Urteil des LG Düsseldorf vom 14.03.2001
LG Düsseldorf: einstweilige verfügung, telefonbuch, unternehmen, markt, werbung, ausgabe, erlass, veröffentlichung, verminderung, kontrahierungszwang
Landgericht Düsseldorf, 34 O (Kart) 22/01
Datum:
14.03.2001
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
34 O (Kart) 22/01
Tenor:
In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
Düsseldorf - 4. Kammer für Handelssachen -
aufgrund der mündlichen Verhandlung am 14. März 2001 durch den
Vorsitzenden Richter am Landgericht x und die Handelsrichter x
für R e c h t erkannt :
Die einstweilige Verfügung vom 19. Februar 2001 wird bestätigt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Streitwert: 20.000,00 DM.
Tatbestand:
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Die Antragstellerin betreibt seit 1997 eine Werbeagentur, deren Geschäftsfeld darin
besteht, für Kunden Werbung in Telefonbüchern zu gestalten und die Werbeaufträge auf
eigene Rechnung bei Telefonbuchverlagen zu schalten.
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Die Antragsgegnerin betreibt einen derartigen Telefonbuchverlag, in dem sie in
Zusammenarbeit mit der x das Örtliche Telefonbuch für Xanten Jahrgang 2001/2002
verlegt.
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Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin im Januar 2001 Aufträge für Werbeanzeigen
zur Eintragung in das Örtliche Telefonbuch Xanten Jahrgang 2001/2002 übermittelt. Die
Antragsgegnerin hat jedoch mit Schreiben vom 01.02.2001, welches die Antragstellerin
am 06.02.2001 erhielt, die Entgegennahme und Durchführung der Aufträge und aller
weiteren Aufträge der Antragstellerin abgelehnt.
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Die Antragstellerin behauptet, die Antragsgegnerin nehme auf dem Markt der Anzeigen
in dem Örtlichen Telefonbuch Xanten eine marktbeherrschende Stellung, wenn nicht
sogar eine Monopolstellung, ein. Wenn ein Kunde eine Werbeanzeige in diesem
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Telekommunikationsverzeichnis veröffentlicht haben wolle, müsse er den Auftrag über
die Antragsgegnerin abwickeln. Alternativen, d.h. einen anderen Verlag für das. Örtliche
Telefonbuch gebe es nicht. Die Telefonbuchverlage selbst werben mit ihrer
herausragenden Stellung auch im Internet.
Die Antragstellerin ist deshalb der Ansicht, das Verhalten der Antragsgegnerin verstoße
.gegen § 20 GWB. Daraus ergebe sich ein Kontrahierungszwang der Antragsgegnerin,
so dass die Antragstellerin von dieser verlangen könne, die von ihr vermittelten
Anzeigenaufträge ihrer Kunden zu den jeweils geltenden Vertragsbedingungen
anzunehmen und zu veröffentlichen.
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Auf Antrag der Antragstellerin ist der Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen
Verfügungsverfahrens ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss vom 19. Februar
2001 unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel aufgegeben worden, den von
der Antragstellerin vermittelten Anzeigenauftrag ihres Kunden x wie nachfolgend
dargestellt.
7
x
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Örtliches Telefonbuch Xanten
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Ortsnetz: Xanten, Suchwort: Garten- u. Freizeitmarkt
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intragNr.: 9226
Kosten: 204,00 DM
Serviceeintrag bestehend aus Fettzeile
Halbfettzeile
á á á
204,00 DM 0,00 DM 0,00
DM
x Ortsnetz: Xanten, Suchwort:x
11
intragNr.: 9227
Kosten: 296,00 DM
Serviceeintrag bestehend aus Fettzeile
Halbfettzeile Zusatzzeile Halbfett
á á á á 204,00 DM 0,00 DM 0,00
DM 92,00 DM
x
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Bitte den kostenfreien Haupteintrag nicht unterdrücken, und bitte direkt unter dem
Werbeeintrag platzieren!!!
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Ortsnetz: Xanten, Suchwort:x
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intragNr.: 9228
Kosten: 298,00 DM
Serviceeintrag bestehend aus Fettzeile
Halbfettzeile Zusatzzeile Halbfett
á á á á 204,00 DM 0,00 DM 0,00
DM 94,00 DM
x
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zu den jeweils geltenden Vertragsbedingungen anzunehmen und zu veröffentlichen,
und zwar in dem von ihr herausgegebenen Örtlichen Telefonbuch für Xanten Ausgabe
2001/2002.
