Urteil des LG Düsseldorf vom 22.10.2009

LG Düsseldorf (kläger, abtretung, bestand, verhältnis zwischen, schlüssiges verhalten, zustimmung, vorkaufsrecht, zpo, vertrag, abrechnung)

Landgericht Düsseldorf, 1 O 335/08
Datum:
22.10.2009
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 O 335/08
Tenor:
Es wird festgestellt, dass der Kläger im Verhältnis zur Beklagten
Gläubiger laufender Renditeforderung ist, die aus Vertragsverhältnissen
(Zeitungsbelieferungsverträge) bis zu deren Beendigung resultieren, wie
sie sich spezifiziert aus der Abrechnung der Beklagten vom 29.06.2009
gemäß Anlage K 9 ergeben, und keine auf diese Forderungen
bezogenen Vorkaufsrechte der Beklagten bestehen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Bei der Beklagten handelt es sich um einen Zeitschriftenverlag. Der Kläger ist im
Abonnementgeschäft tätig. Die Fa. X GmbH (im Folgenden: X), inzwischen in
Liquidation, hatte für die Beklagte Abonnements geworben. Daraus hatte die X laufende
Provisionsansprüche aus Belieferungsrechten im Rahmen des Abonnemnentgeschäfts.
In einer Vereinbarung zwischen der X und der Beklagten vom 16.08.1998 (Anlage K4,
Bl. 30 ff. GA) heißt es in Ziffer 3:
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"Eine Abtretung der Forderungen, die der Firma [d.h. der X] nach diesem
Vertrag zustehen, bedarf der Zustimmung des Verlages [d.h. der Beklagten]. Im
Falle der Vertragsbeendigung hat der Verlag das Recht, den Renditebestand zu
marktüblichen Bedingungen zu übernehmen."
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Nach einer vom Kläger behaupteten Abtretung von 1.000 Stück Renditeforderungen an
ihn in den 1990er Jahren rechnete die Beklagte ihre Abonnements mit dem Kläger ab,
zuletzt mit Rechnung vom 26.11.2007 gegenüber dem Kläger über 692 Abonnements
zu je 2,63 €. Ende 2007 bot der Kläger der Beklagten den Abonnementbestand – die
Gesamtheit der Renditeforderungen – zum Kauf an. Die Beklagte äußerte die
Bereitschaft, pro Belieferungsrecht 80,00 € zu zahlen. Der Kläger bat die Beklagte mit E-
Mail vom 19.12.2007 um Unterbreitung eines entsprechenden Angebots, ansonsten
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werde er an einen anderen Interessenten verkaufen. Die Beklagte antwortete am selben
Tag, ein Forderungsübergang von der X auf den Kläger sei nicht nachvollziehbar; eine
Zustimmung der Beklagten wäre notwendig gewesen; die Zahlungen der letzten 15
Jahre seien rechtsgrundlos erfolgt; zudem bestehe ein Vorkaufsrecht der Beklagten.
Mehrfache Bitten des Klägers, die Beklagte möge die freie Verfügbarkeit des Bestandes
erklären, blieben ergebnislos. Die Beklagte kam auf das Angebot zum Selbsterwerb des
Bestand vor Klageerhebung nicht mehr zurück.
Der Kläger behauptet, er sei Kaufmann. Anfang der 1990er habe die X dem Kläger
1.000 Stück aus ihrem für die Beklagten geworbenen Abonnementbestandes verkauft
und die Provisionsforderungen an ihn abgetreten, was die Beklagte mit Nichtwissen
bestreitet. Der Kläger habe nun einen Käufer für 130,00 € pro Belieferungsrecht
gefunden, die Fa. X GmbH & Co. KG. Der Kläger ist der Ansicht, bei der Ziffer 3 des
Vertrags handele es sich um ein Abtretungsverbot, das nach § 354 a HGB unwirksam
sei, da ein Abonnementbestand eine Geldforderung sei.
