Urteil des LG Düsseldorf vom 13.03.2017

LG Düsseldorf (kläger, vater, erstellung, schaden, praxis, schätzung, haftung, verletzung, steuerberater, zpo)

Landgericht Düsseldorf, 9 O 605/78
Datum:
25.01.1979
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 O 605/78
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt .
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 950,— DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Beklagte ist seit 27. Juni 1975 Steuerbevollmächtigter und betreibt seit 30. Juni
1975 die von seinem Vater X übernommene Praxis im eigenen Namen, nachdem er bis
zu diesem Zeitpunkt dessen Angestellter war. Der Vater des Beklagten stand zum
Kläger bereits seit den Jahren 1965/66 in einem Mandatsverhältnis, wobei sich der ihm
erteilte Auftrag mindestens auf die Erstellung der jeweiligen jährlichen Umsatz-,
Gewerbe- und Einkommenssteuererklärungen erstreckte und im übrigen zwischen den
Parteien weitgehend streitig ist. Die übernommenen Aufgaben wurden im Laufe der Zeit
weitgehend dem Steuergehilfen X übertragen, der auch die den Kläger betreffenden
Jahressteuererklärungen für die Jahre 1972 und 1973 am 12. November 1975 erstellte.
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Im Rahmen einer Betriebsprüfung des Gewerbebetriebs des Klägers im Jahre 1977, die
die Jahre 1972 - 1975 erfasste, wurde festgestellt, dass für die Jahre 1972 und 1973
keine ordnungsgemäße Buchführung vorhanden war. Im Prüfungsbericht vom 14. Juni
1977 wird unter der Rubrik "Aufzeichnungen, Buchführung" ausgeführt, dass der
Gewinn bis 1973 durch Einnahme - Überschuss-Rechnung ermittelt worden sei,
entsprechende Aufzeichnungen jedoch lediglich über die Betriebsausgaben vorhanden
seien, während die Einnahmen auf Schätzungen beruhten. Der Prüfungsbericht enthält
im übrigen die Feststellung, dass an der am 4. April 1977 stattgefundenen
Schlussbesprechung der Beklagte sowie sein jetziger Steuerberater X teilgenommen
haben, sowie als Ergebnis den Vermerk: "Es wurde Übereinstimmung erzielt".
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Mit der bei Gericht am 31. Oktober 1978 eingereichten und dem Beklagten am 15.
November 1978 zugestellten Klage nimmt der Kläger den Beklagten auf
Schadensersatz wegen Verletzung des Steuerberatervertrages in Anspruch, wobei er
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folgendes vorträgt:
Die lediglich kalkulatorische Berechnung der Betriebseinnahmen der Jahre 1972 und
1973 durch den Gehilfen des Beklagten stelle eine gravierende Verletzung der
steuerlichen Aufzeichnungspflicht dar. Aufgrund des bestehenden Vertragsverhältnisses
sei der Beklagte verpflichtet gewesen, den Kläger auf die ihm bis dahin nicht bekannte
Notwendigkeit der gesetzlich verlangten Grundaufzeichnungen hinzuweisen, bzw. ihm
bei deren Erstellung Hilfe zu leisten. Mangels eines entsprechenden Nachweises durch
ordnungsgemäße tägliche Aufzeichnungen seien die in den von dem Steuergehilfen X
erstellten Steuererklärungen der Jahre 1972 und 1973 niedergelegte Angaben über die
Betriebseinnahmen vom Finanzamt angezweifelt worden. Im Rahmen der
Betriebsprüfung seien die Betriebseinnahmen durch eine sich im Rahmen der untersten
Grenzen der amtlichen Richtsätze für die Gewerbeart des Klägers bewegende
Richtschätzung für das Kalenderjahr 1972 um 17.000,- DM und für 1973 um 16.500,-
DM erhöht worden. Aus diesen Zuschätzungen resultierten erhebliche
Steuernachforderungen. Außerdem habe das Finanzamt Verspätungszuschläge
erhoben, weil die Steuererklärungen für 1972 und 1973 erst im Jahre 1975 beim
Finanzamt eingereicht worden seien. Die mit der Klage zunächst nur geltend gemachte
Steuernachzahlung für das Jahr 1973 setze sich wie folgt zusammen:
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Umsatzsteuererhöhung DM 907,-
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Gewerbesteuererhöhung DM 1.980,-
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Einkommenssteuererhöhung DM 5.353,-
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DM 8.239,-
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Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer DM 570,-
