Urteil des LG Düsseldorf vom 09.07.2002

LG Düsseldorf: stand der technik, treu und glauben, venire contra factum proprium, beschwerdekammer des epa, widersprüchliches verhalten, eigenes verschulden, angemessene entschädigung, einheit

Landgericht Düsseldorf, 4a O 221/01
Datum:
09.07.2002
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4a. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4a O 221/01
Tenor:
I.
Die Beklagte wird verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ord-nungsgeldes bis zu 250.000,-- Euro, ersatzweise
Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im
Wiederholungsfalle bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,
Brennkraftmaschinen mit einem Zylinderkurbelgehäuse, in dem eine
Kurbelwelle drehbar gelagert ist, an der zumindest ein Pleuel angelenkt
ist, das mit einem Kolben verbunden ist, der in einem von einem
Zylinderkopf abgedeckten Zylinder bewegbar ist, wobei weiterhin eine
Nockenwelle sowie eine Einspritzvorrichtung mit zumindest einem
Einspritzpumpenelement, einem Einspritzventil und einer das
Einspritzpumpenelement und das Einspritzventil verbindenden
Einspritzleitung vorgesehen sind, wobei die Nockenwelle Nocken zur
Betätigung des jedem Zylinder separat zugeordneten
Einspritzpumpenelementes aufweist, wobei das
Einspritzpumpenelement seitlich neben dem jeweiligen Zylinder in das
Zylinderkurbelgehäuse eingesetzt und zu dem zugeordneten
Zylinderkopf ausgerichtet ist und antriebsseitig mit einem Rollenstößel
auf der Nockenwelle abrollt und hochdruckseitig aus dem
Zylinderkurbelgehäuse hinausragt, wobei der Hochdruckauslass des
Einspritzpumpenelementes über eine kurze Einspritzleistung zur
Minimierung des schädlichen Volumens mit dem Ein-spritzventil
verbunden ist, wobei die Nockenwelle über einen einzigen Zahneingriff
von der Kurbelwelle angetrieben ist, die Nockenwelle jedem Zylinder
zugeordnete Lagerscheiben aufweist, zwischen denen für jeden Zylinder
separate Nocken zur Betätigung der Gaswechselventile und des
Einspritzpumpenelementes angeordnet sind,
herzustellen, feilzuhalten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen
oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei denen die Nocken den Bereich zwischen den Lagerscheiben
lückenlos ausfüllen und eine durchgehende Einheit bilden;
2.
der Klägerin Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die
zu der Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 26.6.1993
begangen hat, und zwar unter Angabe
(1)
- aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen - der Herstellungsmengen
und Herstellungszeiten,
(2)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen,
Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreise sowie den Namen und
Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
(3)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen,
Angebotsmengen, Angebotszeiten und Angebotspreisen sowie den
Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
(4)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren
Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
(5)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten
Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei die Angaben zu (5) nur für die Zeit ab dem 27.1.1998 zu machen
sind.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,
1.
an die Klägerin für die zu der Ziffer I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom
26.6.1993 bis zum 26.1.1996 begangenen Handlungen eine
angemessene Entschädigung zu zahlen;
2.
der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu der
Ziffer I. 1. be-zeichneten, seit dem 27.1.1996 begangenen Handlungen
entstanden ist und noch entstehen wird.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.023.000,-- Euro
vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte und
selbstschuldnerische Bürgschaft einer als Zoll- oder Steuerbürgin in der
europäischen Union anerkannten xxxx oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand :
1
Die Klägerin nimmt die Beklagte als eingetragene Inhaberin des deutschen Anteils des
europäischen Patents xxxxxxxxx (nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung,
Rechnungslegung, Auskunftserteilung, Entschädigungsleistung und Schadensersatz in
Anspruch.
2
Das Klagepatent wurde am 14.11.1992 unter Inanspruchnahme einer deutschen
Priorität vom 21.11.1991 angemeldet. Die Veröffentlichung der Anmeldung erfolgte am
26.5.1993. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 27.12.1995 bekannt gemacht.
Die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes (EPA) hat das Klagepatent auf
Beschwerde u.a. der Beklagten durch eine am 26.3.1998 zur Post gegebene
Zwischenentscheidung in geänderter Fassung aufrechterhalten. Mit Entscheidung vom
11.5.1999 hat die Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes die dagegen -
u.a. von der Beklagten – eingelegten Beschwerden zurückgewiesen. Der Hinweis auf
die Entscheidung über den Einspruch wurde am 13.10.1999 bekannt gemacht.
