Urteil des LG Düsseldorf vom 17.12.2002

LG Düsseldorf: stand der technik, druck, angemessene entschädigung, patentanspruch, abhängigkeit, sicherheitsleistung, einspruch, wahrscheinlichkeit, rechnungslegung, stempel

Landgericht Düsseldorf, 4 O 78/02
Datum:
17.12.2002
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 O 78/02
Tenor:
I.
Die Beklagte wird verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- Euro – ersatzweise
Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle
wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, zu
unterlassen,
hydraulische Pressgeräte mit einem Festteil und einem Bewegungsteil,
wobei das Bewegungsteil durch einen Hydraulikkolben relativ zu dem
Festteil bewegt wird und mittels einer Rückstellfeder in eine
Ausgangsstellung zurückbewegbar ist, wobei die Rückbewegung in
Abhängigkeit von einem vorbestimmten Pressdruck auslösbar ist durch
Ansprechen eines Rücklaufventils,
herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen
oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu
besitzen,
bei denen das selbsttätig ansprechende Rücklaufventil so ausgebildet
ist, dass es durch den Druck des zurücklaufenden Öls über den
gesamten Rückstellweg des Hydraulikkolbens in der Öffnungsstellung
gehalten ist,
und bei denen das Rücklaufventil als Ventilkolben mit einer
Ventilkolbenfläche ausgebildet ist, wobei eine im Verschlusszustand
wirksame Teilkolbenfläche im Hinblick auf den gewünschten
Maximaldruck ausgelegt ist,
und bei denen das Rücklaufventil vermittels einer Andruckfeder in die
Verschlussstellung vorgespannt ist, der Zylinder, in welchem der
Ventilkolben aufgenommen ist, eine Ablauföffnung zu einem
Ölvorratsraum aufweist und die Ablauföffnung im Zuge einer Bewegung
des Ventilkolbens in die Öffnungsstellung freigegeben wird;
2.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie, die
Beklagte, die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 22. Mai 1999
begangen hat, und zwar unter Angabe
a)
der Herstellungsmengen und Herstellungszeiten,
b)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen,
Lieferzeiten, Lieferpreisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen
und Anschriften der Abnehmer,
c)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
Angebotszeiten, Angebotspreisen und Typenbezeichnungen sowie den
Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren
Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten
Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch Abzug
von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn,
diese könnten ausnahmsweise den unter I, 1 genannten Gegenständen
unmittelbar zugeordnet werden,
wobei
- von der Beklagten die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 27. April
2002 zu machen sind;
- der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der
nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin
einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur
Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer
mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt
und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein
bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung
enthalten ist.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,
1.
der Klägerin für die unter I, 1 bezeichneten, in der Zeit vom 22. Mai 1999
bis zum 26. April 2002 begangenen Handlungen eine angemessene
Entschädigung zu zahlen;
2.
der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter I, 1
bezeichneten, seit dem 27. April 2002 begangenen Handlungen
entstanden ist und noch entstehen wird.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 650.000,-- Euro
vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte
Bürgschaft einer in Deutschland ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin
zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patentes x xxx xxx
(Klagepatent, Anlage 3), dessen unter anderem für die Bundesrepublik Deutschland
erfolgte Anmeldung auf der internationalen PCT-Anmeldung xxxxxxxx vom 22. April
1999 beruht und dessen Erteilung am 27. März 2002 veröffentlicht wurde. Die Klägerin
ist ferner Inhaberin des deutschen Gebrauchsmusters xxx xxx xx
(Klagegebrauchsmuster, Anlage 2), dessen Eintragung vom 10. Januar 2002 am 14.
