Urteil des LG Düsseldorf vom 21.05.2007

LG Düsseldorf: zwangsvollstreckung, vermittler, allgemeine geschäftsbedingungen, kaufpreis, käufer, vollmacht, urkunde, kaufvertrag, widerruf, sicherheitsleistung

Landgericht Düsseldorf, 13 O 24/06
Datum:
21.05.2007
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 O 24/06
Tenor:
Die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde des Notars Herbert Johann
Geraats aus Münster, UR-Nr. 1/1995 vom 02.01.1995 wird für unzulässig
erklärt, soweit sie in das persönliche Vermögen des Klägers erfolgt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich der
Kostenentscheidung nur gegen Sicherheitsleistung.
Die Sicherheitsleistung beträgt 110 % des zu vollstreckenden Betrages.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung der beklagten Bank aus einer
vollstreckbaren notriellen Urkunde, dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde :
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Der Kläger, damals ein selbständiger Texter, und seiner Ehefrau wurden im Jahre 1994
von einem Immobilienvermittler geworben, ein Einfamilienhaus in einem Neubaugebiet
von der XX GmbH in Münster zu erwerben. Diese errichtete dort eine Vielzahl von
Gebäuden, die sie über Vermittler betrieb. In mindestens zwölf Fällen finanzierte die
Beklagte ganz oder teilweise den Kaufpreis der Käufer. Wenigstens in einigen Fällen
erhielt der Vermittler sodann von der Beklagten eine Provision, weil er die Kunden – so
auch den Kläger und seine Ehefrau – der Beklagten zugeführt hatte.
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Zur Finanzierung des Kaufpreises schlossen der Kläger und seine Ehefrau mit der
Beklagten am 21.12.1994 in den Geschäftsräumen der Beklagten, in die die Eheleute
zusammen mit dem Vermittler gefahren waren, mehrere Darlehensverträge über
insgesamt 660.000,00 DM. In Ziffer 3 der Verträge heißt es, das Darlehen könne erst in
Anspruch genommen werden, wenn die vereinbarten Sicherheiten gestellt seien, der
Beklagten werde eine Grundschuld von 660.000,00 DM an dem Objekt Albersloher Weg
660 F in Münster von den Darlehensnehmern bestellt.
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Am selben Tag hatten der Kläger und seine Ehefrau zuvor den notariellen Kaufvertrag
unterzeichnet. In diesem erteilten die Vertragsparteien zwei Notargehilfinnen die
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Vollmacht zur "Bewilligung und Beantragung von Grundschulden und Hypotheken mit
oder ohne persönliche und dingliche Unterwerfung unter die dort sofortige
Zwangsvollstreckung, wobei der Verkäufer lediglich der dinglichen Haftung unterworfen
werden darf."
Unter Berufung auf diese Vollmacht bestellte eine der bevollmächtigten
Notargehilfinnen am 02.01.1999 im Namen der Eigentümerin, der XX GmbH eine
Grundschuld in Höhe von 660.000,00 DM zuzüglich 15 % Zinsen jährlich vom Tag der
Eintragung ab. Wegen des Grundschuldkapitals nebst Zinsen und sonstiger
Nebenleistung unterwarf die Sicherungsgeberin der sofortigen Zwangsvollstreckung
aus dieser Urkunde in das belastete Pfandobjekt in der Weise, dass die sofortige
Zwangsvollstreckung gegen den jeweiligen Eigentümer zulässig sein solle. Weiter heißt
es unter Ziffer 3:
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"Für die Zahlung eines Geldbetrages, dessen Höhe der bewilligten Grundschuld
(Kapital, Zinsen und die sonstige Nebenleistung) entspricht, übernimmt Eheleute XX –
mehrere Personen als Gesamtschuldner – die persönliche Haftung, aus der sie ohne
vorherige Zwangsvollstreckung in das belastete Pfandobjekt in Anspruch genommen
werden können. Sie unterwerfen sich wegen dieser persönlichen Haftung der
Gläubigerin gegenüber der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in das
gesamte Vermögen. Die Gläubigerin kann die persönliche Haft unabhängig von der
Eintragung der Grundschuld und ohne vorherige Zwangsvollstreckung in das belastete
Objekt geltend machen."
