Urteil des LG Düsseldorf vom 17.04.2007
LG Düsseldorf: angemessene entschädigung, gesetzlicher vertreter, eigenes verschulden, tod, rechnungslegung, volumen, wiederholungsgefahr, schadenersatz, abgabe, erblasser
Landgericht Düsseldorf, 4b O 427/04
Datum:
17.04.2007
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4b. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4b O 427/04
Tenor:
I.
1.
Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit erledigt ist, soweit die Klägerin
ursprünglich beantragt hat,
die Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung der gesetzlichen
Ordnungsmittel zu unterlassen,
Schnellwechselfutter mit einem achs-zentralen Kühlmittelkanal und
einer Längenausgleichsvorrichtung, bei der der Futterkörper gegen die
Wirkung einer Rückholfeder gegenüber dem Futterschaft ausziehbar ist,
anzubieten, in Verkehr zu bringen, oder zu gebrauchen oder zu den
genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
bei denen der Kühlmittelkanal ein mit dem Futterkörper fest
verbundenes, am inneren Ende verschlossenes Kühlmittelrohr enthält,
das im Futterschaft gleitend verschiebbar gelagert ist und zwischen zwei
beabstandeten Gleit-Dichtungen mit einer seitlichen
Kühlmitteleintrittsöffnung versehen ist, wobei sich ein geschlossenes
unveränderliches Volumen des gesamten Kühlmittelkanals im Innern
des Schnellwechselfutters ergibt, unabhängig von der Verschiebung des
Futterkörpers gegenüber dem Futterschaft,
insbesondere wenn
die Gleit-Dichtungen O-Ringe sind, die an beiden Enden einer das
Kühlmittelrohr mit Spiel umgebenden Bohrung einer mit dem
Futterschaft verbundenen Kühlmittelzuführungsbüchse angeordnet sind,
und/oder
diese eine Rastkugelkupplung zwischen dem Einsatz und dem
Futterkörper aufweisen, bei der Querbohrungen der Einsatzhülse
durchsetzende Rastkugeln sich an einem die Einsatzhülse umgebenden
Arretier-Ring abstützen und durch die axiale Relativverschiebung von
Einsatzhülse und Arretier-Ring radial nach außen in Freigabetaschen
des Arretier-Rings ausweichen können, wobei der Arretier-Ring mit
Futterkörper gegenüber dem Futterschaft ein getrenntes Bauteil ist,
wobei der Futterkörper unabhängig vom Kühlmitteldruck um den
Längenausgleichsweg nach hinten und vorne verschiebbar ist.
2.
Die Beklagten werden verurteilt,
der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten
Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die
zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 8.2.1999 begangen
haben, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und –zeiten,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach
Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen
sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen,
Angebotsmengen, -zeiten und –preisen sowie der Namen und
Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger, wobei den Beklagten
vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger
statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber
zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der
Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen,
sofern die Beklagten die durch dessen Einschaltung entstehenden
Kosten übernehmen und ihn ermächtigen, der Klägerin auf Anfrage
mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der
Rechnungslegung enthalten ist,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren
Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und
Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten
Gestehungs¬kosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den
Abzug von Fix¬kosten und variablen Gemeinkosten gemindert werden
darf, es sei denn, diese könnten ausnahmsweise den vorstehend zu 1.
genannten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden,
wobei die Beklagten hinsichtlich der Angaben zu b) Lieferscheine und
Rechnungen vorzulegen haben;
wobei die Beklagten zu 2) bis 4) die vorstehenden Verpflichtungen nur
für Handlungen seit dem 1.10.1994 trifft;
und wobei die Beklagte zu 1) die Angaben zu e) nur für Handlungen seit
dem 1.10.1994 zu machen hat;
3.
Die Beklagten werden verurteilt, die im unmittelbaren und mittelbaren
Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen, unter Ziffer I. 1.
beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der
Beklagten an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum
Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.
II.
Es wird festgestellt,
1.
dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin für die unter I.1.
bezeichneten und in der Zeit vom 8.2.1992 bis zum 31.9.1994
begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen.
2.
dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin
allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter I.1. be-zeichneten,
seit dem 1.10.1994 begangenen Handlungen entstanden ist und noch
entstehen wird.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als
Gesamtschuldnern auferlegt.
IV.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
150.000,-- € vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die
schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft
eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts erbracht
werden.
V.
Der Streitwert wird auf 500.000,00 € festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der
Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents xx x xxx xxx (Klagepatent,
Anlage K 1), das am 2.5.1991 unter Inanspruchnahme einer Priorität des deutschen
Patents xx xx xx xxx vom 21.6.1990 angemeldet worden ist.