2
Februar 2002 bekanntgemacht wurde. Gegen die Patenterteilung hat die Beklagte
Einspruch (Anlage B 3) beim Europäischen Patentamt erhoben sowie beim Deutschen
Patentamt Löschungsantrag (Anlage B 1) gegen das aus der europäischen
Patentanmeldung abgezweigte Klagegebrauchsmuster gestellt. Die Klageschutzrechte
betreffen ein hydrauliches Pressgerät. Die im vorliegenden Rechtsstreit vornehmlich
interessierenden Patentansprüche 1 bis 3 haben folgenden Wortlaut:
"Hydrauliches Pressgerät (2) mit einem Festteil (26) und einem
Bewegungsteil (24), wobei das Bewegungsteil (24) durch einen
Hydraulikkolben (9) relativ zu dem Festteil (26) bewegt wird und mittels einer
Rückstellfeder (10) in eine Ausgangsstellung zurückbewegbar ist, wobei die
Rückbewegung in Abhängigkeit von einem vorbestimmten Pressdruck
auslösbar ist durch Ansprechen eines Rücklaufventils (1), dadurch
gekennzeichnet, dass das selbsttätig ansprechende Rücklaufventil (1) so
ausgebildet ist, dass es durch den Druck des zurücklaufenden Öls über den
gesamten Rückstellweg des Hydraulikkolbens (9) in der Öffnungsstellung
gehalten ist." (Patentanspruch 1)
3
"Pressgerät nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das
Rücklaufventil (1) als Ventilkolben (3) mit einer Ventilkolbenfläche (4, 5)
ausgebildet ist, wobei eine im Verschlusszustand wirksame Teilkolbenfläche
im Hinblick auf den gewünschten Maximaldruck ausgelegt ist."
(Patentanspruch 2)
4
"Pressgerät nach einem der Ansprüche 1 oder 2, wobei das Rücklaufventil (1)
vermittels einer Andruckfeder (8) in der Verschlussstellung vorgespannt ist,
dadurch gekennzeichnet, dass ein Zylinder (11), in welchem der Ventilkolben
(3) aufgenommen ist, eine Ablauföffnung (12) zu einem Ölvorratsraum (13)
aufweist und dass die Ablauföffnung (12) im Zuge einer Bewegung des
Ventilkolbens (3) in die Öffnungsstellung freigegeben wird." (Patentanspruch
3)
5
Der Wortlaut der Schutzansprüche 1 bis 3 des Klagegebrauchsmusters ist nahezu
identisch und umschreibt denselben Erfindunsgegenstand. Die nachfolgenden
Abbildungen (Figuren 3, 5 und 6 der Klageschutzschriften) veranschaulichen den
Erfindungsgegenstand anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels.
6
Die Beklagte stellt her und vertreibt unter der Bezeichnung "PRESSLiner" eine
Akkupresse, von der die Klägerin als Anlage 9 ein Originalmuster zur Akte gereicht hat.
Die Ausgestaltung der Akkupresse und die Funktionsweise der Pressbacken kann den
nachfolgenden Abbildungen, die aus der Bedienungsanleitung (Anlage 10) stammen,
entnommen werden.
7
Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die vorbezeichnete Akkupresse die
Merkmale der Ansprüche 1 bis 3 der Klageschutzrechte erfüllt. Die Klägerin nimmt die
Beklagte deshalb aus den Klageschutzrechten auf Unterlassung, Rechnungslegung,
Entschädigung und Schadensersatz in Anspruch. Ursprünglich hat die Klägerin neben
den Schutzansprüchen 1 der Klageschutzrechte die Unteransprüche 2 und 3 in ihrem
Unterlassungsantrag lediglich "insbesondere" geltend gemacht. Ferner hat sie
Entschädigung lediglich für die Zeit bis zum 13. März 2002 und Schadensersatz bereits
ab dem 14. März 2002 verlangt. Nunmehr beantragt die Klägerin,
8
die Beklagte wie erkannt zu verurteilen.
9
Die Beklagte beantragt,
10
1.
11
die Klage abzuweisen;
12
2.
13
hilfsweise, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den
gegen das Klagegebrauchsmuster eingereichten Löschungsantrag sowie
über den gegen das Klagepatent erhobenen Einspruch auszusetzen;
14
3.
15
äußerst hilfsweise, ihr zu gestatten, die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin
abzuwenden.
16
Die Beklagte vertritt unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Einspruchs- und
Löschungsverfahren sowie unter Hinweis auf den vorläufigen Prüfungsbescheid der
Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patentamtes vom 1. Oktober 2002 (Anlage B
4) die Ansicht, die Klageschutzrechte würden sich als nicht rechtsbeständig erweisen.
