Urteil des LG Düsseldorf vom 18.06.1982
LG Düsseldorf: buchführung, steuerberater, reisebüro, inhaber, feststellungsklage, steuerschätzung, volk, entstehung, vollstreckbarkeit, beendigung
Landgericht Düsseldorf, 11 O 678/81
Datum:
18.06.1982
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
11. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 O 678/81
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits und des Streithelfers trägt die Klägerin.
Das Urteil ist für den Beklagten gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe
von 2.200,00 DM, für den Streithelfer ohne Sicherheitsleistung vorläufig
vollstreckbar.
Der Klägerin wird gestattet, die Zwangsvollstreckung des Streithelfers
gegen sie durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 1.200,00 DM
abzuwenden, falls der Streithelfer nicht zuvor in gleicher Höhe
Sicherheit leistet.
Die Sicherheiten können auch durch die selbstschuldnerische
Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen
Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden.
T a t b e s t a n d :
1
Der Ehemann der Klägerin war Inhaber des Reisebüros X in Köln. Dieses Reisebüro
hat er am 16. Mai 1980, was der Beklagte bestreitet, an die Klägerin übertragen.
2
Der Ehemann der Klägerin beauftragte spätestens Ende 1975 - der genaue Zeitpunkt ist
unter den Parteien streitig - den Beklagten mit der Buchführung, Finanzierung und
Steuerberatung für das Reisebüro, und zwar für den Zeitraum vom 24. Mai 1974 bis 31.
Dezember 1975.
3
Der Beklagte begann mit den ihm übertragenen Arbeiten im Jahre 1976 und schloß sie
im Jahre 1977 ab.
4
Bereits mit Schreiben vom 8. September 1977 rügte der Ehemann der Klägerin, daß der
5
Beklagte nach stichprobenhaften Überprüfungen mangelhaft gearbeitet habe. Er
kündigte bereits in diesem Schreiben an, den Beklagten für etwaige Schäden in
Anspruch zu nehmen und führte aus, daß erhebliche und zahlreiche
Buchführungsmängel zu verzeichnen seien. Insbesondere sei die als Anhang zur Bilanz
gefertigte Liste mit Kundenanzahlungen größtenteils unzutreffend und weise als
Abschlußsumme eine falsche Zahl aus. Wegen des näheren Inhaltes dieses Schreibens
wird auf Bl. 10 d. A. verwiesen.
In der Zeit vom 17. November bis 17. Dezember 1980 fand in dem Reisebüro X eine
Betriebsprüfung für die Jahre 1974 bis 1978/79 statt. Diese Betriebsprüfung führte zu
Beanstandungen der gesamten, unter anderem auch von dem Beklagten erstellten
Buchführung. Die Ursachen für die fehlerhafte und unvollständige Buchführung in den
Jahren 1974 und 1975 sind unter den Parteien streitig.
6
Die Klägerin verlangt mit der unter dem 15. Dezember 1981 erhobenen Klage von dem
Beklagten Schadensersatz wegen mangelhafter Buchführungsarbeiten. Sie behauptet,
der Beklagte habe eine nicht brauchbare Leistung erbracht, so daß ihr Ehemann im
Rahmen der Außenprüfung die gesamte Buchführung habe überarbeiten müssen.
Hierdurch sei ihr ein Schaden von 17.487,-- DM entstanden, weil ihr Ehemann etwa 200
Stunden benötigt habe, um die für die Steuerprüfung erforderlichen Unterlagen
ordnungsgemäß zu ergänzen und aufzuarbeiten. Mit eingeschaltet gewesen sei der
Steuerberater X, der für die Nacharbeiten ein Honorar von 2.396,25 DM verlangt habe.
Weiterer Schaden sei schließlich dadurch entstanden, daß das Finanzamt für die Jahre
1974 und 1975 eine Steuerschätzung vorgenommen habe, die zu einer
Steuernachzahlung von 4.587,95 DM geführt habe. Bei richtigter Arbeitsweise des
Beklagten, so meint die Klägerin, wäre es nicht zu einer solchen Schätzung gekommen.
