Urteil des LG Düsseldorf vom 23.03.2006

LG Düsseldorf: fig, rechnungslegung, nichtigkeitsklage, zusammenwirken, ausführung, schadenersatz, lagerung, einwirkung, patentanspruch, spiel

Landgericht Düsseldorf, 4b O 289/05
Datum:
23.03.2006
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4b Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4b O 289/05
Tenor:
I.
Die Beklagten werden verurteilt,
1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise
Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle
mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,
Niederspannungs-Leistungsschalter in einem Isolierstoffgehäuse, die
eine Drehkontaktbrücke, ein mit der genannten Kontaktbrücke
zusammenwirken-des Paar feststehender Kontakte,
Stromzuführungsleiter zur Einspeisung der genannten feststehenden
Kontakte, die so ausgeführt sind, dass sie die Kon-taktbrücke in
Richtung einer Abstoßausschaltstellung zurückstoßen, elektro-
dynamische Kräfte erzeugen, wenn sie von einem Kurzschlussstrom
durch-flossen werden, eine Schaltwelle mit einer quer verlaufenden
Aussparung zur Spiel behafteten Lagerung der beidseitig aus der
Schaltwelle hervorstehenden Kontaktbrücke sowie mindestens ein Paar
von zwischen der Schaltwelle und der Kontaktbrücke angeordneten
Zugfedern umfassen, die dazu dienen, in der Einschaltstellung des
Leistungsschalters einen von der Kontaktbrücke auf die feststehenden
Kontakte ausgeübten Kontaktdruck zu gewährleisten und gleichzeitig
eine Drehung der Kontaktbrücke unter Einwirkung der genannten
elektrodynamischen Kräfte in Richtung der Abstoßausschaltstellung zu
ermöglichen, wobei die genannten Federn symmetrisch auf beiden
Seiten der Drehachse der Kontaktbrücke angeordnet sind und jeweils
ein an der Kontaktbrücke gelagertes Ende aufweisen,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen,
oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder
einzuführen oder zu besitzen,
bei denen ein entgegengesetztes Ende der genannten Federn auf einer
glei-tend verschiebbar in einer Rastkerbe der Schaltwelle angeordneten
Stange gelagert ist und die genannte Kontaktbrücke ein Paar von
symmetrisch zur genannten Achse angeordneten Steuerkurven aufweist,
die jeweils so ausgelegt sind, dass sie im Endabschnitt des
Abstoßungshubs der Kontaktbrücke mit einer der Stangen
zusammenwirken, um die Bewegung der Kontaktbrücke abzubremsen;
2.
der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten
Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem
Umfang sie die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem
04.10.1996 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der
Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer
Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach
Typenbezeichnungen, Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen
sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen,
An-gebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und
Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger, wobei den Beklagten
vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger
statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber
zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der
Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen,
sofern die Beklagten die durch dessen Einschaltung entstehenden
Kosten übernehmen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin
auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der
Rechnungslegung enthalten ist,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren
Her-stellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und
Verbrei-tungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten
Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den
Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei
denn, diese können ausnahmsweise den im Urteilsausspruch zu Ziffer I.
l. genannten Gegenständen unmittelbar zugeordnet werden,
wobei die Beklagten hinsichtlich der Angaben zu lit. a) und b) Bestell-,
Liefer-scheine und Rechnungen vorzulegen haben;
3.
die in der Bundesrepublik Deutschland im unmittelbaren und mittelbaren
Be-sitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen unter Ziffer I. 1.
beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der
Beklagten an einen von der Klägerin zu benennenden Treuhänder zum
Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin
allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. 1.
bezeichneten, seit dem 04.10.1996 begangenen Handlungen
entstanden ist und noch entstehen wird.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als
Gesamtschuldnern auferlegt.
IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1 Mio. € vorläufig
voll-streckbar.
V.
Der Streitwert wird auf 1 Mio. € festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin ist Inhaberin des u.a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland
erteilten europäischen Patents X (Klagepatent; Anlage B K1, Übersetzung Anlage B
K2), dessen Erteilung am 04. September 1996 veröffentlicht wurde. Der deutsche Teil
des Klagepatents wird unter dem Aktenzeichen X geführt. Das Klagepatent betrifft einen
Schutzschalter mit Verzögerung am Bewegungsende der Kontaktbrückenabstoßung.
