Urteil des LG Düsseldorf vom 08.05.2009
LG Düsseldorf: widerklage, fahrzeug, parkplatz, fahrbahn, auto, betriebsgefahr, kurve, wagen, geschwindigkeit, anhörung
Landgericht Düsseldorf, 7 O 241/08
Datum:
08.05.2009
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
7. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 O 241/08
Tenor:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 470,00 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
05.05.2007 zu zahlen.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 83,54 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.05.2007 zu
zahlen.
Die Widerklage und die Drittwiderklage werden abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Zwangsvoll-
streckung gegen Sicherheits¬leistung in Höhe von 110 % des aufgrund
des Urteils voll¬streckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger
vor der Voll¬streckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrags leistet.
T a t b e s t a n d:
1
Die Parteien nehmen sich wechselseitig auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall
in Anspruch, der sich am 16.12.2006 in Düsseldorf-Benrath auf der Friedhofstraße nahe
der Ein- und Ausfahrt zum Parkplatz Benrath-S-Bahnhof ereignete.
2
Der Kläger war Halter und Fahrer eines Pkw VW Fox mit dem amtlichen Kennzeichen
MH-CP 7271. Bei der Drittwiderbeklagten zu 2) handelt es sich um den
Haftpflichtversicherer des klägerischen Fahrzeugs.
3
Am 16.12.2006 befuhr der Kläger gegen 18 Uhr mit seinem Pkw die Friedhofstraße in
Düsseldorf-Benrath nahe der Ein- und Ausfahrt zum Parkplatzgelände am Benrather S-
Bahnhof. Die Friedhofstraße ist an dieser Stelle zweispurig und als 30-km/h-Zone
ausgestaltet. Aus Fahrtrichtung des Parkplatzes kommend macht sie eine Linkskurve.
4
Nach der Kurve befindet sich an der rechten Seite ein Gehweg und auf der linken Seite
ein Grünstreifen. Der gesamte Kurvenbereich ist mit einer Erhöhung des Straßenbelags
versehen. Zum Unfallzeitpunkt war es dunkel und es regnete. Im Scheitelpunkt der
Kurve befand sich eine Laterne.
Der Beklagte betrat die Friedhofstraße vor dem Auto des Klägers und wurde von diesem
frontal erfasst, prallte gegen die Frontscheibe des Pkw und fiel danach auf den Boden.
5
Der Beklagte wurde unmittelbar nach dem Unfall in das Krankhaus Benrath gebracht.
Dort wurde eine unverschobene Nasenbeinfraktur mit Schädelprellung, Hämatome
sowie Risswunden im Nasenrücken und der Oberlippe attestiert.
6
In einer weiteren Untersuchung des Beklagten am 20.12.2006 wurden multiple
Körperprellungen mit großflächigen Hämatomen, eine Schädelprellung sowie eine
Lippenplatzwunde festgestellt.
7
Am 25.01.2007 wurde beim Beklagten zudem eine bimalleoläre Sprunggelenksfraktur
am rechten Fuß ermittelt. Diesbezüglich waren mehrere stationäre Behandlungen des
Beklagten erforderlich.
8
Am Fahrzeug des Klägers entstand durch den Zusammenstoß ein Sachschaden in
Höhe von 1.479,66 €. Die Reparatur des Wagens nahm einen Zeitraum von 5 Tagen in
Anspruch.
9
Der Kläger ließ den Schaden über seine Vollkaskoversicherung regulieren. Die
Versicherung übernahm jedoch nicht den vereinbarten Selbstbeteiligungsbetrag von
300,- €.
10
Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 20.04.2007 an den Beklagten und
vom 16.05.2006 an die Prozessbevollmächtigten des Beklagten ließ der Kläger den
Beklagten zur Schadensregulierung bis zum 04.05.2007 bzw. bis zum 31.05.2007
auffordern. Eine Reaktion des Beklagten oder seiner Bevollmächtigten erfolgte darauf
nicht.
