Urteil des LG Düsseldorf vom 14.02.2002

LG Düsseldorf: angemessene entschädigung, messung, streuung, anteil, distanz, anzeige, patentanspruch, fig, spiegel, verarbeitung

Landgericht Düsseldorf, 4 O 87/01
Datum:
14.02.2002
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 O 87/01
Sachgebiet:
Recht (allgemein - und (Rechts-) Wissenschaften PatG
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 9.500,-- EUR
vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte
Bürgschaft einer in Deutschland ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin
zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des am 4. Mai 1994 u.a. für die Bundesrepublik
Deutschland angemeldeten europäischen Patents X (Klagepatent, Anlage 1), dessen
Anmeldung am 20. März 1996 veröffentlicht und dessen Erteilung am 5. Februar 1997
bekannt gemacht wurde. Gegen das Klagepatent ist von dritter Seite Einspruch erhoben
worden, dem die Beklagte beigetreten ist (Anlage B 1). Das Klagepatent betrifft eine
Vorrichtung zur Distanzmessung. Der im vorliegenden Fall allein interessierende
Patentanspruch 2 hat folgenden Wortlaut:
2
"Vorrichtung zur Distanzmessung mit einem von einem Halbleiterlaser (10) erzeugten
sichtbaren Messstrahlenbündel (11), einem Kollimatorobjektiv (12) zur Kollimation des
Messstrahlenbündels (11) in Richtung der optischen Achse (13) des Kollimatorobjektivs,
einer Schaltungsanordnung zur Modulation der Messstrahlung, einem Empfangsobjektiv
(15) zur Aufnahme und Abbildung des an einem entfernten Objekt (16) reflektierten
Messstrahlenbündels (11) auf eine Empfangseinrichtung, einer schaltbaren
Strahlumlenkeinrichtung (28) zur Erzeugung einer internen Referenzstrecke zwischen
dem Halbleiterlaser (10) und der Empfangseinrichtung und einer elektronischen
Auswerteeinrichtung (25) zur Ermittlung und Anzeige der zum Objekt (16) gemessenen
Distanz, dadurch gekennzeichnet, dass die Empfangseinrichtung einen Lichtleiter (17’)
mit nachgeschaltetem opto-elektronischem Wandler (24) enthält, wobei die
Lichtleitereintrittsfläche (17) auf der optischen Achse (14) des Empfangsobjektivs (15) in
der Abbildungsebene für große Objektdistanzen angeordnet ist und zwischen dem
Empfangsobjektiv (15) und der Lichtleitereintrittsfläche (17) außerhalb der optischen
3
Achse (14) des Empfangsobjektivs (15) optische Mittel (36; 37; 38) vorgesehen sind, die
bei kürzeren Objektdistanzen die Abbildungsposition des Messstrahlenbündels (11) zur
optischen Achse (14) des Empfangsobjektivs (15) umlenken."
Die nachfolgenden Abbildungen (Figuren 1 bis 4 der Klagepatentschrift)
veranschaulichen den Erfindungsgegenstand anhand bevorzugter
Ausführungsbeispiele.
4
Die Beklagte vertreibt unter der Bezeichnung "S4xxxx M3 30" eine Vorrichtung zur
Distanzmessung. Die nähere Ausgestaltung der Messvorrichtung ergibt sich aus der
nachfolgend dargestellten, von der Klägerin gefertigten und mit Bezugszeichen
versehenen Abbildung (Anlage 7a/b).
