Urteil des LG Düsseldorf vom 15.05.2003

LG Düsseldorf: angemessene entschädigung, werkzeug, patentanspruch, erfindung, schadenersatz, nichtigkeitsklage, form, zusammenwirken, rechnungslegung, steg

Landgericht Düsseldorf, 4 O 256/02
Datum:
15.05.2003
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 O 256/02
Tenor:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
III.
Das Urteil ist für die Beklagte wegen der Kosten gegen Sicher-
heitsleistung von 12.500,-- EUR vorläufig vollstreckbar. Die Be-klagte
darf die Sicherheit auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer
in der Bundesrepublik Deutschland ansässi-gen Großbank oder
öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbringen.
IV.
Der Streitwert wird auf 300.000,-- EUR festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung unter anderem für die
Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 ####2, das auf einer am
20. Oktober 1993 veröffentlichten Anmeldung vom 2. April 1993 beruht und dessen
Erteilung am 26. Juli 1995 bekanntgemacht worden ist. Das Klagepatent betrifft ein
topfförmiges Gefäß mit Deckel. Nach Durchführung eines Einspruchsverfahrens hat der
– im vorliegenden Rechtsstreit allein interessierende – Patentanspruch 1 folgende
Fassung erhalten:
2
"Topfförmiges Gefäß, insbesondere Eimer (1), mit einem Deckel (6), dessen Rand
(5) mit einem an dem Gefäßrand (3) angeformten und nach außen hin
vorstehenden Befestigungsflansch (4) oder dergleichen rastend verbindbar ist,
3
wobei in der Raststellung des Deckels (6) eine an dessen umlaufenden Rand (5)
angeformte, nach innen vorstehende Leiste (13) satt und dichtend um die
Außenkante (18) des Befestigungsflansches (4) herumgreift und an dem Gefäßrand
(3) mindestens ein Werkzeug (14) zum Lösen des Deckels (6) angeordnet ist,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t ,
4
dass als Werkzeug eine an dem Gefäßrand (3) angelenkte Lasche (14) vorgesehen
ist, die durch eine Schwenkbewegung aus einer dem Gefäß nahen Sperrstellung
nach außen den Deckelrand (5) in diesem Bereich nach außen über die
Außenkante (18) hinweg in eine freigebende Lösestellung anhebt, wobei die mit
der Leiste (13) zusammenwirkende Wirkfläche (Außenseite 21) der Lasche (14) in
deren Sperrstellung vom Drehpunkt (Filmscharnier 15) der Lasche (14) fort von der
Längsachse des Gefäßes beabstandet ist und wobei mindestens die eine der
beiden den jeweils benachbarten Stirnkanten (26) der beiden Enden des
Befestigungsflansches (4) gegenüberstehenden Kanten (25) der Lasche (14) mit
dem zugehörigen Flanschende (26) über dünnwandige, als Originalitäts-Verschluß
dienende und damit leicht abreißbare Kunststoffstege (27) oder einen
durchgehenden Kunststofffilm verbunden ist."
5
Die nachfolgenden Abbildungen (Figuren 4 bis 6 der Klagepatentschrift) verdeutlichen
den Erfindungsgegenstand anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels.
