Urteil des LG Düsseldorf vom 23.11.2005
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Landgericht Düsseldorf, 12 O 45/05
Datum:
23.11.2005
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
12. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 O 45/05
Tenor:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes
bis zur Höhe von 250.000,- Euro oder Ordnungshaft für jeden einzelnen
Fall der Zuwiderhandlung pro Klausel zu unterlassen, in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen folgende oder inhaltsgleiche Klauseln in Bezug
auf langfristige Sparverträge mit variabler Grundverzinsung und
zusätzlicher Bonifikation (SpardaAnsparPlan) zu verwenden, sofern
nicht der Vertrag mit einer Person abgeschlossen wird, die in Ausübung
ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt:
„Das angesparte Sparguthaben wird mit dem jeweils gültigen Zinssatz
für das SpardaAnsparPlan-Konto verzinst„.
2. Der Klägerin wird die Befugnis zugesprochen, die Urteilsformel mit
der Bezeichnung des verurteilten Verwenders auf Kosten der Beklagten
im Bundesanzeiger, im Übrigen auf eigene Kosten bekanntzumachen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,- Euro
vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d:
1
Die Klägerin ist ein rechtsfähiger Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben es
gehört, die Interessen der Verbraucher durch Beratung und Aufklärung wahrzunehmen.
Er ist aufgrund Bescheids des Bundesverwaltungsamts vom 25.09.2000 (II B 4-8
VZNW) in die beim Bundesverwaltungsamt geführte Liste eingetragen.
2
Die Beklagte ist ein Kreditinstitut. Sie bietet auf ihrer Internetseite das Produkt
"SpardaAnsparPlan" an. Bei den Konditionen zu diesem Produkt heißt es "Variable
Verzinsung 2,00 % p. a.".
3
In den Sonderbedingungen zum SpardaAnsparPlan (Stand Mai 2000) heißt es unter
Punkt 2. Verzinsung: "Die Verzinsung der Einlage ist variabel. Das angesparte
Sparguthaben wird mit dem jeweils gültigen Zinssatz für das SpardaAnsparPlan-Konto
verzinst. … Auf Anfrage teilt die Sparda-Bank dem Kunden den jeweiligen aktuellen
Zinssatz telefonisch mit. Darüber hinaus ist der aktuelle Zinssatz im Internet abrufbar.
Änderungen des Zinssatzes werden im Preisaushang bekannt gegeben".
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Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Klausel führe zu einer einseitig durch die
Beklagte festlegbaren variablen Verzinsung und sei nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam;
das von der Klägerin ausbedungene einseitige Zinsbestimmungsrecht sei für den
anderen Vertragsteil nicht zumutbar.
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Sie beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen,
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es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,-
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Euro oder Ordnungshaft für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung pro
Klausel zu unterlassen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen folgende oder
inhaltsgleiche Klauseln in Bezug auf langfristige Sparverträge mit variabler
Grundverzinsung und zusätzlicher Bonifikation (SpardaAnsparPlan) zu
verwenden, sofern nicht der Vertrag mit einer Person abgeschlossen wird, die in
Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt:
"Das angesparte Sparguthaben wird mit dem jeweils gültigen Zinssatz für das
SpardaAnsparPlan-Konto verzinst".
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2. ihr die Befugnis zuzusprechen, die Urteilsformel mit der Bezeichnung des
verurteilten Verwenders auf Kosten der Beklagten im Bundesanzeiger, im
Übrigen auf eigene Kosten bekanntzumachen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt vor, die Klausel stelle eine Verweisung auf die Zinsanpassungsklausel im
Vertragsformular zum "SpardaAnsparPlan-Konto" dar. Kunden würden den
Kontovertrag für das "SpardaAnsparPlan-Konto" erhalten, nachdem sie im Internet auf
dieses Produkt der Beklagten aufmerksam geworden wären. In diesem Kontovertrag,
der einen anfänglichen Zinssatz von 1,5 % vorsehe, seien Veränderungen der
Vertragszinsen nur nach vorab festgelegten Parametern – wie zum Beispiel bei
Änderung des Markt-/Referenzzinssatzes – möglich. Die Beklagte vertritt die
Auffassung, die durch Verweisung in den Sonderbedingungen in Bezug genommene
Zinsanpassungsklausel des Kontovertrages sei nach § 308 Nr. 4 BGB wirksam.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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I. Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat gem. § 1 i. V. m. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1,
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4 UKlaG einen Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der streitgegenständlichen
Klausel.