2
Das Klagepatent betrifft ein Schnellwechselfutter mit Längenausgleichswirkung und
achszentraler Kühlmittelzuführung und umfasste in der ursprünglich erteilten Fassung
insgesamt 4 Ansprüche. Ansprüche 1, 2 und 4 lauteten in der erteilten Fassung wie
folgt:
3
"1. Schnellwechselfutter mit einem achs-zentralen Kühlmittelkanal und einer
Längenausgleichsvorrichtung, bei der der Futterkörper (2) gegen die Wirkung
einer Rückholfeder (19) gegenüber dem Futterschaft (1) ausziehbar ist, dadurch
gekennzeichnet, dass der Kühlmittelkanal ein mit dem Futterkörper (2) fest
verbundenes, am inneren Ende (11) verschlossenes Kühlmittelrohr (10) enthält,
das im Futterschaft (1) gleitend verschiebbar gelagert ist und zwischen zwei
beabstandeten Gleit-Dichtungen (16, 17) mit einer seitlichen
Kühlmitteleintrittsöffnung (18) versehen ist.
4
2. Schnellwechselfutter nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die
Gleitdichtungen (16, 17) z.B. O-Ringe sind, die an beiden Enden einer das
Kühlmittelrohr (10) mit Spiel umgebenden Bohrung (15) der mit dem Futterschaft
(1) verbundenen Kühlmittelzuführungsbuchse (33) angeordnet sind.
5
4. Schnellwechselfutter nach einem der Ansprüche 1 bis 3, mit einer Rastkugelkupplung
zwischen dem Einsatz und dem Futterkörper (2), bei der Querbohrungen der
Einsatzhülse durchsetzende Rastkugeln (27) sich an einem, die Einsatzhülse (3)
umgebenden Arretier-Ring (28) abstützen und durch axiale Relativverschiebung von
Einsatzhülse und Arretier-Ring radial nach außen in Freigabetaschen des Arretier-
Rings ausweichen können, dadurch gekennzeichnet, dass der Arretier-Ring (28) mit
Futterkörper (2) gegenüber Futterschaft (1) ein getrenntes Bauteil ist, wobei der
Futterkörper unabhängig vom Kühlmitteldruck um den Längenausgleichsweg nach
hinten und vorne verschiebbar ist."
6
In einem von der Beklagten zu 1) angestrengten Nichtigkeitsverfahren erhielt das
Klagepatent durch das rechtskräftige Urteil des Bundespatentgerichts vom 14.2.2006
(Az.: 4 Ni xxx/05 (EU), Anl. B 5) die von der Klägerin geltend gemachte eingeschränkte
Fassung des Patentanspruchs 1, der nunmehr den folgenden Wortlaut hat:
7
"1. Schnellwechselfutter mit
8
a) einem achszentralen Kühlmittelkanal und
9
b) einer Längenausgleichsvorrichtung, bei der der Futterkörper (2) gegen die
Wirkung einer Rückholfeder (19) gegenüber dem Futterschaft (1) ausziehbar ist,
10
c) wobei der Kühlmittelkanal ein Kühlmittelrohr (10) enthält, das
11
c1) mit dem Futterkörper fest verbunden ist,
12
c2) am inneren Ende (11) verschlossen ist,
13
c3) im Futterschaft gleitend verschiebbar gelagert ist und
14
c4) zwischen zwei beabstandeten Gleitdichtungen (16, 17) mit einer seitlichen
Kühlmitteleintrittsöffnung (18) versehen ist,
15
d) wobei sich ein geschlossenes unveränderliches Volumen des gesamten
Kühlmittelkanals im Innern des Schnellwechselfutters ergibt, unabhängig von der
Verschiebung des Futterkörpers (2) gegenüber dem Futterschaft."
16
Die nachfolgend wiedergegebene Figur 1 des Klagepatents verdeutlicht den
Gegenstand der Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels:
17
Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der am 10.4.2005 verstorbene Erblasser der
Beklagten zu 2), Herr xxx xx, war bzw. die Beklagten zu 3) und 4) sind, hat von
Deutschland aus Schnellwechselfutter vertrieben, die von sämtlichen Merkmalen der
Ansprüche 1, 2 und 4 der ursprünglich erteilten Fassung des Klagepatents, wie auch
von sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1 in der aufrecht erhaltenen Fassung
Gebrauch machten.
