Urteil des LG Düsseldorf vom 22.07.2003

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Landgericht Düsseldorf, 25 T 346/03
Datum:
22.07.2003
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Richterin
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
25 T 346/03
Tenor:
hat die 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf
auf die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des
Amtsgerichts Düsseldorf vom 8. April 2003
durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht X sowie die
Richterinnen am Landgericht X und X
am 22. Juli 2003
b e s c h l o s s e n :
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache
zur erneuten Behandlung und Entscheidung nach Maßgabe der
nachstehenden Gründe an das Amtsgericht Düsseldorf
zurückverwiesen.
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G r ü n d e :
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Der Schuldner hat mit Antrag vom 10. Januar 2003 Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens gemäß § 305 InsO sowie Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt.
Das beigefügte Forderungsverzeichnis weist Forderungen der Finanzverwaltung X aus
Steuerforderungen sowie der Stadtverwaltung X aus Gewerbesteuer aus. Insgesamt
sind in der Aufstellung sechs Gläubiger berücksichtigt. die Forderungen resultieren aus
einer früheren selbständigen Tätigkeit des Schuldners.
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Das Amtsgericht hat durch den angefochtenen Beschluss den Antrag des Schuldners
als in der gewählten Verfahrensart unzulässig abgewiesen. Gegen diesen Beschluss
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richtet sich die sofortige Beschwerde des Schuldners, mit der er sich dagegen wendet,
dass die Forderungen des Finanzamtes aus Lohnsteuer als solche als aus
Arbeitsverhältnissen gewertet wurden.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde unter Hinweis auf die Stellungnahme des
Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages in Drucksache 14/6468 nicht
abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorglegt.
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Die zulässige sofortige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen
Beschlusses und Zurückverweisung an das Amtsgericht zur erneuten Prüfung und
Entscheidung über den Antrag in Verbraucherinsolvenzverfahren.
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Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist das Verbraucherinsolvenzverfahren im
Hinblick auf den Antrag des Schuldners die richtige Verfahrensart. Die Kammer hat
bereits im Verfahren 25 T 267/02 entschieden, das Ansprüche der
Berufsgenossenschaft gegen den früheren Unternehmer, wenn sie auch durch ein
Arbeitsverhältnis veranlasst sind, keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen
darstellen. Sie vertritt diese Auffassung auch im Hinblick auf Ansprüche des
Finanzamtes wegen rückständiger Lohnforderungen aus Arbeitsverhältnissen. Dabei
folgt die Kammer uneingeschränkt der Auffassung von Kothe in Frankfurter Kommentar
zur Insolvenzordnung 3. Auflage, § 304 Rdnr. 39 ff., insbesondere Rdnr. 43, wonach die
Auslegung von Gesetzen nur nach den allgemeinen Grundsätzen der
Gesetzesauslegung zu erfolgen hat. Danach sind Forderungen aus dem
Arbeitsverhältnis privatrechtliche Forderungen aus der Rechtsbeziehung zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Für die Notwendigkeit der Ausgliederung dieser
Forderungsart aus dem Verbraucherinsolvenzverfahren sprechen tarifvertragsrechtliche
Regelungen, die die Forderungen vielfach der Dispositionsbefugnis Einzelner
entziehen. Eine Notwendigkeit, die Ausgliederung auf den gesamten Folgebereich der
Forderungen der Sozialversicherungsträger und Finanzverwaltung zu erstrecken,
besteht aus dem Gesetzeszweck nicht.
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Soweit in der Gesetzesbegründung und den dokumentierten Stellungnahmen der
Gesetzgebungsorgane zu folgern ist, dass diese auch den Bereich der Forderungen von
Sozialversicherungsträgern und Finanzämtern in den Ausschluss des
Verbraucherinsolvenzverfahrens nach § 304 InsO stellen wollten, ist letztlich
festzustellen, dass diese Wünsche der Gesetzgebungsorgane keinen Eingang in den
Gesetzestext gefunden haben. Eine eigenständige Begründung für die Notwendigkeit
des Ausschlusses gibt es hierzu auch nicht. Es wäre jedoch dem Gesetzgeber ohne
weiteres möglich gewesen, den Katalog der ausgeschlossenen Forderungen in dem
gewünschten weiten Sinne festzulegen. Stattdessen hat der Gesetzgeber trotz erkannter
Notwendigkeit der Regelung zur Vermeidung von Auslegungsproblemen bewusst
davon Abstand genommen, die vom Bundesrat vorgeschlagene Klarstellung hinsichtlich
der Steuergläubiger und Sozialversicherungsträger in den Gesetzestext aufzunehmen.
Stattdessen hat er sich darauf berufen, der Wille des Gesetzgebers ergebe sich bereits
aus der Begründung zum Regierungsentwurf. Es ist jedoch nicht die Aufgabe der
Gerichte, bei der Auslegung von Gesetzen stets die Begründungen zum
Regierungsentwurf einzusehen, um der gewollten Auslegung zu folgen. Vielmehr sind
nach Auffassung der Kammer nur die allgemeinen Grundsätze der Gesetzesauslegung
zu beachten. Aus diesem Grunde folgt die Kammer nicht der herrschenden Auffassung,
die lediglich der Begründung zum Regierungsentwurf folgt, ohne dass diese
Begründung ihren Niederschlag im Gesetzestext gefunden hat. Vielmehr folgt aus der
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Tatsache, dass der Gesetzgeber trotz erkannter Notwendigkeit der Klarstellung davon
abgesehen hat, den Gesetzestext zu ändern, es der üblichen Gesetzesauslegung
überlassen bleiben sollte, ob Forderungen der Finanzämter und auch der
Sozialversicherungsträger nach der Rechtsprechung zu solchen Arbeitsverhältnissen zu
zählen sind.
Das Amtsgericht wird daher unter Abstandnahme der in dem angefochtenen Beschluss
vertretenen Auffassung über die Fortführung des Insolvenzeröffnungsverfahrens im
Verbraucherinsolvenzverfahren zu entscheiden haben.
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