Urteil des LG Düsseldorf vom 14.06.2006

LG Düsseldorf: einvernahme von zeugen, verpackung, widerklage, frachtvertrag, ware, wahrscheinlichkeit, leichtfertigkeit, schadenersatz, beschädigung, aufrechnung

Landgericht Düsseldorf, 6 O 403/03
Datum:
14.06.2006
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Vors. Richter am Landgericht als Einzelrichter
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 O 403/03
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.977,97 € nebst 6,5 % Zin-
sen seit dem 8. April 2004 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte 12.334,37 € nebst 6,5 % Zin-
sen aus einem Betrag in Höhe von 3.074,78 € seit dem 02.05.2002, aus
weiteren 4.498,00 € seit dem 18.09.2002, aus weiteren 748,50 € seit
dem 30.12.2002, aus weiteren 3.514,09 € seit dem 03.02.2003 und aus
weite-ren 489,00 € seit dem 08.02.2003 zu zahlen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 2/3 und die
Beklagte trägt 1/3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Hinsichtlich des
zuer-kannten Hauptsachebetrages der Klage ist das Urteil vorläufig
vollstreck-bar.
T a t b e s t a n d :
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Die Parteien streiten über Transportentgelte und Schadenersatzansprüche aus
verschiedenen Transportschadenfällen.
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Die Beklagte erhält regelmäßig Computergehäuse aus Asien, die sie in Deutschland
aufrüstet und in einer Verpackung aus ihrem Hause weiter verschickt. Mit dem Versand
der Ware beauftragte sie regelmäßig die Klägerin.
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Den Aufträgen liegen die Beförderungsbedingungen der Klägerin zugrunde, wonach ein
Zinssatz von 6,5 Prozentpunkten mindestens verlangt werden kann.
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Die Klägerin machte zunächst noch aus verschiedenen Transportleistungen
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Rechnungsbeträge in Höhe von insgesamt 10.338,19 € geltend. Die Beklagte hat diese
Rechnungsbeträge nicht bezahlt da sie diese Rechnungen mit Transportschadenfällen
verrechnete. Im Übrigen verweist die Beklagte auf eine Zahlung in Höhe von 1.360,22 €,
die von den geltend gemachten Rechnungsbeträgen abgezogen werden müsste.
Die Beklagte hatte zunächst mit den Schadenersatzansprüchen die Aufrechnung erklärt.
Diese Aufrechnung hat sie dann fallen gelassen und den klägerischen Anspruch in
Höhe von 8.977,97 € anerkannt.
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Die Klägerin behauptet, die Transportschäden seien nicht durch eine unsachgemäße
Spedition entstanden, sondern die Ware sei von der Beklagten nicht ordnungsgemäß
verpackt worden. Im Übrigen erhebt sie die Einrede der Verjährung hinsichtlich der
geltend gemachten Transportschäden.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.338,19 € nebst 6,5 % Zinsen aus 516,91
€ seit dem 01.05.2002, aus weiteren 1.051,15 € seit dem 08.05.2002, aus
weiteren 453,04 € seit dem 05.06.2002, aus weiteren 62,63 € seit dem
07.08.2002, aus weiteren 3.074,74 € seit dem 25.08.2002, aus weiteren
982,17 € seit dem 30.10.2002, aus weiteren 656,94 € seit dem 06.11.2002,
aus weiteren 1.106,36 € seit dem 13.11.2002, aus weiteren 544,22 € seit dem
20.11.2002, aus weiteren 880,68 € seit dem 27.11.2002, aus weiteren 825,49
€ seit dem 04.12.2002, aus weiteren 183,86 € seit dem 11.12.2002 zu zahlen.
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Die Beklagte erkennt einen Betrag von 8.977,97 € an.
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Im übrigen beantragt die Beklagte,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte erhebt Widerklage mit dem Antrag,
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die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 12.334,37 € nebst 6,5 % Zinsen
aus einem Betrag von 3.074,78 € seit dem 02.05.2002, aus weiteren 4.498,00
€ seit dem 18.09.2002, aus weiteren 758,50 € seit dem 30.12.2002, aus
weiteren 3.514,09 € seit dem 03.02.2003 und aus weiteren 489,00 € seit dem
08.02.2003 zu zahlen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Widerklage abzuweisen.