11
Der Kläger beziffert die Klageforderung wie folgt:
12
Selbstbeteiligung: 300,00 €
13
Nutzungsausfallentschädigung: 145,00 €
14
Kostenpauschale: 25,00 €
15
470,00 €
16
Darüber hinaus macht der Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von
83,54 € geltend.
17
Der Kläger behauptet: Er sei zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes mit dem Beklagten
mit einer Geschwindigkeit von nur ca. 10-20 km/h gefahren. Der Beklagte sei
unvermittelt und aus Unachtsamkeit vor ihm auf die Fahrbahn getreten, ohne auf das
Auto des Klägers zu achten. An der Stelle, wo der Beklagte die Fahrbahn betreten habe,
18
sei für Fußgänger keine Überquerungsmöglichkeit vorgesehen gewesen. Der Kläger
habe den Beklagten vor dem Aufprall nicht wahrgenommen.
Der Kläger beantragt,
19
1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 470,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 05.05.2007 zu zahlen,
20
21
2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 83,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 05.05.2007 zu zahlen.
22
23
Der Beklagte beantragt,
24
die Klage abzuweisen.
25
Im Wege der Widerklage und der Drittwiderklage beantragt der Beklagte,
26
den Kläger und die Drittwiderbeklagte zu 2) als Gesamtschuldner zu
verurteilen, an ihn ein Schmerzensgeld nebst 5 % Zinsen über Basiszinssatz
ab Rechtshängigkeit der Widerklage und Drittwiderklage zu zahlen, dessen
Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nicht jedoch unter 7.500,00
€.
27
Der Kläger und die Drittwiderbeklagte zu 2) beantragen,
28
die Widerklage und die Drittwiderklage abzuweisen.
29
Der Beklagte behauptet: Der Kläger sei nicht mit angepasster Geschwindigkeit gefahren
und sei zudem mit seinem Wagen vom Parkplatz des Benrather S-Bahnhof gekommen.
Der Beklagte sei schon in der Mitte der Straße gewesen, als er von dem Auto des
Klägers erfasst und auf die Front des Wagens "aufgeladen" worden sei. Der Kläger
habe sich mit aufheulendem Motor genähert. An der Stelle, wo der Beklagte die Straße
betreten habe, müsse man die Straße überqueren, um den Fußweg durch die
Unterführung in die "Paulsmühle" erreichen zu können. Die Stelle sei durch eine
Laterne ausgeleuchtet. Durch den Unfall sei es neben den Hämatomen und Prellungen
auch zu der bimalleolären Sprunggelenksfraktur am rechten Fuß gekommen. Der Fuß
sei unmittelbar nach dem Unfall geschwollen gewesen. Nachdem er einige Zeit
bettlägerig gewesen sei, habe er erst als er seine Bettstatt verlassen wollte gemerkt,
dass er sich nicht auftretend bewegen könne. Es sei sodann beim Arzt vorstellig
geworden, der die Sprunggelenksfraktur festgestellt habe.
30
Dagegen wenden der Kläger und die Drittwiderbeklagte zu 2) ein: Ein ursächlicher
Zusammenhang zwischen dem Unfall am 16.12.2006 und der am 25.01.2007
festgestellten Sprunggelenksfraktur bestehe nicht.
31
Das Gericht hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 06.08.2008 (Bl. 72 f. d. A.)
Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen B und A. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 03.04.2009 (Bl. 95 ff. d. A.)
Bezug genommen. Die Bußgeldakte der Landeshauptstadt Düsseldorf, Aktenzeichen
3290-0002-2128-6 SB073, lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
32
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Parteien
nebst Anlagen Bezug genommen.
33
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
34
Die Klage ist begründet. Die Widerklage und die Drittwiderklage sind hingegen zwar
zulässig, aber unbegründet.
35
I.
36
Klage
37
Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 470,00 € aus §
823 Abs. 1 BGB zu.
38
1.
