Urteil des LG Düsseldorf vom 19.11.2008

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Landgericht Düsseldorf, 5 O 137/08
Datum:
19.11.2008
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
5. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 O 137/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die
Zwangsvollstreckung aus dem Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 100 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht
der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
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Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger von dem Beklagten Schadensersatz
aufgrund seines im Dezember 2004 erfolgten Erwerbs von
Inhaberschuldverschreibungen in Höhe von 10.000,00 € der X. Bei diesem
Unternehmen handelt es sich um eine mittelständische AG, deren Geschäftsmodell in
der Akquisition von Immobilien und Beteiligungen an anderen Firmen besteht. Dabei
erfolgte der Vertrieb der Inhaberschuldverschreibungen im Regelfall durch
Verkehrsprospekte. Im September 2005 tauschte der Kläger den Einlagebetrag von
10.000,00 € in eine neue Inhaberschuldverschreibung zu dem gleichen Anlagebetrag
um.
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Im Mai 2006 untersagte die X eine weitere Emmission von
Inhaberschuldverschreibungen des genannten Unternehmens. Am 26.06.2006 stellte
der Vorstandsvorsitzende der AG Eigen-Insolvenzantrag, aufgrund dessen durch
Beschluss des X vom 01.09.2006 – X – das Insolvenzverfahren eröffnet wurde,
nachdem der vorläufige Insolvenzverwalter unter dem 29.08.2006 ein Gutachten über
die Vermögensverhältnisse vorgelegt hatte. Auf Veranlassung des Insolvenzverwalters
wurde ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren – X – eingeleitet.
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Der Beklagte war am 23.08.2004 in den Aufsichtsrat des genannten Unternehmens
gewählt worden.
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Der Kläger macht zur Begründung seines Anspruches im Wesentlichen Folgendes
geltend:
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Das Geschäftsmodell der AG habe aus Bilanzmanipulationen bestanden. Diese hätten
in überhöhten Bewertungen von Unternehmensanteilen und sonstigen Fälschungen
bestanden. Es sei zu künstlichen Wertsteigerungen von Phantomfirmenanteilen
gekommen. Die Insolvenzquote betrage zwischen 10 – 15 %. Das Gutachten des
Insolvenzverwalters habe für den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung Verbindlichkeiten
der Firma von ca. 93,6 Mio. Euro ergeben, denen Vermögenswerte von lediglich
472.000,00 € gegenüber ständen. Außerdem ergäbe sich daraus, dass das
Unternehmen schon in 2003 nicht mehr in der Lage gewesen sei, operative Gewinne zu
erzielen. Der Beklagte habe von diesen Tatsachen positiv Kenntnis gehabt, hätte sich
aber jedenfalls von ihnen Kenntnis verschaffen müssen. Die für den Vertrieb der
Inhaberschuldverschreibungen verwendeten Prospekte seien inhaltlich fehlerhaft und
unzureichend gewesen. Insbesondere sei nicht über das Risiko des Totalverlustes
aufgeklärt worden. Den Anlegern sei bewusst ein falsches Bild der Chancen und
Risiken dargestellt worden. Pressewarnungen seien nicht beachtet worden.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an ihn 10.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er wendet im Wesentlichen Folgendes ein:
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Der Klageantrag sei falsch, weil nach dem eigenen Vortrag des Klägers eine
gesamtschuldnerische Haftung neben den anderen Aufsichtsratsmitgliedern bestehen
solle. Der angebliche Schaden sei noch nicht eingetreten, zumal die Insolvenzquote
nach dem klägerischen Vortrag 10 – 15 % betrage. Es könne daher zur Zeit gar nicht
sicher eine genaue Schadenshöhe festgestellt werden. Im Rahmen der nach seinem
Eintritt in den Aufsichtsrat durchgeführten konstituierenden Sitzung vom 23.08.2004
habe der Vorstand der AG ausführlich die bisherige Tätigkeit und die weiteren Pläne
vorgestellt. An dem Wahrheitsgehalt dieser Aussagen habe kein Anlass für Zweifel
bestanden. Nach diesen Schilderungen seien in den Jahren ab 2001 Erträge aus
Beteiligungen, Zinsen und Mieten entstanden. Er habe auf die Richtigkeit der testierten
Bilanzen und Bilanzbesprechungen vertrauen dürfen. Die nunmehr vom
Insolvenzverwalter angeführten Kenntnisse und Informationen hätten ihm nicht zur
Verfügung gestanden. Die von der Klägerseite angeführten Transaktionen hätten
zeitlich vor seiner Aufsichtsratstätigkeit gelegen. Während seiner Amtszeit sei kein
einziger Unternehmenskauf oder Unternehmensverkauf zur Genehmigung vorgelegt
worden. Die Berater und Prüfer des Aufsichtsrates hätten diesen darüber informiert,
dass die in seiner Amtszeit im Umlauf befindlichen Prospekte von namhaften Berater
geprüft und für in Ordnung befunden worden seien. Er habe seinen Kontrollfunktionen
genügt. Bei keiner seiner Mitgliedschaft durchgeführten Aufsichtsratsitzung habe nach
der Informationslage ein Grund bestanden, an einer Rückzahlungsfähigkeit der AG bei
Fälligkeit der Inhaberschuldverschreibung zu zweifeln.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die
Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und auf die tatsächlichen Feststellungen in den
nachfolgenden Entscheidungsgründen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zwar zulässig, hat aber in der Sache selbst keinen Erfolg.