3
Patentanspruch 1 des Klagepatents, dessen Verfahrenssprache Deutsch ist, hat in der
aufrechterhaltenen Fassung folgenden Wortlaut:
4
"Brennkraftmaschine mit einem Zylinderkurbelgehäuse (1), in dem eine Kurbelwelle
drehbar gelagert ist, an der zumindest ein Pleuel angelenkt ist, das mit einem Kolben
(10) verbunden ist, der in einem von einem Zylinderkopf (11) abgedeckten Zylinder (9)
bewegbar ist, wobei weiterhin eine Nockenwelle (2) sowie eine Einspritzvorrichtung mit
zumindest einem Einspritzpumpenelement (7, 15), einem Einspritzventil (13) und einer
das Einspritzpumpenelement (7, 15) und das Einspritzventil (13) verbindenden
Einspritzleitung (21) vorgesehen sind, wobei die Nockenwelle (2) Nocken (5a, 5b, 5c)
zur Betätigung des jedem Zylinder (9) separat zugeordneten Einspritzpumpenelements
aufweist, wobei das Einspritzpumpenelement (7, 15) seitlich neben dem jeweiligen
Zylinder (9) in das Zylinderkurbelgehäuse (1) eingesetzt und zu dem zugeordneten
Zylinderkopf (11) ausgerichtet ist und antriebsseitig mit einem Rollenstößel (6) auf der
5
Zylinderkopf (11) ausgerichtet ist und antriebsseitig mit einem Rollenstößel (6) auf der
Nockenwelle (2) abrollt und hochdruckseitig aus dem Zylinderkurbelgehäuse (1)
hinausragt, wobei der Hochdruckauslass (20) des Einspritzpumpenelements (7, 15)
über eine kurze Einspritzleitung (21) zur Minimierung des schädlichen Volumens mit
dem Einspritzventil (13) verbunden ist, wobei die Nockenwelle über einen einzigen
Zahneingriff von der Kurbelwelle angetrieben ist, die Nockenwelle (2) jedem Zylinder
zugeordnete Lagerscheiben (4a, 4b) aufweist, zwischen denen für jeden Zylinder
separate Nocken (5a, 5b, 5c) zur Betätigung der Gaswechselventile und des
Einspritzpumpenelements (7,15) angeordnet sind,
dadurch gekennzeichnet, dass die Nocken (5y, 5b, 5c) den Bereich zwischen den
Lagerscheiben (4a, 4b) lückenlos ausfüllen und eine durchgehende Einheit bilden."
6
Die nachfolgend wiedergegebenen Zeichnungen stammen aus der Klagepatentschrift
und zeigen in Figur 1 eine Ansicht des Zylinderkurbelgehäuses der Brennkraftmaschine
mit dem Nockenwellenantriebe und in Figur 2 einen Querschnitt durch das
Zylinderkurbelwellengehäuse und den Zylinderkopf mit der Einspritzvorrichtung:
7
Die Beklagte, ein großer Automobilhersteller, stellt her und vertreibt im Rahmen der
"xxxx"-Baureihe einen 4- bzw. 6-Zylinder-Motor, über den sich ein in der
Motortechnischen Zeitschrift (MTZ) 57 (1996), Seite 74 unter dem Titel "Die
Konstruktionsmerkmale des neuen Nutzfahrzeug-Dieselmotors xxxxxxxx ..."
erschienener Beitrag verhält. Die Klägerin hat eine Ablichtung dieses
Zeitschriftenbeitrags als Anlage 7 sowie Vergrößerungen der daraus stammenden
Bilder 7 und 1, die die Einspritzanlage bzw. einen Längsschnitt durch den Motor zeigen,
als Anlagen 8 und 9 vorgelegt. Die Klägerin hat außerdem ein Exemplar der in dem
Motor eingebauten Nockenwelle als Anlage 10 sowie eine Fotografie, die einen
Querschnitt durch die Nockenwelle des Motors zwischen den Laufflächen zweier
Nocken zeigt, als Anlage 12 eingereicht. Die Beklagte hat eine technische Zeichnung
als Anlage B 9 vorgelegt, die ebenfalls die Nockenwelle des Motors wiedergibt. Die
Anlage 12 und B 9 werden nachfolgend wiedergegeben:
8
Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Motor der Beklagten der Lehre des Klagepatents
unterliegt und nimmt diese deshalb wegen Verletzung des Klagepatents in Anspruch.
9
Sie beantragt,
10
wie zuerkannt.
11
Die Beklagte beantragt,
12
die Klage abzuweisen,
13
hilfsweise, ihr - der Beklagten - im Falle der Verurteilung zur Rechnungslegung
vorzubehalten, die Namen und Anschriften ihrer Abnehmer und Angebotsempfänger
statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, und dieser gegenüber zur
Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland
ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern sie - die Beklagte - die durch dessen
Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt und ihn ermächtigt, der Klägerin auf
Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der
Aufstellung enthalten ist;
14
äußerst hilfsweise, ihr - der Beklagten - im Falle des Unterliegens zu gestatten, die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung, die auch durch Bankbürgschaft erbracht
werden kann, ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Gläubigers abzuwenden.