39
Die Voraussetzungen für eine Ersatzpflicht des Beklagten gemäß § 823 Abs. 1 BGB
sind erfüllt. Vor allem hat der Beklagte die Beschädigungen an dem Fahrzeug des
Klägers fahrlässig verursacht. Der Beklagte hat in grober Weise diejenigen
Sorgfaltspflichten außer Acht gelassen, die an einen die Straße überquerenden
Fußgänger gemäß § 25 Abs. 3 S. 1 StVO zu stellen ist.
40
Gemäß § 25 Abs. 3 S. 1 StVO haben Fußgänger die Fahrbahn unter Beachtung des
Fahrzeugverkehrs zügig auf dem kürzesten Weg quer zur Fahrtrichtung zu
überschreiten, und zwar, wenn die Verkehrslage es erfordert, nur an Kreuzungen oder
Einmündungen, an Lichtzeichenanlagen innerhalb von Markierungen oder auf
Fußgängerüberwegen. Diesen Anforderungen hat das Verhalten des Beklagten in
keiner Weise genügt.
41
a)
42
Nach der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Beklagte
die Straße an einer Stelle betreten hat, an der eine Überquerungsmöglichkeit für
Fußgänger nicht vorgesehen war. Eine erheblich weniger gefährliche Möglichkeit zur
Überquerung hätte vielmehr ein paar Meter weiter direkt an der Einmündung des
Parkplatzes des Benrather S-Bahnhofs bestanden. Der Zeuge A hat in seiner
Vernehmung in der mündlichen Verhandlung am 03.04.2009 in die vom Beklagten
überreichte Unfallskizze auf Bl. 113 mit Kugelschreiber einen Pfeil eingezeichnet, wo
der Beklagte die Friedhofstraße seiner Erinnerung nach betreten habe. Auch hat er den
Standort des klägerischen Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Unfalls in die Skizze
43
eingezeichnet. An der Glaubwürdigkeit des Zeugen bestehen keine Zweifel.
Insbesondere handelt es sich um einen zufällig anwesenden Passanten, der keine
Verbindung zu den Parteien hat. Zudem sind die Angaben des Zeugen auch glaubhaft.
Dies folgt vor allem daraus, dass sich beide Einzeichnungen mit der polizeilichen
Unfallskizze, die sich in der Bußgeldakte der Landeshauptstadt Düsseldorf befindet,
ungefähr decken, obwohl dem Zeugen zuvor die polizeiliche Unfallskizze nicht zur
Einsicht vorgelegt worden ist, sondern lediglich die Skizze des Beklagten auf Bl. 113.
Des Weiteren war der Zeuge in der Lage, sich an Nebensächlichkeiten zu erinnern, die
für das Unfallgeschehen vollkommen irrelevant sind. So konnte er etwa beschreiben,
dass sich auf der Straßenerhöhung im Kurvenbereich noch ein zusätzlicher Buckel
befindet, auf welchem der Pkw des Klägers mit der vorderen Hälfte gestanden habe.
Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte in seiner persönlichen Anhörung in der
mündlichen Verhandlung am 03.04.2009 behauptet hat, er sei an der Stelle über die
Straße gegangen, wo auf der Skizze auf Bl. 113 der Pfeil und das Kreuz aufgedruckt
sind, also direkt an der Einmündung zum Parkplatz des Benrather S-Bahnhofs. Denn
dies wird durch die glaubhafte Aussage des Zeugen A und die polizeiliche Unfallskizze
in der Bußgeldakte der Landeshauptstadt Düsseldorf widerlegt. Letztere wurde dem
Beklagten in der mündlichen Verhandlung mit der Frage vorgehalten, warum seine
Angaben nicht denen in der polizeilichen Skizze entsprechen. Darauf hat der Beklagte
nur geantwortet, dass er nicht wisse, was die Polizei da gemacht habe.
