Urteil des LG Düsseldorf vom 06.01.2005

LG Düsseldorf: abgabe, firma, akte, konkurs, versicherer, einbruchdiebstahl, prozess, anfang, zwangsvollstreckung, sicherheitsleistung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landgericht Düsseldorf, 11 O 33/04
06.01.2005
Landgericht Düsseldorf
Richter am Landgericht Oltrogge
Urteil
11 O 33/04
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch selbstschuldnerische
Bürgschaft einer großen Bank oder Sparkasse mit Sitz in der
Bundesrepublik Deutschland erbracht werden.
T a t b e s t a n d :
Zwischen dem Kläger (und seiner Ehefrau) sowie der Beklagten bestand am 22.3.2003
eine Hausratversicherung für das Reihenendhaus des Klägers und seiner Ehefrau X in
Pulheim. Bestandteil des Versicherungsvertrages sind die ProHB 98, die den VHB 92
entsprechen.
In den späten Abendstunden des 22.3.2003 meldeten der Kläger und seine Ehefrau der
Polizei in Pulheim einen Einbruchdiebstahl in ihr Haus mit der Angabe, in das Haus sei am
22.3.2003 zwischen 18.00 Uhr und 23.15 Uhr eingebrochen worden, wobei ca. 2.500,--
EUR Bargeld sowie Schmuck entwendet worden seien.
Mit Schadensanzeige vom 24.3.2003 meldete der Kläger der Beklagten den behaupteten
Einbruchdiebstahl vom 22.3.2003. Er gab an, das Bargeld, Schmuck, Uhren, sogenannte
Hummel-Figuren, Essbesteck, Bekleidung etc. entwendet worden sei.
Daraufhin beauftragte die Beklagte den Regulierungsbeauftragten Hankammer mit der
Durchführung eines Ortstermines am 4.4.2003. Im Rahmen dieses Ortstermines wurde der
Kläger insbesondere auch zu seiner wirtschaftlichen Situation befragt. Die Fragen des
Zeugen X danach, ob der Kläger sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinde, ob ein
Konkurs-/Insolvenzverfahren in der Firma laufe und/oder ob eine eidesstattliche
Versicherung abgegeben worden sei, wurden in dem Verhandlungsprotokoll vom 4.4.2003
(Bl. 69 GA) vom Kläger mit "nein" beantwortet.
Mit Schreiben vom 31.10.2003 lehnte die Beklagte die Deckung des behaupteten
Einbruchsdiebstahls ab.
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Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger nunmehr Entschädigung für den in Rede
stehenden Einbruchsdiebstahl vom 22.3.2003.
Der Kläger trägt im wesentlichen vor:
Die allgemeine Frage nach wirtschaftlichen Schwierigkeiten, deren Beantwortung in dieser
Allgemeinheit von subjektiven Einschätzungen abhängt, seien durch sich anschließende
Fragen in dem Regulierungsgespräch, konkretisiert worden. In der Firma X, deren
Mitinhaber der Kläger sei, laufe kein Insolvenzverfahren und sei auch in der Vergangenheit
keines gelaufen. Weder Herr X noch der Kläger hätten am 4.4.2003 die eidesstattliche
Versicherung über ihre Vermögensverhältnisse abgegeben. Der Kläger habe also die
Fragen wahrheitsgemäß beantwortet. Ausweislich der Verhandlungsniederschrift habe die
Beklagte auch überhaupt nicht gefragt, ob gegen den Kläger persönlich eine
Haftanordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vorgelegen habe. Aber selbst
sie diesbezüglich gefragt hätte, hätte der Kläger diese Frage guten Gewissens verneinen
können, weil ihm von einer solchen Haftanordnung am 4.4.2003 nichts bekannt gewesen
sei.
Der Kläger habe sich nicht in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befunden. Es seien
auch nicht Zwangsvollstreckungsversuche mangels pfändbarer Gegenstände erfolglos
geblieben.