15
Sie stellt eine Verletzung des Klagepatents in Abrede. Die Nocken der Nockenwelle
ihres Motors seien nicht so ausgestaltet, dass sie den Bereich zwischen den
Lagerscheiben lückenlos ausfüllten und eine durchgehende Einheit bildeten. Im
Übrigen macht sie den Einwand widersprüchlichen Verhaltens im Hinblick auf
Äußerungen der Klägerin im Einspruchsverfahren, an dem auch sie – die Beklagte –
beteiligt gewesen sei, geltend.
16
Dem tritt die Klägerin entgegen.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
18
Entscheidungsgründe :
19
Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
20
I.
21
Das Klagepatent betrifft eine Brennkraftmaschine
22
1.
23
mit einem Zylinderkurbelgehäuse (1)
24
1.1
25
in dem eine Kurbelwelle drehbar gelagert ist,
26
1.2
27
an der zumindest ein Pleuel angelenkt ist,
28
1.3
29
das mit einem Kolben (10) verbunden ist,
30
1.4
31
der in einem von einem Zylinderkopf (11) abgedeckten Zylinder (9) bewegbar ist;
32
2.
33
es sind weiterhin vorgesehen:
34
2.1
35
eine Nockenwelle (2)
36
2.2
37
sowie eine Einspritzvorrichtung mit zumindest
38
2.2.1
39
einem Einspritzpumpenelement (7, 15),
40
2.2.2
41
einem Einspritzventil (13)
42
2.2.3
43
und einer Einspritzleitung (21), die das Einspritzpumpenelement (7, 15) und das
Einspritzventil (13) verbindet;
44
3.
45
das Einspritzpumpenelement (7, 15)
46
3.1
47
ist seitlich neben dem jeweiligen Zylinder (9) in das Zylinderkurbelgehäuse (1)
eingesetzt,
48
3.2.
49
ist zu dem zugeordneten Zylinderkopf (11) ausgerichtet,
50
3.3
51
rollt antriebsseitig mit einem Rollstößel (6) auf der Nockenwelle ab
52
3.4
53
und ragt hochdruckseitig aus dem Zylinderkurbelgehäuse (1) heraus;
54
4.
55
der Hochdruckauslass (20) des Einspritzpumpenelementes (7, 15) ist über eine kurze
Einspritzleitung (21) zur Minimierung des schädlichen Volumens mit dem Einspritzventil
(13) verbunden;
56
5.
57
die Nockenwelle (2)
58
5.1
59
weist Nocken (5 a, 5 b, 5 c) zur Betätigung des jedem Zylinder (9) separat zugeordneten
Einspritzpumpenelementes (7, 15) auf,
60
5.2
61
ist über einen einzigen Zahneingriff von der Kurbelwelle angetrieben,
62
5.3
63
weist jedem Zylinder zugeordnete Lagerscheiben (4 a, 4 b) auf.
64
In der Beschreibung des Klagepatents wird erläuternd ausgeführt, dass eine derartige
Brennkraftmaschine durch den Lister Motor xxx x und x Zylinder beziehungsweise den
Lister Motor Type xxx x bekannt sei. Dabei sei die Nockenwelle durch einen einzigen
Zahneingriff von der Kurbelwelle angetrieben. Die Nockenwelle weise jedem Zylinder
zugeordnete Lagerscheiben auf, zwischen denen für jeden Zylinder separate und
beabstandete Nocken zur Betätigung der Gaswechselventile und des
Einspritzpumpenelements angeordnet seien.
65
Die nachfolgend wiedergegebene, aus dem "Instruction xxx and Parts Lister HW xxx
Cooled Diesel Engine x & x Cylinders" der R.A. xxxx & Co., Ltd., Seite 45, stammende
Explosionszeichnung zeigt eine solche Nockenwelle:
66
Dem Klagepatent liegt das Problem (die Aufgabe) zugrunde, die genannte
Brennkraftmaschine weiter zu verbessern, indem die mechanische und hydraulische
Steifheit der Einspritzvorrichtung optimiert und dadurch die Geräusch und
Abgasemissionen verringert werden.
67
Das soll durch folgendes weiteres Merkmal erreicht werden:
68
6.
69
Die Nocken (5a, 5b, 5c)
70
6.1
71
sind für jeden Zylinder separat zur Betätigung der Gaswechselventile und des
Einspritzpumpenelementes (7, 15) angeordnet,
72
6.2
73
füllen den Bereich zwischen den Lagerscheiben 4a, 4b) lückenlos aus
74
6.3
75
und bilden eine durchgehende Einheit.
76
Zu den Vorteilen einer solchen Ausbildung heißt es in der Beschreibung des
Klagepatents, dass dadurch eine Einspritzvorrichtung geschaffen werde, die von dem
Nockenwellenantrieb über die Anordnung und Ausrichtung im Zylinderkurbelgehäuse
bis hin zu der kurzen Einspritzleitung insgesamt mechanisch und hydraulisch sehr steif
77
ausgebildet sei und die das Einspritzverhalten gegenüber dem Stand der Technik
verbessere. Die Ausbildung der Nockenwelle mit den den Bereich zwischen
Lagerscheiben ausfüllenden Nocken trage zur mechanischen Steifheit des
Gesamtsystems bei.