6
Die Beklagte vertreibt Kunststoffeimer, deren nähere Ausgestaltung sich aus dem von
der Klägerin als Anlage K 6 überreichten Musterstück ergibt. Sie ist außerdem Inhaberin
des am 8. Oktober 2001 angemeldeten deutschen Patents 101 DE ####1, dessen
Patentanspruch 1 wie folgt lautet:
7
"Behälter mit einer nach oben weisenden Öffnung (12), an deren Rand ein
umlaufender Flansch (14) vorgesehen ist, der zur Aufnahme eines Deckels (30)
zum Verschließen des Behälters (10) vorzugsweise durch Verrasten ausgebildet
ist, wobei der Flansch (14) in zumindest einem Bereich von einem Werkzeug (20)
unter Bildung zweier Flanschenden (68, 70) unterbrochen ist, das eine an dem
Behälter (10) an einem ersten Scharnier (24) angelenkte Lasche (22) aufweist, die
derart angeordnet ist, dass ein aufgesetzter Deckel (30) durch eine Verschwenkung
der Lasche (22) nach außen im Bereich des Werkzeugs (20) parziell anhebbar ist,
um ein Öffnen des Deckels (30) zu erleichtern,
8
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t ,
9
dass die Lasche (22) von einem Sicherungshebel (23) umschlossen ist, der
gegenüber der Lasche (22) und den beiden Flanschenden (68, 70) verschwenkbar
an der Wandung (13) des Behälters (10) an zweiten Scharnieren (43, 44)
aufgenommen ist, die gegenüber dem ersten Scharnier (24) nach unten in Richtung
zum Boden (15) des Behälters (10) hin versetzt angeordnet sind, und dass der
Sicherungshebel (23) über mindestens ein Indikatorelement (25, 27), vorzugsweise
über mindestens einen Abrißsteg, mit der Lasche (22) verbunden ist, um eine
erstmalige Relativbewegung zwischen Sicherungshebel (23) und Lasche (22)
anzuzeigen.”
10
Die nachstehenden Abbildungen (Figuren 1, 3 bis 6) zeigen eine bevorzugte
11
Ausführungsform der Erfindung.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die angegriffenen Kunststoffeimer wortsinngemäß
von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch machen. Mit ihrer Klage nimmt
sie die Beklagte deshalb auf Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigung und
Schadenersatz in Anspruch.
12
Die Klägerin beantragt,
13
I.
14
die Beklagte zu verurteilen,
15
1.
16
es bei Meidung der (näher bezeichneten) Ordnungsmittel zu unterlassen,
17
Eimer mit einem Deckel, dessen Rand mit einem am Eimerrand angeformten
und nach außen hin vorstehenden Befestigungsflansch rastend verbindbar ist,
wobei in der Raststellung des Deckels eine an dessen umlaufenden Rand
angeformte, nach innen vorstehende Leiste satt und dichtend um die
Außenkante des Befestigungsflansches herumgreift,
18
gewerbsmäßig zu verwenden,
19
bei denen am Eimerrand eine Lasche verschwenkbar angelenkt ist, welche
durch eine Schwenkbewegung aus einer dem Eimer nahen Sperrstellung
nach außen den Deckelrand in diesem Bereich nach außen über die
Außenkante hinweg in eine freigebende Lösestellung anhebt, wobei sich die
mit dem Deckel zusammenwirkende Wirkfläche der Lasche in einem Abstand
vom Eimerrand befindet und die beiden Stirnkanten des Eimerrandes mit den
ihnen gegenüberliegenden Seitenrändern der Lasche durch abbrechbare
Stege verbunden sind, wobei der Eimerrand an beiden Seiten im Abstand von
der Lasche Einschnitte aufweist und unterhalb der Lasche durch einen Steg
weitergeführt ist;
20
2.
21
ihr (der Klägerin) Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem
Umfang sie (die Beklagte) die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 26.
August 1995 vorgenommen hat, und zwar unter Angabe der Anzahl der
bezogenen Eimer, deren Lieferzeiten und Lieferpreise sowie der Anzahl der
vertriebenen Behältnisse;
22
II.
23
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr (der Klägerin) für die zu I. 1.
bezeichneten, in der Zeit vom 20. November 1993 bis 19. November 2000
begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen und
ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr (der Klägerin) durch die zu I. 1.
bezeichneten, seit dem 20. November 2000 begangenen Handlungen
24
entstanden ist und noch entstehen wird.
Die Beklagte beantragt,
25
die Klage abzuweisen.
26
Mit Rücksicht auf eine gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage (1 Ni ####3)
bittet sie hilfsweise darum, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Erledigung des
Nichtigkeitsverfahrens auszusetzen.
