Urteil des LG Düsseldorf vom 29.01.2009

LG Düsseldorf: grobe fahrlässigkeit, cmr, frachtvertrag, parkplatz, firma, frachtführer, ablieferung, zwischenhändler, verschulden, beförderung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Landgericht Düsseldorf, 32 O 35/07
29.01.2009
Landgericht Düsseldorf
2. Kammer für Handelssachen
Urteil
32 O 35/07
Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 79.535,62 € nebst Zinsen in
Höhe von 5%-Punkten über dem Basissatz seit dem 16.12.2006,
12.260,62 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basissatz
seit dem 01.05.2007 sowie 1.716,68 € und 837,52 € nebst Zinsen in
Höhe von 5%-Punkten über dem Basissatz seit dem 19. April 2007 zu
zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu
vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin ist ein Transportversicherungs-Assekuradeur in C für die an der
Transportversicherungspolice der Firma C in CC beteiligten Versicherer.
Die Firma Q, eine Tochtergesellschaft der Versicherungsnehmerin der Klägerin, und die
Beklagte schlossen zwei separate Frachtverträge bzw. -aufträge ab. Der erste Frachtvertrag
vom 08.09.2006 beinhaltete einen Transport von 33 Paletten Olivenöl von 27,5 Tonnen von
U / Italien nach A / Belgien. Dort sollten die Waren an ein weiteres
Beförderungsunternehmen übergeben und von diesem nach Irland transportiert werden.
Der zweite Frachtvertrag vom 08.02.2007 beinhaltete eine Beförderung von 66 Paletten
Teigwaren von 23 Tonnen von D / Italien nach V / Deutschland. Die Sendungen befanden
sich auf der Transportstrecke zu den Käufern der Versicherungsnehmerin. Die Lieferungen
waren vor Übernahme bereits weiterverkauft. In dem Frachtbrief des zweiten
Frachtvertrages wurde darauf hingewiesen, dass es sich um diebstahlgefährdete Güter
handele.
Der Fahrer der Beklagten koppelte am Freitag dem 15.09.2006 den Trailer, beladen mit
den Waren aus dem ersten Frachtvertrag, von seinem Zugfahrzeug ab und stellte diesen
auf einen privaten Parkplatz in Belgien, der von Straße her frei zugänglich war und nicht
bewacht wurde, ab. Der Parkplatz war durch Scheinwerfer ausgeleuchtet und wurde von
einer Kamera videoüberwacht.
Nach einem Ölwechsel des Zugfahrzeuges sollte am 16.09.2006 die Fahrt fortgesetzt
werden. Als der Fahrer am nächsten Tag zu dem Abstellort des Trailers zurückkehrte stellte
er fest, dass dieser gestohlen worden war. Mit Schreiben vom 18.09.2006 erklärte die
Beklagte, dass ihre Wechselbrücke mit der Nr. X beladen mit 33 Paletten Olivenöl von 27,5
Tonnen in Belgien in der Nacht von Freitag auf Samstag von einem Parkplatz gestohlen
wurde.
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Die Beklagte übernahm die Ware des zweiten Transportes vollständig und unbeschädigt
bei der Versicherungsnehmerin der Klägerin. Mit Telefax vom 26.02.2007 teilte die
Beklagte der Q mit, dass die Wechselbrücke X am 21.02.2007 in N gefunden worden sei,
jedoch die komplette Ladung des zweiten Transportauftrages entwendet worden sei.
Die Klägerin macht gelten, dass auch der zweite Transport ein Streckengeschäft darstelle.
Die Klägerin beantragt,
1. die beklagte Partei zu verurteilen, an die Klägerin 79.535,62 € nebst Zinsen von 5%
über dem Basissatz seit dem 16.12.2006 zu zahlen sowie weiter vorgerichtliche Kosten in
Höhe von 1.716,68 nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszins seit Klagezustellung
zu zahlen.