Da die Steuerschätzung noch nicht bestandskräftig sei, weil sie, die Klägerin, gegen
den Steuerbescheid Widerspruch erhoben habe, könne zunächst insoweit nur auf
Feststellung geklagt werden.
7
Die Klägerin beantragt,
8
1 .
9
den Beklagten zu verurteilen, an sie DM 19.883,25 nebst 15 % Zinsen
zuzüglich 13 % Mehrwertsteuer auf die Zinsen seit dem 15. Dezember
1981 zu zahlen,
10
2.
11
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihr den über den im
Klageantrag unter 1 . aufgeführten Betrag hinausgehenden Schaden aus
dem von ihm mangelhaft ausgeführten Auftrag als Steuerbevollmächtigter
zu ersetzen, insbesondere sich daraus ergebende Mehrsteuern für die
Jahre 1974 und 1975.
12
Der Beklagte beantragt, und diesem Antrag hat sich der Streithelfer Volk
angeschlossen,
13
die Klage abzuweisen.
14
Er beruft sich in erster Linie unter Hinweis auf § 68 Steuerberatungsgesetz auf die
Einrede der Verjährung und vertritt hierzu die Auffassung, als Beginn der dreijährigen
Verjährungszeit sei das Schreiben vom 8. September 1977 anzusetzen. Es komme im
vorliegenden Fall nicht darauf an, ob die Betriebsprüfung erst später stattgefunden habe,
da aus dem genannten Schreiben eindeutig zu ersehen sei, daß die Klägerin bereits im
Jahre 1977 von der angeblich mangelhaften Arbeit Kenntnis erlangt habe. Dies ergebe
sich auch daraus, daß der Ehemann der Klägerin, wie die Klägerin selbst behaupte, so
sachkundig gewesen sei, die etwaigen Mängel der Buchführung im Rahmen der
Außenprüfung zu beseitigen. Aus diesen Gründen komme es nicht darauf an, ob der
Ehemann der Klägerin als früherer Geschäftsinhaber über die technischen
Möglichkeiten verfügt hätte, etwaige Fehlerquellen genauestens festzustellen. Hierzu
habe die Klägerin spätestens nach dem Schreiben vom 8. September 1977 nach ihrem
eigenen Standpunkt Anlaß gehabt.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenden Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen Bezug genommen.
16
Entscheidungsgründe
17
Die Klage ist unbegründet.
18
Die Klägerin kann Schadensersatzansprüche wegen etwaiger Vertragsverletzungen
des Beklagten aus dem Steuerberatungsvertrag nicht mehr geltend machen. Gegenüber
solchen Schadensersatzansprüchen der Klägerin greift die von dem Beklagten
erhobene Einrede der Verjährung durch.
19
Nach § 68 Steuerberatungsgesetz in Verbindung mit § 198 BGB verjähren
Schadensersatzansprüche gegen den Steuerberater in drei Jahren, beginnend mit der
Entstehung des Anspruchs. Dabei kommt es auf die Kenntnis des Auftraggebers von der
Schadensursache und dem Schadensfall grundsätzlich nicht an.