27
Sie bestreitet den Verletzungsvorwurf und führt hierzu aus: Abrissstege seien bei dem
angegriffenen Eimer ausschließlich zwischen der Lasche und dem Sicherungshebel
vorhanden, wobei der Letztere nicht Teil des Befestigungsflansches sei. Infolge dessen
könne keine Rede davon sein, dass die Kunststoffstege – wie vom Klagepatent
gefordert – die Außenkanten der Lasche mit den zugehörigen Flanschenden des
Befestigungsflansches verbinden. Soweit an den Außenseiten des Sicherungshebels
Fortsätze angeordnet seien, handele es sich um bloße Rastnasen, die – dies ist
unstreitig – nicht an die benachbarten Enden des Befestigungsflansches angeschlossen
seien. Eine äquivalente Benutzung des Klagepatents scheide unter den gegebenen
Umständen gleichfalls aus. Sicherungshebel und Lasche könnten gemeinsam
jedenfalls in einem gewissen Umfang (der zum Öffnen des Eimers ausreiche)
angehoben werden, ohne dass die Abrissstege (Indikatorelemente) beschädigt würden.
Ein Originalitätsverschluß, wie ihn das Klagepatent lehre, sei deshalb nicht gegeben.
Das Vorsehen eines gesonderten Sicherungshebels sei überdies für einen
Durchschnittsfachmann auf der Grundlage des Klagepatents auch nicht naheliegend
gewesen. Dies zeige bereits die Tatsache, dass auf die angegriffene Ausführungsform
in Würdigung des Klageschutzrechts ein eigenes Patent (DE 101 DE ####1) erteilt
worden sei. In jedem Fall werde jedoch die anhängige Nichtigkeitsklage zum Erfolg
führen, weshalb der Rechtsstreit hilfsweise zumindest auszusetzen sei.
28
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der
Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
29
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
30
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
31
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung,
Rechnungslegung, Entschädigung und Schadenersatz nicht zu, weil der angegriffene
Kunststoffeimer keinen Gebrauch von der technischen Lehre des Klagepatents macht.
32
I.
33
Das Klagepatent betrifft ein – insbesondere als Eimer ausgestaltetes – topfförmiges
Gefäß mit einem Deckel und einem am Gefäßrand angeordneten Werkzeug zum Lösen
des Deckels aus einer Rast- bzw. Sperrstellung in eine Lösestellung.
34
Nach den Erläuterungen der Klagepatentschrift kann bei topfförmigen Gefäßen im
Allgemeinen der Deckel an seinem unteren Rand erfasst und von dem Rand des
Gefäßes abgezogen werden. Hierbei bestehen die konträren Bedingungen, dass sich
der Deckel einerseits mit noch vertretbarem Kraftaufwand öffnen lassen muß, und dass
35
andererseits ein hinreichend fester Veschluß des Gefäßes gewährleistet zu sein hat.
Ferner besteht zunehmend das Bedürfnis, die Behältnisse mit einem Originalitäts-
Verschluß zu versehen, der anzeigt, ob das Behältnis bereits geöffnet worden ist oder
nicht.
Ausgehend hiervon stellt sich das Klagepatent die Aufgabe, sowohl einen intensiven
Verschluß zwischen Gefäßrand und Deckel zu gewährleisten als auch ein leichtes
Abheben des Deckels vom Gefäßrand zu ermöglichen. Gleichzeitig soll der Verschluß
mit einer einfachen und effektiven Originalitäts-Sicherung ausgestattet sein.
36
Zur Lösung dieser technischen Probleme sieht Patentanspruch 1 die Kombination
folgender Merkmale vor:
37
1. Topfförmiges Gefäß, insbesondere Eimer (1), mit einem Deckel (6).
38
39
2. An dem Gefäßrand (3) ist
40
41
a. ein Befestigungsflansch (4) oder dergleichen angeformt, der nach außen hin
vorsteht,
b. sowie mindestens ein Werkzeug (14) zum Lösen des Deckels (6).
42
43
3. Am umlaufenden Rand (5) des Deckels (6) ist eine Leiste (13) angeformt, die nach
innen vorsteht.
44
45
4. In der Raststellung des Deckels (6) umgreift die Leiste (13) satt und dichtend die
Außenkante (18) des Befestigungsflansches (4).
46
47
48
5. Als Werkzeug zum Lösen des Deckels (6) ist eine Lasche (14) vorgesehen, die am
Gefäßrand (3) angelenkt ist.