5
Die Messvorrichtung verfügt über einen Halblaser (10), der einen modulierbaren
Messstrahl erzeugt, welcher mit Hilfe eines Objektives (12) gebündelt wird. Parallel zum
Halblaser ist ein Empfangsobjektiv (15) angeordnet. Hinter diesem befindet sich ein
zylindrischer Hohlkegel, der sich bis hin zu der sich anschließenden Empfangsfläche
eines Lichtleiters (17) verjüngt. Die Beklagte hat in der Sitzung vom 24. Januar 2001
eingeräumt, dass das Material dieses Hohlzylinders eine diffuse Streuung der
auftreffenden Lichtstrahlen - wie es die nachfolgend abgebildete Prinzipskizze (Anlage
8 Bl. 7) veranschaulicht - bewirkt.
6
Der mit einem opto-elektrischen Wandler versehene Lichtleiter ist seinerseits mit einer
elektronischen Einrichtung zur Ermittlung von Objektdistanzen (24) verbunden. Die
Messvorrichtung verfügt ferner über eine Einrichtung, die es ermöglicht, das vom
Halblaser erzeugte Messstrahlenbündel umzulenken und dadurch eine
Messreferenzstrecke zu erzeugen. Wie sich aus der von der Beklagten in der Sitzung
vom 24. Januar 2002 vorgelegten und in Bezug genommen mit der Messvorrichtung
vertriebenen Bedienungsanleitung (Anlage B 5 S. 15: "Selecting a Target") ergibt, sind
Messungen unterhalb einer Messdistanz von 0,2 Metern nicht möglich. Ferner ist es
notwendig, den Messpunkt mit einer besonderen Reflektorscheibe ("Standard Target")
zu präparieren, wenn das Messziel eine rauhe oder unebene Oberfläche aufweist.
7
Die Klägerin sieht durch den Vertrieb der Messvorrichtung "S4xxxx M3 30" ihre Rechte
aus dem Klagepatent als verletzt an und nimmt die Beklagte deshalb auf Unterlassung,
Rechnungslegung, Entschädigung und Schadensersatz in Anspruch.
8
Die Klägerin ist der Auffassung, bei dem vor der Eintrittsfläche angeordneten
zylindrischen Hohlkegel, der sich in Richtung zur Eintrittsfläche verjüngt, handle es sich
um ein erfindungsgemäßes optisches Umlenkmittel für kürzere Messobjektdistanzen.
Sie hat dazu in der Sitzung vom 24. Januar 2002 geltend gemacht: Es sei zwar richtig,
dass das Licht des Messstrahlenbündels mit hinreichender Intensität bzw. mit einer
bestimmten Mindestrate auf die Eintrittsfläche des Lichtleiters treffen müsse, um eine
Messung vornehmen zu können. Patentanspruch 2 verhalte sich aber nicht dazu, dass
eine Messung im gesamten Nahbereich von weniger als 2 Metern oder die Messung
von rauhen oder unebenen Flächen ohne Präparation des Messziels möglich sein
müsse. Im übrigen sei zu berücksichtigen, dass es auch von der Ausgestaltung der
Auswerteelektronik bzw. -schaltung abhänge, inwieweit mit einer Messvorrichtung im
Nahbereich gemessen werden könne.
9
Die Klägerin beantragt,
10
I.
11
die Klägerin zu verurteilen,
12
1.
13
es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,
14
Vorrichtungen zur Distanzmessung mit einem von einem Halbleiterlaser erzeugten
sichtbaren Messstrahlenbündel, einem Kollimatorobjektiv zur Kollimation des
Messstrahlenbündels in Richtung der optischen Achse des Kollimatorobjektivs, einer
Schaltungsanordnung zur Modulation der Messstrahlung, einem Empfangsobjektiv zur
Aufnahme und Abbildung des an einem entfernten Objekt reflektierten
Messstrahlenbündels auf eine Empfangseinrichtung, einer schaltbaren
Strahlumlenkeinrichtung zur Erzeugung einer internen Referenzstrecke zwischen dem
Halbleiterlaser und der Empfangseinrichtung und einer elektronischen
Auswerteeinrichtung zur Ermittlung und Anzeige der zum Objekt gemessenen Distanz,
15
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu
gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
16
bei denen die Empfangseinrichtung einen Lichtleiter mit nachgeschaltetem opto-
elektronischem Wandler enthält, wobei die Lichtleitereintrittsfläche auf der optischen
Achse des Empfangsobjektivs in der Abbildungsebene für große Objektdistanzen
angeordnet ist und zwischen dem Empfangsobjektiv und der Lichtleitereintrittsfläche
außerhalb der optischen Achse des Empfangsobjektivs optische Mittel vorgesehen sind,
die bei kürzeren Objektdistanzen die Abbildungsposition des Messstrahlenbündels zur
optischen Achse des Empfangsobjektivs umlenken;
17
2.