Soweit die Beklagte auf die von dem Kläger betreffend die gestohlenen Gegenstände
eingereichten Anschaffungsbelege abstelle, sei darauf zu verweisen, dass er in der Tat
Kassenbelege der Firma Kaufhof eingereicht habe, die den Kauf der Schmuckstücke der
Ehefrau des Klägers als sogenannten Personaleinkauf auswiesen. Diese Einkäufe von
Schmuckstücken habe die Ehefrau des Klägers über bei der Firma Kaufhof AG beschäftigte
Mitarbeiterinnen, die der Ehefrau des Klägers ihre sogenannte Personalkaufkarte zur
Verfügung gestellt hätten, getätigt.
Die gegenüber der Beklagten als entwendet gemeldeten Gegenstände hätten sich
unmittelbar vor dem Diebstahl im Hause des Klägers befunden. Sie seien bei dem
Einbruchsdiebstahl entwendet worden. Die Gegenstände hätten in seinem, des Klägers,
bzw. im Eigentum der Ehefrau des Klägers gestanden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 27.063,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.4.2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt im wesentlichen vor:
Sie bestreite mit Nichtwissen, dass am 22.3.2003 zwischen 18.00 Uhr und 23.15 Uhr in die
Wohnung des Klägers eingebrochen und sich zu dem Zeitpunkt die als entwendet
gemeldeten Gegenstände am Versicherungsort befunden hätten. Auch bestreite sie die
Entwendung dieser Gegenstände mit Nichtwissen.
Die Umstände des behaupteten Einbruchdiebstahls seien auffällig. Insbesondere sei
auffällig, dass die eingereichten Belege der Firma Kaufhof verschiedene
Personaleinkaufsnummern aufwiesen.
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Auffällig sei auch, dass der Kläger am 3.2.2003 die eidesstattliche Versicherung wegen
einer Forderung von immerhin 27.036,-- EUR abgegeben habe, was er gegenüber der
Beklagten verschwiegen habe. Auffällig sei auch, dass im Rahmen der vorangegangenen
vergeblichen Vollstreckungsversuche des Gerichtsvollziehers vor dem behaupteten
Einbruchsdiebstahl kein einziger der nun als entwendet gemeldeten Gegenstände am
Versicherungsort vorhanden gewesen sei.
Unabhängig hiervon sei sie gemäß § 22 Ziffer 2 VHB 92 wegen einer arglistigen
Täuschung des Klägers leistungsfrei. Der Kläger habe gegenüber dem
Regulierungsbeauftragten X die unmissverständliche Frage "Sind Sie in wirtschaftlichen
Schwierigkeiten?" klar mit "nein" beantwortet. Das diese Angabe falsch gewesen sei,
könne der Kläger nicht ernsthaft bestreiten. Der behauptete Einbruchsdiebstahl sei am
Samstag, 22.03.2003 erfolgt. Bereits am Dienstag, 25.03.2003 sei die Haftanordnung zur
Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ergangen. Schon hieraus ergäben sich die
erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten.
Die Falschangaben des Klägers zu seiner wirtschaftlichen Situation seien - erst recht - eine
Verletzung der Aufklärungsobliegenheit gemäß § 21 VHB 92 in Verbindung mit § 6 Abs. 3
VVG.
Bestritten werde auch die Schadenshöhe, d.h. Existenz, Besitz und Eigentum der als
entwendet gemeldeten Sachen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt
verwiesen.
Die Kammer hat Beweis erhoben.
Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Akteninhalt
Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage ist nicht begründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus der Hausratversicherung für den
behaupteten Einbruchsdiebstahl vom 22.3.2003 gemäß §§ 1 Abs. 1, 49 VVG, in
Verbindung mit den ProHB, die Vertragsbestandteil sind und den VHB 92 entsprechen, zu.
Die Beklagte ist für diesen behaupteten Einbruchsdiebstahl zur Überzeugung des Gericht
jedenfalls gem. § 21 VHB 92 in Verbindung mit § 6 Abs. 3 VVG leistungsfrei.