2. die beklagte Partei zu verurteilen, an die Klägerin 12.260,34 € nebst Zinsen in Höhe von
5% Punkten über dem Basissatz seit dem 01.05.2007 sowie weitere vorgerichtliche Kosten
in Höhe von 837,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszins seit
Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte macht geltend:
Die Klägerin sei nicht aktiv legitimiert. Die Fa. Q hätte wegen des Verlustes des Olivenöls
zunächst an C und diese an die Klägerin abtreten müssen. Überdies mache die Klägerin
mehr geltend, als nach dem Versicherungsvertrag zu ersetzen gewesen sie. Die Beklagte
behauptet, dass der Fahrer des ersten Transportes über einen längeren Zeitraum
regelmäßig Trailer und Zugmaschinen auf dem fraglichen Parkplatz abgestellt habe.
Zudem verführen auch andere Frachtführer entsprechend. Diebstähle insbesondere von
Trailern und Zugmaschinen seien dort noch nie vorgekommen. Olivenöl sei auch nicht
diebstahlsgefährdet. Sie bestreitet den Weiterverkauf der Sendung aus dem ersten
Frachtvertrag in Höhe von 79.535,62 €. Auf den Verkaufspreis an einen Dritten komme es
auch nicht an. Der Wert ergebe sich aus der Einkaufsrechnung über 62.775,11 €.
Hinsichtlich des Schadens wegen der Teigwaren bestreitet die Beklagte ebenfalls die
Aktivlegitimation der Klägerin. Der Diebstahlsort sei nicht unsicher. Die gestohlenen
Nudeln seien auch nicht besonders diebstahlsgefährdet gewesen. Der angegebene
Warenwert sei überzogen. Die Schadenshöhe werde bestritten.
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat Erfolg.
I.
Frachtvertrag über Olivenöl
1) Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte in Höhe von 79.535,62 € gemäß
Art. 17, 29 CMR i.V.m. § 459 HGB.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Aktivlegitimiert ist diejenige Partei, die nach materiellem
Recht wirklich Rechtsinhaber der geltend gemachten Ansprüche ist. Nach Rechtsprechung
des BGH, der die Kammer folgt, ist bereits in der Übersendung von Schadensunterlagen
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eine konkludente Abtretung der Forderungen zu sehen (BGH 01.12.05 – I ZR 18/04 –
TranspR 2006, 166).
Die Klägerin forderte unverzüglich nach Eingang der Schadensunterlagen, die
erforderlichen Abtretungserklärungen zur Geltendmachung der Schadensersatzansprüche
bei ihrer Versicherungsnehmerin an. Hierbei lief die Korrespondenz mit der
Versicherungsnehmerin über den von der Versicherungsnehmerin eingeschalteten Makler,
die Firma G.
Die Firma G übersandte mit Schreiben vom 20.10.06 die vorgelegten
Abtretungserklärungen bezüglich des ersten Frachtvertrages. Diese sollten gerade die
Klägerin in den Stand versetzen, den Schaden gegenüber der Beklagten geltend zu
machen. Die Abtretungserklärungen sind jedenfalls so zu deuten (§§ 133, 157 BGB), dass
die Firma Q die ihr zustehenden Ansprüche aus dem Frachtvertrag mit der Beklagten an
die Firma C abtrat und diese hierauf folgend diese Ansprüche an die Klägerin abtrat.
Gemäß Art. 17 CMR haftet der Frachtführer für einen Schaden, der nach Übergabe und vor
Ablieferung eingetreten ist. Ein grenzüberschreitender Frachtvertrag i.S.d. CMR liegt hier
vor. Ein Schaden ist ebenfalls nach Übergabe und vor Ablieferung entstanden. Das
Frachtgut ist entwendet worden.
Gemäß Art. 29 I CMR kann der Frachtführer sich auf die Bestimmungen des CMR, die
seine Haftung ausschließen oder begrenzen nicht berufen, wenn er den Schaden
vorsätzlich oder durch ein ihm zur Last fallendes Verschulden verursacht, das nach dem
Recht des angerufenen Gerichtes dem Vorsatz gleichsteht.
Dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden i.S.v. § 29 I CMR war bis zur
Transportrechtsreform grobe Fahrlässigkeit. (BGHZ 88, 157) Grobe Fahrlässigkeit liegt vor,
wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße unter
Missachtung nahe liegender Lebensumstände und dessen was jedem einleuchtet verletzt
wird. Dies wird insbesondere dann bejaht, wenn ein beladener LKW unbewacht abgestellt
wurde (vgl. BGH NJW 1984, 2033).
Der Fahrer der Beklagten hat den voll beladenen Trailer auf einem unbewachten Parkplatz
abgestellt. Selbst wenn dieser war beleuchtet war und von einer Videokamera gefilmt
wurde, stellte das keine hinreichende und abschreckende Überwachung dar, die ausreicht,
grobe Fahrlässigkeit auszuschließen. Zu berücksichtigen ist, dass der Fahrer hier das
Zugfahrzeug von dem Trailer abgekoppelt und diesen alleine auf dem Parkplatz
zurückgelassen hatte. Gerade das Ankoppeln eines Trailers an ein Zugfahrzeug stellt kein
verdächtiges Verhalten auf einem Parkplatz dar, so dass Diebe es ausgesprochen einfach
hatten, den Trailer zu entwenden. Der Trailer war somit in keiner Weise hinreichend
geschützt bzw. gesichert. Überdies war die Ware relativ wertvoll und nach Ansicht der
Kammer leicht absetzbar.
Der Fahrer der Beklagten handelte grob fahrlässig. Dieses Verhalten ist der Beklagten
zuzurechnen.
Nach Art 23 I CMR ist der Wert der Sendung zur Zeit der Übernahme verbindlich. Ein
Hierüber hinaus gehendes Interesse kann unter Beachtung der Voraussetzungen des Art.
26 CMR vereinbart werden.
Hier lag ein Streckengeschäft vor. Für die Bestimmung des Schadens sind in diesem
Zusammenhang die jeweiligen Verkaufspreise an den Sendungsempfänger maßgeblich.
Die Ware war bereits vor Übernahme durch den Frachtführer weiterverkauft. Bei
Streckengeschäften ist zur Ermittlung des Wertes der Sendung auf die Handelsstufe
abzustellen, auf welcher sich letztlich die Beförderung abspielt. Die Sendung befand sich
nicht auf der Transportstrecke zu der Versicherungsnehmerin der Klägerin, sondern auf der
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Transportstrecke zu den Käufern der Versicherungsnehmerin der Klägerin. Es ist auf die
Handelstufe zwischen Zwischenhändler und Einzelhandelbetrieb abzustellen (vgl. BGH
NJW-RR 1993, 1371) und gerade nicht, wie die Beklagte es tut, auf die Handelstufe
zwischen Hersteller und Zwischenhändler. Mithin kommt es nicht auf den Einkaufswert an.
Der Schaden beläuft sich nach alledem auf den durch Vorlage des Kaufvertrages
nachgewiesenen Lieferwert von 79.535,62 € und nicht auf 62.775,11 €.
Zu ersetzen sind auch die Kosten der Schadensfeststellung (644,82 €).
2) Die Klägerin hat darüber hinaus einen Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz von
1.716,68 € für Anwaltskosten (§§ 280, 249 BGB i.V.m. 29 I CMR)
.
Eine Verletzung einer Pflicht aus einem Schuldverhältnis liegt hier vor. Diese hat die
Beklagte auch verschuldet. Ein Schaden in Höhe von 1.716,68 € ist hierdurch ebenfalls
entstanden. Die Anwendung der §§ 280, 249 BGB ist auch nicht durch das CMR
ausgeschlossen, weil die Voraussetzungen des 29 I CMR erfüllt sind.
II.
Frachtvertrag über Teigwaren
1) Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte in Höhe von 12.260,34 € gemäß
Art. 17, 29 CMR i.V.m. § 459 HGB.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Die obigen Ausführungen zur Aktivlegitimation gelten
entsprechend. Die Klägerin forderte am 21.02.2007 die Abtretungserklärungen des zweiten
Frachtvertrages über die Firma G an und erhielt diese mit Schreiben vom 09.03.2007.