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Das Grundstück, welches der Kläger und seine damalige Ehefrau für 600.000,00 DM
erworben hatten, wurde später für 205.000,00 EUR veräußert. Der Kaufpreis wurde zur
Tilgung verwendet. Das Darlehen valutiert noch mit ca. 100.000,00 EUR. Der Vermittler
M. erhielt von dem Kaufpreis von 600.000,00 DM 100.000,00 DM. Zusätzlich zu den
600.000,00 DM Kaufpreis finanzierten die Käufer auch noch ein an die Beklagte zu
zahlendes Agio von 60.000,00 DM. Der Kläger erklärte außergerichtlich den Widerruf
des Darlehensvertrages. Er hat auch den Widerruf der Sicherungszweckerklärung
erklärt.
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Der Kläger trägt vor:
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Die persönliche Unterwerfungserklärung in der Grundschuldbestellungsurkunde sei von
der Vollmacht nicht gedeckt gewesen. Jedenfalls sei die Vollmachtserklärung wegen
Verstoßes gegen das AGB unwirksam gewesen.
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Im Übrigen habe er seine Darlehensvertragserklärung und die
Sicherungszweckerklärung wirksam widerrufen. Bei einem privaten Essen in seiner
damaligen Ehewohnung habe der Vermittler ihm und seiner damaligen Ehefrau den
Erwerb der Immobilie, voll finanziert durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten,
angeboten. Er habe erklärt, er, der Kläger, und seine Ehefrau müssten sich schnell
entscheiden, damit sie die Steuervorteile für 1994 noch mitnehmen könnten. Ein oder
zwei Tage später seien dann bereits der Darlehensvertrag und der Kaufvertrag
abgeschlossen worden.
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Bei den Vorgesprächen habe der Vermittler wahrheitswidrig erklärt, die
Finanzierungskosten würden voll durch die Mieteinnahmen und die Steuervorteile
gedeckt, spätestens bei Eintritt in das Rentenalter sei alles zurückbezahlt und das
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Objekt sei voll werthaltig. Auch der Mitarbeiter der Beklagten Herr D. habe vor
Unterzeichnung des Darlehensvertrages ihnen gegenüber erklärt, das Objekt sei voll
werthaltig.
Unstreitig wäre bei der vereinbarten Tilgung von einem Prozent das Darlehen bei
Erreichung des 65. Lebensjahres durch den Kläger nicht getilgt gewesen.
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Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte schulde ihm aufgrund dieser vorsätzlichen
falschen Angaben Schadensersatz. Sie habe sich auch das Verhalten des Vermittlers
zurechnen zu lassen, da sie systematisch mit diesem zusammen gearbeitet habe.
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Er behauptet weiter, die Beklagte habe zuvor mit dem Vermittler M. einen
Vermittlungsvertrag abgeschlossen gehabt, aufgrund dessen dieser beauftragt gewesen
sei, für sie Darlehenskunden zu vermitteln. Die Beklagte habe vor Beginn des
Vertriebes durch den Vermittler M. diesem eine grundsätzliche Finanzierungszusage für
die Finanzierung durch die Erwerber gegeben. Desweiteren habe der Vermittler einen
Teil seiner Provision an den Mitarbeiter der Beklagten weitergeleitet. Deshalb stehe ihm
ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte mindestens in Höhe des noch offenen
Restbetrages zu.
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Der Kläger beantragt,
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die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde des Notars Herbert Johann Geraats aus
Münster, UR-Nr. 1/1995 vom 02.01.1995 wird für unzulässig erklärt, soweit sie in
das persönliche Vermögen des Klägers erfolgt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie macht geltend:
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Die persönliche Unterwerfungserklärung sei von der Vollmacht gedeckt gewesen. Bei
den entsprechenden Formulierungen im Kaufvertrag habe es sich schon um nicht um
Allgemeine Geschäftsbedingungen gehandelt, weil der Vertrag von einem Notar
entworfen und damit die Bedingungen nicht von dem Verkäufer gestellt worden seien
und im Übrigen ihr auch nicht zuzurechnen seien.
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Zwischen ihr und dem Vermittler habe kein festes Vertragsverhältnis bestanden. Dieser
habe in Einzelfällen nach der Zuführung von Kunden aufgrund von nach Abschluss des
Vertrages getroffenen Einzelfallentscheidungen Provisionen erhalten. Irgendwelche
Erklärungen des Vermittlers seien ihr nicht bekannt. Der niedrige Erlös beim
Weiterverkauf sei darauf zurückzuführen, dass einerseits die Marktpreise rückläufig
gewesen seien und andererseits der Kläger und seine Ehefrau das Haus hätten
verwahrlosen lassen.