44
Dass die Angaben des Beklagten zur Unfallörtlichkeit und zum Unfallablauf nicht
zutreffen, ergibt sich ferner daraus, dass er behauptet, der Kläger sei mit seinem
Fahrzeug vom Parkplatzgelände des Benrather S-Bahnhofs gekommen und nicht von
der Straße, welche links von der Parkplatzeinmündung liegt. Diese Angabe wird
ebenfalls widerlegt durch die Aussage des Zeugen A, der ausgesagt hat, dass der
Kläger nicht vom Parkplatz gekommen ist. Die Glaubhaftigkeit dieser Angabe folgt zum
einen daraus, dass der Zeuge angibt, zum Unfallzeitpunkt selbst auf dem Parkplatz
gestanden zu haben. Insofern ist nachvollziehbar, dass er angibt, das Auto müsse von
woanders gekommen sein. Zum anderen entspricht diese Aussage dem Standort des
klägerischen Wagens zum Zeitpunkt des Unfalls, wie er sich aus der polizeilichen
Skizze und der Zeichnung des Zeugen A ergibt. Denn aufgrund der leichten
Schrägstellung des Wagens auf beiden Zeichnungen liegt nahe, dass der Pkw zuvor
eine Kurve gefahren ist und nicht geradeaus vom Parkplatz gekommen ist.
45
b)
46
Die Beweisaufnahme hat weiterhin ergeben, dass der Beklagte beim Betreten der
Straße auf den Straßenverkehr gar nicht geachtet hat, da er die Straße überquert hat,
obwohl der Kläger sehr langsam und mit Licht um die Kurve fuhr. Der Beklagte hat in
seiner Anhörung zwar angegeben, der Kläger sei schnell gefahren und habe kein Licht
angehabt. Schriftsätzlich hat er außerdem vortragen lassen, dass der Kläger mit
aufheulendem Motor auf ihn zugefahren sei. Die Behauptung des aufheulenden Motors
hat der Beklagte in seiner persönlichen Anhörung aber selbst nicht mehr
aufrechterhalten. Vielmehr hat er nun angeben, dass er den Kläger vor dem Unfall gar
nicht gehört habe. Auch der übrige Vortrag des Beklagten wird durch die
Beweisaufnahme widerlegt. Die Zeugin B hat in ihrer Vernehmung in der mündlichen
Verhandlung am 03.04.2009 ausgesagt, dass der Wagen des Klägers Licht angehabt
habe und langsam gefahren sei. Da es sich bei der Zeugin, wie auch beim Zeugen A,
ebenfalls um eine zufällige anwesende Person ohne Verbindung zu den Parteien
47
handelt, bestehen an der Glaubwürdigkeit der Zeugin keine Bedenken. Darüber hinaus
ist ihre Aussage auch glaubhaft. So erfolgte die Angabe, dass das klägerische Fahrzeug
mit angeschaltetem Licht gefahren sei, auf eine vollkommen andere Frage, nämlich auf
die Frage des Klägervertreters, ob das Auto vor ihr oder hinter ihr vorbeigefahren sei.
Der Zeugin ist bei Beantwortung der Frage zusätzlich in Erinnerung gekommen, dass
der Wagen Licht an hatte. Dies stellt ein starkes Indiz dafür dar, dass es sich bei der
Schilderung um tatsächlich Erlebtes handelt. Auch konnte die Zeugin sich erinnern,
dass der Wagen langsam gefahren ist. Vor dem Hintergrund, dass die Zeugin
angegeben hat, dort oft lang zu gehen und dass es dort auch Raser gebe, erscheint
diese Erinnerung ebenfalls nachvollziehbar.
c)
48
Aus der glaubhaften Aussage des Zeugen A ergibt sich außerdem, dass der der
Beklagte mit Schirm vorm Gesicht sehr plötzlich und schnell die Straße betreten hat. Der
Zeuge hat ausgesagt, dass er einen Herrn bzw. einen Schatten, tief gebeugt, über
Straße "huschen" gesehen habe. Die Person habe einen Schirm in der Hand gehabt
und er habe aufgrund des Schirms nicht erkennen können, ob es sich um eine Frau oder
einen Mann handelt. Auch diese Angaben sind überzeugend. Zum einen erklären sie,
warum der Kläger den Beklagten vor dem Zusammenstoß trotz langsamer
Geschwindigkeit und Licht nicht sehen konnte und auch der Beklagte selbst den Kläger
vor dem Aufprall nicht wahrgenommen hat. Zum anderen wird die Aussage bezüglich
des Schirms von der Zeugin B bestätigt. Diese hat angegeben, dass sie, als sie sich
dem Unfallort genähert habe, dort den Beklagten und ein Stück weiter einen Schirm
habe liegen sehen.