II.
78
Der Motor der Beklagten verwirklicht die in Anspruch 1 des Klagepatents unter Schutz
gestellte Lehre. Das ist zwischen den Parteien hinsichtlich der Merkmale 1 bis 6.1 – zu
Recht – unstreitig und bedarf daher keiner weiteren Erläuterungen.
79
1.)
80
Der Motor der Beklagten entspricht darüber hinaus aber auch den in den Merkmalen 6.2
und 6.3 gestellten Anforderungen. Der Ansicht der Beklagte, dass diese Merkmale nur
dann verwirklicht sind, wenn die aktiven Laufflächen der zwischen zwei Lagerscheiben
angeordneten Nocken unmittelbar aneinandergrenzen, vermag die Kammer nicht zu
folgen.
81
Der Durchschnittsfachmann, auf dessen Blickwinkel es für die Auslegung der Lehre des
Klagepatents ankommt, kann der in Patentanspruch 1 beschriebenen Lehre entnehmen,
dass die auf der Welle befindlichen Nocken für jeden Zylinder separat angeordnet sind.
Dem einzelnen Nocken kommt dabei die Funktion zu, entweder die dem jeweiligen
Zylinder zugeordneten Gaswechselventile oder aber das dem Zylinder zugeordnete
Einspritzpumpenelement zu betätigen (Merkmale 5.1, 6.1). Die Betätigung des
Einspritzpumpenelementes erfolgt dergestalt, dass das Einspritzpumpenelement, das
seitlich neben dem jeweiligen Zylinder in das Zylinderkurbelgehäuse eingesetzt und zu
dem zugeordneten Zylinderkopf ausgerichtet ist (Merkmale 3.1 und 3.2), antriebsseitig
mit einem Rollenstößel auf der Nockenwelle – genauer: dem jeweiligen
Betätigungsnocken (Merkmal 5.1, 6.1) – abrollt (Merkmal 3.3). Aufgrund seines
Fachwissens erkennt der Fachmann, dass während des Abrollens der Stößelenden des
Einspritzpumpenelements und - gegebenenfalls - auch während des Abrollens der
Stößelenden des Pumpenkolbens nicht unerhebliche Kräfte auf den jeweiligen
Betätigungsnocken ausgeübt werden. Diese können dazu führen, dass die
Nockenwelle, wenn sie nicht über hinreichende Steifheit verfügt, deformiert und damit
die erwünschte genaue Steuerung der Gaswechselventile und des
Einspritzpumpenelements beeinträchtigt wird.
82
Zu derartigen Deformationen kann es kommen, wenn die Nockenwelle im Bereich
zwischen den Lagerscheiben neben den Nocken und/oder Lagerscheiben
kreiszylinderförmige Verbindungsteile aufweist. Auf eine solche Ausgestaltung wird der
Fachmann in der Beschreibung des Klagepatents als Stand der Technik hingewiesen.
Dort heißt es, dass unter der Bezeichnung "Lister Motor xx x und x Zylinder" bzw. "Lister
Motor Type xxx" eine Brennkraftmaschine bekannt gewesen ist, bei der die
Nockenwelle jedem Zylinder zugeordnete Lagerscheiben aufweist, zwischen denen für
jeden Zylinder separate und beabstandete Nocken zur Betätigung der
Gaswechselventile und des Einspritzpumpenelements angeordnet sind (Sp. 1, Z. 9 ff.).
Zieht der Fachmann die auf Seite 45 des "Instruction xx and xx List Lister" (Anlage B 2)
in einer Explosionszeichnung gezeigte Nockenwelle zur weiteren Erläuterung hinzu, so
erfährt er, dass bei den genannten Lister-Motoren zwischen den einzelnen Nocken und
zumindest teilweise auch zwischen den Nocken und den Lagerscheiben
83
kreiszylinderförmige Verbindungsteile angeordnet sind.
Gegenüber diesem Stand der Technik lehren die Merkmale 6.2 und 6.3 den Fachmann
die Nockenwelle so auszubilden, dass die Nocken den Bereich zwischen den
Lagerscheiben lückenlos ausfüllen und eine, durchgehende Einheit bilden. Wird eine
solche Anordnung gewählt, erhöht sich die mechanische Steifheit der Nockenwelle, was
die Gefahr von Deformationen der Nockenwelle vermindert und damit auch zur
mechanischen Steifheit des Gesamtsystems beiträgt (vgl. Klagepatent, Sp. 1, Z. 50 ff.;
Sp. 2, Z. 24 ff.). Die dauerhafte Gewährleistung eines genau definierten und
beeinflussbaren Einspritzverhaltens führt zur Optimierung der Geräusch- und
Abgasemissionen der Brennkraftmaschine (vgl. Klagepatent, Sp. 1, Z. 50 ff.; Sp. 2, Z. 10
ff.).