Bereits die in der Klagepatentschrift als Stand der Technik gewürdigte xx-xx x xxx xxx (D
6 = Anlage 4) nehme bei zutreffender Auslegung und Würdigung die technische Lehre
der Klageschutzrechte neuheitsschädlich vorweg oder stehe doch zumindest der
Annahme eines erfinderischen Schrittes entgegen. Gleiches gelte für die im
Erteilungsverfahren nicht gewürdigte xx-xx x xxx xxx (D 12). Auch stünden die im
Erteilungsverfahren mit Ausnahme der xx-xx xxx xxx (D 9) ebenfalls nicht
berücksichtigten Druckschriften xx xxx xx xxx (D 1), xx-xx x xxx xxx (D 2) und xx-xx xx xx
xxx (D 13) der Schutzfähigkeit der Klageschutzrechte entgegen. Neben diesen
Druckschriften belegten außerdem die Entgegenhaltungen D 3 bis D 5, D 7, D 8 und D
11, dass dem Fachmann erfinderungsgemäß wirkende Ventile, bei denen der Druck
zum Öffnen und zum anschließenden Offenhalten des Ventils z.B. wegen der
unterschiedlichen Querschnittsverhältnisse der Querschnittsflächen von Hauptkolben
und Ventilsitz unterschiedlich ist und ein sogenanntes Hystereseverhalten des Ventils
begründet, vorbekannt gewesen seien. Es stelle vor diesem Hintergrund keine
erfinderische Leistung dar, ein Ventil für den Öldruck in hydraulischen Pressgeräten so
auszugestalten, dass nach dem selbsttätigen Öffnen des Ventils bei einem
vorgegebenen Druck – etwa durch Anheben eines geringflächigen Ventilsitzes – das
zurückfließende Öl auf eine derart verhältnismäßig viel größer bemessene Fläche des
Ventilhauptkörpers trifft, dass der Druck des zurücklaufenden Öls ausreicht, das Ventil
über den gesamten Rückstellweg des Hydraulikkolbens in der Öffnungsstellung zu
halten. Gleiches gelte für die Klageschutzrechte im Hinblick auf vorgesteuerte Ventile,
bei denen das Vorventil einen kleinen Querschnitt und das nachgeschaltete Hauptventil
einen größeren Querschnitt zur Druckanlage aufwiesen.
17
Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag und dem diesbezüglichen Vorbringen der
Beklagten unter Hinweis auf ihr Vorbringen im Einspruchs- und Löschungsverfahren
18
entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen
Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze und der mit ihnen vorgelegten Urkunden und
Anlagen Bezug genommen.
19
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
20
Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte die
zuerkannten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigung und
Schadensersatz zu, da die Beklagte mit Herstellung und Vertrieb der angegriffenen
Akkupresse widerrechtlich und schuldhaft von der technischen Lehre der
Klageschutzrechte Gebrauch macht.
21
I.
22
Die Klageschutzrechte betreffen ein hydraulisches Pressgerät mit einem Festteil und
einem Bewegungsteil.
23
Den einleitenden Darlegungen der Klageschutzschriften zufolge werden für bestimmte
Fügevorgänge (z.B. beim Aufpressen von Kabelschuhen auf elektrische Leiter) hand-
oder motorbetriebene Hydraulikwerkzeuge eingesetzt, bei denen das Bewegungsteil
mittels eines Hydraulikkolbens relativ zu dem Festteil bewegt werden kann, was es
ermöglicht, zusammenzufügende Teile miteinander zu verpressen. Nach Abschluss des
Pressvorgangs ist das Bewegungsteil mittels einer Rückstellfeder in seine
Ausgangsstellung zurückbewegbar.
