Urteil des LG Düsseldorf vom 19.12.2008
LG Düsseldorf: örtliche zuständigkeit, aufsichtsrat, geschäftsführung, kontrolle, nachforschung, vollstreckbarkeit, aussetzung, garantenstellung, kapitalerhöhung, anwendungsbereich
Landgericht Düsseldorf, 15 O 120/08
Datum:
19.12.2008
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
15. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 O 120/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen eine Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig
vollstreckbar.
Tatbestand:
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Der Kläger macht Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten aus dem Erwerb von
Schuldverschreibungen der C AG geltend.
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Der Beklagte war am 23.08.2004 in den Aufsichtsrat der C AG gewählt worden. Der
Kläger erwarb im Jahre 2006 Inhaberschuldverschreibungen der C AG in Höhe von
20.000,- €, welche mit 6,85 % verzinst werden sollten. Der Vertrieb der
Inhaberschuldverschreibungen erfolgte durch Verkaufsprospekte. Mit Beschluss des
Amtsgerichts E vom 01.09.2006 ist über das Vermögen der C AG das
Insolvenzverfahren eröffnet worden.
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Der Kläger behauptet, das Geschäftsmodell der C AG habe aus der Bilanzmanipulation
durch überhöhte Bewertungen von Unternehmensanteilen bestanden. Eine
ordnungsgemäße Aufklärung sei in keinem Prospekt der C AG erfolgt. Die
Insolvenzquote betrage zwischen 10 und 15%. Der Beklagte habe ohne weiteres
erkennen können, dass es sich bei der C AG um ein Schneeballsystem gehandelt habe.
Den Jahresabschlüssen sei zu entnehmen gewesen, dass der größte Teil der Erträge
tatsächlich aus den Verkäufen von Beteiligungen innerhalb der Tochtergesellschaften
der C AG zu erkennbar überhöhten Preisen erfolgt sei.
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Die Kläger beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an ihn 20.000,- € nebst 5% Zinsen über dem
Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes seit Rechthängigkeit
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zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte trägt vor, sämtliche Beteiligungen der C AG hätten bereits bestanden, als
er in den Aufsichtsrat gewählt worden sei. Im Rahmen der konstituierenden Sitzung des
neuen Aufsichtsrates habe der Vorstand, Herr H, auf die Aufforderung des
Aufsichtsratsvorsitzenden, Herrn T, umfassend Bericht über die bisherige Tätigkeit der C
AG und die weiteren Pläne erstattet. Ferner seien die Bilanzen der letzten drei Jahre
und die Geschäftsentwicklung erläutert worden. Er habe stets auf die testierten Bilanzen
und Aussagen der bei mehreren Aufsichtsratssitzungen, insbesondere der
Bilanzbesprechung 2004, anwesenden Wirtschaftsprüfern vertraut. Die
Unternehmenswerte seien von dem Wirtschaftsprüfer Specht sowie den Gutachtern
Prof. Q und Prof. T2 bestätigt worden. Den testierten Bilanzen seien die Vorfälle, auf die
sich der Kläger berufe, nicht zu entnehmen gewesen. Auch hätten wirtschaftliche Motive
für die Übernahme des Aufsichtratsmandats keine Rolle gespielt, da sein jährliches
Honorar lediglich 6.000,- € betragen habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die
Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die tatsächlichen Feststellungen in
den nachfolgenden Entscheidungsgründen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.
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Insbesondere ist die Zuständigkeit des Landgerichts E wegen § 32 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
ZPO begründet. Hiernach ist für Klagen, mit denen der Ersatz eines auf Grund falscher,
irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen verursachten
Schadens geltend gemacht wird, ausschließlich das Gericht am Sitz des betroffenen
Emmitenten, des betroffenen Anbieters von sonstigen Vermögensanlagen oder der
Zielgesellschaft zuständig. Sitz der C AG war unstreitig E, so dass die örtliche
Zuständigkeit des Landgerichts E begründet ist.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VerkProspG in der bis
zum 31.10.2005 geltenden Fassung. Zwar hat der Gesetzgeber in § 18 Abs. 2 Satz 3
VerkProspG die Fortgeltung der alten Fassung des Verkaufsprospektgesetzes bis zum
30.06.2006 für vor dem 01.07.2005 veröffentlichte Prospekte angeordnet, so dass auch
der in § 13 Abs. 2 VerkProspG geregelte Gerichtsstand für Verkaufsprospekte von
Vermögensanlagen unverändert geblieben ist. Jedoch hat der Gesetzgeber § 13 Abs. 2
VerkProspG und die korrespondierende Gerichtsstandsregelung für börsenzugelassene
Wertpapiere in § 48 BörsG durch Art. 7 und 8 Nr. 2 KapMuEG aufgehoben. Nach der
höchstrichterlichen Rechtsprechung sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass §
13 Abs. 2 VerkProspG danach auch nur einen partiellen Anwendungsbereich behalten
sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 20.05.2008, Az.: X ARZ 98/08).
