Urteil des LG Düsseldorf vom 23.12.2005

LG Düsseldorf: allgemeine geschäftsbedingungen, verbraucher, firma, datum, einverständnis, anschrift, einwilligung, handelsregister, mittäter, verkehr

Landgericht Düsseldorf, 38 O 118/05
Datum:
23.12.2005
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
38 O 118/05
Tenor:
1.
Der Beklagten wird untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken
des Wett-bewerbs Verbraucher unter deren privaten Telefonanschlüssen
anzurufen oder anrufen zu lassen, um Geschäftsabschlüsse
anzubahnen, es sei denn, daß der Verbraucher zuvor ausdrücklich
eingewilligt hat, zu Werbezwecken angerufen zu werden.
2.
Der Beklagten wird untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken
des Wett-bewerbs gegenüber Verbrauchern zu behaupten, es sei ein
Vertragsabschluß erfolgt, wenn die Verbraucher im vorausgegangenen
Telefonat lediglich die
Übersendung von Informationsmaterial erbeten haben.
3.
Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein
Ordnungsgeld bis zu € 250.000,00 (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6
Wochen) oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
4.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
5.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 45.000,00 €
vorläufig voll-streckbar.
Die Sicherheit kann durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der
Bundes-republik Deutschland ansässigen Bank oder Sparkasse
erbracht werden.
Die Klägerin verfolgt satzungsgemäß Verbraucherinteressen. Die Beklagte ist im
Geschäftsbereich der Reisevermittlungen tätig.
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Die Klägerin wirft der Beklagten wettbewerbswidriges Verhalten vor. Sie macht geltend,
Mitarbeiter oder Beauftragte der Beklagten hätten Verbraucher ohne deren vorherige
Einwilligung zu Hause angerufen, um für Reisebürodienstleistungen zu werben. So sei
ein Herr P Anfang März 2005 angerufen worden. Obwohl dieser sich nicht mit dem
Abschluß eines Vertrages sondern nur mit der Übersendung von Informationsmaterial
einverstanden erklärt habe, seien ihm unter dem Datum des 18., 21. und 24.03. sowie
01.04.2005 Schreiben übersandt worden, in denen der Eindruck erweckt wurde, es sei
ein Vertrag zustande gekommen, der zur Abbuchung von Monatsbeiträgen ermächtige.
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Die Klägerin beantragt,
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wie erkannt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt vor, nicht passiv legitimiert zu sein. Sie sei lediglich eine Servicegesellschaft in
offener Stellvertretung der X GmbH & Co. KG. Mit der Kundenwerbung habe sie nichts
zu tun, sondern erhalte die Datensätze zur Bearbeitung erst, wenn ein Kunde sich
entschlossen habe, Kunde der X GmbH & Co. KG zu werden.
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Im Übrigen sei davon auszugehen, daß Herr P sein Einverständnis mit Werbeanrufen
erklärt habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
vorgetragenen Akteninhalt und die zur Ergänzung des Parteivorbringen beigezogenen
Akten 38 O 140/05, 38 O 56/05 und 38 O 59/05 des Landgerichts Düsseldorf verwiesen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf
Unterlassung der beiden im Tenor niedergelegten Verhaltensweisen gemäß den §§ 3, 7
Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2; 4 Nr. 3 UWG.
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Die Berechtigung der Klägerin zur Geltendmachung wettbewerbsrechtlich begründeter
Unterlassungsansprüche ist zwischen den Parteien nicht im Streit.
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Die Beklagte verhält sich wettbewerbswidrig unlauter im Sinne von § 3 UWG. Die
Kammer macht sich die den Parteien bekannte im Urteil vom 4. November 2005 in dem
Rechtsstreit 38 O 59/05 Landgericht Düsseldorf geäußerte Begründung zu Eigen. Hier
hat die Kammer ausgeführt:
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"Die Beklagte hat sich in einer die Wiederholungsgefahr begründenden Weise unlauter
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verhalten. Ihr sind die zu Werbezwecken erfolgten Telefonanrufe gegenüber
Verbrauchern als eigene Verhaltensweise zuzurechnen. Störer im
wettbewerbsrechtlichen Sinne sind alle Personen, die in irgendeiner Weise willentlich
und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Rechtsgutes oder zu einer
verbotenen Handlung beigetragen haben. Die Beklagte ist, soweit unterstellt werden
kann, daß nicht ohnehin eigene Mitarbeiter oder Beauftragte akquisitorisch tätig werden,
als Mittäter oder Gehilfe im Sinne von § 830 Abs. 1 und Abs. 2 BGB anzusehen. Die
Würdigung der unstreitigen Umstände ergibt, daß zwischen der Beklagten und der