49
6. Die Lasche (14) hebt durch eine Schwenkbewegung aus einer dem Gefäß (1)
nahen Sperrstellung nach außen den Deckelrand (5) in diesem Bereich nach
außen über die Außenkante (18) des Befestigungsflansches (4) hinweg in eine
freigebende Lösestellung an.
50
51
7. Die mit der Leiste (13) zusammenwirkende Wirkfläche (Außenseite 21) der Lasche
(14) ist in deren Sperrstellung vom Drehpunkt (Filmscharnier 15) der Lasche (14)
fort von der Längsachse des Gefäßes (1) beabstandet.
52
53
8. Das Gefäß (1) besitzt einen Originalitätsverschluß.
54
55
9. Der Originalitätsverschluß wird gebildet aus dünnwandigen, leicht abreißbaren
Kunststoffstegen (27) oder einem durchgehenden Kunststofffilm.
56
57
10. Die Kunststoffstege (27) bzw. der Kunststofffilm verbinden
58
59
a. mindestens eine der beiden Kanten (25) der Lasche (14), die den jeweils
benachbarten Stirnkanten (26) der beiden Enden des Befestigungsflansches (4)
gegenüberstehen,
b. mit dem zugehörigen Flanschende (26) des Befestigungsflansches (4).
60
61
II.
62
Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Klagepatents
keinen Gebrauch. Mit Recht steht die Beklagte auf dem Standpunkt, dass es an dem
Merkmal (10) fehlt, wonach die gegenüberliegenden Kanten einer als
Öffnungswerkzeug dienenden Lasche einerseits und die Stirnkanten des
Befestigungsflansches andererseits über als Originalitätsverschluß dienende
Kunststoffstege verbunden sein sollen.
63
1.
64
Wie das von der Klägerin selbst vorgelegte Musterstück (Anlage K 6) beweist, befinden
sich dünnwandige, verschiedene Bauteile des Eimers verbindende und demgemäß
potenziell als Originalitätsverschluß wirkende Kunststoffstege ausschließlich zwischen
den Seitenkanten der Lasche und den benachbarten Schenkeln des Sicherungshebels.
Die Außenkanten des Sicherungshebels ihrerseits sind lediglich mit Rastnasen
versehen, die zwar eine Arrettierung des Sicherungshebels hinter der Rückseite des
Befestigungsflansches erlauben, die jedoch keine abreißbare Verbindung zwischen
dem Sicherungshebel und den benachbarten Stirnkanten des Befestigungsflansches
herstellen. Im Wortsinn des Merkmals (10) könnte deshalb nur dann davon die Rede
sein, dass die Kunststoffstege die Lasche einerseits mit den Enden des
Befestigungsflansches andererseits verbinden, wenn der Sicherungshebel (d.h.
genauer seine in der Längsachse des Gefäßes verlaufenden Schenkel) als Teile des
Befestigungsflansches angesehen werden könnten. Dies ist jedoch – wie die Beklagte
zu Recht bemerkt – nicht der Fall. Wie sich aus den Merkmalen (2 a) und (4) ergibt,
zeichnet sich der erfindungsgemäße Befestigungsflansch dadurch aus, dass er
65
am Gefäßrand angeformt ist,
nach außen hin vorsteht
und eine Außenkante besitzt, die in der Raststellung des Deckels von der
Deckelleiste satt und dichtend umgriffen wird.
66
67
Als "Befestigungsflansch" können in Anbetracht dessen bei der angegriffenen
Ausführungsform nur diejenigen Teile betrachtet werden, die eben diesen
Anforderungen gerecht werden, das heißt insbesondere eine Außenkante aufweisen,
welche im Zusammenwirken mit der Leiste des Deckels den geforderten (satten und
dichten) Rasteingriff herstellen. Mit Blick auf die Seitenschenkel des Sicherungshebels
lässt sich dies nicht bejahen. Anders als die ihm benachbarten Bereiche verfügt der
Sicherungshebel selbst nicht über eine Rastkante, die im Zusammenwirken mit der
Leiste des Deckels den Verschluß des Behälters herbeiführt. Dort, wo sich jenseits des
Sicherungshebels die Rastkante des Befestigungsflansches befindet, springt der
Sicherungshebel in seinem Verlauf zurück, was zur Folge hat, dass in diesem Bereich
keine satte und dichte Verrastung zwischen der Deckelleiste und dem Eimerrand
68
stattfinden kann.