18
ihr darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie, die Beklagte, die zu 1.
bezeichneten Handlungen seit dem 20. April 1996 begangen hat, und zwar unter
Angabe - jeweils aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen -
19
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und
Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
20
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen
sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
21
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen
sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
22
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe,
Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
23
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und
des erzielten Gewinns,
24
wobei
25
- die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 5. März 1997 zu machen sind;
26
II.
27
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
28
1.
29
ihr für die zu I.1 bezeichneten, in der Zeit vom 20. April 1996 bis zum 4. März 1997
begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
30
2.
31
ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 5. März
1997 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
32
Die Beklagte beantragt,
33
1.
34
die Klage abzuweisen;
35
2.
36
hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Beendigung des gegen das
Klagepatent anhängigen Einspruchsverfahrens auszusetzen.
37
Die Beklagte hat in der Sitzung vom 24. Januar 2001 nicht mehr an ihrem
ursprünglichen Vorbringen festgehalten, bei der angegriffenen Messvorrichtung sei die
Lichtleitereintrittsfläche - anders als es die von der Klägerin als Anlage K 10 vorgelegte
Versuchsanordnung nahelegt - nicht in der Abbildungsebene für große Objektdistanzen
angeordnet und das Empfangsobjektiv diene nicht dazu, ein von einem entfernten
Objekt reflektiertes Messstrahlenbündel auf einer Empfangseinrichtung abzubilden. Sie
macht jedoch geltend: Zwischen dem Empfangsobjektiv und der Lichtleitereintrittsfläche
außerhalb der Achse des Empfangsobjektivs sei kein optisches Mittel vorgesehen, das
bei kürzeren Objektdistanzen die Abbildungsposition des Messstrahlenbündels zur
optischen Achse des Empfangsobjektivs umlenke, da bei der diffusen Streuung des
Lichtes so große Streuverluste aufträten, dass die letztlich auf der Eintrittsfläche des
Lichtleiters ankommende Lichtmenge nicht ausreiche, um Messungen vornehmen zu
können, die eine Distanz von weniger als 0,2 Metern beträfen oder bei denen der
Messpunkt eine ohne das sog. "Standard Target" präparierte rauhe oder unebene
Oberfläche darstelle.
38
Die Beklagte meint schließlich, das Klagepatent werde sich im anhängigen
Einspruchsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen, so dass zumindest ihr
hilfsweise gestellter Aussetzungsantrag gerechtfertigt sei. Zur Begründung verweist sie
auf ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren.
39
Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag entgegen.
40
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen
Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze und der mit ihnen vorgelegten Urkunden und
Anlagen Bezug genommen.
41
Entscheidungsgründe:
42
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten
Unterlassungs-, Rechnungslegungs-, Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche
nicht zu, da die angegriffene Messvorrichtung von der technischen Lehre des
Klagepatents keinen Gebrauch macht.
43
I.
44
Das Klagepatent betrifft nach dem Oberbegriff der unabhängigen Patentansprüche 1
und 2 eine
45
1.
46
Vorrichtung zur Distanzmessung mit
47
2.
48
einem von einem Halbleiterlaser (10) erzeugten sichtbaren Messstrahlenbündel (11),
49
3.
50
einem Kollimatorobjektiv (12) zur Kollimation des Messstrahlenbündels (11) in Richtung
der optischen Achse (13) des Kollimatorobjektivs (12),
51
4.
52
einer Schaltungsanordnung zur Modulation der Messstrahlung,
53
5.