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Der Kläger hat im Laufe des schriftlichen Vorverfahrens mehrmals den angekündigten
Antrag umgestellt und beantragt nunmehr,
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festzustellen, dass der Kläger im Verhältnis zur Beklagten Gläubiger laufender
Renditeforderung ist, die aus Vertragsverhältnissen
(Zeitungsbelieferungsverträge) bis zu deren Beendigung resultieren, wie sie
sich spezifiziert aus der Abrechnung der Beklagten vom 29.06.2009 gemäß
Anlage K 9 ergeben, und keine auf diese Forderungen bezogenen
Vorkaufsrechte der Beklagten bestehen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behauptet, seit der angeblichen Abtretung habe es eine hohe Fluktuation im
Abonnement-Bestand gegeben. Sie wisse nicht, um welchen Bestand es sich handeln
solle. Die Beklagte habe den Vertrag mit der X am 22.11.1994 mit Wirkung zum
31.05.1995 gekündigt. Ursprünglich habe der Bestand der X6.686 Renditestücke
umfasst. Die Beklagte habe diese von einem Herrn X, dem Geschäftsführer der X,
erworben. Die Beklagte und Herr X hätten dabei vereinbart, 1.477 Renditestücke, die
unter dem Namen des Klägers liefen, sollten weiter im Bestand geführt werden. Herr X
sei der Beklagten gegenüber schon unter vielen Firmierungen aufgetreten. Die Beklagte
ist der Ansicht, § 354 a HGB sei nicht einschlägig, da es sich um keine Geldforderungen
handele. Sie rügt, dass die vorgelegten Rechnungen keinen Adressaten aufwiesen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den
Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen
verwiesen.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Die Klage ist mit dem zuletzt gestellten Antrag als Feststellungsklage gemäß § 256
Abs. 1 ZPO zulässig. Es liegt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen den
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Parteien vor, das nicht einfacher durch eine Leistungsklage verfolgt werden kann. Der
Antrag, der nun auch die einzelnen Rechte nennt, ist auch hinreichend bestimmt.
Die Klage ist auch begründet. Der Kläger ist Inhaber der Renditestücke geworden, und
ein Vorkaufsrecht der Beklagten besteht nicht.
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Der Kläger ist Inhaber der Renditestücke geworden. Diese entstanden ursprünglich als
Forderungen der X aufgrund deren Vertrag mit der Beklagten vom 16.08.1988 (Bl. 30 ff.
GA). Sie sind aber gemäß § 398 BGB wirksam an den Kläger abgetreten worden.
Insoweit ist unbeachtlich, dass der Kläger den Zeitpunkt und die genaueren Umstände
der Abtretung "Anfang der 1990er Jahre" nur ungefähr umreißt. Denn ausweislich der
Aktennotiz der Beklagten vom 13.12.1995 (Bl. 34 GA), in der ein Bestand unter dem
Namen des Klägers ("Bestand Xr") ausdrücklich erwähnt wird, der "weiter im Bestand
geführt" werden solle, ging die Beklagte selbst von einer Abtretung aus. Auch der
Zustimmungsvorbehalt in Ziffer 3 des Vertrags hinderte die Abtretung nicht aufgrund
einer fehlenden Zustimmung. Eine solche Zustimmung wurde aber durch schlüssiges
Verhalten in Form der jahrelangen Abrechnung der Abonnements seitens der Beklagten
mit dem Kläger erteilt. Gemäß § 182 Abs. 1 BGB kann eine solche Zustimmung eines
Dritten, der Beklagten, gegenüber jedem der Vertragspartner der Abtretung, also
gegenüber der X oder dem Kläger abgegeben werden. Eine solche jahrelange
Abrechnung, die die Beklagte selbst gegenüber dem Kläger durchführte und dabei auch
Adressänderungen des Klägers berücksichtigte, muss von einem neutralen Empfänger
in der Rolle des Klägers unter Berücksichtigung der Verkehrssitte als Erklärung
aufgefasst werden, dass der Kläger als Forderungsinhaber angesehen werde, die
erklärende Beklagte also mit dem Übergang einverstanden ist. Das macht aber eine
Zustimmung aus.