49
d)
50
Schließlich wird der Sorgfaltsverstoß des Beklagten noch dadurch erhöht, dass er das
beschriebene Verhalten trotz Dunkelheit und Regen, mithin also bei schlechten
Sichtverhältnissen, an den Tag gelegt hat und – nach der insoweit unwidersprochen
gebliebenen Angabe des Klägers in seiner persönlichen Anhörung – dazu noch dunkle
Kleidung trug. Einem verständigen Fußgänger hätte in dieser Situation klar sein
müssen, dass Autofahrer ihn nur schwer erkennen können.
51
2.
52
Der Beklagte haftet dem Kläger für den vollen, unstreitig aufgrund des Unfalles
entstandenen Schaden in Höhe von 470,00 €.
53
Umstände, welche ein Mitverschulden des Klägers gemäß § 254 Abs. 1 BGB
begründen könnten, hat die Beweisaufnahme nicht ergeben. Vor allem lässt sich ein
Sorgfaltsverstoß des Klägers – entgegen der Auffassung des Beklagten – nicht daraus
herleiten, dass sich der Beklagte angeblich schon in der Mitte der Straße befunden
habe, als es zum Zusammenstoß mit dem klägerischen Fahrzeug kam, und der Kläger
den Beklagten daher habe wahrnehmen müssen. Denn zum einen kam das Fahrzeug
des Klägers nach der polizeilichen Unfallskizze gerade mal in einer Entfernung von 1,80
m zum rechten Bordstein zum Stehen, was bei einer Straßenbreite von 5,60 m nicht die
Mitte der Fahrbahn bedeutet. Ein sich schnell fortbewegender Mensch benötigt für diese
Distanz nicht viel mehr als zwei Schritte. Zum anderen hat der Beklagte durch sein
unachtsames Verhalten und seine Kleidung selbst verursacht, dass der Kläger ihn nicht
54
vor dem Unfall sehen konnte.
Zuungunsten des Klägers ist im Rahmen der Abwägung nach § 254 Abs. 1 BGB auch
nicht die Betriebsgefahr seines Wagens zu berücksichtigen. Der Verkehrsverstoß des
Beklagten ist vielmehr als so überwiegend anzusehen, dass die Betriebsgefahr des
klägerischen Pkw gänzlich zurücktritt. Zwar ist der Beklagte als Fußgänger
grundsätzlich sehr schutzwürdig. Jedoch kann nicht jegliches Verhalten eines
Fußgängers dem entsprechenden Autofahrer angelastet werden. Die Betriebsgefahr
eines Kraftfahrzeugs muss bei besonders grobem Verschulden des Fußgängers
dahinter zurücktreten (vgl. Lang/Stahl/Suchomehl, NZV 2003, 441, 443). Dies ist etwa
der Fall, wenn ein Fußgänger nicht die mit einer Ampel versehene Fußgängerfurt
benutzt und in Nichtbeachtung des Autoverkehrs die Straße unvermittelt betritt (vgl. OLG
Dresden, Urteil vom 24.05.2000, Az. 11 U 3252/99, Rn. 44 zitiert nach juris) oder ein
dunkel gekleideter Fußgänger bei Regen und Dämmerung unachtsam die Fahrbahn
überquert, er in der Mitte von einem Fahrzeug erfasst wird und der Unfall für den
Autofahrer auch bei Einhaltung einer geringeren Geschwindigkeit nicht vermeidbar war
(vgl. LG Hagen, Urteil vom 14.01.2005, Az. 9 O 224/03, Rn. 13 zitiert nach juris). Nach
diesen Grundsätzen ist von einem besonders groben Verschulden des Beklagten,
welches die Betriebsgefahr des klägerischen Wagens vollständig verdrängt,
auszugehen. Der Beklagte wollte nach dem oben beschriebenen Ergebnis der
Beweisaufnahme die Straße an einer Stelle überqueren, an der eine Überquerung nicht
vorgesehen war, obwohl ein paar Meter weiter eine zum Überqueren bestimmte und viel
weniger gefährliche Stelle vorhanden war. Ferner hat er auf den Straßenverkehr gar
nicht geachtet, sondern ist – ohne vorher zur Seite zu schauen – mit Schirm vor dem
Gesicht und in dunkler Kleidung bei Dunkelheit und Regen auf die Fahrbahn gelaufen.