1. Die streitgegenständliche AGB-Klausel ist nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam. Nach
der jüngeren BGH-Rechtsprechung sind Zinsänderungsklauseln, die einem
Kreditinstitut bei langfristig angelegten Sparverträgen eine inhaltlich unbegrenzte
Zinsänderungsbefugnis einräumen, unwirksam (Urteil des BGH vom 17.02.2004, Az. XI
ZR 140/03).
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Die streitgenständliche Klausel beinhaltet einen solchen nach der BGH-
Rechtsprechung unzulässigen Zinsänderungsvorbehalt. Dies gilt unabhängig von der
Frage, ob die Klausel – wie die Beklagte vorträgt – auf die Bedingungen für das
"SpardaAnsparPlan-Konto" verweist. Selbst wenn unterstellt wird, dass dies der Fall ist
und die Bedingungen für das "SpardaAnsparPlan-Konto" durch den Querverweis
wirksam in Bezug genommen worden sind, ist die streitgegenständliche Klausel nach §
308 Nr. 4 BGB nicht wirksam. Denn der Verweis bezieht sich ausweislich des Wortlauts
der Klausel auf den jeweils gültigen Zinssatz des "SpardaAnsparPlan-Kontos". Ob
dieser Zinssatz – wie die Beklagte meint – den Anforderungen der BGH-
Rechtsprechung genügt, ist im vorliegenden Fall nicht von Belang, weil die
streitgegenständliche Klausel mehrdeutig ist: Bei der rechtlichen Beurteilung von AGB-
Klauseln ist im Zweifel von der kundenfeindlichsten Auslegung auszugehen (BGHZ
139, 190, 199; BGHZ 150, 269, 75; BGH NJW 2003, 507, 509 f.; Urteil des BGH vom
17.02.2004, Az. XI ZR 140/03, S. 11). Der Wortlaut der Klausel zum "jeweils gültigen
Zinssatz" wirft solche Zweifel auf, denn er lässt erstens eine Auslegung dergestalt zu,
dass der Zinssatz für den SpardaAnsparPlan in der Höhe, welche sich jeweils aus den
bei Vertragsschluss gültigen Bedingungen für das "SpardaAnsparPlan-Konto" ergibt,
vereinbart wird. Zweitens kann die Klausel auch dahingehend verstanden werden, dass
der womöglich nach Vertragsschluss über den SpardaAnsparPlan veränderte
"jeweilige" Zinssatz der Beklagten für das "SpardaAnsparPlan-Konto" der Berechnung
zugrunde gelegt wird. In der zweiten Auslegungsvariante ist eine Beschränkung der
Zinsänderungsbefugnisse der Beklagten nach den in der BGH-Rechtsprechung
aufgestellten Kriterien nicht gegeben. Denn die Beklagte ist bei der Änderung der
Zinsklauseln für das Produkt "SpardaAnspar Plan-Konto" frei. Durch den Verweis auf
die "jeweiligen" Zinssätze des "SpardaAnsparPlan-Kontos" ist nicht sichergestellt, dass
nachträgliche Änderungen der Zinsbestimmungsparameter unterbleiben. In der
kundenfeindlichsten und hier zugrunde zu legenden Auslegungsvariante ist der Verweis
als dynamischer Verweis zu verstehen. Es fehlt an einer Festlegung auf eine
(datumsmäßig) bestimmte Version der Bedingungen für das "SpardaAnsparPlan-
Konto".
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Die ein einseitiges Zinsanpassungsrecht beinhaltende Klausel ist nach § 308 Nr. 4 BGB
unwirksam. Das Gericht schließt sich insoweit nach eigener Prüfung der
überzeugenden Argumentation des Bundesgerichtshofes im Urteil vom 17.02.2004 (Az.
XI ZR 140/03) an. Den Sparern ist bei langfristigen Combi-Sparverträgen wie hier dem
SpardaAnsparPlan eine unbegrenzte Zinsänderungsbefugnis nicht zuzumuten. In der
laufenden Verzinsung liegt ein wesentlicher Teil der von der Beklagten zu erbringenden
Gegenleistung, der nicht ohne Rücksicht auf das bei Vertragsbeginn bestehende
Äquivalenzverhältnis verändert werden darf.
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2. Der Antrag zu 2. ist gem. § 7 UKlaG gleichfalls begründet.
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II. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
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Der Streitwert wird auf 3.000,- Euro festgesetzt.
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von Gregory Dr. Wirtz Dr. Hesselbarth
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Vorsitzende Richterin Richter am Richterin
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am Landgericht Landgericht
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