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I.
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Es ist von einer Zuständigkeit des angerufenen Gerichts auszugehen. Diese ergibt sich
zum einen aus § 32 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, zum anderen aber auch aus der
Tatsache, dass der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 06.10.2008, ohne die
Unzuständigkeit geltend zu machen, zur Hauptsache mündlich verhandelt hat (§ 39 Satz
1 ZPO).
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II.
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Die Klage ist jedoch unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung des
geltend gemachten Einlagebetrages gegen den Beklagten zu. Die Berechtigung einer
solchen Forderung ergibt sich weder aus dem Gesichtspunkt der §§ 826, 830 BGB noch
aus sonstigen rechtlichen Gesichtspunkten. Eine Haftungsgrundlage bezüglich des
Beklagten kann vorliegend allenfalls aus seiner Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat der AG
abgeleitet werden. Der Kläger hat aber vorliegend keine ausreichenden Umstände dafür
vorgetragen, aus denen sich eine Haftung des Beklagten ergibt. Der Aufsichtsrat ist
grundsätzlich nur gegenüber der Aktiengesellschaft selbst
vermögensbetreuungspflichtig. Er hat gem. § 111 Abs. 1 Aktiengesetz die
Geschäftsführung zu überwachen. Dabei stützt er sich in erster Linie auf die vom
Vorstand mit seinen schriftlichen und mündlichen Berichten mitgeteilten Tatsachen (vgl.
OLG Düsseldorf DB 2008, 1961 ff). Nur in Ausnahmefällen übernimmt es der
Aufsichtsrat selbst, Tatsachenfeststellungen herbeizuführen. Er darf nämlich
grundsätzlich den Informationen des Vorstandes vertrauen und ist zu eigenen
Nachforschungen nicht verpflichtet. Insofern hat der Bundesgerichtshof auch
verallgemeinernd ausgeführt, dass ein Mitglied des Aufsichtsrates allenfalls gegenüber
der Gesellschaft selbst ersatzpflichtig ist, wenn er die ihm in dieser Funktion
obliegenden Pflichten verletzt (vgl. BGH NJW RR 1986, 1158 ff). Die Haftung eines
Aufsichtsratsmitglieds kann nur dann ausnahmsweise bejaht werden, wenn er ein
strafbares oder sittenwidriges Verhalten des Vorstandes vorsätzlich veranlasst oder
aktiv unterstützt. Der Aufsichtsrat führt nämlich keine eigenen unternehmerischen
Entscheidungen durch. Es gehört auch nicht zu seinen Aufgaben und zu seinen
Verpflichtungen, alle unternehmerischen Details der Tätigkeit der Geschäftsleitung zu
überprüfen. Insbesondere führt er kein Risikomanagement durch.
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Eine vorsätzliche Unterstützung eines strafbaren oder sittenwidrigen Verhaltens des
Vorstandes durch den Beklagten hat der Kläger im vorliegenden Verfahren nicht
hinreichend dargelegt. Die X. Zivilkammer des hiesigen Gerichts hat durch Urteil vom X
in einem nahezu deckungsgleichen Parallelverfahren – X – Folgendes ausgeführt:
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Seitens des Klägers ist bereits keine Maßnahme der Geschäftsführung
dargelegt worden, an welcher der Beklagte in seiner Funktion als
Aufsichtsratsmitglied mitgewirkt hat. Insbesondere eine Kapitalerhöhung der X,
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an welcher der Aufsichtsrat, und demzufolge auch der Beklagte, gemäß § 202
Abs. 3 Satz 2 AktG beteiligt gewesen wäre, hat der Kläger nicht vorgetragen.
Der Kläger hat lediglich dargelegt, der Beklagte habe die angebliche
Bilanzmanipulation erkennen können bzw. habe sich die entsprechenden
Kenntnisse verschaffen müssen. Dies reicht jedoch nicht aus, da der Beklagte
zu einer eigenen Nachforschung hinsichtlich der innerhalb der X getroffenen
unternehmerischen Entscheidungen als bloßes Aufsichtsratsmitglied –
entgegen der Auffassung des Klägers – nicht verpflichtet war. Auch traf den
Beklagten als Mitglied des Aufsichtsrates keine Garantenstellung bezüglich
einer ordnungsgemäßen Unternehmensführung des Vorstandes.
Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht uneingeschränkt an und
macht sie zum Gegenstand der vorliegenden Entscheidung. Ergänzend ist darauf
hinzuweisen, dass der Beklagte auch keineswegs alleine aufgrund der Tatsache, dass
der bisherige Aufsichtsrat zurückgetreten war, Erkundigungen bei seinen Vorgängern
darüber einzuholen hatte, aus welchen Gründen sie ihre Tätigkeit beendet hatten.
Unabhängig davon, dass ohnehin in einer solchen etwaigen Unterlassung keine "aktive
Unterstützung" gesehen werden könnte, gab die bloße Beendigung der
Aufsichtsratstätigkeit seiner Vorgänger alleine noch keine zwingende Veranlassung,
sich nach den Gründen dieser Beendigung zu erkundigen.
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III.
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Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass für eine Aussetzung des
Verfahrens bis zum Abschluss des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens keine
Veranlassung bestand.
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IV.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Anordnung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Streitwert: 10.000,00 €
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