54
einem Empfangsobjektiv (15) zur Aufnahme und Abbildung des an einem entfernten
Objekt (16) reflektierten Messstrahlenbündels (11) auf eine Empfangseinrichtung,
55
6.
56
einer schaltbaren Strahlumlenkeinrichtung (28) zur Erzeugung einer internen
Referenzstrecke zwischen dem Halbleiterlaser (10) und der Empfangseinrichtung
57
7.
58
und einer elektronischen Auswerteeinrichtung (25) zur Ermittlung und Anzeige der zum
Objekt (16) gemessenen Distanz.
59
Nach den einleitenden Darlegungen der Klagepatentschrift ist eine Vorrichtung dieser
Art mit der Bezeichnung "X" vorbekannt. Sie kann zur Distanzmessung von Objekten mit
60
natürlich rauher Oberfläche in einer Entfernung bis zu einigen 100 Metern verwendet
werden. Als nachteilig sieht die Klagepatentschrift allerdings die große emittierende
Oberfläche des Lasers an und kritisiert, dass infrarote und daher für das Auge nicht
sichtbare Messstrahlung verwendet wird, so dass zur Sichtbarmachung des
Messzielortes ein zusätzlicher Laser eingesetzt werden muss. Da Sende- und
Empfangsvorrichtung getrennt angeordnet sind, ist es ferner für Nahbereichsmessungen
unter 10 bis 15 Meter notwendig, eine zusätzliche Vorsatzlinse zu verwenden, um
Messungen vornehmen zu können, bei denen sich die Sende- und
Empfangsmessstrahlenbündel überdecken.
Aus der DE X ist ein Distanzmessgerät bekannt, welches ebenfalls mit getrennten
Sende- und Empfangsobjektiven arbeitet.
61
Ferner ist unter der Bezeichnung "D4x 22xx" ein Entfernungsmessgerät vorbekannt, das
mit zwei sichtbares Licht emittierenden Halblaserdioden arbeitet, bei dem aber zur
Erzielung großer Messreichweiten der Messziel mit einer Reflektorfolie versehen
werden muss.
62
Den weiteren Ausführungen der Klagepatentschrift zufolge besteht im Baugewerbe ein
Bedürfnis dafür, Distanzen bis zu 30 Metern auf rauhen Oberflächen ohne die
Notwendigkeit der zusätzlichen Präparation des Messzielortes mit besonderen
Reflektoren messen zu können. Um die geforderte Messgenauigkeit von 1 bis 2 mm zur
erreichen, muss die Divergenz (das Auseinanderstreben) des zu empfangenden
Messstrahlenbündels möglichst gering sein. Liegt eine nur geringe Divergenz vor,
kommt es allerdings bei getrennten Sende- und Empfangsoptiken zu einer für die
Durchführung der Messung notwendigen Überlappung des Empfangsstrahlenbündels
mit dem Sendestrahlenbündel erst ab einer Mindestdistanz von 1 bis 2 Metern.
63
Dem Klagepatent liegt vor diesem Hintergrund die Aufgabe zugrunde, mit einem stark
kollimierten sichtbaren Messstrahlenbündel, das im Nahbereich einen Durchmesser von
0,5 cm und im entfernten Grenzbereich einen Durchmesser kleiner als 1 bis 2 cm
ausweist, eine Distanzmessung zu natürlichen rauhen Oberflächen im gesamten
Distanzbereich von der Vorderkante des Messgerätes bis zu mindestens 30 Metern zu
ermöglichen, wobei die Genauigkeit der Messung im Millimeterbereich liegen soll.
64
Zur Lösung dieser Aufgabe sieht der kennzeichnende Teil des Patentanspruchs 2 die
Kombination folgender Merkmale vor:
65
8.