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Im Hinblick darauf hat der Beklagte seine ursprüngliche Zuständigkeitsrüge auch nicht
mehr aufrecht erhalten.
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Dem Kläger steht jedoch gegenüber dem Beklagten kein Anspruch auf Zahlung in Höhe
von 20.000,- € aus dem Gesichtspunkt einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung
gemäß den §§ 826, 830 BGB zu. Denn ein Verhalten des Beklagten, welches das
Vermögen des Klägers vorsätzlich in sittenwidriger Weise geschädigt hat, lässt sich
nach den Darlegungen der Parteien nicht feststellen.
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Es kann dahinstehen, ob der Beklagte überhaupt Aufsichtspflichten verletzt hat. Denn
eine bloße Verletzung von Aufsichtspflichten führt nicht unmittelbar zu einer
vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch die Aufsichtsratsmitglieder. Der
Aufsichtsrat ist grundsätzlich nur gegenüber der Aktiengesellschaft
vermögensbetreuungspflichtig und hat gemäß § 111 Abs. 1 AktG die Geschäftsführung
zu überwachen. Dabei stützt er sich in erster Linie auf die vom Vorstand in seinen
schriftlichen und mündlichen Berichten mitgeteilten Tatsachen. Nur in Ausnahmefällen
übernimmt es der Aufsichtrat selbst, Tatsachenfeststellungen herbeizuführen. In der
Regel darf er den Informationen des Vorstands vertrauen; er ist nicht zu eigenen
Nachforschungen verpflichtet. Die Verantwortung des Aufsichtsrats unterscheidet sich
grundlegend von der eines Vorstandes. Der Aufsichtsrat führt keinen eigenen
unternehmerischen Entscheidungsprozess durch. Er prüft nicht alle unternehmerischen
Details einer Entscheidung. Er berät nicht und führt kein Risikomanagement durch.
Insbesondere ist der Aufsichtsrat auch kein Garant für die Ordnungsmäßigkeit der
Unternehmensführung durch den Vorstand. Insofern hat der Bundesgerichtshof
verallgemeinernd festgestellt, dass ein Mitglied des Aufsichtsrates allenfalls gegenüber
der Gesellschaft ersatzpflichtig ist, wenn er die ihm in dieser Funktion obliegenden
Pflichten verletzt.
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Die Haftung eines Aufsichtsratsmitglieds ist jedoch zu bejahen, wenn es ein strafbares
oder sittenwidriges Verhalten des Vorstandes vorsätzlich veranlasst oder aktiv
unterstützt. Eine derartige Unterstützungshandlung kommt in Betracht, wenn dem
Vorstand ein sittenwidriges oder strafbares Verhalten im Zusammenhang mit
Kapitalerhöhungen oder einer sonstigen Maßnahme der Geschäftsführung, die der
Kontrolle des Aufsichtsrates unterliegt, zur Last gelegt wird. Denn in diesem Fall kann
die Mitwirkung des Aufsichtrates nicht losgelöst von einem in diesem Zusammenhang
begangenen betrügerischen oder sittenwidrigen Verhalten des Vorstands gesehen
werden. Diese Mitwirkung stellt eine ausreichende objektive Beihilfeleistung dar, weil
hierdurch das betrügerische und sittenwidrige Verhalten des Vorstandes gefördert
worden ist (vgl. OLG E, Urteil vom 23.06.2008, Az.: I-9 U 22/08). Ein solches Verhalten
des Beklagten, das als Unterstützungshandlung im vorgenannten Sinne anzusehen ist,
kann hier nicht festgestellt werden. Seitens des Klägers ist bereits keine Maßnahme der
Geschäftsführung dargelegt worden, an welcher der Beklagte in seiner Funktion als
Aufsichtsratsmitglied mitgewirkt hat. Insbesondere eine Kapitalerhöhung der C AG, an
welcher der Aufsichtsrat, und demzufolge auch der Beklagte, gemäß § 202 Abs. 3 Satz
2 AktG beteiligt gewesen wäre, hat der Kläger nicht vorgetragen. Der Kläger hat
lediglich dargelegt, der Beklagte habe die angebliche Bilanzmanipulation erkennen
können bzw. habe sich die entsprechenden Kenntnisse verschaffen müssen. Dies reicht
jedoch nicht aus, da der Beklagte zu einer eigenen Nachforschung hinsichtlich der
innerhalb der C AG getroffenen unternehmerischen Entscheidungen als bloßes
Aufsichtsratsmitglied – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht verpflichtet war.
Auch traf den Beklagten als Mitglied des Aufsichtsrates keine Garantenstellung
bezüglich einer ordnungsgemäßen Unternehmensführung des Vorstandes.
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Da der Klage bereits nach dem Vorbringen des Klägers kein Erfolg beschieden war,
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bestand weder Anlass zu einer Beiziehung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsakten
noch zu einer Aussetzung des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach den § 709 ZPO.
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Streitwert: 20.000,- €
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