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Die Beklagte trägt zur Begründung der Widerklage vor, aufgrund fehlerhafter
Transportleistungen der Klägerin seien Waren im Wert von insgesamt 12.334,37 €
beschädigt worden. Sie benennt diese Schadenpositionen im Einzelnen und hat diese
auch durch einzelne Rechnungen gegenüber der Klägerin geltend gemacht. Die
Schadenspositionen sind der Höhe nach unstreitig. Hinsichtlich der Einrede der
Verjährung vertritt die Beklagte die Auffassung, dass eine dreijährige Verjährungsfrist
gelte, da die Klägerin zumindest leichtfertig gehandelt habe.
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Die Klägerin ergänzt ihr Vorbringen dahingehend, dass die restliche Klageforderung
begründet sei, da die Überweisung von 1.360,22 € auf nicht streitgegenständliche
Rechnungen verrechnet worden sei.
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Das Gericht hat zur Ordnungsgemäßheit der Verpackung Beweis erhoben durch
Einvernahme von Zeugen und durch Sachverständigengutachten. Auf das schriftliche
Sachverständigengutachten des Sachverständigen X vom 02.03.2005 sowie auf die
Niederschrift vom 25.04.2006 wird verwiesen.
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Wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der
überreichten Schriftsätze und Unterlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist in Höhe von 8.977,97 € wegen des Anerkenntnisses der Beklagten
begründet. Insofern war die Beklagte durch Teilanerkenntnisurteil zu verurteilen.
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Der Zinsanspruch der Klägerin folgt insoweit aus §§ 288, 291 BGB. Da die Klägerin die
Rechnungen auf den Vortrag der Beklagten hin verändert hat, ist Verzug erst durch
Rechtshängigkeit der neuen Klageforderung entstanden. Der Schriftsatz vom
19.02.2004 ist am 8. April 2004 zugestellt worden.
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Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
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Unstreitig hat die Beklagte eine Zahlung in Höhe von 1.360,22 € geleistet. Soweit die
Klägerin vorträgt, diese Zahlung sei auf nicht streitgegenständliche Rechnungen
verrechnet worden, reicht dieser Vortrag nicht aus. Eine Nachprüfung der Beklagten, ob
tatsächlich eine ordnungsgemäße Verrechnung stattgefunden hat, ist so nicht möglich.
Die Klägerin hätte die Rechnungen, auf die sie die 1.360,22 € verrechnet hat, angeben
müssen, damit der Beklagten auch insoweit eine Nachprüfung möglich ist. Ohne diese
nähere Angabe ist das Vorbringen der Klägerin unsubstantiiert, so dass die Zahlung auf
die streitgegenständlichen Rechnungen anzurechnen ist.
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Die Widerklage ist begründet.
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Der Beklagten steht gegen die Klägerin ein Anspruch auf Schadenersatz gemäß §§
425, 435 HGB zu.
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Zwischen den Parteien ist ein Frachtvertrag über Paketsendungen zustande
gekommen. Unstreitig sind die Computer beschädigt beim Empfänger angekommen, so
dass insgesamt ein Schaden in Höhe von 12.334,37 € entstanden ist.
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Für diese Beschädigungen hat die Klägerin einzustehen.
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Soweit es bei einem Frachtvertrag während der Obhutszeit des Frachtführers zu einer
Beschädigung oder zu einem Verlust der Sendung kommt, führt dies gemäß § 425 HGB
zu einer Haftung des Frachtführers.
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Gemäß § 435 HGB gelten die im Frachtvertrag vorgesehenen Haftungsbefreiungen und
-begrenzungen nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung
zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine der in § 428 HGB genannten
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Personen vorsätzlich oder leichtfertig oder in dem Bewusstsein begangen hat, dass ein
Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde.
Die Klägerin ist insoweit einlassungspflichtig. Ihr obliegt die Darlegungs- und
Beweislast, dass der Organisationsablauf in ihrem Unternehmen den
Sicherheitsstandards genügt.
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Diese Einlassungsobliegenheit folgt aus der sogenannten sekundären Darlegungslast.
Danach können dem Prozessgegner der beweisbelasteten Partei ausnahmsweise
nähere Angaben über die zu seinem Wahrnehmungsbereich führenden Verhältnisse
zuzumuten sein, wenn die primär darlegungspflichtige Partei außerhalb des
darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine Kenntnisse von den maßgeblichen
Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner nähere Angaben machen kann.