84
Die Ausgestaltung des einzelnen Nockens wird weder in den Merkmalen 6.2 und 6.3
noch an einer anderen Stelle der in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten Lehre
näher beschrieben. In Abgrenzung zu der aus dem Stand der Technik bekannten
Nockenwelle der Lister Motoren ergibt sich für den Fachmann einerseits, dass jedenfalls
kreiszylinderförmige Verbindungsteile bzw. Bereiche zwischen den Nocken nicht als
dessen Bestandteil angesehen werden können. Dies wird durch die Beschreibung des
in Figur 1 gezeigten erfindungsgemäßen Ausführungsbeispiels bestätigt, in der es heißt,
dass die Nockenwelle 2 zwischen benachbarten Lagerscheiben 4a, 4b Nocken 5a, 5b,
5c aufweist, die den Bereich zwischen den Lagerscheiben 4a, 4b lückenlos ausfüllen
und eine durchgehende Einheit bilden, die keine trennenden Einstiche aufweist.
Andererseits erkennt der Fachmann aufgrund seines Fachwissens, dass es für die
erfindungsgemäß mit den Merkmalen 6.2 und 6.3 angestrebte Funktion, die
mechanische Steifheit der Nockenwelle zu erhöhen, um Deformation derselben zu
vermeiden, nicht entscheidend darauf ankommen kann, ob sich die Oberfläche des
Nockens ihrer gesamten koaxialen Erstreckung auf der Höhe der Lauf- und Gleitfläche
des Nockens befindet. Denn es geht der Erfindung nicht darum, maximal breite
Nockenlauf- bzw. Nockengleitflächen für die Rollen der Stößel des jeweiligen
Gaswechselventils bzw. Einspritzpumpenelements zur Verfügung zu stellen. Für die
allein angestrebte Versteifung der Nockenwelle ist es vielmehr ausreichend, wenn der
einzelne Nocken neben der Erhebung, auf der der Stößel des Gaswechselventils oder
des Einspritzpumpensystems abrollt oder gleitet, auch Bereiche aufweist, die radial
tiefer angeordnet sind, die aber der Kontur des Nockens in nicht unerheblichem Ausmaß
folgen und diesem daher zugeordnet werden können. Es entstehen dadurch weder
Schwächestellen, wie sie bei der Nockenwelle der Lister-Motoren in Gestalt der
kreiszylinderförmigen Verbindungsteile vorhanden waren, noch trennende Einstiche, die
es erfindungsgemäß zu vermeiden gilt (vgl. Klagepatent, Sp. 5, Z. 6 ff.).
85
2.)
86
Dem Verständnis der Kammer von den Merkmalen 6.2 und 6.3 stehen die Ausführungen
der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes in ihrer Entscheidung vom
11.5.1999 (Anlage B 8) nicht entgegen.
87
Die Gründe der genannten Entscheidung der Beschwerdekammer sind nicht Bestandteil
der Beschreibung des Klagepatents geworden. Insoweit ist die erkennende Kammer als
Verletzungsgericht bei der Auslegung der in Anspruch 1 unter Schutz gestellten Lehre
an die Gründe der Entscheidung der Beschwerdekammer auch nicht gebunden. Zwar ist
es in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei einer Teilnichtigerklärung die Gründe des
88
Nichtigkeitsurteils an die Stelle der Ausführungen in der Patentschrift oder neben sie
treten (BGH, GRUR 1964, 669, 670 – Abtastnadel; GRUR 1979, 308, 309 –
Auspuffkanal für Schaltgase; vgl. auch Benkard/Ullmann, PatG, 9. A., § 14 PatG, Rn. 26;
Busse/Keukenschrijver, PatG, 5. A., § 84 PatG, Rn. 41). Für Entscheidungen im
Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahren, in denen das Patent nur in
beschränktem Umfang aufrecht erhalten worden ist, gilt dies allerdings nur dann, wenn
die Beschreibung nicht entsprechend angepasst worden ist (Busse/Keukenschrijver,
a.a.O., § 14, Rn. 73; Schulte, PatG, 6. A., § 14 PatG, Rn. 31). Da eine solche Anpassung
hier jedoch durch Veröffentlichung der neuen Klagepatentschrift (B2-Fassung) erfolgt ist,
treten die Gründe der Entscheidung der Beschwerdekammer nicht als
Auslegungsgrundlage neben die Ausführungen in der Klagepatentschrift. Im übrigen ist
das Klagepatent bereits durch die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung des
EPA in geänderter Fassung aufrecht erhalten worden. Mit der Entscheidung der
Beschwerdekammeer des EPA vom 11.5.1999 wurde die dagegen eingelegte
Beschwerde zurückgweisen.