24
Die vorbekannten hydraulischen Presswerkzeuge verfügen über ein Überdruckventil,
welches den Öldruck und damit die Presskraft des Bewegungsteils auf das zu
verpressende Werkstück auf einen Maximalwert begrenzt. Dadurch ist gewährleistet,
dass die für den Fügevorgang benötigte volle Presskraft wirksam wird und zugleich die
Presskraft nicht auf einen so hohen Wert ansteigt, dass die miteinander zu
verpressenden Teile beschädigt werden können. Als Stand der Technik verweist die
Klagepatentschrift insoweit auf die xx-xx x xxx xxx (Anlage 4 = D 6) und führt hierzu aus,
dass aus dieser Druckschrift ein hydraulisches Pressgerät mit einem Rücklaufventil und
einem gesonderten Überdruckventil bekannt ist, wobei das Rücklaufventil durch
Handbetätigung aktiviert werden muss und das Überdruckventil selbsttätig nur solange
anspricht, bis der Druck soweit abgebaut ist, dass die Ansprichsgrenze wieder
unterschritten wird. In vergleichbarer Weise arbeitet auch das aus der xx-xx x xxx xxx
vorbekannte hydraulische Pressgerät, da bei diesem das Überdruckventil ebenfalls nur
das Zurückfließen einer Teilmenge des Hydrauliköls in den Vorratstank zulässt und für
den Rücklauf des Bewegungsteils vom Verwender ein besonderer Rücklaufhebel
betätigt werden muss.
25
Vor diesem Hintergrund sehen es die Klageschutzrechte als Aufgabe der Erfindung an,
ein hydraulisches Pressgerät anzugeben, das funktionssicherer und
handhabungstechnisch verbessert ausgestaltet ist. Zur Lösung dieser Aufgabe sehen
die Ansprüche 1 bis 3 der Klageschutzrechte die Kombination folgender Merkmale vor:
26
1.
27
Hydraulisches Pressgerät (2) mit
28
1.1
29
einem Festteil (26)
30
1.2
31
und einem Bewegungsteil (24).
32
2.
33
Das Bewegungsteil (24)
34
2.1
35
wird durch einen Hydraulikkolben (9) relativ zu dem Festteil (26) bewegt
36
2.2
37
und ist mittels einer Rückstellfeder (10) in eine Ausgangsstellung
zurückbewegbar.
38
3.
39
Die Rückbewegung ist in Abhängigkeit von einem vorbestimmten Pressdruck
durch Ansprechen eines Rücklaufventils (1) auslösbar.
40
4.
41
Das selbsttätig ansprechende Rücklaufventil (1) ist (so ausgebildet, dass es)
durch den Druck des zurücklaufenden Öls über den gesamten Rückstellweg
des Hydraulikkolbens (9) in der Öffnungsstellung gehalten (ist).
42
5.
43
Das Rücklaufventil (1) ist als Ventilkolben (3) mit einer Ventilkolbenoberfläche
(4, 5) ausgebildet, wobei eine im Verschlusszustand wirksame
Teilkolbenoberfläche im Hinblick auf den gewünschten Maximaldruck
ausgelegt ist.
44
6.
45
Das Rücklaufventil (1) ist vermittels einer Andruckfeder (8) in die
Verschlussstellung vorgespannt, der Zylinder (11), in welchem der
Ventilkolben (3) aufgenommen ist, weist eine Ablauföffnung (12) zu einem
Ölvorratsraum (13) auf und die Ablauföffnung (12) wird im Zuge einer
Bewegung des Ventilkolbens (3) in die Öffnungsstellung freigegeben.
46
Die Erfindung stellt damit ein hydraulisches Pressgerät zur Verfügung, bei dem nach
Erreichen eines Maximaldrucks ein selbsttätiges Öffnen des Werkzeugs und ein ebenso
47
selbsttätiges Zurückfahren des Bewegungsteils in die Ausgangsstellung erreicht wird,
ohne dass ein manueller Eingriff seitens des Anwenders erforderlich ist. Dies ist
möglich, da die Rückstellkraft der Rückstellfeder genutzt wird, um das
erfindungsgemäße Rücklaufventil über den gesamten Rückverlagerungsweg des
Bewegungsteils offen zu halten. Mechanische Arretierungsmittel zum Öffnen oder
Schließen des Rücklaufventils sind nicht notwendig.
II.