2
Der Patentanspruch 1 des in französischer Sprache abgefassten Klagepatents hat in der
deutschen Übersetzung (Anlage B K2) folgenden Wortlaut:
3
Niederspannungs-Leistungsschalter in einem Isolierstoffgehäuse, der eine
Drehkontaktbrücke (13), ein mit der genannten Kontaktbrücke
zusammenwirkendes Paar feststehender Kontakte (11, 12) Stromzuführungsleiter
(24, 25) zur Einspeisung der genannten feststehenden Kontakte (11, 12), die so
ausgeführt sind, dass sie, die Kontaktbrücke (13) in Richtung einer Abstoß-
Ausschaltstellung zurückstoßende, elektrodynamische Kräfte erzeugen, wenn
sie von einem Kurzschlussstrom durchflossen werden, eine Schaltwelle (20) mit
einer quer verlaufenden Aussparung (21) zur spielbehafteten Lagerung der
beidseitig aus der Schaltwelle (20) hervorstehenden Kontaktbrücke (13) sowie
4
mindestens ein Paar von zwischen der Schaltwelle (20) und der Kontaktbrücke
(13) angeordneten Zugfedern (22, 23) umfasst, die dazu dienen, in der
Einschaltstellung des Leistungsschalters einen von der Kontaktbrücke (13) auf
die feststehenden Kontakte (11, 12) ausgeübten Kontaktdruck zu gewährleisten
und gleichzeitig eine Drehung der Kontaktbrücke (13) unter Einwirkung der
genannten elektro-dynamischen Kräfte in Richtung der Abstoß-Ausschaltstellung
zu ermöglichen, wobei die genannten Federn (22, 23) symmetrisch auf beiden
Seiten der Drehachse (37) der Kontaktbrücke (13) angeordnet sind und jeweils
ein an der Kontaktbrücke (13) gelagertes Ende (38, 38’) aufweisen,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t,
5
dass ein entgegengesetztes Ende (41, 41’) der genannten Federn (22, 23) auf
einer gleitend verschiebbar in einer Rastkerbe (43) der Schaltwelle (20)
angeordneten Stange (42, 42’) gelagert ist und dass die genannte Kontaktbrücke
(13) ein Paar von symmetrisch zur genannten Achse 37 angeordneten
Steuerkurven (44, 44’) aufweist, die jeweils so ausgelegt sind, dass sie im
Endabschnitt des Abstoßungshubs der Kontaktbrücke (13) mit einer der Stangen
(42, 42’) zusammenwirken, um die Bewegung der Kontaktbrücke (13)
abzubremsen.
6
Eine der technischen Lehre des Klagepatents gemäße Ausführungsform ist in Fig. 1 der
Klagepatentschrift wie nachfolgend abgebildet dargestellt.
7
X
8
Die Beklagten haben gegen den deutschen Teil des Klagepatents
Nichtigkeitsklage zum Bundespatentgericht erhoben, die unter dem Az. 2 Ni 51/05
(EU) geführt wird und über die derzeit noch nicht entschieden ist.
9
Die Beklagte zu 1) ist die Muttergesellschaft eines Konzerns, der Leistungsschalter
herstellt. Die Beklagte zu 2) ist die deutsche Generalvertreterin, die auf ihrer
Homepage X Leistungsschalter der Baureihe X anbietet und in Deutschland
vertreibt.
10
Die nachfolgende Abbildung, die der von der Klägerin als Anlage B K5 zur Akte
gereichten Anlage entnommen ist, zeigt auf dem oberen und unteren Lichtbild eine
Schaltwelle eines streitgegenständlichen Leistungsschalters und auf den mittleren
Lichtbildern ein der Schaltwelle entnommenes Federnpaar und eine Kontaktbrücke
im Detail.
11
XDie Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache
wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Mit ihrer
Klage nimmt sie die Beklagten daher auf Unterlassung, Rechnungslegung,
Vernichtung und Feststellung der Verpflichtung zum Schadenersatz in Anspruch.