18
Die Klägerin hat die Beklagten deswegen auf Unterlassung, Auskunft und
Rechnungslegung sowie auf Vernichtung und Schadenersatz bzw. Entschädigung in
Anspruch genommen. Der Rechtsstreit wurde einvernehmlich bis zur Entscheidung in
dem gegen das Klagepatent geführten Nichtigkeitsverfahren ausgesetzt. Nachdem das
Klagepatent eingeschränkt aufrecht erhalten wurde, haben die Beklagten zu 1), 3) und
4) am 1.7.2006 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, mit der sie sich
verpflichteten, es künftig zu unterlassen, Gegenstände in den Verkehr zu bringen, zu
gebrauchen oder zu besitzen, die von den Merkmalen des aufrecht erhaltenen
Anspruchs 1 des Klagepatents Gebrauch machen. Eine Einigung über eine
Schadenersatzverpflichtung konnte nicht getroffen werden.
19
Die Klägerin hat daraufhin den Rechtsstreit hinsichtlich des ursprünglichen
Unterlassungsantrags für erledigt erklärt und den Wortlaut des Unterlassungsbegehrens
der in dem Nichtigkeitsverfahren erteilten Fassung des Anspruchs 1 des Klagepatents
angepasst. Der Teil-Erledigungserklärung haben die Beklagten sich nicht
angeschlossen.
20
Die Klägerin ist der Ansicht, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache insoweit
erledigt habe, da es nicht auf den Wortlaut des Klageantrages sondern auf den zur
21
Entscheidung stehenden Lebenssachverhalt ankomme. Eine Wiederholungsgefahr für
den Vertrieb der angegriffenen Spannfutter habe sich durch die Abgabe der
Unterlassungsverpflichtungserklärung bzw. den Tod des Mitgeschäftsführers xxxx xx
erledigt. Die Beklagten könnten sich hinsichtlich des geltend gemachten
Schadenersatzanspruchs auch nicht auf mangelndes Verschulden berufen. Es sei dem
Rechtsverkehr zuzumuten, die Möglichkeit der Einschränkung von Patentansprüchen in
einem möglichen Nichtigkeitsverfahren in Erwägung zu ziehen.
Die Klägerin beantragt,
22
im wesentlichen die Beklagten in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu
verurteilen.
23
Die Beklagten beantragen,
24
die Klagen abzuweisen.
25
Sie sind der Ansicht, die mit den zunächst formulierten Klageanträgen geltend
gemachten Ansprüche seien unbegründet gewesen, da das Klagepatent in der
ursprünglich erteilten Fassung keinen Rechtsbestand gehabt habe. Die Beklagten
hätten darauf vertrauen dürfen, dass das Klagepatent in diesem Umfang nicht
schutzfähig sei, weswegen es für die geltend gemachten Ansprüche jedenfalls an einem
Verschulden der Beklagten fehle. Es könne im Interesse der Rechtssicherheit dem
Rechtsverkehr nicht zugemutet werden, Überlegungen anzustellen, die außerhalb
dessen lägen, was für die Ermittlung des Sinngehalts der ursprünglichen
Patentansprüche erforderlich gewesen sei.
26
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie der zu den Akten gereichten
Unterlagen verwiesen.
27
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
28
Die zulässige Klage ist begründet. Der zunächst geltend gemachte
Unterlassungsanspruch fand seine Erledigung hinsichtlich der Beklagten zu 1), 3) und
4) durch die Abgabe der entsprechenden strafbewehrten Unterlassungs-
verpflichtungserklärung und hinsichtlich der Beklagten zu 2 durch den Tod des
Erblassers, so dass insoweit die Erledigung des Rechtsstreits festzustellen war. Da die
Beklagten zu 1), 3) und 4) sowie der Erblasser der Beklagten zu 2) von der technischen
Lehre des Klagepatents wortsinngemäßen Gebrauch machten, sind alle Beklagten der
Klägerin insoweit zur Auskunft und Rechnungslegung, zur Vernichtung bzw.
Herausgabe zum Zwecke der Vernichtung sowie zum Schadenersatz verpflichtet. Die
Beklagte zu 1) schuldet darüber hinaus eine angemessene Entschädigung für den aus
dem Tenor ersichtlichen Offenlegungs-Zeitraum.
29
I.
30
Das Klagepatent betrifft ein Schnellwechselfutter, bei dem ein achszentraler
Kühlmittelkanal und eine Längenausgleichsvorrichtung vorgesehen ist, bei welcher der
Futterkörper gegen die Wirkung einer Rückholfeder gegenüber dem Futterschaft
ausziehbar ist. Des weiteren enthält der Kühlmittelkanal ein Kühlmittelrohr, das mit dem
31
Futterkörper fest verbunden, am inneren Ende verschlossen im Futterschaft gleitend
verschiebbar gelagert und zwischen zwei beabstandeten Gleitdichtungen mit einer
seitlichen Kühlmitteleintrittsöffnung versehen ist. Gemäß der Lehre des Patentanspruchs
1 soll sich nunmehr dadurch ein geschlossenes unveränderliches Volumen des
gesamten Kühlmittelkanals im Inneren des Schnellwechselfutters ergeben, das
unabhängig von der Verschiebung des Futterkörpers gegenüber dem Futterschaft ist.