48
Zwischen den Parteien steht mit Recht außer Streit, dass die angegriffene
Ausführungsform sämtliche Merkmale der Ansprüche 1 bis 3 der Klageschutzrechte
verwirklicht. Aufgrund dieses Verletzungstatbestandes ist die Beklagte der Klägerin
gemäß Artikel 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung und, da sie
zumindest fahrlässig gehandelt hat, gemäß Artikel 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 2 Satz 2
PatG zum Schadensersatz und gemäß Artikel II § 1 Abs. 1 und 3 IntPatÜG zur
Entschädigung verpflichtet. Da sich sämtliche von der Klägerin geltend gemachten
Ansprüche bereits aus der Verletzung des Klagepatents ergeben, bedarf es im
vorliegenden Rechtsstreit keiner positiven Feststellung der Schutzfähigkeit der vom
Klagegebrauchsmuster beanspruchten technischen Lehre.
49
Die Schadens- und Entschädigungshöhe ist derzeit ungewiß. Die Klägerin hat deshalb
ein berechtigtes Interesse daran, dass die Schadensersatzhaftung und
Entschädigungsverpflichtung der Beklagten zunächst dem Grunde nach gemäß § 256
Abs. 1 ZPO festgestellt wird. Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihren
Anspruch auf Schadensersatz und Entschädigung zu beziffern, hat die Beklagte im
zuerkannten Umfang Rechnung über ihre Benutzungshandlungen zu legen (§§ 242,
259 BGB, § 140 b PatG).
50
III.
51
Eine Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 148 ZPO kommt nicht in Betracht. Eine
Vernichtung des die Klageansprüche bereits alleine rechtfertigenden Klagepatents im
Umfang der von der Klägerin im vorliegenden Verfahren allein geltend gemachten
kumulativen Kombination der Patentansprüche 1 bis 3 erscheint nicht überwiegend
wahrscheinlich.
52
1.
53
Zwar vertritt die fachkundige Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patentamtes in
ihrem Vorbescheid vom 1. Oktober 2002 (Anlage B 4) die Auffassung, die in der
Klagepatentschrift gewürdigte xx-xx x xxx xxx (D 6) nehme die technische Lehre von
Patentanspruch 1 neuheitsschädlich vorweg, weil das in Figur 4 der Entgegenhaltung
gezeigte und nachfolgend abgebildete Überdruckventil 90 durch den Druck des
zurücklaufenden Öls in der Öffnungsstellung gehalten werde.
54
Mit dieser Begründung lässt sich jedoch nur eine Wahrscheinlichkeit dafür begründen,
dass Patentanspruch 1 für sich betrachtet keine schutzfähige Erfindung zum
Gegenstand hat. Denn wie die Gebrauchsmusterabteilung weiter ausführt, soll die
Forderung des Merkmals 4, das Rücklaufventil so auszubilden, dass es durch den
Druck des zurücklaufenden Öls über den gesamten Rückstellweg des Hydraulikkolbens
in der Öffnungsstellung gehalten ist, allein deshalb bei der Beurteilung der Neuheit nicht
55
zu berücksichtigen sein, weil es sich um eine bloße Wirkangabe handele, der keine
konkreten gegenständlichen Merkmale zugeordnet seien. Eine solche gegenständliche
Zuordnung wird aber durch die Kombination des Patentanspruchs 1 mit den
Unteransprüchen 2 und 3 erreicht. Die vorbezeichneten Unteransprüche haben nämlich
sämtliche Vorrichtungsteile zum Gegenstand, mit denen das in Merkmal 4 angegebene
Ziel erreicht werden kann. Insoweit schließt sich die Kammer den überzeugenden
Darlegungen der Gebrauchsmusterabteilung an, nach denen für die Erlangung der
beanspruchten Ventilfunktion entscheidend ist, dass das Ventil einen Ventilkolben
aufweist, der im Verschlusszustand lediglich eine auf den gewünschten Maximaldruck
ausgerichtete wirksame Teilkolbenoberfläche besitzt, und dass der Ventilkolben eine
Ablauföffnung des ihn aufnehmenden Zylinders öffnet und verschließt, wobei die
Andruckfeder entsprechend in die Verschlussstellung vorgespannt wird.
Nicht gefolgt werden kann der Beklagten in ihrer – auch in der mündlichen Verhandlung
geäußerten – Ansicht, dass in Figur 4 der Entgegenhaltung D 6 dargestellte
Druckentlastungsventil (90) weise bereits eine entsprechende Ausgestaltung auf. Das
vorbekannte Presswerkzeug verfügt nicht nur über das vorbezeichnete
Druckentlastungsventil, sondern auch über ein manuell betätigbares Rücklaufventil (93).