Nach § 21 Nr. 2 b VHB 92 hat der Versicherungsnehmer nach Eintritt des Schadensfalles
unter anderem dem Versicherer jede zumutbare Untersuchung über Schadensursache und
Schadenshöhe zu gestatten und hierzu jede sachdienliche Auskunft zu erteilen.
Hierbei müssen die erteilten Auskünfte vollständig sein und der Wahrheit entsprechen,
worüber der Kläger in dem Schadensanzeigeformular der Beklagten (Bl. 67, 68 GA) sowie
in der Verhandlungsniederschrift vom 4.4.2003 (Bl. 69 GA) - nochmals - ausdrücklich
belehrt worden ist.
Dennoch hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Kläger Falschangaben zu
seinen wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht, die zur Leistungsfreiheit der Beklagten
führen.
Der Kläger hat in der Verhandlungsniederschrift vom 4.4.2003 die Fragen der Beklagten
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"Sind Sie in wirtschaftlichen Schwierigkeiten?", "Laufen Konkurs-/Insolvenzverfahren in der
Firma?" sowie "Wurde eine eidesstattliche Versicherung abgegeben?" mit "nein"
beantwortet.
Diese Antwort war falsch.
Tatsächlich befand sich der Kläger in nicht unerheblichen finanziellen Schwierigkeiten zum
Zeitpunkt der Aufnahme der Verhandlungsniederschrift, wie auch schon zum Zeitpunkt des
behaupteten Einbruchsdiebstahls. Der Zeuge Obergerichtsvollzieher Lambrecht hat bei
seiner Vernehmung glaubhaft und glaubwürdig bekundet, dass er bei dem Kläger seit 1997
etwa 40 Zwangsvollstreckungen durchgeführt hat. Auch am 3.1.2003 - also wenige
Wochen vor dem streitbefangenen Einbruchsdiebstahl - sei er bei dem Kläger wegen einer
Zwangsvollstreckung der MLP Bank gewesen, die dann später (Anfang Juli 2003) zur
Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch den Kläger geführt habe.
Auch die Ehefrau des Klägers, die Zeugin Wohlfahrt, hat bei ihrer Vernehmung eingeräumt,
dass bei dem Kläger und ihr gelegentlich der Gerichtsvollzieher zur Durchsetzung von
titulierten Forderungen gegen den Kläger erschien.
Aus der beigezogenen Akte des Amtsgerichts Bergheim 37 b M 163/03 ergibt sich zudem,
dass schon vor dem Haftbefehl vom 25.3.2003 auf Abgabe der eidesstattlichen
Versicherung, vergebliche Zwangsvollstreckungsversuche durch den Gerichtsvollzieher
erfolgten.
Ferner ergibt sich aus dieser Akte aus der vom Kläger schließlich am 3.7.2003
abgegebenen eidesstattlichen Versicherung, dass er sich dort selbst als vermögenslos
bezeichnet. Danach verfügt er noch nicht einmal über einen Pkw. Zu seinem
Gewerbebetrieb gab er an, dass das Geschäft mangels Aufträgen vor dem Konkurs stehe.
Dies wird im folgenden damit erläutert, dass keine Aufträge vorlägen, er also keine
Außenstände mehr habe. Bei dieser vom Kläger in seiner eidesstattlichen Versicherung
angegebenen wirtschaftlichen Lage/Entwicklung handelt es sich offensichtlich nicht um
einen spontanen Prozess zwischen dem Regulierungsgespräch am 4.4.2003 und der
Abgabe der eidesstattlichen Versicherung drei Monate später am 3.7.2003, sondern um
einen Prozess, der sich bereits längere Zeit hinzog, mit der Folge, dass sich der Kläger
spätestens Anfang 2003 in erheblichen geschäftlichen Schwierigkeiten befand. Aus der
beigezogene Vollstreckungsakte ergibt sich ferner, dass betreffend die Eigentumswohnung
des Klägers bereits das Zwangsversteigerungsverfahren beantragt worden ist. Wie sich
aus den Aktenzeichen (93 L 160/02, 93 L 129/02) ergibt, erfolgte der Beginn der
Zwangsversteigerungsverfahren bereits im Jahre 2002.