66
Die Empfangseinrichtung der Vorrichtung zu Distanzmessung enthält einen Lichtleiter
(17’) mit nachgeschaltetem opto-elektronischem Wandler (24),
67
8.1
68
wobei die Lichtleitereintrittsfläche (17) auf der optischen Achse (14) des
Empfangsobjektivs (15) in der Abbildungsebene für große Objektdistanzen angeordnet
ist und
69
8.2
70
zwischen dem Empfangsobjektiv (15) und der Lichtleitereintrittsfläche (17) außerhalb
der optischen Achse (14) des Empfangsobjektivs (15) optische Mittel (36; 37; 38)
vorgesehen sind, die bei kürzeren Objektdistanzen die Abbildungsposition des
Messstrahlenbündels (11) zur optischen Achse (14) des Empfangsobjektivs (15)
umlenken.
71
Der Klagepatentschrift zufolge ist die erfindungsgemäße Vorrichtung im Hinblick auf die
Divergenz des Messstrahlenbündels, die eng nebeneinander liegenden optischen
Abbildungssysteme und die Brennweiten der Objektive derart ausgestattet, dass
Messstrahlenbündel, die von einem mehr als 2 Meter entfernten Messobjekt reflektiert
werden, stets nahezu im Brennpunkt des Empfangsobjektivs abgebildet werden. Bei
kleineren Distanzen treffen die Messstrahlenbündel jedoch in einem immer größer
werdenden Winkel auf das Empfangsobjektiv, was dazu führt, dass sich der Brennpunkt
des Messflecks (zunehmend) längs und quer von der optischen Achse des
Empfangsobjektivs entfernt und daher nicht mehr auf die dort angeordnete Eintrittsfläche
des Lichtleiters fällt. Diese Abweichung wird gemäß Patentanspruch 2 korrigiert, indem
die schräg einfallenden Messstrahlenbündel mit Hilfe optischer Mittel zur Eintrittsfläche
des Lichtleiters umgelenkt werden. Als solche Mittel kommen etwa ein außerhalb der
optischen Achse und schräg zu diese angeordneter ebener Spiegel (vgl. Fig. 2 der
Klagepatentschrift), der aber auch leicht gekrümmt und streuend sein kann, oder ein als
refraktives Element dienendes Prisma (vgl. Fig. 3 der Klagepatentschrift) in Betracht,
wobei bei letzterem darauf zu achten ist, dass einerseits die von entfernteren Objekten
empfangene Strahlung nicht soweit abgelenkt wird, dass Intensitätsschwierigkeiten
auftreten, und dass andererseits ein ausreichender Anteil der schräg einfallenden
Messstrahlen in Richtung auf die Eintrittsfläche des Lichtleiters gelenkt wird.
72
II.
73
Die angegriffene Messvorrichtung macht von der technischen Lehre des Klagepatents
keinen Gebrauch. Das Vorbringen der Klägerin rechtfertigt nicht die tatrichterliche
Feststellung, dass die angegriffene Messvorrichtung über ein optisches Umlenkmittel im
Sinne des Merkmals (8.2) verfügt.
74
Dieses Merkmal befasst sich mit den nahen Messobjektdistanzen, die nach den
Ausführungen der Klagepatentschrift weniger als 2 Meter betragen. Es sieht vor, dass
zwischen dem Empfangsobjektiv und der Eintrittsfläche des Lichtleiters optische Mittel
angeordnet sind, die bei kürzeren Objektdistanzen die Abbildungsposition des
Messstrahlenbündels zur optischen Achse des Empfangsobjektivs umlenken.
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Diese Umlenkmittel sind notwendig, da Messstrahlenbündel, die von einem Messobjekt
mit geringem Abstand zur Messeinrichtung reflektiert werden, nicht mehr nahezu
parallel, sondern mit einem größeren Einfallswinkel auf die Empfangslinse treffen.