12
Die Klägerin beantragt,
13
zu erkennen wie geschehen.
14
Die Beklagte beantragt,
15
1. die Klage abzuweisen;
2. hilfsweise,
16
a. ihr einen umfassenden, auch die Abnehmer beinhaltenden
Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen,
b. ihr Vollstreckungsschutz zu gewähren,
c. den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen den
deutschen Teil des europäischen Patentes 0 560 697 erhobene Nichtigkeitsklage
auszusetzen.
17
18
19
Die Beklagten stellen den Vorwurf der Patentverletzung in Abrede und machen
geltend: Die angegriffene Ausführungsform verfüge nicht über eine Schaltwelle, die
mindestens ein Paar von Zugfedern aufweist. Die angegriffene Ausführungsform
weise vielmehr nur eine Feder auf, die von dem an einer Stange angeordneten
Ende über das jeweils an der Kontaktbrücke gelagerte Ende hinweg zur anderen
Seite der Kontaktbrücke und dem dort wiederum an einer Stange angeordneten
Ende führe.
20
Unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Nichtigkeitsverfahren vertreten die
Beklagten ferner die Auffassung, das Klagepatent werde sich im anhängigen
Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen, so dass jedenfalls eine
Aussetzung des Rechtsstreits geboten sei. Die technische Lehre des Klagepatents
sei in dem zeitlich vor dem Klagepatent angemeldeten, nachveröffentlichten
europäischen Patent X (X) neuheitsschädlich vorweggenommen. Jedenfalls aber
fehle es dem Gegenstand des Klagepatents angesichts des Standes der Technik,
wie er in der EP-Schrift X und der britischen Patentanmeldung X dokumentiert sei,
an einer erfinderischen Tätigkeit.
21
Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Beklagten sowie unter Hinweis auf ihre
Erwiderung im Nichtigkeitsverfahren dem Aussetzungsantrag entgegen.
22
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
23
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
24
Die zulässige Klage ist in der Sache gerechtfertigt. Mit dem Vertrieb der
angegriffenen Leistungsschalter der Baureihe X machen die Beklagten
wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Sie sind
gegenüber der Klägerin deshalb im zuerkannten Umfang zur Unterlassung, zur
25
Rechnungslegung, zur Vernichtung und zum Schadenersatz verpflichtet. Anlass,
den Verletzungsrechtsstreit im Hinblick auf die erhobene Nichtigkeitsklage
einstweilen auszusetzen, besteht nicht.
I.
26
Das Klagepatent betrifft einen Niederspannungs-Leistungsschalter in einem
Isolierstoffgehäuse und mit einer am Ende des Abstoßungshubs abgebremsten
Kontaktbrücke.
27
Der Klagepatentschrift zufolge öffnet die Kontaktbrücke eines strombegrenzenden
Leistungsschalters bei Auftreten eines Kurzschlussstroms mit hoher
Geschwindigkeit. Sobald kein Strom mehr fließt, versucht die Kontaktbrücke, in die
Einschaltstellung zurückzukehren, wobei die von den Federn auf die
Kontaktbrücke in Richtung der Einschaltstellung ausgeübte Rückstellkraft durch
den Rückprall der Kontaktbrücke am Endlagenanschlag des Abstoßungshubs
noch verstärkt wird. Diese Effekte können vor der Bestätigung der Abschaltung
durch den Auslösemechanismus bzw. vor dem Ansprechen eines
nachgeschalteten Leistungsschalters das Wiedereinschalten der Kontakte
bewirken.
28
Ein bekannter Leistungsschalter weist eine Verrastung auf, die den abgestoßenen
Kontakt in der Ausschaltstellung zurückhält, um ein ungewolltes Wiedereinschalten
der Kontakte zu verhindern. Die Klagepatentschrift stellt dabei heraus, dass diese
Anordnung zusätzliche Teile zur Verrastung und zur erneuten Freigabe des
Kontakts erfordert.