Auch wenn die Entscheidung der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes
nicht neben der Beschreibung der neuen Klagepatentschrift für die Auslegung von
Patentanspruch 1 heranzuziehen ist, kommt ihr doch als fachkundiger Äußerung
Indizwirkung bei der Auslegung des Klagepatents zu (vgl. Schulte, a.a.O.), genauso wie
dies auch für die Begründung einer die Nichtigkeitsklage abweisenden Entscheidung
gilt, die das Verletzungsgericht bei seiner Auslegung zwar nicht bindet, die aber für das
technische Verständnis des Gegenstandes der Erfindung hilfreich sein kann (BGH
GRUR 1988, 444 - Betonstahlmattenwender; Benkard/Ullmann, a.a.O., § 14 PatG, Rn.
28).
89
Wird die Entscheidung der Beschwerdekammer unter diesem Gesichtspunkt
berücksichtigt, ist keine Änderung der vorstehend vertretenen Auslegung der Merkmale
6.2 und 6.3 des Klagepatents veranlasst.
90
Die Beschwerdekammer hat zwar in ihren Entscheidungsgründen ausgeführt, dass das
Merkmal des lückenlosen Aneinanderliegens der nebeneinander liegenden Nocken
sowie der Nocken und der Lager, d.h. ohne Zwischenraum, so zu verstehen ist, wie die
Beschwerdegegnerin – die Klägerin – dies in einer während der mündlichen
Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereichten Skizze dargestellt hat (Anlage
B8. 3.11.Rn. 2.15) und diese Skizze - die als Anlage zum Protokoll der mündlichen
Verhandlung genommen wurde und nachfolgend wiedergegeben wird – zeigt Nocken,
die jeweils mit ihrer Lauf- oder Gleitfläche aneinandergrenzen.
91
Die Beschwerdekammer setzt sich in ihren Entscheidungsgründen jedoch nicht mit der
hier interessierenden Frage auseinander, ob die in der Merkmalsgruppe 6
beschriebenen Nocken nach der Lehre des Klagepatents auch neben den Lauf- und
Gleitfläche auch seitlich anschließende Bereiche aufweisen dürfen, die der
Nockenkontur in nicht unerheblichem Maße folgen.
92
Das gilt auch für die Ausführungen der Beschwerdekammer, in denen sich diese mit den
als Anlagen D 26 und D 26a eingereichten Zeichnungen der Firma xxxx befasst
(Anlagenkonvolut B 6). Die Beschwerdekammer legt insoweit dar, dass die
Zeichnungen dargestellten Nocken nicht lückenlos aneinander liegen, wie sie in den
Schnitten E-E in zwei Versionen dargestellt seien. Dabei sei es unerheblich, welche
Querschnittsform dieses Zwischenteil aufweise, da nach Anspruch 1 und der Erklärung
93
der Beschwerdegegnerin – Klägerin in diesem Rechtsstreit – die Nocken lückenlos, d.h.
ohne Zwischenraum direkt nebeneinander liegen sollen (Anlage B8 S. 16, Rn. 6.3).
Auch an dieser Stelle verhalten sich die Ausführungen der Beschwerdekammer nicht zu
der Frage, ob Nocken im Sinne der Lehre des Klagepatents neben der Lauf- und
Gleitfläche auch seitlich anschießende Bereiche aufweisen dürfen, die der
Nockenkontur in nicht unerheblichem Maße folgen. Schließlich ist auch den übrigen
Darlegungen der Entscheidung der Beschwerdekammer nichts zu diesem Problem zu
entnehmen.
Die Klägerin hat in der Verhandlung den Abschnitt einer Nockenwelle, auf dem
zwischen zwei Lagerscheiben drei Nocken angeordnet sind, als Anlage 14 zur Akte
gereicht, dazu behauptet, dass es sich um das Modell handele, das in der Entscheidung
der Beschwerdekammer auf Seite 7 letzter Absatz erwähnt werde und für ihre
Behauptung Zeugenbeweis angeboten. Die Klägerin sieht darin einen weiteren Anhalt
dafür, dass nach dem Verständnis der Beschwerdekammer nicht nur solche
Nockenwellen die Merkmale 6.2 und 6.3 verwirklichen, bei denen die Nocken mit ihren
Gleit- bzw. Laufflächen aneinandergrenzen. Die Beklagte hat bestritten, dass es sich bei
der eingereichten Anlage um das in der Entscheidung der Beschwerdekammer
genannte Modell handelt. Einer Aufklärung dieser Frage durch Beweiserhebung bedarf
es jedoch schon deshalb nicht, weil die erkennende Kammer auch ohnedem aus den
genannten Gründen zu dem Ergebnis gelangt, dass die Ausführungen der
Beschwerdekammer der hier vertretenen Auslegung nicht entgegensteht. Im Übrigen ist
noch einmal darauf hinzuweisen, dass den Gründen der Entscheidung der
Beschwerdekammer lediglich Indizwirkung für die Auslegung der Lehre des
Klagepatents zukommt, diese aber nicht Bestandteil der Beschreibung des
Klagepatents geworden sind.