Das Druckentlastungsventil, das lose in den Ölkanal eingepasst ist, hat die Funktion,
den Fluid-Druck auf einen bestimmten Wert zu begrenzen und dadurch die Eindringtiefe
des Pressstempels festzulegen (vgl. Seite 5, erster Absatz und Seite 9, zweiter Absatz
der deutschen Übersetzung gemäß Anlage 4a). Nichts anderes sagt auch die von der
Beklagten in der mündlichen Verhandlung in Bezug genommene Beschreibungsstelle
auf Seite 3, rechte Spalte, Zeilen 18 bis 23 der US-Schrift aus (vgl. auch die deutsche
Übersetzung in Anlage 4a, Seite 10, letzter Absatz übergreifend auf Seite 11). Soll das
Werkzeug zurückgesetzt werden, wird das Öl aus der Stempel- bzw. Kolbenkammer
durch manuelles Öffnen des Rücklaufventils (93) in das Öl-Reservoire (48) geleitet (vgl.
Anlage 4a, Seite 10, vorletzter Absatz). Diese eindeutige Funktionszuordnung belegt,
dass das Druckentlastungsventil (90) tatsächlich nur zum Abbau des Überdrucks
vorgesehen und ausgelegt ist, sich also nach der Druckentlastung wieder schließt und
nicht geöffnet bleibt. Anhaltspunkte, die eine Abweichung von dieser Funktionsteilung
als nützlich oder naheliegend erscheinen lassen, bietet die Entgegenhaltung nicht.
Insbesondere findet sich kein Beleg für die Behauptung der Beklagten, bei dem
Rücklaufventil (93) handele es sich lediglich um ein zusätzliches von Hand betätigbares
Not-Ventil, welches aus Sicherheitsgründen stets erforderlich sei. Soweit die
Druckschrift es als wünschenswert ansieht, den Kolben bzw. Stempel automatisch in
seine Ausgangsposition zu bringen und ihn nicht manuell zurückziehen zu müssen, wird
dieses Ziel durch das Vorsehen der Rückstellfeder erreicht. Die Notwendigkeit des
manuellen Öffnens des Rücklaufventils (93) entfällt damit nicht.
56
Die zuvor gemachten Ausführungen gelten in gleicher Weise für die dem Klagepatent
entgegengehaltene xx-xx x xxx xxx (D 12), von der nachfolgend Figur 2 abgebildet ist.
57
Bei diesem Pressgerät wird der Rücklauf des Hydraulikkolbens ebenso wie bei den in
der Klagepatentschrift genannten Pressgeräten gemäß der xx-xx x xxx xxx (D 6) und der
xx-xx x xxx xxx (D 9) durch Betätigung eines Handhebels (60), der auf ein zugehöriges
Rücklaufventil (53) einwirkt, ausgelöst. Dass es sich bei dem Ventil (24) um mehr
handelt als ein Druckentlastungsventil, welches anspricht, wenn ein vorbestimmter
Maximaldruck erreicht wird, und sich wieder schließt, wenn der Druck soweit abgebaut
wurde, dass die Feder (42) das Ventil in seine Ausgangsstellung zurück drückt, lässt
sich der Entgegenhaltung nicht entnehmen.
58
Das in der xx-xx x xxx xxx (D 2) vorgesehene Entlastungsventil (Bezugszeichen 40 in
Figur 4) weist eine von der patentgemäßen Lehre völlig abweichende Gestaltung auf,
die bewirkt, dass das Ventil durch den vom Pumpenmotor aufgebauten Öldruck
geschlossen gehalten wird und erst öffnet, wenn die Ölpumpe abgeschaltet wird, der
Öldruck also wieder fällt. Damit handelt es sich schon nicht um ein Ventil gemäß
Merkmal 3, das die Rückbewegung des Kolbens in Abhängigkeit von einem
vorbestimmten Pressdruck bewirkt.