2.
69
Dafür, dass die bei der angegriffenen Ausführungsform gegebene Abwandlung vom
Anspruchswortlaut unter Äquivalenzgesichtspunkten in den Schutzbereich des
Klagepatents einzubeziehen ist, hat die Klägerin – trotz der Hinweise und Erörterungen
im Verhandlungstermin vom 22. April 2003 – nichts Stichhaltiges vorgetragen.
70
a)
71
Zwar spricht vieles dafür, dass die angegriffene Ausführungsform dieselben Wirkungen
wie die patentgemäße Lösung erzielt. Mit Blick auf den Originalitätsverschluss bestehen
sie in Folgendem: Wenn die Lasche (14) nach außen geschwenkt wird, reißen die
Kunststoffstege (27) ab. Dieses Abreißen ist ein effektiver Nachweis dafür, dass die
Lasche (14) aus ihrer Ruhestellung verschwenkt worden ist und somit die Vermutung
besteht, dass der Deckel (6) – gegebenenfalls in unbefugter Weise – von dem
Eimerrand (3) abgehoben wurde. Umgekehrt lässt eine Unversehrtheit der Stege (27)
darauf schließen, dass ein – gegebenenfalls unerlaubtes – Abheben des Eimerdeckels
(6) nicht stattgefunden hat und der Eimer folglich noch originalverpackt ist. Die bei der
angegriffenen Ausführungsform gewählte Konstruktion eines Öffnungswerkzeuges in
Form einer Lasche (22), die von einem U-förmigen Sicherungshebel (23) umgeben ist,
wobei zwischen dem Sicherungshebel (23) und der Lasche (22) Abrissstege (25, 27)
angeordnet sind, hat exakt dieselbe Wirkung. Durch die Abrissstege (25, 27), d.h. deren
Versehrtheit oder Unversehrtheit, kann eine mögliche Bewegung des
Öffnungswerkzeuges erkannt werden. Zu einem Abreißen der Kunststoffstege führt
dabei
72
sowohl eine Bewegung des Sicherungshebels (23), und zwar unabhängig davon,
ob sie nach innen oder außen in Bezug auf die Längsachse des Eimers erfolgt,
73
74
als auch eine Bewegung der Lasche (22) relativ zum Sicherungshebel (23),
75
76
als auch eine Bewegung von Lasche (22) und Sicherungshebel (23) gemeinsam,
jedenfalls dann, wenn die Bewegung in Bezug auf die Längsachse des Eimers
nach außen erfolgt.
77
78
Die in Bezug auf die letztgenannte Handhabungsvariante gegenteilige Auffassung der
Beklagten, dass die Lasche (22) zusammen mit dem Sicherungshebel (23) angehoben
werden kann, ohne dass es zu einem Abreißen der Kunststoffstege (25, 27) kommt, ist
nicht zutreffend. In der eigenen Patentschrift der Beklagten (Spalte 5 Zeilen 38 bis 51)
heißt es ausdrücklich:
79
"Sollte trotz entsprechender Öffnungshinweise auf dem Behälter in unerwünschter
Weise versucht werden, den Deckelrand (32) einfach durch gewaltsames
Hochreißen von Lasche (22) und Sicherungshebel (23) nach oben anzuheben, so
kann dies zwar grundsätzlich nicht vollständig ausgeschlossen werden, würde
jedoch einen erheblich größeren Kraftaufwand erfordern. Auch in diesem Fall
würde ein erstmaliges Öffnen der Lasche (22) dauerhaft angezeigt, da die zweiten
Scharniere (43, 44) unterhalb des ersten Scharniers (24) angeordnet sind und in
diesem Fall die Lasche und der Sicherungshebel infolge der Festlegung an
räumlich gegeneinander versetzten Scharnieren um unterschiedliche Winkel
verschwenkt werden, was somit gleichfalls zur Zerstörung der Indikatorelemente
führen würde."