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Gegen diesen Beschluss richtet sich der Widerspruch der Antragsgegnerin.
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Die Antragstellerin beantragt,
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die einstweilige Verfügung vom 19. Februar 2001 zu bestätigen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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die einstweilige Verfügung vom 19. Februar 2001 aufzuheben und den auf
ihren Erlass gerichteten Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
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Die Antragsgegnerin macht geltend, die Voraussetzungen für einen
Kontrahierungszwang seien nicht gegeben. So gebe es zumutbare Möglichkeiten für die
Antragstellerin, auf andere Anbieter mit ihren Werbeanzeigen auszuweichen, wie z.B.
auf die sogenannten Gelben Seiten als weiteres Telefonverzeichnis, auf ein gerade im
Kreis Geldern verbreitetes Kreistelefonverzeichnis mit Branchenteil sowie auf drei
ausschließlich aus Werbung finanzierte Zeitungen, nämlich das "Amtsblatt der Stadt
Xanten", "Der Xantener" sowie "Der Wochenspiegel".
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Zudem gebe es für die Ablehnung der Veröffentlichung der Anzeigenaufträge der
Antragstellerin durch die Antragsgegnerin sachliche Gründe, denn die Antragstellerin
berate ihre Kunden zum Nachteil der Antragsgegnerin in einer Weise, die zu einer ganz
erheblichen Verminderung des Anzeigenumfanges in den Telefonverzeichnissen und
damit zu einer Verminderung des Umsatzes bei den Herausgebern solcher
Telefonverzeichnissen wie bei der Antragsgegnerin führe. Außerdem sei bei der
Schaltung von Anzeigenaufträgen durch Agenturen, wie sie von der Antragstellerin
betrieben würden, das Insolvenzrisiko für die Antragsgegnerin größer. Schließlich sei
auch der Verfügungsgrund fraglich.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Der Widerspruch der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen. Die einstweilige Verfügung
vom 19. Februar 2001 wird hingegen bestätigt. Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass
einer einstweiligen Verfügung ist nämlich zulässig und begründet.
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Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin verlangen, dass diese den von der
Antragstellerin vermittelten Anzeigenauftrag ihres Kunden x in der vorstehend im
einzelnen wiedergegebenen Form zu den jeweils geltenden Vertragsbedingungen
annimmt und veröffentlicht, und zwar in dem von ihr herausgegebenen Örtlichen
Telefonbuch für Xanten Ausgabe 2001/2002. Ein entsprechender Anspruch der
Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin ergibt sich aus §§ 20 Abs. 2, 33 GWB, 249
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BGB.
Bei der Antragsgegnerin handelt es sich zumindest um ein marktstarkes Unternehmen
im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB; gegenüber der Antragstellerin trifft die Antragsgegnerin
demgemäß gemäß § 20 Abs. 2 GWB ein Diskriminierungsverbot. Dass die
Antragsgegnerin ein entsprechend marktstarkes Unternehmen im Sinne des § 20 Abs. 2
GWB ist, folgt aus ihrer Stellung als einzige Herausgeberin des Örtlichen Telefon für
Xanten Ausgabe 2001/2002. Für ein Unternehmen, das - wie die Antragstellerin -
Anzeigen in diesem .Örtlichen Telefonbuch schalten, will, gibt es keine ausreichende
und zumutbare Ausweichmöglichkeit auf andere Werbeträger. Ob eine solche
Möglichkeit besteht, beurteilt sich in erster Linie nach objektiven Kriterien, welche
Möglichkeiten bestehen, auf dem relevanten Markt von der .Leistung des marktstarken
Unternehmens auf Leistungen anderer Unternehmen auszuweichen (vgl.. BGH . NJW-
RR 1991, 825). Relevanter Markt ist vorliegend allein der örtliche Bereich des Raumes
Xanten im Bereich der Fernsprechbücher. Auszugehen ist insoweit vom sogenannten
"Bedarfsmarkt-Konzept". Danach gehören zu einem Markt nur diejenigen Güter und
Leistungen, die aus der Sicht der Verbraucher nach ihren Eigenschaften, ihrem
wirtschaftlichen Verwendungszweck und ihrer Preislage funktionell austauschbar sind,
wobei die verständige Sicht des Verbrauchers entscheidend ist. Dabei ist letztlich