29
Als Aufgabe der Erfindung bezeichnet es die Klagepatentschrift, eine einfache
Brems- und gegebenenfalls Verrastungsvorrichtung für die bewegliche
Kontaktbrücke zu schaffen, , die keinerlei zusätzliche Teile erfordert.
30
Zur Lösung schlägt die Klagepatentschrift einen Leistungsschalter wie in Anspruch
1 beschrieben vor. Patentanspruch 1 enthält diesbezüglich die nachfolgenden
Lösungsmerkmale:
31
1 Niederspannungs-Leistungsschalter mit
32
1.1 einem Isolierstoffgehäuse 10,
33
1.2 einer Drehkontaktbrücke 13,
34
1.3 einem mit der genannten Kontaktbrücke 13 zusammenwirkendem Paar
feststehender Kontakte 11, 12
35
1.4 Stromzuführungsleitern 24, 25 zur Einspeisung der genannten
feststehenden Kontakte 11, 12,
36
1.5 und einer Schaltwelle 20:
37
2. Die Stromzuführungsleiter 24, 25 sind so ausgeführt, dass sie, wenn sie
von einem Kurzschlussstrom durchflossen werden, elektrodynamische
38
Kräfte erzeugen, die die Kontaktbrücke 13 in Richtung einer
Abstoßausschaltstellung zurückstoßen.
3. Die Schaltwelle 20 weist eine quer verlaufende Aussparung auf zur
Spiel behafteten Lagerung der beidseitig aus der Schaltwelle 20
hervorstehenden Kontaktbrücke 13.
39
4. Die Schaltwelle 20 weist mindestens ein Paar von zwischen der
Schaltwelle 20 und der Kontaktbrücke 13 angeordneten Zugfedern 22, 23,
auf.
40
4.1 Die Zugfedern 22, 23 dienen dazu,
41
(a) in der Einschaltstellung des Leistungsschalters einen von der
Kontaktbrücke 13 auf die feststehenden Kontakte 11, 12 ausgeübten
Kontaktdruck zu gewährleisten, und
42
(b) gleichzeitig eine Drehung der Kontaktbrücke 13 unter Einwirkung der
genannten elektrodynamischen Kräfte in Richtung der
Abstoßausschaltstellung zu ermöglichen.
43
4.2 Die Zugfedern 22, 23 sind symmetrisch auf beiden Seiten der
Drehachse 37 der Kontaktbrücke 13 angeordnet.
44
4.3 Die Zugfedern 22, 23 weisen jeweils ein an der Kontaktbrücke 13
gelagertes Ende auf.
45
4.4 Das entgegengesetzte Ende der Zugfedern 22, 23 ist auf einer in einer
Rastkerbe 43, 43’ der Schaltwelle 20 gleitend verschiebbar angeordneten
Stange 42, 42’ gelagert.
46
5 Die Kontaktbrücke 13 weist ein Paar symmetrisch zur genannten Achse
37 angeordneter Steuerkurven 44, 44’ auf,
47
5.1 die jeweils so ausgelegt sind, dass sie im Endabschnitt des
Abstoßungshubs der Kontaktbrücke 13 mit einer der Stangen 42, 42’
zusammenwirken, um die Bewegung der Kontaktbrücke 13 abzubremsen.
48
Die Kontaktbrücke schlägt bei einer patentgemäßen Ausführung am Ende des
Abstoßungshubs gegen das Lagerelement einer Feder, das kontinuierlich
verschoben wird. Dadurch wird die aufgenommene Energie in der entsprechenden
Feder gespeichert abgebremst und der Stoß auf den Endlagenanschlag begrenzt
oder aufgehoben. Die durch das Aufliegen der Stangen des Lagerelements auf der
Steuerkurve erzeugte Reibkraft bewirkt eine weitere Aufnahme der Energie der
Kontaktbrücke. Bei einer bevorzugten Ausführung ist die Steuerkurve so
ausgebildet, dass die Stangen des Lagerelements eine Verriegelung der
Kontaktbrücke in der Ausschaltstellung bewirken.
49
II.