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Ein Vorkaufsrecht der Beklagten besteht nicht. Es besteht kein Vorkaufsrecht nach
§ 463 BGB, da ein solches schuldrechtliches Vorkaufsrecht nur gegenüber dem
Verpflichteten besteht, also der X, mit der es vereinbart wurde. Auch aus dem in Ziffer 3
des Vertrags vom 16.08.1988 vereinbarten Zustimmungsvorbehalt folgt kein
Vorkaufsrecht. Dabei kann offen bleiben, ob der Zustimmungsvorbehalt gemäß § 404
BGB als Einwendung des Schuldners zu sehen wäre. Denn der Zustimmungsvorbehalt
ist gemäß § 354 a BGB unwirksam. Die Beteiligten sind Kaufleute. Die ursprünglichen
Vertragspartner waren gemäß § 13 GmbHG Formkaufleute. Für sie handelte es sich
auch um ein beidseitiges Handelsgeschäft im Sinne von § 343 HGB. Das erstmals
erfolgte Bestreiten der Kaufmannseigenschaft des Klägers im Schriftsatz der Beklagten
vom 12.10.2009 ist verspätet gemäß § 296 a ZPO. Die gewährte Schriftsatzfrist war nur
auf den Hinweis des Gerichts zu § 354 a HGB – der schon vorher diskutiert worden ist –
hinsichtlich der Einordnung der Renditeforderungen als Geldforderung im Sinne der
Vorschrift und auf die Vergleichsbemühungen gewährt worden. Bei dem
Zustimmungsvorbehalt handelt es sich auch um ein Abtretungsverbot im Sinne von
§§ 399 BGB, 354 a HGB. Die Abtretung ist zwar nach Ziffer 3 nicht ausgeschlossen,
sondern lediglich an die vorherige Zustimmung der Beklagten geknüpft. Ein solcher
Zustimmungsvorbehalt ist jedoch wie auch andere Abtretungsbeschränkungen im
Hinblick auf den Zweck des nachträglich in das das Gesetz eingefügten § 354 a HGB,
die Abtretbarkeit der betreffenden Forderungen zur Kreditsicherheit zu erleichtern,
einem Abtretungsverbot gleichzustellen. Das Interesse des Schuldners, sich nicht auf
wechselnde Gläubiger einstellen zu müssen, wird durch § 354 a S. 2 HGB gewahrt (vgl.
BGH, NJW-RR 2005, 624). Bei den Renditeforderungen handelt es sich auch um
Geldforderungen im Sinne des § 354 a HGB. Geldforderung ist jeder auf Geldzahlung
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gerichtete Anspruch. Die vorliegenden Renditeforderungen sind so gestaltet, dass der
Vermittler für ein vermitteltes Abonnement jeweils eine laufende Rendite als Provision
statt einer Einmalprovision erhält. Es handelt sich um Forderungen gegen den Verlag.
Diese werden solange gezahlt, wie der jeweilige Abonnementvertrag läuft. Damit sind
die Forderungen auf Geldzahlung gerichtet. Dass sie sich auf wiederkehrende
Geldleistungen richten, ändert an der Beurteilung nichts. Denn sie richten sich auf einen
jeweils bestimmten Geldbetrag. Zweck der Bestimmung ist die Erleichterung der
Abtretbarkeit zur Kreditsicherung. Auch eine solche Abtretung zur Kreditsicherung ist bei
wiederkehrenden Leistungen möglich. Die Vorschrift des § 354 a HGB ist auch auf den
Zustimmungsvorbehalt aus dem Vertrag aus dem Jahr 1988 anwendbar, obwohl sie erst
1994 in Kraft trat. Fehlt wie zum § 354 a HGB eine Überleitungsvorschrift, so kommt der
in Art. 170 EGBGB ausgesprochene, über das Anwendungsgebiet des
Einführungsgesetzes hinaus allgemein anerkannte Rechtsgrundsatz zur Anwendung,
dass Schuldverhältnisse hinsichtlich ihres Inhalts und ihrer Wirkung dem Recht
unterstehen, das zur Zeit der Verwirklichung ihres Entstehungstatbestands galt (BGH,
NJW 2001, 1724). Die vorliegenden Renditeforderungen sind jedoch vom Fortbestand
der zugrundeliegenden Abonnementverträge abhängig. Dieser Fortbestand muss also
jeweils zum Entstehungstatbestand hinzugenommen werden. Diese Beurteilung wird
anschaulich dadurch bestätigt, dass der Bestand von 1.000 Stück Renditeforderungen
zum Erwerbszeitpunkt auf 692 Stück sank. Es handelt sich nicht um eine bloße Frage
der Realisierbarkeit wie im Fall des BGH (NJW 2001, 1724).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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Die mündliche Verhandlung war nicht wiederzueröffnen, da die nachgelassenen
Schriftsätze der Parteien im wesentlichen keinen neuen Sachvortrag enthalten und
dieser im übrigen aus den oben genannten Gründen verspätet ist.
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Streitwert
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Der festgesetzte Streitwert folgt aus dem angestrebten Verkaufserlös für 692
Belieferungsrechte zu je 130,00 € als Interesse an der Feststellung (§§ 48 GKG, 3, 6
ZPO); da der Kläger sein Ziel, soweit es das Verhältnis zwischen den Parteien betrifft,
vollständig erreicht, war ein Abschlag von 20% wegen der Natur als Feststellungsklage
nicht gerechtfertigt.
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