94
4.)
95
Der Geltendmachung von Anspruch 1 des Klagepatents steht der von der Beklagten
erhobene Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nach den Grundsätzen von Treu
und Glauben (venire contra factum proprium) im Hinblick auf Erklärungen der Klägerin in
dem das Klagepatent betreffenden Einspruchsbeschwerdeverfahren nicht entgegen.
96
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können zwar Erklärungen eines
Anmelders im Einspruchsverfahren, die in der Patentschrift keinen Niederschlag
gefunden haben, unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben der Geltendmachung
von Ansprüchen aus dem Patent gegen einen am Einspruchsverfahren Beteiligten
entgegenstehen. Dies gilt aber nicht bereits bei jedem widersprüchlichen Verhalten des
Anmelders im Einspruchsverfahren und in einem nachfolgenden
Patentverletzungsverfahren. Vielmehr ist es dem Patentanmelder grundsätzlich
unbenommen, von Erklärungen, die er im Laufe des Erteilungsverfahren gegenüber der
Behörde, dem Gericht oder den am Verfahren Beteiligten abgegeben hat, abzurücken,
wenn diese Erklärungen in der Patentschrift keinen Niederschlag gefunden haben.
Nicht jeder Widerspruch zwischen Erklärungen des Anmelders im Erteilungsverfahren
und seinem Verhalten im Patentverletzungsverfahren bedeutet einen Verstoß gegen die
Grundsätze von Treu und Glauben und ist als unzulässige Rechtsausübung anzusehen.
Widersprüchliches Verhalten ist erst dann rechtsmissbräuchlich, wenn dadurch für den
anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist. Der Bundesgerichtshof
hat einen solchen Fall angenommen, wenn sich der Anmelder im Einspruchsverfahren
angesichts des sich bereits anbahnenden Verletzungsstreits auf die Erörterung einer
97
entgegengehaltenen konkreten Ausführungsform des Einsprechenden einlässt und
dann die Erklärung abgibt, dies Ausführungsform werde von dem begehrten Schutz
nicht erfasst, um seine Chancen, zu einem Patent zu gelangen, zu erhöhen. Unter
diesen Voraussetzungen muss sich der Anmelder an seiner Erklärung in einem
folgenden Verletzungsverfahren festhalten lassen (BGH, Mitt. 1997, 364 (366) –
Weichvorrichtung II mit weiteren Nachweisen; vgl. auch BGH, Urteil vom 12.3.2002 – X
ZR xx/01 – Kunststoffrohrteil, Anlage 11, Umdruck, Seite 14 ff.).
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Zwar waren die Parteien dieses Rechtsstreits an
dem Einspruchsbeschwerdeverfahren vor der Beschwerdekammer des EPA beteiligt.
Die Erklärung der Klägerin im Einspruchsbeschwerdeverfahren, auf die sich die
Beklagte beruft, betraf jedoch lediglich die allgemeine Auslegung der Merkmale 6.2 und
6.3. Ausweislich des Sachverhalts der Entscheidung der Beschwerdekammer hat die
Klägerin insoweit in der Verhandlung erklärt, dass das Merkmal, wonach die Nocken
den Bereich zwischen den Lagerscheiben lückenlos ausfüllen und eine durchgehende
Einheit bilden sollen, so zu verstehen sei, dass die Nocken unmittelbar und ohne
Zwischenraum nebeneinander liegen, d.h. es sind keine Zwischenräume oder Einstiche
zwischen den nebeneinanderliegenden Nocken und den Nocken und Lagern
vorgesehen, so wie dies in der oben wiedergegebenen Skizze dargestellt ist (Anlage B
8, Rn. VII, S. 7, Abs. 5; Rn. 2.1.5, S. 11, Abs. 3). Gegenstand der Erklärung der Klägerin
im Einspruchsbeschwerdeverfahren war also nicht die mit der hiesigen
Verletzungsklage angegriffene Ausführungsform. Zudem ergibt sich aus den Gründen
der Entscheidung der Beschwerdekammer nicht, dass die Beklagte erklärt hat, den
Gegenstand des Klagepatents auf Ausführungsformen zu beschränken, bei denen - wie
in der genannten Skizze gezeigt – die Lauf- und Gleitflächen der Nocken
aneinandergrenzen. Vielmehr sollte mit der Skizze das allgemeine Verständnis der
Klägerin weiter veranschaulicht werden, wonach mit einem lückenlosen
Aneinanderliegen der nebeneinander liegenden Nocken sowie der Nocken und der
Lager ein Aneinanderliegen ohne Zwischenraum bzw. Einstich gemeint ist.
Infolgedessen hat die Klägerin durch ihre Erklärung im Einspruchsbeschwerdeverfahren
auch keinen Vertrauenstatbestand gegenüber der Beklagten geschaffen, dass sie diese
nicht wegen Verletzung des Klagepatents durch Benutzung der angegriffenen
Ausführungsform in Anspruch nehmen werde.