80
Die zitierten Bemerkungen sind – wie auch das als Anlage K 6 vorgelegte Musterstück
zeigt – zutreffend. Die versetzte Lagerung der Lasche (22) einerseits und des
Sicherungshebels (23) andererseits bewirkt zwingend, dass die beiden Elemente sich
bei einer Auslenkung nach außen um räumlich voneinander beabstandete Drehachsen
bewegen. Dies wiederum führt bereits bei einer relativ geringen Auslenkung von Lasche
und Sicherungshebel dazu, dass sich ein Versatz zwischen denselben derart bildet,
dass die Befestigungspunkte der Kunststoffstege (25, 27) an der Lasche (22) einerseits
und dem Sicherungshebel (23) andererseits nicht mehr fluchten. Folge dessen ist, dass
es unweigerlich zu einem Abreißen der Kunststoffstege zwischen Lasche (22) und
Sicherungshebel (23) kommt.
81
Bei der gegebenen Sachlage besteht eine Vermutung dahingehend, dass bei gänzlich
unversehrten Kunststoffstegen zwischen Lasche und Sicherungshebel der Eimer noch
nicht geöffnet worden ist. Im umgekehrten Fall, d.h. bei beschädigten Abrisselementen,
kann demgegenüber nicht zwingend darauf geschlossen werden, dass der Eimer
geöffnet wurde. Die Kunststoffstege können nämlich, ohne dass der Deckel abgehoben
wurde, auch allein deshalb zerrissen sein, weil der Sicherungshebel (23) relativ zur
Lasche (22) nach innen verschwenkt worden ist. Der Wirkung als Originalitätsverschluß
steht dieser Umstand indessen nicht entgegen. Auch beim Gegenstand der Erfindung
des Klagepatents können die Kunststoffstege beschädigt werden, ohne dass der Eimer
geöffnet worden ist, z.B. dadurch, dass die Lasche in Bezug auf die Längsachse des
Eimers nach innen gedrückt wird. Der Zweck eines Originalitätsverschlusses besteht
auch nicht darin, in jedem Fall sicher erkennen zu können, ob der Eimer bereits geöffnet
worden ist oder nicht; es geht vielmehr darum, optisch (anhand der intakten
Kunststoffstege) zuverlässig feststellen zu können, dass ein betreffender Eimer noch
nicht geöffnet wurde. Diese Feststellung (die auch nur potenziell geöffnete Eimer
ersichtlich macht) erlaubt – in gleicher Weise wie der unmittelbare Gegenstand des
Klagepatents – auch die angegriffene Ausführungsform.
82
b)
83
Das Klagevorbringen lässt demgegenüber nicht die Erkenntnis zu, dass es einem
durchschnittlichen Fachmann anhand der Klagepatentschrift möglich gewesen ist, die
84
bei der streitbefangenen Ausführungsform verwirklichte Abwandlung des Merkmals (10),
bei der zwischen der Lasche (22) und einem Sicherungshebel (23) dünnwandige, als
Originalitätsverschluß dienende Kunststoffstege angeordnet sind, aufzufinden.
Gegen ein Naheliegen spricht bereits der Umstand, dass das Deutsche Patent- und
Markenamt in Kenntnis und Würdigung des Klagepatents auf die angegriffene
Ausführungsform ein eigenes Patent erteilt hat, dessen kennzeichende Merkmale sich in
derjenigen Abwandlung erschöpfen, welche die Äquivalenz ausmachen. Neben dem
Vorhandensein eines Sicherungshebels und dessen Verbindung mit der Lasche über
Kunststoffstege gehört hierzu auch die Anordnung der Scharniere von Lasche und
Sicherungshebel in unterschiedlichen Ebenen. Auch die letztgenannte Maßnahme ist
unverzichtbar, weil ohne diese Anordnung der Scharniere nicht gewährleistet wäre,
dass bei einem Verschwenken von Lasche und Sicherungshebel gemeinsam die
Kunststoffstege zerreißen.
