Urteil des LG Düsseldorf vom 25.11.1997

LG Düsseldorf (zeichen, verwechslungsgefahr, bezeichnung, eigenes verschulden, verkehr, marke, kennzeichnungskraft, zpo, verschulden, 1995)

Landgericht Düsseldorf, 4 O 41/97
Datum:
25.11.1997
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 O 41/97
Tenor:
I.
Der Beklagte wird verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,- DM - ersatzweise
Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle
wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu
unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr für Kugelhähne für Hei-zungsanlagen das
Zeichen
"X"
zu benutzen,
insbesondere
a) dieses Zeichen auf diesen Waren oder ihrer Aufmachung oder
Verpackung anzubringen,
b) unter diesem Zeichen diese Waren anzubieten, in den Verkehr zu
bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen,
c) unter diesem Zeichen diese Waren einzuführen oder auszuführen
und/oder
d) dieses Zeichen in Geschäftspapieren oder in der Werbung zu
benutzen;
2.
der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in wel-chem Umfang er die zu
1. bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe
- der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer
Vorbesitzer von Gegenständen, die die zu 1. bezeichnete
Kennzeichnung tragen,
- der Namen und Anschriften gewerblicher Abnehmer oder Auftraggeber
solcher Gegenstände,
- der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten
vorbezeichneten Gegenstände,
- der nach Kalender- oder Geschäftsjahren gegliederten Umsätze sowie
- der betriebenen Werbung, aufgegliedert nach Werbeträgern und unter
Angabe von deren Auflage, Verbreitungszeitraum und
Verbreitungsgebiet.
II.
Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen
Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten Handlungen
entstanden ist und noch entstehen wird.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,- DM
vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte
Bürgschaft einer in Deutschland ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin
zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist Inhaberin der Marke X
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für die Waren "Hähne als Teile von Heizungsanlagen", die sie am 30.1.1991 anmeldete
und die am 25.5.1992 eingetragen wurde.
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Sie vertreibt seit 1990 Kugelhähne aus Rotguß unter der Bezeichnung "X" für
Heizungsanlagen und behauptet insoweit stetig steigende Umsätze von 1,2 Mio. im
Jahre 1991 bis 6,8 Mio. im Jahre 1995 getätigt zu haben.
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Nachdem die Klägerin zunächst als einziges Unternehmen auf dem deutschen Markt
Kugelhähne für Heizungsanlagen angeboten und vertrieben hat, sind ab 1994 weitere
Anbieter auf den Markt gekommen, die ihre Kugelhähne unter der Bezeichnungen "X",
"X", "X" und "X" vertreiben.
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Der Beklagte bringt Kugelhähne aus Messing für Heizungsanlagen unter der
Bezeichnung "X" in Verkehr. Daneben benutzt er beim Angebot und Vertrieb seiner
Kugelhähne die Bezeichnung "X" in Verbindung mit den Buchstaben "X" für
Kugelhähne für Heizungsanlagen, "X" für Kugelhähne ohne Schwerkraftbremse für
Pumpenanlagen und "X" für Kugelhähne mit Schwerkraftbremse für Pumpenanlagen;
diese Zusätze werden auch von der Klägerin ihrer Bezeichnung "X" hinzugefügt.
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Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte verletze ihre Kennzeichenrechte, da
Verwechslungsgefahr bestehe. Sie behauptet, er benutze die Bezeichnung "X" auch in
Alleinstellung ohne "X", im übrigen sei "X" Serienzeichen und mithin bei Prüfung der
Verwechslungsgefahr unbeachtich.
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Sie beantragt,
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zu erkennen, wie geschehen.
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Der Beklagte bittet um Klageabweisung.
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Er ist der Ansicht, daß keine Verwechslungsgefahr bestehe. Er benutze "X" nur
zusammen mit der Bezeichnung "X" als Gesamtbezeichnung und nicht in Alleinstellung.
Es bestehe auch keine Warenidentität, da seine Kugelhähne aus Messing, die der
Klägerin aus Rotguß bestehen, was für den Verkehr, insbesondere den Fachmann,
entscheidend sei. Die Bezeichnung spiele bei der Auswahl keine entscheidende Rolle.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist begründet, weil der Beklagte durch die Verwendung der Bezeichnung "X"
die Markenrechte der Klägerin verletzt. Der Beklagte verwendet die Bezeichnungen "X"
auch in Alleinstellung lediglich mit den nicht kennzeichnenden, beschreibenden
Buchstabenzusätzen "X"; "X" und "X" und nicht etwa ausschließlich zusammen mit "X".
Das ergibt sich ohne weiteres aus dem als Anlage K 10 überreichten Prospektmaterial.
Zwischen der Klagemarke "X" und der angegriffenen Bezeichnung "X" besteht
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Verwechslungsgefahr.
I.
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Verwechslungsgefahr für den angesprochenen Verkehrskreis kann sich nach § 14 Abs.
2 Nr. 2 MarkenG wegen der Identität oder Ähnlichkeit des angegriffenen Zeichens mit
der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen
gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen ergeben. Sind die Waren oder
Dienstleistungen identisch, kommt es entscheidend auf den Grad der Ähnlichkeit der
Marken an (vgl. Amtl. Begr., BT-Drs. 12/6581, S. 71, r.Sp.u., S. 74). Dabei sind als
relevante Gesichtspunkte auch die Stärke oder Schwäche der geschützten Marke sowie
im Rahmen der Prüfung der Ähnlichkeit der beiderseitigen Produkte die
Herstellungsbetriebe und auch die Vertriebswege der jeweiligen Waren oder
Dienstleistungen zu berücksichtigen (a.a.O., S. 72, l. Sp.o.). Alle genannten
Bestimmungsfaktoren beeinflussen wechselseitig die Verwechslungsgefahr.
Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum alten Recht kann also
bei Waren- und Dienstleistungsidentität die Ähnlichkeit der Zeichen und/oder die
Kennzeichnungskraft der geschützten Marke regelmäßig geringer sein, als sie bei
bloßer Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sein müßte (vgl. etwa BGH, GRUR
1991, 609 (611) - SL; GRUR 1993, 118 (119) - Corvaton/Corvasal; GRUR 1993, 972
(975) - Sana/Schosana; GRUR 1995, 50 (51) - Indorektal/Indohexal).
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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze besteht zwischen der Klagemarke und dem
angegriffenen Zeichen Verwechslungsgefahr, da bei normaler bis gesteigerter
Kennzeichnungskraft der Klagemarke und identischen Waren kennzeichenrechtliche
Ähnlichkeit zwischen den Zeichen besteht.
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Die Bezeichnung "X" hat normale, wenn nicht sogar aufgrund der geschilderten
Marktsituation gesteigerte Kennzeichnungskraft.
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Die Waren sind identisch. Die Frage aus welchem Material die Kugelhähne sind, ist für
die Frage der Verwechslungsgefahr nicht entscheidend, da sie dieselben Funktionen
haben und von denselben Verkehrskreisen gekauft werden.
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Es besteht auch kennzeichenrechtliche Ähnlichkeit zwischen den Bezeichnungen "X"
und "X". Das gilt vornehmlich bei klanglicher aber auch bei bildlicher
Betrachtungsweise, wobei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
Übereinstimmung bereits in einer Hinsicht ausreichen würde (BGHZ 21, 320 (324) -
Quick/Glück; BGH, GRUR 1990, 367 (368) - Alpi/Alpa Moda). Entscheidend ist insoweit
der Gesamteindruck, den der Verkehr von den zu vergleichenden Bezeichnungen
gewinnt, wobei zu beachten ist, daß ihm die Bezeichnungen regelmäßig nicht
gleichzeitig gegenübertreten und oft nur flüchtig wahrgenommen werden, so daß sich
die Verkehrsauffassung regelmäßig nur aufgrund eines undeutlichen
Erinnerungseindrucks bildet. Für diesen sind erfahrungsgemäß die Übereinstimmungen
stärker prägend als die Unterschiede (etwa: BGH, GRUR 1993, 972 (974) -
Sana/Schosana).
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Im Schriftbild stimmen die beiden Bezeichnungen "X" und "X" in der Silbenzahl und in
den Vokalen überein; in beiden kommen die Buchstaben X und X vor. Hinzu kommen
die im Verkehr bedeutsameren klanglichen Übereinstimmungen. Für beide Zeichen ist
die Vokalfolge prägend. Die Worte enden gleich und werden gleich betont. Die
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Konsonantenfolge ist zwar unterschiedlich, aber auch hier zeigen sich Ähnlichkeiten.
Zurecht weist die Klägerin darauf hin, daß das anlautende "X" sich ähnlich anhört wie
das "X" und daß die weichen Konsonanten "X" und "X" zu Beginn der zweiten Silbe
sich nur wenig unterscheiden.
Dagegen treten die vom Beklagten hervorgehobenen Unterschiede in Buchstabenfolge,
-zahl, -form, Wortsymmetrie und Sinngehalt im Hinblick auf die deutlichen
Übereinstimmungen nach den oben aufgezeigten Grundsätzen zurück.
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Eine Verwechslungsgefahr ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die
verbleibenden klanglichen Unterschiede vom Verkehr deshalb schneller erfaßt werden,
weil beiden Bezeichnungen ein für jedermann verständlicher Sinngehalt zukommt (vgl.
BGH, GRUR 1992, 130 (132) - Bally/Ball). Ein eindeutiger Sinngehalt ist den
Bezeichnungen gerade nicht zu entnehmen. So kann man bei "X" an das Wort "X" oder
an das Wort "X" denken, während sich hinter "X" das Wort "X" oder aber ein Synonym
für "X" bzw. "X" verbergen könnte. Beide Bezeichnungen sind eher abstrakt und haben
keinen für jedermann verständlichen Sinngehalt.
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II.
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1.
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Da der Beklagte das Verwechslungsgefahr begründende Zeichen "X" benutzt, ist er
gegenüber der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet, § 14, Abs. 5 MarkenG.
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2.
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Der Beklagte ist außerdem gegenüber der Klägerin zur Schadensersatzleistung
verpflichtet, § 14, Abs. 6 MarkenG. Als Wettbewerber hätte er bei Anwendung der im
Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen könne, daß das von ihm benutzte Zeichen
Verwechslungsgefahr mit der Klagemarke hervorruft.
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Da es hinreichend wahrscheinlich ist, daß der Klägerin durch die rechtsverletzenden
Handlungen des Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin jedoch
noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden
Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im einzelnen kennt, ist ein
rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der
Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.
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3.
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Außerdem ist der Beklagte zur Rechnungslegung verpflichtet, damit die Klägerin in die
Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch beziffern zu können,
§ 242 BGB. Denn die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die
sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr
verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
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IV.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.
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Der Streitwert beträgt 500.000,- DM.
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