Vor diesem Hintergrund stellt sich das Klagepatent die Aufgabe, ein
Schnellwechselfutter so auszugestalten, dass bei einfachem, störunanfälligem Aufbau
selbst bei extrem hohen Drücken die Gefahr des Hängenbleibens des Futterkörpers
aufgrund des Kühlmitteleinflusses sicher vermieden ist.
32
Zur Lösung dieser Aufgabe sieht Patentanspruch 1 in der eingeschränkt
aufrechterhaltenen Fassung die Kombination der folgenden Merkmale vor:
33
1. Schnellwechselfutter mit
34
1.1 einem Futterschaft (1),
35
1.2 einem Futterkörper (2)
36
1.3 einer Längenausgleichsvorrichtung, bei der
37
1.3.1 der Futterkörper (2) gegen die Wirkung einer Rückholfeder (19)
gegenüber dem Futterschaft (1) ausziehbar ist,
38
1.4 einem achszentralen Kühlmittelkanal, der
39
1.4.1 ein Kühlmittelrohr (10) enthält, das
40
1.4.2 mit dem Futterkörper (2) fest verbunden ist,
41
1.4.3 am inneren Ende (11) fest verschlossen ist
42
1.4.4 im Futterschaft (1) gleitend verschiebbar gelagert ist und
43
1.4.5 zwischen zwei beabstandeten Gleitdichtungen (16, 17) mit einer
seitlichen Kühlmitteleintrittsöffnung (18) versehen ist, wobei
44
1.5 sich ein geschlossenes unveränderliches Volumen des gesamten
Kühlmittelkanals im Inneren des Schnellwechselfutters ergibt, unabhängig von
der Verschiebung des Futterkörpers (2) gegenüber dem Futterschaft (1).
45
II.
46
Dass die Beklagte zu 1) mit den von ihr in der Bundesrepublik Deutschland vertriebenen
Schnellwechselfuttern von der technischen Lehre des Klagepatents sowohl nach dem
ursprünglich erteilten wie auch dem im Nichtigkeitsverfahren aufrecht erhaltenen
Anspruch 1 wortsinngemäßen Gebrauch machte, steht zwischen den Parteien außer
Streit, so dass sie –die Beklagten– dem Grunde nach zur Unterlassung der
patentverletzenden Handlungen verpflichtet waren.
47
Die von den Beklagten zu 1), 3) und 4) am 1.7.2006 abgegebene strafbewehrte
Unterlassungsverpflichtungserklärung (Anl. K 14, Bl. 121 d.A.) hat den Rechtsstreit
hinsichtlich des ursprünglich geltend gemachten Klageantrags zu I.1. mit dem die
Unterlassung der patentverletzenden Handlungen begehrt wurde, in der Hauptsache
erledigt.
48
Dieser Unterlassungsanspruch war zunächst zulässig. Dies hat auch insoweit zu gelten,
als der Rechtsstreit nach dem Tod des ursprünglichen Beklagten zu 2), Herrn xxxx xx,
gegen dessen Alleinerbin und damit Gesamtrechtsnachfolgerin, die nunmehr als
Beklagte zu 2) in Anspruch genommene Frau xx xx xx fortgesetzt wird.
49
Die Klage war auch ursprünglich wegen des Unterlassungsanspruchs begründet.
Unbestritten hat die angegriffene Ausführungsform sowohl wortsinngemäßen Gebrauch
von dem ursprünglich erteilten wie auch dem nunmehr aufrechterhaltenen
eingeschränkten Anspruch 1 gemacht. Für die Frage der ursprünglichen Begründetheit
kann von den Beklagten nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, dass das Klagepatent
mit dem ursprünglich erteilten Ansprüchen nie hätte erteilt werden dürfen und somit ein
schutzloser Raum für die Klägerin bestanden habe, denn eine erfolgte Beschränkung
nimmt dem Patent nicht den Schutzbereich, den es gehabt hätte, wenn es von
vornherein in der eingeschränkten Fassung angemeldet und erteilt worden wäre (vgl.