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Selbst wenn der Vertrag in einer Haustürsituation zustande gekommen sei, schulde der
Kläger Rückzahlungen der Darlehensvaluta, da der Darlehsnvertrag – unstreitig – erst
nach Abschluss des Kaufvertrages abgeschlossen worden sei. Zu Provisionsteilungen
zwischen dem Vermittler und ihrem Bankmitarbeiter sei es nicht gekommen.
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Die Entscheidung, ein Haus aus steuerlichen Gründen zu kaufen, hätten der Kläger und
seine Ehefrau schon vor dem Gespräch mit dem Vermittler M. aufgrund von
Schilderungen von Freunden und Bekannten getroffen.
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Der Kaufpreis sei nicht sittenwidrig überhöht gewesen.
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Im Übrigen machen sie geltend, dass Schadensersatzansprüche ihr nicht entgegen
gehalten werden können, weil – insoweit unstreitig – in den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen des Darlehensvertrages ein Aufrechnungsverbot enthalten
gewesen sei.
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Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten
Schriftsätze und überreichten Urkunden Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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Mit der Vollstreckungsgegenklage kann der Kläger auch geltend machen, dass die
persönliche Unterwerfungserklärung unwirksam sei (BGH NJW-RR 2004, S. 1718 ff).
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Die Übernahme der persönlichen Haftung durch den Kläger und seine Ehefrau und die
Unterwerfungserklärung waren unwirksam.
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Dabei kann dahinstehen, ob das in der Haftungsübernahme in Höhe der
Grundschuldforderung nebst Nebenforderung liegende Schuldanerkenntnis überhaupt
von der im notariellen Kaufvertrag enthaltenen Vollmacht gedeckt war. Insofern könnten
Zweifel bestehen, weil in § 13 des notariellen Kaufvertrages nicht davon die Rede ist,
welche persönliche Schuld durch die Käufer gegenüber dem Grundschuldgläubiger
überhaupt begründet werden sollte, wegen derer sich die Käufer der
Zwangsvollstreckung unterwerfen sollten.
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Die Vollmachtsbewilligung ist gemäß §§ 3, 9 ABGB a.F. als überraschend und
unangemessen unwirksam.
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Bei dem Klauselwerk des Kaufvertrages handelte es sich um einen Formularvertrag.
Unstreitig wurde dasselbe Klauselwerk in einer Vielzahl von Verträgen von der Firma
XX GmbH verwendet. Dabei ist es unerheblich, dass diese den Vertrag durch den
Hausnotar hat entwerfen lassen (vgl. BGH Z 118, S. 239 ff). Das Klauselwerk ist hier im
Interesse des Verkäufers entworfen worden. Das bedarf keiner weiteren Erörterung.
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Die Klausel ist deshalb überraschend und unangemessen, weil den Vollmachtnehmern
dadurch zulasten des letztendlich belasteten Erwerbers des Grundstückes die
Möglichkeit eröffnet war, eine Grundschuld und eine persönliche Haftungsübernahme in
unbegrenzter Höhe mit der Unterwerfung unter die persönliche Zwangsvollstreckung
zugunsten der Beklagten hinzugeben. Zwar ist die Übernahme einer selbständigen, von
der durch die Grundschuld zu sichernden Kreditverbindlichkeit gelösten persönlichen
Haftung in Höhe eines Grundschuldbetrages in Verbindung mit der Unterwerfung unter
diese dortige Zwangsvollstreckung auch wegen dieser Zahlungsverpflichtung in
Kreditsicherungsverträgen mit Banken allgemein üblich und daher nicht ungewöhnlich.
Dabei handelt es sich aber um Klauseln, bei denen in den entsprechenden
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Bedingungen die Höhe der Grundschuld und die zu übernehmende persönliche Haftung
feststeht und vertraglich vereinbart ist. Das war vorliegend nicht der Fall. Zum Zeitpunkt
des Abschlusses des Kaufvertrages bestand noch überhaupt keine Vereinbarung mit
der Beklagten.
Ob die Klausel auch deswegen überraschend ist, weil die Käufer nicht daraus
entnehmen konnten, dass sie der Abgabe eines abstrakten Schuldanerkenntnisses
dienen sollte, durch welches sie die persönliche Haftung für die Zahlung eines Betrages
in Höhe der Grundschuld übernahmen, kann deshalb dahinstehen. Es spricht vieles
dafür, dass dies aus einer solchen Vollmachtserklärung klar hervorgehen muss.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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Streitwert: 100.000,00 EUR.
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Tannert
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