50
Die angegriffene Leistungsschalterbaureihe X der Beklagten macht von der
51
technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Die Beklagten
bestreiten, dass die angegriffene Ausführungsform über eine Schaltwelle, die
mindestens ein Paar von Zugfedern, aufweist, die zwischen der Schaltwelle und
der Kontaktbrücke angeordnet sind, im Sinne des Merkmales 4 verfügt
Im Hinblick auf die übrigen Anspruchsmerkmale ist die Benutzung zwischen den
Parteien zu Recht unstreitig.
52
Entgegen der Auffassung der Beklagten verwirklicht die angegriffene
Ausführungsform auch Merkmal 4 wortsinngemäß. Nachfolgend ist zur
Verdeutlichung eine Detailansicht einer Kontaktbrücke eingeblendet, die der
Klagepatentschrift entnommen ist (Fig. 5) und eine beispielhafte Ausführungsform
zeigt.
53
X
54
Die angegriffene Ausführungsform, bei der die Federn von dem an einer Stange 42,
42’ angeordneten Ende über das jeweils an der Kontaktbrücke 13 gelagerte Ende
hinweg zur anderen Seite der Kontaktbrücke und dem dort wiederum an einer
Stange 42, 42’ angeordneten Ende führen, verfügt über ein Paar von zwischen der
Schaltwelle und der Kontaktbrücke angeordneten Zugfedern. Dem steht nicht
entgegen, dass die gleichgerichtet auf beiden Seiten liegenden Federn bei der
angegriffenen Ausführungsform praktisch einstückig ausgebildet sind und das aus
Fig. 5 der Klagepatentschrift ersichtliche Lager nicht als gesondertes Bauteil
ausgestaltet ist. Denn der Fachmann entnimmt der Klagepatentschrift, dass das
Paar von Federn, welches nach der technischen Lehre des Klagepatents
Verwendung finden soll, symmetrisch auf beiden Seiten der Drehachse (der
Kontaktbrücke) anzubringen ist (S. 1 Mitte, S. 3 2. Abs., S. 6 der Übersetzung
Anlage B K2). Es ist in dieser Hinsicht sogar unbeachtlich, ob die zu beiden Seiten
der Kontaktbrücke – nicht deren Drehachse – plazierten Federn aus einem oder
zwei Teilen bestehen.
55
Auch bei der einstückigen Ausgestaltung bleibt die Anordnung der jeweils zu
betrachtenden Federpaare, wie vom Klagepatent gefordert und als vorteilhaft
beschrieben, symmetrisch parallel zur Drehachse. Ebenso bleibt die von der
Klagepatentschrift mit der (zweifach) symmetrischen Anordnung in Bezug auf die
Längsebene einerseits und die Drehachse andererseits verbundene Funktion, eine
ideale Positionierung der Kontaktbrücke in jeder Lage zu ermöglichen, erhalten.
Bei der einstückigen Ausgestaltung der Federn bildet der in den Öffnungen 39, 39’
ruhende Abschnitt des Federelements das in der Klagepatentschrift beschriebene
Lager 40.
56
Zudem handelt es sich in technischer Hinsicht auch um zwei Federn, wenn man
der Betrachtung der Beklagten folgt, denn auf das Federlager an der Kontaktbrücke
wirkt die gleiche Federkraft wie bei der Verwendung zweier von einander
getrennter Federn, d. h. die doppelte Federkraft im Vergleich zu einer nur auf einer
Seite der Brücke angebrachten einzelnen Feder.
57
III.