85
In Übereinstimmung mit dem Erteilungsbeschluss ist auch in der Sache nicht zu
erkennen, aufgrund welcher naheliegender Überlegungen, die an der in der
Klagepatentschrift beschriebenen Erfindung anknüpfen, der Fachmann zu der
streitgegenständlichen Abwandlung gelangen sollte. Zwar wird der Fachmann
prinzipiell Überlegungen dazu anstellen, wie er unter Beibehaltung der
erfindungsgemäßen Vorteile aus dem Anspruchswortlaut des Klagepatents
hinausgelangen kann. Er wird dabei möglicherweise auch in Erwägung ziehen,
zwischen der Lasche und den Enden des Befestigungsflansches ein zusätzliches
Bauteil einzufügen, weil er auf diese Weise vermeidet, dass die Kunststoffstege die
Lasche mit dem Befestigungsflansch (unmittelbar) verbinden. Eine solche Lösung wäre
indessen nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen tauglich:
86
Zum einen dann, wenn die Zwischenteile (z.B. in Form von in der Längsachse des
Eimers verlaufenden Streifen) in sich derart starr und unbeweglich wären, dass sie bei
einem Verschwenken der Lasche nach außen von dieser nicht mitgenommen würden.
In einem derartigen Fall würden die Kunststoffstege zerreißen und damit der
Originalitätsverschluß sichtbar betätigt, wenn die Lasche relativ zur Längsachse des
Eimers nach außen verschwenkt würde. Dass bei der angegriffenen Ausführungsform
mit Blick auf die Seitenschenkel des Sicherungshebels eine starre Anordnung im
genannten Sinne gegeben ist, behauptet die Klägerin selbst nicht und ist anhand des
überreichten Musterstücks auch nicht ersichtlich.
87
Zum Zweiten wäre denkbar, die Kunststoffstreifen zwischen Lasche und
Befestigungsflansch zwar nicht starr, dafür die Kunststoffstege jedoch derart dünn
auszubilden, dass sie bei einer Bewegung der Lasche in jedem Fall zerreißen. Dass
solche Verhältnisse bei der angegriffenen Ausführungsform gegeben sind, gibt das
Vorbringen der Klägerin gleichfalls nicht her. Im übrigen ist fraglich, ob die besagte
Lösung gegebenenfalls deshalb ungeeignet ist und vom Fachmann deswegen nicht
ernstlich in Betracht gezogen würde, weil besonders dünn ausgebildete Kunststoffstege
allzu leicht zerstört werden könnten, z.B. bereits beim normalen Transport des Eimers
oder dergleichen, so dass übermäßig oft zu Unrecht eine Betätigung des
Originalitätsverschlusses signalisiert würde, obwohl der Eimer tatsächlich nicht geöffnet
worden ist.
88
Bei der angegriffenen Ausführungsform wird eine Beschädigung der Kunststoffstege
beim gleichzeitigen Anheben von Lasche und Sicherungshebel offensichtlich dadurch
89
erzwungen, dass beide Bauteile in unterschiedlichen Ebenen angelenkt sind. Dass und
wie der Durchschnittsfachmann zu einer solchen Abwandlung gelangen soll, ist von der
Klägerin auch auf die Erörterungen im Verhandlungstermin vom 22. April 2003 hin nicht
erläutert worden. Es ist insbesondere nicht dargelegt, dass die Klagepatentschrift selbst
irgendwelche Anregungen in dieser Richtung enthält oder die bei der Abwandlung
realisierte Konstruktion als solche zum allgemeinen Wissen des
Durchschnittsfachmanns am Prioritätstag gehört hat.
3.
90
Das Vorbringen der Klägerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 7. Mai 2003 ist
verspätet und hat bei der Urteilsfindung außer Betracht zu bleiben (§ 296 a ZPO). Es
rechtfertigt auch keine Wiedereröffnung der ordnungsgemäß geschlossenen
mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO).
91
III.
92
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Anordnungen zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 709, 108 ZPO.
93