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Verspätungszuschläge für Einkommens-
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Steuer DM 13,-
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vermeidbare Mehrbelastung DM 8.822,-
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Bei einer ordnungsgemäßen Beratung durch den Beklagten und fristgerechter
Einreichung der Steuererklärungen wäre diese Mehrbelastung nicht entstanden.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an ihn 8.822,— DM nebst 4 % Zinsen seit dem Tage der
Klagezustellung zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er beruft sich auf die Verjährung der Klageforderung und macht im übrigen geltend,
dass der vom Kläger erhobene Anspruch diesem allenfalls gegenüber seinem Vater
zustehe, er als Praxisnachfolger für dessen Verbindlichkeiten indessen nicht
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einzustehen habe. Dazu trägt er vor: Sein Vater habe das vom Kläger erteilte Mandat,
das keinesfalls eine steuerliche Betreuung des Klägers insgesamt, sondern lediglich die
Erstellung der Jahressteuererklärungen betroffen habe, bereits im Jahre 1973 nach
Abgabe der Steuererklärung für das Jahr 1971 niedergelegt. Der Grund dafür sei darin
zu sehen, dass es der Kläger trotz zahlreicher Hinweise immer wieder unterlassen
habe, die erforderlichen Belege hereinzugeben. Erst im Jahre 1975 sei der Kläger
erneut im Büro seines Vaters erschienen und habe darum gebeten gegen die
Steuerschätzungen für die Jahre 1972/73 etwas zu unternehmen. Er sei von Herrn X
darauf hingewiesen worden, dass ein erfolgversprechender Einspruch nur mit Belegen
möglich sei. Entsprechend seinen alten Gewohnheiten habe der Kläger das
Versprechen, solche nachzureichen jedoch nicht erfüllt, so dass die
Jahressteuererklärungen für die Jahre 1972 und 1973 - und zwar in der Form des
Einspruchs - zur Fristwahrung wie in den früheren Jahren zum großen Teil ohne Belege
hätten erstellt werden müssen. Diese Steuererklärungen seien zwar zu einer Zeit erstellt
worden, zu der er - der Beklagte - die Praxis seines Vaters bereits in eigener
Verantwortung übernommen habe. Gleichwohl treffe ihn keine Pflichtverletzung, die für
den vom Kläger geltend gemachten Schaden habe ursächlich werden können. Denn
falls tatsächlich aus dem Mandatsverhältnis mit dem Kläger eine Pflicht zur Aufklärung
über die erforderlichen Mindestaufzeichnungen bestanden habe, dann sei diese bereit:
verletzt worden, als die Praxis noch alleinverantwortlich von seinem Vater geführt
worden sei. Eine Haftung für die geltend gemachten Verspätungszuschläge sei
überdies deshalb nicht gegeben, weil der Kläger sich um die Erstellung der
Jahressteuererklärungen erst bemüht habe, nachdem seine Steuerschuld zuvor vom
Finanzamt geschätzt worden sei. Die Steuernachzahlungen als solche aber könne der
Kläger bereits deshalb nicht ersetzt verlangen, weil er sich ausweislich des
Prüfungsberichts, ebenso wie sein jetziger Steuerberater, mit der Zuschätzung
einverstanden erklärt habe, was nichts anderes bedeute , als das die Erhöhung der
Betriebseinnahmen zu Recht erfolgt sei.
Wegen des Parteivorbringens im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, den dem Beklagten nachgelassenen
Schriftsatz vom 4. Januar 1979 sowie den Inhalt der überreichten Urkunden Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten ein Schadenser-satzanspruch aus der
Verletzung vertraglicher Nebenpflichten (Aufklärungs- bzw. Beratungspflichten) eines
zwischen den Parteien bestehenden Steuerberatervertrages bereits nach seinem
eigenen Vorbringen nicht zu. Dabei mag es dahingestellt bleiben, ob ein derartiger
Anspruch nicht ohnehin gemäß § 68 Steuerberatungsgesetz bzw. § 638 Abs. 1 BGB
verjährt wäre. Die Begründetheit des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs
scheitert u.a. nämlich bereits an der fehlenden Ursächlichkeit der dem Beklagten
vorgeworfenen Pflichtverletzung für den dem Kläger angeblich erwachsenen Schaden,
während eine möglicherweise tatsächliche ursächliche Pflichtverletzung seines Vaters
dem Beklagten nicht zuzurechnen ist.