58
Da die Beklagten wie dargestellt von der technischen Lehre des Klagepatents
59
widerrechtlich Gebrauch gemacht haben, sind sie der Klägerin gemäß Artikel 64
EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet. Die Beklagten haben
schuldhaft gehandelt, da sie als Fachunternehmen die ihnen obliegende Sorgfalt
verletzt haben und ihnen mithin zumindest fahrlässiges Verhalten zur Last fällt. Sie
haften der Klägerin gemäß Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG deswegen zudem auf
Schadenersatz. Da die genaue Schadenshöhe derzeit noch nicht feststeht, hat die
Klägerin ein rechtliches Interesse daran, dass die Schadenersatzverpflichtung der
Beklagten zunächst dem Grunde nach festgestellt wird (§ 256 ZPO). Um die
Klägerin in die Lage zu versetzen, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch
der Höhe nach zu beziffern, sind die Beklagten im zuerkannten Umfang zur
Auskunftserteilung und zur Rechnungslegung verpflichtet (§ 140b PatG, §§ 242,
259 BGB). Für die Einräumung eines Wirtschaftsprüfervorbehaltes im Hinblick auf
die Abnehmer der Beklagten besteht keine Veranlassung. Die - insoweit
darlegungs- und beweispflichtigen - Beklagten haben nichts dafür vorgetragen,
dass ihnen die Offenbarung der Abnehmer gegenüber der Klägerin
ausnahmsweise unzumutbar sei. Der Vernichtungsanspruch der Klägerin beruht
auf § 140a PatG.
IV.
60
Das Vorbringen der Beklagten gibt keinen Anlaß, den Verletzungsrechtsstreit im
Hinblick auf die anhängige Nichtigkeitsklage gegen den deutschen Teil des
Klagepatents auszusetzen (§ 148 ZPO). Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich,
dass der deutsche Teil des Klagepatents für nichtig erklärt werden wird.
61
Die als neuheitsschädlich entgegengehaltene Schrift X (X), die bereits Gegenstand
des Erteilungsverfahrens war und in der Klagepatentschrift ausdrücklich gewürdigt
wird, lässt den Erfindungsgedanken nicht in neuheitsschädlicher Weise erkennen.
Weder in den Ansprüchen noch in der Beschreibung der – einen vollständig
anderen Aspekt bei Schutzschaltern betreffenden – Entgegenhaltung kommt der
das Klagepatent kennzeichnende Gedanke, mittels Steuerkurven und verschiebbar
gelagerten Stangen eine Abbremsung bis hin zur Verrastung herbeizuführen, auch
nur im Ansatz zum Ausdruck. Die Beklagten würdigen vielmehr die in der
Entgegenhaltung gezeigte Fig. 3 in Kenntnis des Klagepatents, ohne dass diese
aber bei unbefangener Betrachtung Steuerkurven auf der Kontaktbrücke bzw. eine
damit zusammenwirkende, die Enden der Zugfedern aufnehmende und in einer
Rastkerbe der Schaltwelle gleitende Stange offenbart. Vielmehr verweist die
Entgegenhaltung auf die X, welche der X entspricht und der zu entnehmen ist, dass
die Zugfedern an Mitnehmerlaschen der Schaltwelle befestigt sind. Mithin weist die
Entgegenhaltung gerade keine Stangen auf; die in der Kontaktbrücke vorhandenen
Mulden zur Befestigung der Zugfeder an der Brücke sind lediglich
Arretierungsmittel, die sich dem Fachmann nicht als Steuerkurven erschließen.
62
Die Kombination des gattungsbildenden Standes der Technik nach der auch im
Klagepatent erwähnten Entgegenhaltung X (Anlage LR4; entspricht X) und der GB-
Schrift X (Anlage LR9) legt dem Fachmann die technische Lehre des Klagepatents
nicht nahe. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zum X ergibt, zeigt das X
nicht die das Klagepatent kennzeichnenden Merkmale. Der Fachmann hat zudem
keine Veranlassung die GB-Schrift, die keine Kontaktbrücke betrifft, heranzuziehen,
da er diese als gattungsfremd ansieht. Schließlich haben die Beklagten, die
entgegen der Auflage der Kammer keine deutsche Übersetzung der GB-Schrift
63
vorgelegt haben, den von der Klägerin dargelegten Umstand, dass eine
Ausführung entsprechend der Lehre der X gerade eine Beschleunigung des
beweglichen Kontaktes beinhaltet, aber keine Bremsfunktion durch die
Ausgestaltung der Konstruktion lehrt, nicht widerlegt.
V.
64
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
65
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 709, 108 ZPO.
Der Vollstreckungsschutzantrag der Beklagten ist unbegründet. Es ist nichts dafür
vorgetragen, dass eine Vollstreckung der Beklagten einen nicht zu ersetzenden
Nachteil bringen würde.
66