20
Nach einhelliger Auffassung ist ein Anspruch dann entstanden, wenn er klageweise
geltend gemacht werden kann. Dabei reicht die Möglichkeit aus, eine
Feststellungsklage zu erheben. Nicht erforderlich ist also, daß der eingetretene
Schaden bereits genau beziffert werden kann. Es genügt, wenn die zu erwartenden
Schadensfolgen vorhersehbar sind. Dies war hier spätestens am 8. September 1977 der
Fall. Aus dem Schreiben vom 8. September 1977 ergibt sich eineutig, daß die Klägerin
und der frühere Inhaber des Reisebüros X, der Zeuge Xl, zu diesem Zeitpunkt bereits
davon ausgingen, daß der Beklagte die Buchführungs- und Bilanzarbeiten nicht zu ihrer
Zufriedenheit erbracht hatte. Der Zeuge X rechnete auf Grund der von ihm
beanstandeten Arbeitsweise des Beklagten schon zum damaligen Zeitpunkt, wie sich
aus seinem Schreiben eindeutig ergibt, mit Nachforderungen durch das Finanzamt. Den
Vorwurf der ungenauen Arbeitsweise konnte er bereits nach "anfänglichen
stichprobenartigen Überprüfungen" erheben. Schon in dem genannten Schreiben
bezeichnete er die Buchführungsmängel als erheblich und zahlreich. Er rügte ferner
konkret die Liste mit "Kundenanzahlungen" als größtenteils unzutreffend und als in der
Abschlußsumme falsch. Bei diesen ins einzelne gehenden Vorwürfen, die der Zeuge X
nach nur stichprobenartigen Überprüfungen festgestellt hat, stand der klageweisen
Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen, sei es auch nur im Rahmen einer
Feststellungsklage, nichts entgegen. Der Zeuge X wäre vielmehr, nachdem er dem
21
Beklagten schwerwiegende Pflichtverletzungen vorgeworfen hatte, gehalten gewesen,
die Buchführung insgesamt zu Überprüfungen und das genaue Ausmaß etwaiger
Nachforderungen festzustellen. Innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist hätte er
genügend Zeit gehabt, sich die entsprechenden Hilfsmittel, etwa ein Datensichtgerät, zu
beschaffen und die notwendigen Prüfungen anzustellen. Dies gilt umsomehr, als der
Zeuge X nach der Behauptung der Klägerin so sachkundig ist, daß er selbst später die
Buchführung des Beklagten korrigieren konnte.
Die Klägerin durfte mit der gerichtlichen Geltendmachung ihrer
Schadensersatzansprüche auch nicht bis zu der Außenprüfung im Jahre 198O
abwarten. Der Bundesgerichtshof vertritt zwar für den Fall, daß erst im Rahmen der
Außenprüfung die mangelhafte Arbeit eines Steuerberaters erkennbar wird, wegen der
Besonderheiten, die mit der üblichen Abwicklung von Steueransprüchen verbunden
sind, die Auffassung, daß die Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen den
Steuerberater erst mit der Schlußbesprechung im Rahmen der Außenprüfung beginne
(vgl. grundlegend BGH NJW 1979, 1550 ff; ferner BGH NJW 1979, 2211). Im
vorliegenden Fall kommen die auf einer grundsätzlichen Abwägung der Interessen des
Auftraggebers gegenüber dem Steuerberater beruhenden Grundsätze nicht zur
Anwendung. Denn hier steht fest, daß der Zeuge X als früherer Inhaber des Reisebüros
schon lange vor der Betriebsprüfung die behaupteten Fehler und ihre nachteiligen
Auswirkungen erkannt hat und gerichtlich durchsetzen konnte. Bei dieser Sachlage sind
seine Interessen und die der Klägerin nicht in besonderem Maße schützenswert.
22
Die Klägerin konnte auch nicht mit der gerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche
gegen den Beklagten deshalb bis zur Außenprüfung abwarten, weil der Beklagte etwa
noch die Möglichkeit einer Berichtigung bis zum Abschluß der Außenprüfung gehabt
hätte. In den Fällen, in denen ein Steuerberater bis zur Beendigung des
Vertragsverhältnisses etwaige Fehler noch berichtigen kann, entsteht der
Schadensersatzanspruch stets neu mit der Folge, daß die Verjährung erst mit Abschluß
der Außenprüfung beginnt (BGH WM 1982, 515, 516). Dies gilt aber naturgemäß nur
solange, als das Vertragsverhältnis zwischen dem Auftraggeber und dem Steuerberater
zum Zeitpunkt der Außenprüfung noch besteht. Diese Vorausetzung liegt hier nicht vor,
da das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien bereits im Jahre 1977 endete.
23
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 1 ZPO.
24
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 709 Satz
1, 711 ZPO.
25
Streitwert:
26
1. bis zum 11. Mai 1982 DM 24.471,20;
2. ab dem 12. Mai 1982 DM: ----
3. für den Antrag zu 1. 19.883,25 DM
4. für den Antrag zu 2. 6.000,— DM.
27
28