Gemäß Art. 17 CMR haftet der Frachtführer für einen Schaden der nach Übergabe und vor
Ablieferung eingetreten ist. Ein grenzüberschreitender Frachtvertrag i.S.d. CMR liegt hier
vor. Ein Schaden ist ebenfalls nach Übergabe und vor Ablieferung entstanden. Das
Frachtgut ist entwendet worden.
Gemäß Art. 29 I CMR kann der Frachtführer sich auf die Bestimmungen des CMR, die
seine Haftung ausschließen oder begrenzen nicht berufen, wenn er den Schaden
vorsätzlich oder durch ein ihm zur Last fallendes Verschulden verursacht, das nach dem
Recht des angerufenen Gerichtes dem Vorsatz gleichsteht. Die obigen Ausführungen zu
Art. 29 CMR gelten hier entsprechend.
Das Transportgut wurde mit der Bahn in O angeliefert. Dort verschloss man das Fahrzeug
und stellte es am Übernahmeort in O an einer beleuchteten Straße neben anderen LKWs
ab. Über Nacht wurde das Fahrzeug samt Inhalt entwendet. Das Fahrzeug wurde an einer
öffentlichen und für jeden zugänglichen Straße unbewacht abgestellt, obwohl die Q in dem
Frachtauftrag ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass es sich um diebstahlgefährdete
Güter handele. Die Kammer hält die Ware ebenfalls für besonders diebstahlsgefährdet,
insbesondere für besonders leicht absetzbar. In diesem Zusammenhang stellt das
unbewachte Abstellen eines LKW auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz ein grobes
Organisationsverschulden dar. (OLG Düsseldorf TranspR 2002, 207) Der Trailer war nicht
hinreichend geschützt bzw. gesichert und konnte unproblematisch entwendet werden.
Die geltend gemachte Schadenshöhe ist nicht zu beanstanden. Hier handelte es sich um
ein Streckengeschäft. Bei Streckengeschäften ist, bei der Ermittlung des Wertes der
Sendung, auf die Handelsstufe abzustellen, auf welcher sich letztlich die Beförderung
abspielt. Die Sendung befand sich nicht auf der Transportstrecke zu der
Versicherungsnehmerin der Klägerin, sondern auf der Transportstrecke zu den Käufern der
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Versicherungsnehmerin der Klägerin. Für die Ermittlung des Wertes der Ware ist auf die
Handelstufe zwischen Zwischenhändler und Einzelhandelbetrieb abzustellen und gerade
nicht, wie die Beklagte es tut, auf die Handelstufe zwischen Hersteller und
Zwischenhändler mithin auf den Einkaufswert abzustellen. Der Schadensbetrag ist mit
Berücksichtung der Lieferrechnung vom 19.02.07 an den Einzelhandelbetrieb mit
12.260,34 € zu beziffern.
2) Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte in Höhe von 837,52 € gemäß §§
280, 249 BGB i.V.m. 29 I CMR. Eine Verletzung einer Pflicht aus einem Schuldverhältnis
liegt hier vor. Diese hat die Beklagte auch verschuldet. Ein Schaden in Höhe von 837,52 €
ist hierdurch ebenfalls entstanden. Die Anwendung der §§ 280, 249 BGB ist auch nicht
durch das CMR ausgeschlossen, weil die Voraussetzungen des 29 I CMR erfüllt sind.
Die Beklagte handelte grob fahrlässig.
III.
Der Zinsansprüche der Klägerin in Höhe von 5 % über dem Basissatz für den Anspruch in
Höhe von 79.535,62 € seit dem 16.12.2006, für den Anspruch in Höhe von 1.716,68 € seit
Klagezustellung, für den Anspruch in Höhe von 12.260,34 € seit dem 01.05.2007 und für
den Anspruch in Höhe von 837,52 € seit Klagezustellung ergeben sich aus §§ 288 I, 286 I
BGB. Der Zinsanspruch in Höhe von 5 % über dem Basissatz für den Anspruch in Höhe
von 1.716,68 € ergibt sich aus 288 I, 286 I BGB.
IV.
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus §§ 91 I 1, 1 Hs. ZPO, die über die
Vollstreckbarkeit des Urteils aus § 709 ZPO.