98
Allerdings kann der zitierten Erklärung der Klägerin im Einspruchsbeschwerdeverfahren
indizielle Bedeutung für das Verständnis des Fachmann von den in Rede stehenden
Merkmalen zukommen (BGH, a.a.O., 367 – Weichvorrichtung II). Insoweit gelten jedoch
die obigen Ausführungen zur Bedeutung der Darlegungen der Beschwerdekammer
betreffend die Auslegung der Merkmale 6.2 und 6.3 entsprechend. Die zitierte Erklärung
der Klägerin im Einspruchsbeschwerdeverfahren setzt sich nicht mit der im Hinblick auf
die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform entscheidenden Frage
auseinander, ob die in der Merkmalsgruppe 6 beschriebenen Nocken nach der Lehre
des Klagepatents neben den Lauf- und Gleitfläche auch seitlich anschließende
Bereiche aufweisen dürfen, die der Nockenkontur in nicht unerheblichem Maße folgen,
und ist daher insoweit unergiebig.
99
5.)
100
Die Klägerin hat als Anlage 12 eine Fotografie vorgelegt, die einen Querschnitt durch
die beanstandete Nockenwelle zwischen den Laufflächen zweier Nocken zeigen soll.
Die Kontur der Nockenwelle im Bereich des Schnittes ist nicht kreisförmig ausgebildet.
101
Vielmehr folgt sie teils der einen und teils der anderen Nockenkontur, so dass sich
kantige Übergänge ergeben. Die Beklagte ist diesen tatsächlichen Feststellungen der
Klägerin nicht entgegengetreten. Sie werden bestätigt durch den als Anlage 10 von der
Klägerin vorgelegten Nockenwellenabschnitt, von dem zwischen den Parteien feststeht,
dass es sich um einen Teil der Nockenwelle der Beklagten handelt. Aus diesem
Nockenwellenabschnitt ergibt sich zudem, dass die Bereiche zwischen den Laufflächen
der Nocken und auch zwischen den Nocken und den Lagerscheiben nicht
kreiszylinderförmig ausgebildet sind, sondern der Nockenkontur folgen. Da die Bereiche
zwischen den Laufflächen zweier Nocken bzw. eines Nockens und einer Lagerscheibe
nicht kreiszylinderförmig ausgebildet ist, weisen diese Bereiche auch keinen
Durchmesser auf, der kleiner als der Grundkreis des jeweiligen Nockens ist (vgl. Anlage
K 2, Sp. 1, Z. 21 ff.) und können deshalb nicht als Einstiche im Sinne von Merkmal 5.2
angesehen werden.
Die Nockenwelle der Beklagten verwirklicht daher auch die Merkmale 6.2 und 6.3 des
Patentanspruchs 1.
102
III.
103
1.)
104
Da die Beklagte den Gegenstand von Anspruch 1 des Klagepatents rechtswidrig
benutzt hat, ist sie der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet, Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §
139 Abs. 1 PatG.
105
2.)
106
Die Beklagten hat der Klägerin zudem Schadensersatz zu leisten, Art. 64 EPÜ i.V.m. §
139 Abs. 2 PatG. Denn als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei
Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276
BGB. Da es hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die
rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der
Klägerin jedoch noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der
Verletzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein
rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung
anzuerkennen, § 256 ZPO.
107
3.)
108
Außerdem ist die Beklagte zur Rechnungslegung verpflichtet, Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 242,
259 BGB. Denn die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie
ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr
verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
109
4.)
110
Die Beklagte hat der Klägerin schließlich nach Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140 b PatG über
Herkunft und Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen.
Die nach Absatz 2 dieser Vorschrift geschuldeten Angaben sind in der Urteilsformel zu
I.2 mit den Angaben zusammengefasst, die zum Zwecke der Rechnungslegung zu
machen sind.
111
Dem hilfsweise von der Beklagten geltend gemachten Wirtschaftsprüfervorbehalt kann
nicht stattgegeben werden; die Beklagte hat nicht dargetan, dass die von der Klägerin
geforderte Bezeichnung der Namen und Anschriften ihrer Abnehmer und
Angebotsempfänger unverhältnismäßig ist, § 140b Abs. 1 i.f. PatG.
112
IV.
113
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S.1, 108 ZPO.
114
Dem äußerst hilfsweise geltend gemachten Antrag, der Beklagten für den Fall des
Unterliegens zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung ohne
Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung durch die Klägerin abzuwenden, kann nicht
entsprochen werden, weil bereits nicht dargetan worden ist, dass die Vollstreckung der
Beklagten einen nicht zu ersetzender Nachteil bringen würde, § 712 Abs. 1 ZPO.
115
Streitwert: 1.022.583,70 Euro (= 2.000.000,-- DM).
116