Zudem ergeben sich aus der beigezogenen Akte noch weitere Gläubiger, die die
Zwangsvollstreckung gegenüber dem Kläger eingeleitet hatten, nämlich Finanzamt
Bergheim, Glaserei Mück, Rechtsanwalt Streitbürger, Wohnungseigentümergemeinschaft
Mildrid-Scheel-Straße 11-25, Diederich Pauweis, American Express.
Schließlich ergibt sich aus der Vollstreckungsakte auch, dass der Kläger ordnungsgemäß
bereits vor dem 21.2.2003 zu einem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung
geladen worden war und zu diesem nicht erschienen war.
Aufgrund der vorgeschilderten Gesamtumstände ist davon auszugehen, dass der Kläger
sich im Zeitpunkt des behaupteten Einbruchsdiebstahls sowie zum Zeitpunkt der
Regulierungsverhandlung in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand und noch
nicht einmal in der Lage war, Bagatellforderungen zu begleichen. Mithin hat der Kläger die
klare Frage der Beklagten nach seiner wirtschaftlichen Situation in gravierender Weise
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falsch beantwortet.
Die Falschangabe des Klägers erfolgte auch vorsätzlich. Seine schlechte wirtschaftliche
Situation war ihm bekannt, spätestens ab dem Zeitpunkt, als er - vergeblich - zur Abgabe
der eidesstattlichen Versicherung geladen wurde. Diese vorsätzliche
Obliegenheitsverletzung des Klägers führt zur Leistungsfreiheit der Beklagten:
Die Obliegenheitsverletzung war relevant. Falsche Angaben eines Versicherungsnehmers
über seine wirtschaftlichen Verhältnisse sind generell geeignet, die berechtigten Interessen
des Versicherers ernsthaft zu gefährden. Denn bei positiven wirtschaftlichen Verhältnissen
wird der Versicherer weniger Verdacht schöpfen, der Versicherungsfall sei nur
vorgetäuscht, und er wird weitere Nachforschungen unterlassen. Dies gilt auch vorliegend.
Den Kläger trifft auch ein erhebliches Verschulden an der falschen Darstellung seiner
wirtschaftlichen Situation. Er hat diese - wie festgestellt - vorsätzlich falsch geschildert und
zwar in einer massiv unzutreffenden Weise. Umstände, die das Verschulden des Klägers in
einem milderen Licht erschienen ließen, sind - deshalb - nicht ersichtlich.
Schließlich ist der Kläger von der Beklagten auch über die Folgen einer Falschangabe
hinreichend belehrt worden. In der vom Kläger unterschriebenen Verhandlungsniederschrift
vom 4.4.2003 (Bl. 69 GA) heißt es unmittelbar über der Datums- und Unterschriftszeile in
Fettdruck hervorgehoben: "Mir ist bekannt, dass bewusst unrichtige oder unvollständige
Angaben den Verlust des Versicherungsschutzes auch dann nach sich ziehen können,
wenn dem Versicherer daraus kein Nachteil entsteht."
Nach alledem ist der Kläger nach Überzeugung des Gerichts gemäß § 21 Nr. 2 b, Nr. 3
sowie Nr. 4 VHB 92 in Verbindung mit § 6 Abs. 3 VVG wegen vorsätzlich falscher
Darstellung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse gegenüber der Beklagten leistungsfrei, so
dass es einer Entscheidung über die Fragen, ob sich die Leistungsfreiheit der Beklagten
auch aus § 22 VHB 92 ergibt und/oder ob überhaupt ein für die Beklagte eintrittspflichtiger
Versicherungsfall nachgewiesen ist, nicht mehr bedarf.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709 Satz 1 und 2
ZPO.
Streitwert: 27.063,-- EUR.