Solche Strahlenbündel werden von der Linse nicht mehr auf dem Brennpunkt der
optischen Achse des Empfangsobjektivs, sondern sowohl in Quer- als auch in
Längsrichtung versetzt dazu gebündelt und treffen daher nicht mehr auf die
Eintrittsfläche des Lichtleiters (vgl. dazu Sp. 4 Z. 23-29 der Klagepatentschrift). Um
dennoch kurze Objektdistanzen messen zu können, sieht Merkmal (8.2) daher vor, die
Abbildungsposition von Messstrahlenbündeln, die von nahen Messobjekten reflektiert
werden, mit Hilfe eines optischen Mittels zur optischen Achse des Empfangsobjektivs
und damit zur Eintrittsfläche des Lichtleiters umzulenken. Dazu müssen die optischen
Umlenkmittel naturgemäß außerhalb der optischen Achse des Empfangsobjektivs
76
liegen. Anderenfalls würden die Messungen entferntere Distanzen beeinträchtigt.
Bei der angegriffenen Ausführungsform ist – wie den Lichtbildabbildungen gemäß
Anlage 6 entnommen werden kann – unmittelbar vor der Eintrittsfläche des Lichtleiters
ein zylindrischer Hohlkegel angeordnet, der sich zur Eintrittsfläche (konisch) verjüngt.
Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, besitzt der
zylindrische Hohlkegel eine Materialoberfläche, die eine diffuse Streuung auftreffender
Lichtstrahlen bewirkt, bei der also zwischen dem Einfallswinkel des Lichtstrahls und
dem gestreuten Licht keine feste Beziehung besteht (vgl. die Darstellung gemäß Anlage
8 Bl. 7). Grundsätzlich kann auch ein solcher das Licht diffus brechende Hohlzylinder
ein optisches Umlenkmittel gemäß Merkmal (8.2) sein. Denn sowohl der
Anspruchswortlaut als auch die Patentbeschreibung stellen es in das Belieben des
Fachmanns, welche Materialien und Vorrichtungen er als Mittel zur Umlenkung
eintreffender Strahlenbündel einsetzt. Zudem hebt die Klagepatentschrift (in Sp. 9 Z. 17-
20) ausdrücklich hervor, dass der in Figur 2 dargestellte der Umlenkung eintreffender
Messstrahlenbündel dienende Spiegel auch leicht gekrümmt und streuend sein kann.
Entscheidend ist, dass die Messstrahlenbündel so umgelenkt werden, dass sie auf die
Eintrittsfläche des Lichtleiters (= Brennpunkt auf der optischen Achse) treffen und
anschließend in der Auswerteeinheit verarbeitet werden können. Tritt dieser Effekt ein,
spielt es für den Fachmann erkennbar keine Rolle, ob die Lichtstrahlenbündel zuvor
unmittelbar oder durch eine mehrfach diffuse Streuung umgelenkt worden sind.
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Voraussetzung für das Vorliegen eines erfindungsgemäßen Umlenkmittels ist aber stets,
dass der Anteil des Lichtes, der zur Eintrittsfläche des Lichtleiters gelangt, groß bzw.
intensiv genug ist, um vom Lichtleiter zur Auswerteeinheit weitergeleitet, dort als
Messsignal registriert und zu einem Messergebnis weiterverarbeitet werden zu können.
Das Licht muss noch in hinreichend konzentrierter Form auf die Eintrittsfläche des
Lichtleiters treffen, damit keine Intensitätsprobleme bei der Signalauswertung entstehen
(vgl. Sp. 4 Z. 19-23, Z. 33-36 u. Sp. 9 Z. 33-39 der Klagepatentschrift). Die
erfindungsgemäße Wirkung, nämlich dass im vorgenannten Sinne "bei kürzeren
Objektdistanzen die Abbildungsposition des Messstrahlenbündels zur optischen Achse
des Empfangsobjektivs" umgelenkt und dadurch ein hinreichend intensiver Lichtimpuls
der Auswerteeinheit zur Registrierung und Verarbeitung zugeführt wird, muss zur
Erfüllung der in der Klagepatentschrift niedergelegten Aufgabenstellung (Sp. 3 Z. 50-57)
über die gesamte Länge der Nahdistanz (weniger als 2 Meter) und darüber hinaus auch
auf natürlich rauhen Oberflächen, d.h. ohne die – vom Klagepatent abgelehnte (vgl. Sp.