Benkard – Rogge, PatG, 10.Aufl., § 22 PatG RN 92,93). Die Frage der Verletzung –und
somit der Begründetheit der Klage– ist also an dem nunmehr geltenden Wortlaut zu
messen. Auch hier war aber eine wortsinngemäße Verletzung gegeben. Eine andere
Beurteilung dieser Frage würde dazu führen, dass die Entscheidung der Frage der
ursprünglichen Begründetheit des Klageanspruchs von einer bloßen Zufälligkeit
abhängen würde. Die Klägerin hätte jederzeit die Möglichkeit gehabt, den Klageantrag
im Wege einer sachdienlichen Klageänderung dahin abzuwandeln, dass der aufrecht
erhaltene Wortlaut des Patentanspruchs 1 in den Unterlassungsantrag Eingang
gefunden hätte. Dass dies vorliegend zeitnah zu der Entscheidung des
Bundespatentgerichts unterblieben ist, ist im Hinblick auf die andauernde Aussetzung
des Rechtsstreits erklärbar. Hätten die Beklagten erst nach der erfolgten Klageänderung
eine von ihnen geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben, bestünde
kein Zweifel daran, dass sich der Rechtsstreit wegen des Wegfalls der
Wiederholungsgefahr insoweit erledigt hätte. Auf eine solche bloße Zufälligkeit im
Geschehensablauf kann es aber nicht ankommen.
50
Der Rechtsstreit hat sich schließlich auch hinsichtlich des ursprünglichen
Klageanspruchs zu I.1 erledigt, da mit der Abgabe der strafbewehrten
Unterlassungserklärung vom 1.7.2006 die Wiederholungsgefahr hinsichtlich der
Beklagten zu 1), 3) und 4) weggefallen ist (vgl. BGH, NJW-RR 2006, 560). Hinsichtlich
des verstorbenen Beklagten zu 2) ist dessen Tod als erledigendes Ereignis
heranzuziehen (vgl. BGH, NJW 2006, 1378 – Flüssiggastank), da eine einmal durch den
Erblasser begründete Wiederholungsgefahr nach dessen Tod nicht auf seine Erben
übergeht.
51
III.
52
Da die Beklagten den Gegenstand des Klagepatents mit der angegriffenen
Ausführungsform rechtswidrig benutzt haben, sind sie der Klägerin insoweit zur
Unterlassung verpflichtet, Art. 64 EPÜ iVm § 139 Abs. 1 PatG. Die Beklagte zu 1) hat
53
der Klägerin außerdem im zuerkannten Umfang dem Grunde nach eine angemessene
Entschädigung (§ 33 Abs. 1 PatG) und alle Beklagten haben Schadenersatz zu leisten,
§ 139 Abs. 2 PatG, wobei die Beklagten zu 3) und 4) aufgrund ihrer organschaftlichen
Stellung und die Beklagte zu 2) als Gesamtrechtsnachfolgerin des ebenfalls aus
organschaftlicher Stellung haftenden xxxx xx haften. Als Fachunternehmen bzw. deren
gesetzlicher Vertreter hätten die Beklagten die Patentbenutzung bei Anwendung der im
Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Die
Beklagten können sich vorliegend nicht damit exkulpieren, dass sie darauf vertraut
hätten, dass das Klagepatent in der ursprünglich erteilten Fassung nicht rechtsbeständig
sein konnte. Wirtschaftsunternehmen und deren gesetzlichen Vertretern wird
regelmäßig zugemutet, sich in Fragen von Patentverletzungsstreitigkeiten fach- und
sachkundigen Rat einzuholen. Dieser hätte aber nur dahin lauten können, dass eine
Beschränkung des Klagepatents in der Form möglich ist, dass zusätzliche –ggf. auch
nur in der Beschreibung offenbarte– Merkmale zu dem erteilten Anspruch
hinzukombiniert werden. Verwirklicht eine angegriffene Ausführungsform auch eine
solchermaßen beschränkte technische Lehre, so entspricht es einer "ordentlichen
Geschäftsführung", den Vertrieb solcher Gegenstände einzustellen, da diese den
Schutzbereich eines Patentes verletzen. Da es hinreichend wahrscheinlich ist, dass der
Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden
entstanden ist, der von der Klägerin jedoch noch nicht beziffert werden kann, weil sie
den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht
im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der
Entschädigungs- und Schadenersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.
Außerdem sind die Beklagten zur Rechnungslegung verpflichtet, damit die Klägerin in
die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Entschädigungs-/Schadenersatzanspruch
beziffern zu können. Denn die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen,
über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagten werden durch
die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Der geltend gemachte
Vernichtungsanspruch begründet sich aus Art. 64 EPÜ iVm § 140 a PatG.
IV.
54
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Anordnungen zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709, 108 ZPO.
55