59
Die aus den Entgegenhaltungen D 1 (xx xx xxx xx xxx) und D 13 (xx-xx xx xx xxx)
bekannten Pressgeräte weisen neben dem eigentlichen Rücklaufventil ein Vorsteuer-
bzw. Sensorventil auf. Keiner der Druckschriften offenbart oder legt nahe, die
Rücklaufventile (30) bzw. (26) durch den Druck des zurücklaufenden Öls über den
gesamten Rückstellweg des Hydraulikkolbens in der Öffnungsstellung zu halten. Das
Rückstromventil nach D 13 wird nicht durch, sondern vielmehr gegen das
zurückströmende Öl offengehalten und mechanisch dadurch geschlossen, dass der
Hydraulikkolben am Ende seines Rücklaufs den Schaft (36) in die Verschlussstellung
verfährt. Auch bei der D 1 ist vorgesehen, das Ventil in vergleichbarer Weise
mechanisch zu schließen.
60
2.
61
Schließlich spricht auch keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass das
Klagepatent im Umfang seiner Ansprüche 1 bis 3 wegen mangelnder Erfindungshöhe
vernichtet wird. Die Entgegenhaltungen D 6 und D 9 sind im Erteilungsverfahren bereits
berücksichtigt und in der Klagepatentschrift zutreffend gewürdigt worden. Mit Rücksicht
auf diese und alle weiteren Entgegenhaltungen hat außerdem die
Gebrauchsmusterabteilung in ihrem Beschluss vom 1. Oktober 2002 (Anlage B 4, Seite
4, letzter Absatz) das Vorliegen eines erfinderischen Schrittes ausdrücklich bejaht. Für
diese Bewertung lässt sich zudem folgendes anführen:
62
Die Entgegenhaltungen D 3 bis D 5, D 7, D 8 und D 11 sind ebenso wie die in den
vorbekannten Pressgeräten gezeigten Überdruckventile lediglich geeignet zu belegen,
dass im Prioritätszeitpunkt Druckbegrenzungsventile bekannt waren, mit Hilfe derer der
Betriebsdrucks eines Systems auf einen maximalen Wert begrenzt werden kann. Keine
der Entgegenhaltungen legt jedoch die erfindungsgemäße Lehre nahe, ein Ventil nicht
nur zur Begrenzung des Überdrucks zu verwenden, sondern es zugleich auch so
einzusetzen bzw. auszugestalten, dass es als selbsttätig wirkendes Rücklaufventil
funktioniert. Dem Fachmann mag allgemein geläufig gewesen sein, dass der Körper
solcher Ventile bzw. die Reihenschaltung solcher Ventile so aufgebaut sein kann, dass
das Ventil bei Erreichen eines Maximaldrucks öffnet, dann dem Druckmedium eine
vergrößerte Angriffsfläche bietet und daher erst wieder bei einem Druckwert schließt,
der unter dem auslösenden Maximaldruck liegt. Sich diesen Effekt zunutze zu machen
und zur Ausbildung eines selbsttätig ansprechenden Rücklaufventils für hydraulische
Pressgeräte zu verwenden, so dass allein der Druck des zurücklaufenden Öls das Ventil
über den gesamten Rückstellweg des Kolbens offen hält, liegt für den Fachmann damit
aber noch nicht nahe. Die gegenteilige Ansicht der Beklagten erscheint nicht frei von
einer unzulässigen rückschauenden Betrachtung, was schon durch den Umstand belegt
wird, dass keine der jüngeren Entgegenhaltungen diesen Effekt in der vom Klagepatent
beanspruchten Weise übernommen hat, obwohl bereits die im Jahr 1938 angemeldete
xx-xx x xxx xxx (D 6) ein Überdruckventil zeigt, das dem Druckmedium nach dem Öffnen
63
eine vergrößerte Angriffsfläche bietet.
IV.
64
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO und, soweit die Klägerin
ihre Klageanträge nachträglich beschränkt hat, auf der entsprechenden Anwendung von
§ 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, da die weitergehende Forderung verhältnismäßig geringfügig
war und keine besonderen Kosten veranlasst hat.
65
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 108 ZPO. Der
Vollstreckungsschutzantrag der Beklagten nach § 712 ZPO bleibt ohne Erfolg, weil
keine konkreten Tatsachen dafür vorgetragen sind, dass die Vollstreckung des Urteils
der Beklagten einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde.
66
Der Streitwert beträgt 650.000,-- Euro.
67