Firma X GmbH & Co. KG ein arbeitsteiliges Verhalten zur Erreichung eines
einheitlichen Geschäfts- und Gewinnstrebens besteht. Beide Firmen verwenden als
kennzeichnungskräftigen Teil ihrer Firmenbezeichnung identisch den Begriff "X ". Dass
es überhaupt zwei verschiedene Rechtspersönlichkeiten gibt, ist den
verabredungsgemäß verwendeten Schreiben der Beklagten praktisch nicht zu
entnehmen. Der Hinweis "handelnd für" befindet sich versteckt zwischen den Angaben
der vorgeschriebenen Hinweise auf das Handelsregister. Auch drucktechnisch ist dieser
Hinweis so klein gehalten, daß er nur entdeckt werden kann, wenn danach konkret
gesucht wird. Demgegenüber wird schon in der Anschrift und dem Briefkopf das für
beide Firmen gleichlautende Element "X" herausgestellt. Der von der Beklagten nur
allgemein beschriebene Dienstleistungsauftrag der Abwicklung von Reiseverträgen und
Fertigung von Anschreiben ohne Weisungsbefugnis stellt eine willkürliche Aufspaltung
von Aufgaben innerhalb eines einheitlichen geschäftlichen Handelns dar. Ein
wirtschaftlich vernünftiger Sinn derartigen Vorgehens ist nicht ersichtlich. Der Grund für
eine derartige Vorgehensweise ist vielmehr allein darin zu sehen, Zuständigkeiten und
Verantwortlichkeiten zu verschleiern und damit den gemeinsamen Geschäftszweck -
auch - durch unlautere Mittel zu fördern, indem eine Verfolgung durch Konkurrenten
oder Verbraucherverbände erschwert wird. Für diese Einschätzung ist auch von
Bedeutung, daß die Beklagte und die ihr verbundenen Unternehmen und
Gesellschaften eine vergleichbare Geschäftspolitik im Bereich des Lottospiels
zumindest betrieben haben. Aus dem Internetauftritt und dem Handelsregister ergeben
sich Verbindungen zur Firmengruppe "X X", die der Kammer aus
wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten in der Weise bekannt ist, daß gleichlautende
Einwände vorgebracht werden.
Da sich Helfer und Mittäter die Verhaltensweise der übrigen Beteiligten als eigenes
Verhalten zurechnen lassen müssen, kommt es nicht darauf an, ob die hier fraglichen
Anrufe von Mitarbeitern der Beklagten oder der Firma X GmbH & Co. KG, oder gar durch
beauftragte Drittfirmen, getätigt worden sind."
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Ergänzend ist auszuführen, daß sich das arbeitsteilige Zusammenwirken der
offensichtlich nur formal unterschiedlichen Firmen der Beklagten und der Firma X GmbH
& Co. KG auch daran zeigt, daß die Beklagte ausweislich ihrer Geschäftsbriefe bewußt
ihre Rechtsform nicht nur bei der Angabe der Anschrift verschleiert. Aus dem Verfahren
38 O 140/05 ist bekannt, daß sie nicht etwa eigene allgemeine Geschäftsbedingungen
versendet, sondern diejenigen der X GmbH & Co. KG. In jenem Schreiben hat sie ferner
auch eingeräumt, ein Reisebüro zu betreiben. Ihr kommen die von Kunden
einzuzahlenden Beträge zu Gute, so daß sie als Unternehmer im Sinne von § 8 Abs. 2
UWG angesehen werden muß, auch wenn ein Dienstleistungsvertrag abgeschlossen
worden sein sollte, der sie selbst als bloßen Dienstleister der X GmbH & Co. KG
vorsieht.
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Da einerseits unstreitig ist, daß der Verbraucher P zu Haus angerufen worden ist,
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andererseits die Beklagte aber nicht substantiiert dargelegt hat, wann und unter welchen
Umständen Herr P mit einem derartigen Anruf sein Einverständnis erklärt hat, kommt
zum einen eine auf bloße Ausforschung gerichtete Beweisaufnahme nicht in Betracht.
Zum anderen ist vom Fehlen der Einwilligung auszugehen. Die Beklagte hat in den
Schreiben vom 21. März 2005, 24. März 2005 und 1. April 2005 zum Ausdruck gebracht,
daß ein Vertrag zwischen dem Verbraucher und der Firma "X" zustande gekommen ist.
So heißt es in dem Schreiben vom 21. März 2005: Wir haben wunschgemäß ab dem
01.05.2005 den Betrag von ...". Im Schreiben vom 1. April 2005 wird eine
Kundennummer und die Teilnahme am Lastschriftverfahren mitgeteilt. Unter dem 24.
März 2005 wird eine Kundenkarte übersandt. Tatsächlich ist jedoch ein Vertragsschluß
zu keiner Zeit zustande gekommen. Die Beklagte behauptet selbst nicht konkret, Herr P
habe sich zu einem exakt feststellbaren Zeitpunkt mündlich oder schriftlich gegenüber
einer zum Abschluß von Verträgen befugten Person bereit erklärt, Kunde einer Firma
"X" zu werden.
Durch die Schreiben wird also der Werbecharakter der Maßnahme verschleiert, indem
fälschlich das Bestehen einer Kundenbindung behauptet wird, § 4 Nr. 3 UWG.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.
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Der Streitwert wird auf 40.000,00 € festgesetzt.
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