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Wenn der Kläger dem Beklagten vorwirft, dieser bzw. sein Steuergehilfe X habe ihn bei
der Erstellung der Jahressteuererklärungen für die Jahre 1972 und 1973 darüber
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Unklaren gelassen, dass für eine ordnungsgemäße Feststellung der Steuerpflicht die
Vorlage gewisser Grundaufzeichnungen erforderlich sei, so muss er sich
entgegenhalten lassen, dass ihn eine solche Aufklärung im Jahre 1975 ohnehin nicht
mehr vor der Schätzung durch die Finanzbehörde hätte bewahren können. Denn die
nach dem Vorbringen des Klägers fehlenden täglichen Aufzeichnungen über Warenein-
und -abgänge bzw. Betriebseinnahmen ließen sich im Jahre 1975 für den hier alleine
interessierenden Besteuerungszeitraum 1973 nicht mehr nachholen. Eine
haftungsbegründete Pflichtverletzung könnte insoweit allenfalls den Vater des
Beklagten getroffen haben, falls dieser - entgegen der Behauptung des Beklagten – es
in den Jahren vor 1972 bzw. 197 3 unterlassen haben sollte, den Kläger im Rahmen des
damals unstreitig bereits bestehenden Mandatsverhältnisses in entsprechender Weise
aufzuklären. Für eine solchermaßen begründete Verbindlichkeit hätte der Beklagte
allerdings nicht einzustehen. Denn eine Haftung des Beklagten nach § 25 HGB für die
in der Praxis seines Vaters entstandenen Verbindlichkeiten scheitert bereits daran, dass
es sich bei der Tätigkeit eines Steuerberaters nicht um ein Handelsgewerbe im Sinne
dieser Vorschrift handelt.
Liegen somit nicht einmal die eine Haftung des Beklagten überhaupt begründenden
Merkmale vor, so fehlt es im übrigen auch an einem ersatzfähigen Schaden des
Klägers, Ein solcher Schaden wäre nur dann entstanden, wenn der Kläger die bei der
Betriebsprüfung zu seinen Lasten geschätzten Betriebseinnahmen in Wirklichkeit nicht
erzielt hätte und somit eine Steuerpflicht in dem durch die Zuschätzungen bedingten
Umfange nicht bestanden hätte. Anhaltspunkte, die einen solchen Schluss nahe legen
könnten, sind jedoch in keiner Weise ersichtlich. Der Kläger hat schließlich selbst
vorgetragen, dass die vom Finanzamt vorgenommene Schätzung sich an der untersten
Grenze der amtlichen Richtsätze für die Gewerbeart "Obst- und Gemüsehandel"
orientiert habe. Damit ist aber gerade keine Wahrscheinlichkeit dafür begründet, dass
die vorgenommene Schätzung zu hoch ausgefallen sein könnte.
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Gegen eine solche Annahme spricht im übrigen auch eindeutig die Tatsache, dass der
Kläger - worauf der Beklagte mit Recht hinweist - sich ausweislich des Prüfberichts vom
14. Juni 1977 im Beisein seines jetzigen Steuerbevollmächtigten X selbst mit der
Zuschätzung einverstanden erklärt hat. Anders kann nämlich der in Ziffer 5 dieses
Berichts niedergelegte Prüfervermerk, wonach bei der Schlussbesprechung vom 4. April
1977 Übereinstimmung erzielt worden sei, nicht gedeutet werden Diese
Einverständniserklärung hätte der Kläger wohl kaum abgegeben, wenn er der Ansicht
gewesen wäre, die vorgenommenen Schätzungen liefen seinen Interessen zuwider.
Auch hätte erwartet werden können, dass in diesem Fall der Steuerberater X Einwände
erhoben hätte. Schließlich hat der Kläger die aufgrund der Schätzungen ergangenen
Steuerbescheide auch rechtskräftig werden lassen, was ein weiteres Indiz für deren
inhaltliche Richtigkeit darstellt. Angesichts dieses Sachverhalts hätte es am Kläger
gelegen, in substantiierter Weise vorzutragen, warum die vom Finanzamt
vorgenommene Schätzung gleichwohl zu einer überhöhten Besteuerung geführt habe.
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Der Kläger kann auch keinen Erfolg haben, soweit er den Beklagten auf Erstattung der
angeblich gegen ihn festgesetzten Verspätungszuschläge in Anspruch nimmt. Denn da
er, wie mittlerweile zwischen den Parteien unstreitig ist, den Beklagten erst in der
zweiten Hälfte des Jahres 1975 mit der Abgabe der Steuererklärung für die Jahre 1972
und 1973 beauftragt hat kann er eventuelle Verspätungszuschläge nicht dem Beklagten
anlasten. Dass der Beklagte bzw. seine Mitarbeiter die Bearbeitung der
Jahressteuererklärungen als solche verzögerlich behandelt hätten, hat der Kläger selbst
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nicht vorgetragen.
Die Klage war somit in vollem Umfange abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Ziffer 11, 711 Satz 1
ZPO.
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