entscheidend, welche Möglichkeiten auf dem relevanten Markt vorhanden sind, von der
Leistung des diskriminierenden Unternehmens - hier also der Antragsgegnerin - auf
Angebote anderer Unternehmen auszuweichen. Derartige Ausweichmöglichkeiten sind
vorliegend jedoch für die Antragstellerin nicht ersichtlich. Soweit die Antragsgegnerin
insoweit auf aus Werbung finanzierte Zeitungen verweist, stellen diese keine von ihrem
wirtschaftlichen Verwendungszweck funktionell austauschbare Ausweichmöglichkeit
der Werbung für die Antragstellerin dar. Dies ergibt sich schon daraus, dass
Werbezeitungen in der Regel nur bedingt vom Kunden wahrgenommen und alsbald
entsorgt werden, wohingegen das Örtliche Telefonbuch bis zum Erscheinen einer
Neuauflage rund ein Jahr lang ständig immer wieder Verwendung findet und daher
einen deutlich höheren Werbeeffekt erreicht. Dieser höhere Werbeeffekt des Örtlichen
Telefonbuchs ist auch - wie gerichtsbekannt Ist - gegenüber
Branchenfernsprechbüchern und dem von der Antragsgegnerin angesprochenen
Kreistelefonverzeichnis mit Branchenteil gegeben. Dies ergibt sich auch aus dem
eigenen Werbeauftreten der Telefonbuchverlage, indem diese selbst das von ihnen
verlegte Örtliche Telefonbuch als den "Lokalmatador" unter den Telefonverzeichnissen
bewerben
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Dadurch, dass die Antragsgegnerin die von der Antragstellerin eingereichten Anzeigen
nicht schaltet, behandelt sie die Antragstellerin unterschiedlich gegenüber gleichartigen
Unternehmen, so dass eine Diskriminierung im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB gegeben
ist. Eine unbillige Beeinträchtigung im Sinne des § 20 Abs. 2 GWB liegt dann bei Fehlen
eines überwiegenden sachlich gerechtfertigten Grundes vor. Erforderlich ist nach
ständiger Rechtsprechung dabei eine Abwägung der Interessen der Beteiligten unter
Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des
GWB. Die von der Antragsgegnerin geltend gemachten Gründe können jedoch eine
sachliche Rechtfertigung der Diskriminierung der Antragstellerin nicht erkennen lassen.
So kann sich die Antragsgegnerin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die
Antragstellerin ihre Kunden dahingehend berät, wie sie durch preiswertere Anzeigen
dieselbe Werbewirkung wie zuvor erzielen können. Dies kann im Rahmen eines auf
reinen Wettbewerb ausgerichteten Marktes der. Antragstellerin nicht untersagt werden.
Umsatz und zu erzielende Gewinne der Antragsgegnerin stellen keine geschützten
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Positionen dar, in die die Antragstellerin nicht eingreifen dürfte.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Antragsgegnerin durch Anzeigenaufträge der
Antragstellerin ein besonderes Insolvenzrisiko aufgelastet würde. Die Antragsgegnerin
hat insoweit nichts dazu vorgetragen, dass die finanzielle Situation der Antragstellerin
ein erhöhtes Insolvenzrisiko ergeben könnte.
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Nach alledern ist der Verfügungsanspruch bezüglich des von der Antragstellerin
gestellten Antrags gemäß §§ 20 Abs. 2, 33 GWB, 249 BGB gegeben.
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Darüber hinaus liegt aber auch ein Verfügungsgrund vor, die Sache ist nämlich
einerseits besonders eilbedürftig, weil nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien
bezüglich des verfahrensgegenständlichen Örtlichen Telefonbuchs für Xanten Ausgabe
2001/2002 in diesen Tagen Redaktionsschluss ist, so dass bei einer
Nichtveröffentlichung der hier in Rede stehenden Anzeigen erst in rund einem Jahr
wieder eine Berücksichtigung in dem örtlichen Telefonbuch für das Folgejahr möglich
wäre. Zudem ist die Antragstellerin, die sich auf derartige Werbeaufträge spezialisiert
hat, besonders auf die hier in Rede stehenden Entgegennahme und Veröffentlichung
ihrer Werbeaufträge durch die Antragsgegnerin angewiesen, da ihr ansonsten mögliche
Kundenverluste mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen drohen würden.
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Die Kostenentscheidung folgt
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