3 Z. 31-34 u. Z. 35-39) - Verwendung gesondert auf dem Messpunkt anzubringender
Reflektoren erzielt werden. Denn das Klagepatent will eine Messeinrichtung zur
Verfügung stellen, die eine Distanzmessung "zu natürlich rauhen Oberflächen im
gesamten Distanzbereich von der Vorderkante des Messgerätes bis zu mindestens 30
m" ermöglicht.
78
Dass der bei der angegriffenen Ausführungsform vor der Lichtleitereintrittsfläche
angeordnete zylindrische Hohlkegel dies alles leistet, lässt sich nicht feststellen. Die
Beklagte hat in der Sitzung vom 24. Januar 2002 unwidersprochen vorgetragen und
durch Vorlage der mit der angegriffenen Ausführungsform vertriebenen
Bedienungsanleitung (Anlage B 5) belegt, dass die beanstandete Vorrichtung
Messungen erst ab einer Messdistanz von 0,2 Metern vornehmen kann und dass es
notwendig ist, den Messpunkt mit einer besonderen Reflektorscheibe ("Standard
Target") zu präparieren, wenn das Messziel eine rauhe oder unebene Oberfläche
aufweist (vgl. Anlage B 5 S. 15: "Selecting a Target"). Da das Vorbringen der Klägerin
79
keine anderweitigen tatrichterlichen Feststellungen trägt, ist mit dem – ebenfalls in der
mündlichen Verhandlung geäußerten – Beklagtenvortrag davon auszugehen, dass die
vorgenannten Mängel darauf zurückzuführen sind, dass der vom diffus reflektierenden
Material des zylindrischen Hohlkegels auf die Fläche des Lichtleiters gelenkte Anteil
des Lichtes des Messstrahlenbündels nicht ausreichend groß bzw. intensiv genug ist,
um Messungen unter 0,2 Metern und auf rauhen/unebenen Flächen ohne Hilfsmittel
("Standard Target") zu ermöglichen. Damit handelt es sich bei dem zylindrischen
Hohlkegel um kein optisches Umlenkmittel im Sinne des Merkmals (8.2), das
entsprechend der Aufgabenstellung des Klagepatents ohne Einsatz eines zusätzlichen
Reflektors Distanzmessungen zu natürlich rauhen Oberflächen für die gesamte
Nahbereichsdistanz (bis 2 Meter), auf die Merkmal (8.2) allein bezogen ist, erlaubt. Bei
0,2 m handelt es sich mit 10% auch nicht mehr in offensichtlicher Weise um einen in
patentrechtlicher Hinsicht vernachlässigbar geringe Beschränkung des
Nahmessbereichs.
Eine Verwirklichung des Merkmals (8.2) käme nur dann in Betracht, wenn – entgegen
dem Vorbringen der Beklagten – nicht die bei der diffusen Streuung des
Messstrahlenbündels auftretenden Streuverluste, sondern allein die Ausgestaltung der
Auswerteeinheit oder des opto-elektrischen Wandlers dafür verantwortlich wären, dass
der angegriffene Distanzmesser die vorgenannten Mängel aufweist. Insoweit hätte es
jedoch der Klägerin oblegen, substantiiert darzulegen, dass der Anteil des
Messstrahlenlichtes, der auf die Eintrittsfläche des Lichtleiters gelenkt wird, ausreicht,
um eine dem technischen Standard entsprechende Auswerteelektronik bzw. –schaltung
mit einer zur Vornahme der erfindungsgemäßen Distanzmessung hinreichenden
Lichtmenge zu versorgen. Der in der mündlichen Verhandlung geäußerte Hinweis der
Klägerin, inwieweit mit einer Messvorrichtung im Nahbereich gemessen werden könne,
hänge (ebenfalls) von der Ausgestaltung der Auswerteelektronik ab, reicht hierfür nicht
aus.
80
III.
81
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
82
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO.
83
Der Streitwert beträgt 383.468,91,-- EUR
84