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An dieser Einlassungspflicht sind auch dann keine geringeren Anforderungen zu
stellen, wenn es sich bei dem Spediteur um einen Paketdienst handelt, bei dem es auf
Massenumschlag und Massenbeförderung ankommt und dessen Kunden eine
kostengünstige Abholung und Zustellung binnen 24 Stunden erwarten (vgl. BGH NJW-
RR 2003 751).
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Die Klägerin wäre danach verpflichtet gewesen, den von der Beklagten vorgetragenen
Vorwurf eines groben Organisationsverschuldens durch konkrete Angaben zum Ablauf
der Betriebsorganisation und der Sicherung der konkreten Transporte im Einzelnen zu
entkräften. Denn die Beklagte kann hierzu keine Angaben machen (vgl. BGH Urteil vom
08.05.2002 I ZR 34/00).
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Allein der Hinweis auf Falltests und Schulungen reicht nicht aus, konkrete
Sicherheitsstandards darzulegen. Es hätte im Einzelnen angegeben werden müssen,
wie die Sendungen während des Transportes gegen Beschädigung gesichert werden
und wie größere Einwirkungen auf die Versandware verhindert wird. Solche
Schadensverhütungsmaßnahmen hat die Klägerin aber nicht vorgetragen.
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Soweit der Transportführer dieser Einlassungsobliegenheit nicht nachkommt, sei es,
weil er Einzelheiten nicht offenlegen will oder in Unkenntnis der Umstände nicht kann,
spricht eine widerlegbare Vermutung für sein qualifiziertes Verschulden. Aus der
fehlenden Darlegung ist daher der Schluss gerechtfertigt, dass die Sicherheitsstandards
so ungenügend sind, dass sie den Vorwurf des Vorsatzes oder jedenfalls der
Leichtfertigkeit rechtfertigen. Diese sekundäre Darlegungslast ist der Klägerin auch aus
zahlreichen Rechtsstreitigkeiten bekannt. Die Klägerin hätte aufgrund dieser
Entscheidung besondere Sicherheitsstandards einführen müssen und diese darlegen
müssen. Aus der fehlenden Darlegung rechtfertigt sich der Schluss, dass die Klägerin
rücksichts- und bedenkenlos die gegenüber den Vermögensinteressen ihrer Kunden
gebotenen Schutzvorkehrungen unterlassen hat. Die unterlassene Einlassung lässt
daher nicht nur den Schluss auf das objektive Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit
sondern auch den Schluss auf das subjektive Erfordernis des Bewusstseins von der
Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu (vgl. BGH NJW 2003 3626, 3628).
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Es kommt damit § 439 HGB zur Anwendung, so dass der Klägerin
Haftungsbeschränkungen nicht zur Seite stehen und die dreijährige Verjährungsfrist gilt.
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Die Verjährung läuft ab 28.06.2002, nachdem die Klägerin die Schadenersatzansprüche
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der Beklagten abgelehnt hat. Die Widerklage ist am 23.09.2004 erhoben worden, so
dass noch keine drei Jahre verstrichen waren und Verjährung nicht eingetreten war.
Der Anspruch der Beklagten ist auch nicht wegen eines Mitverschuldens der Beklagten
gemindert.
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Der Mitverschuldenseinwand ist auch im Falle des qualifizierten Verschuldens gemäß §
435 HGB zu berücksichtigen. Gemäß § 425 Abs. 2 HGB hängt die Verpflichtung zum
Schadenersatz davon ab, inwieweit bei der Entstehung des Schadens ein Verhalten
des Absenders mitgewirkt hat. Der Rechtsgedanke des § 254 BGB ist insoweit
aufgegriffen.
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Durch die Beweisaufnahme steht aber fest, dass die Beklagte ihre Versandware
ordnungsgemäß verpackt hat.
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Die Beklagte hat durch Zeugenbeweis nachgewiesen, dass die Verpackung seit Jahren
in gleicher Weise verwendet worden ist. Der Sachverständige hat festgestellt, dass
diese Art der Verpackung geeignet ist, Schäden von der Transportware abzuwenden.
Damit ist der Einwand der Klägerin, die Schäden beruhten auf mangelhafter
Verpackung durch die Beklagte, widerlegt.
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Der Zinsanspruch der Beklagten folgt aus §§ 286, 288 BGB.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nummer 1, 709 ZPO.
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Kratz
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