlichen Streitigkeiten regelmäßig nur der
Ansatz einer 1,3 Geschäftsgebühr gerechtfertigt. Es handelte sich vorliegend auch nicht
um eine außergewöhnlich schwierige Angelegenheit, da zur Abwehr des Anspruchs der
Hinweis darauf, dass die abgemahnte Handlung tatsächlich gar nicht begangen worden
war, ausgereicht hätte.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die
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vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
Streitwert: 50.000,00 €
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Dr. Fudickar
Dr. Elschner
Hörster
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