55
3.
56
Ebenfalls aus § 823 Abs. 1 BGB rechtfertigt sich der Anspruch des Klägers auf
Erstattung seiner außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 83,54 €.
57
Die zugesprochenen Zinsen stehen dem Kläger schließlich unter dem Gesichtspunkt
des Verzugs gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB zu.
58
II.
59
Widerklage und Drittwiderklage
60
Die Widerklage und die Drittwiderklage sind nach § 33 ZPO zulässig. Sie haben jedoch
in der Sache keinen Erfolg.
61
1.
62
Die Voraussetzungen des § 33 ZPO liegen vor. Insbesondere steht der Zulässigkeit der
Drittwiderklage nicht entgegen, dass die Drittwiderbeklagte zu 2) bis zur Erhebung der
Drittwiderklage keine Partei des Rechtsstreits war. Eine zulässige streitgenössische
Drittwiderklage liegt vor, wenn der Beklagte eine mit der Klage in rechtlichem
Zusammenhang stehende Widerklage gegen den Kläger und zugleich gegen einen
bisher am Verfahren nicht beteiligten Dritten als Streitgenossen im Sinne von §§ 59, 60
ZPO erhebt (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Auflage 2007, § 33 Rn. 20). Dies war hier
der Fall. Die Drittwiderbeklagte zu 2) haftet im Falle einer Ersatzpflicht des Klägers mit
63
diesem gemäß § 115 Abs. 1 S. 4 VVG als Gesamtschuldner, so dass die
Voraussetzungen einer Streitgenossenschaft erfüllt sind.
2.
64
Sowohl die Widerklage als auch die Drittwiderklage sind unbegründet. Der Beklagte hat
gegen den Kläger und die Drittwiderbeklagte zu 2) keinen Anspruch auf Zahlung eines
Schmerzensgeldes. Der Kläger und die Drittwiderbeklagte zu 2) haften nicht gemäß §§
7 Abs. 1, 11 S. 2, 18 Abs. 1 S. 1 StVG, § 115 Abs. 1 VVG als Gesamtschuldner auf
Ersatz des aus dem Unfall vom 16.12.2006 entstandenen immateriellen Schadens.
65
Dahinstehen kann, ob der Beklagte durch das Unfallgeschehen tatsächlich nicht nur
eine Nasenbeinfraktur, eine Schädelprellung sowie Hämatome und Risswunden,
sondern darüber hinaus auch eine bimalleoläre Sprunggelenksfraktur am rechten Fuß
erlitten hat. Ein Schmerzensgeldanspruch des Beklagten scheidet gemäß § 9 StVG
i.V.m. § 254 Abs. 1 BGB zumindest deshalb aus, weil den Beklagten, wie im Einzelnen
bereits im Zusammenhang mit dem Klageantrag dargelegt wurde, ein derart
überwiegendes Verschulden an dem Unfall trifft, dass die Betriebsgefahr des
klägerischen Fahrzeugs dahinter zurücktritt.
66
III.
67
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 und 2
ZPO.
68
Streitwert:
69
Klage: 470,00 €
70
Widerklage und
71
Drittwiderklage: 7.500,00 €
72