Urteil des LG Düsseldorf vom 18.02.2003

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Landgericht Düsseldorf, 4 O 128/02
Datum:
18.02.2003
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 O 128/02
Tenor:
I.
Die Beklagte wird verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- € -ersatzweise
Ordnungshaft- oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle
wiederholter Zuwiderhand-lung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu
unterlassen,
a)
Maschinen zum Herstellen von Verpackungen unter Va-kuum mit zur
Lagerung der Beutel eingerichteten Aufla-gen und Deckeln, die an zwei
getrennten ringförmigen Fördereinrichtungen angeordnet sind, wobei die
ringför-migen Wege der beiden Fördereinrichtungen auf zwei
getrennten, übereinander liegenden horizontalen Ebenen verlaufen, und
bei denen die Auflagen als nach oben of-fene, mit Deckeln
verschließbare Becher zur an den Be-cherwänden anliegenden
Aufnahme der vorgeformten, leeren Beutel ausgebildet sind und bei
denen die Beutel vom Zeitpunkt ihrer Aufnahme in die Becher bis nach
dem Verschließen der Verpackung in den Bechern verbleiben,
b)
Maschinen zum Herstellen von Verpackungen unter Va-kuum mit zur
Lagerung der Beutel eingerichteten Aufla-gen und Deckeln, die an zwei
getrennten Fördereinrich-tungen angeordnet sind, wobei die eine
Fördereinrich-tung ringförmig ist, während die andere teilweise ring-
förmig und um eine quer zur Ebene der Fördereinrich-tung gelegene
Achse schwenkbar ist, wobei die ringför-migen Wege der beiden
Fördereinrichtungen auf zwei getrennten, übereinander liegenden
horizontalen Ebenen verlaufen, und bei denen die Auflagen als nach
oben of-fene, mit Deckeln verschließbare Becher zur an den Be-
cherwänden anliegenden Aufnahme der vorgeformten, leeren Beutel
ausgebildet sind und bei denen die Beutel vom Zeitpunkt ihrer
Aufnahme in die Becher bis nach dem Verschließen der Verpackung in
den Bechern verbleiben,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Ver-kehr zu bringen,
oder zu den genannten Zwecken einzu-führen oder zu besitzen;
2.
der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordne-ten
Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen, in wel-chem Umfang die
Beklagte die zu I.1 bezeichneten Handlungen seit dem 08.05.1992
begangen hat, und zwar unter Angabe
a)
der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Typen-bezeichnungen,
Liefermengen, Lieferzeiten und Liefer-preisen sowie den Namen und
Anschriften der Abneh-mer,
b)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbe-zeichnungen,
Angebotsmengen, Angebotsdaten und Angebotspreisen sowie den
Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
c)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbe-trägern, deren
Auflagenhöhe, Internet-Veröffentlichungen, Verbreitungszeitraum und
Verbrei-tungsgebiet,
e)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüssel-ten
Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch Abzug
von Fixkosten und variablen Gemein-kosten gemindert ist, es sei denn,
diese könnten aus-nahmsweise den unter I.1 fallenden Gegenständen
un-mittelbar zugerechnet werden.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,
der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu der
Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 08.05.1992 begangenen Handlungen
entstanden ist und noch ent-stehen wird.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
IV.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 250.000 € vorläufig
vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die selbstschuldnerische
Bürgschaft einer in der Bundes-republik Deutschland ansässigen
Großbank oder öffent-lich rechtlichen Sparkasse erbracht werden.
V.
Der Streitwert wird auf 250.000 € festgesetzt.
Tatbestand:
1
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patentes 0 275 346
(Klagepatent, Anlage K1), mit dem Schutz auch für die Bundesrepublik Deutschland
beansprucht wird. Die Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung erfolgte
am 08.04.1992. Das deutsche Schutzrecht wird in der Rolle des Deutschen Patent- und
Markenamtes unter der Nr. DE 37 ####1.1 geführt.
2
Das Klagepatent betrifft eine Maschine zum Herstellen von Verpackungen, die nach der
Füllung unter Vakuum gesetzt und unter Vakuum verschlossen werden. Anspruch 1 des
Klagepatents hat folgenden Wortlaut:
3
"Maschine zum Herstellen von Verpackungen unter Vakuum oder in
kontrollierter Atmosphäre mit zur Lagerung der Beutel eingerichteten Auflagen
(1-24) und Deckeln (I-X), die an zwei getrennten ringförmigen
Fördereinrichtungen (25, 26) angeordnet sind, wobei die ringförmigen Wege
der beiden Fördereinrichtungen (25, 26) auf zwei getrennten, übereinander
liegenden horizontalen Ebenen verlaufen,
4
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t,
5
dass die Auflagen als nach oben offene, mit den Deckeln (I-X) verschließbare
Becher (1-24) zur an den Becherwänden anliegenden Aufnahme der
vorgeformten, leeren Beutel ausgebildet sind und dass die Beutel vom
Zeitpunkt ihrer Aufnahme in die Becher (1-24) bis nach dem verschließen der
Verpackung in den Bechern (1- 24) verbleiben.
6
Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht den Gegenstand der Erfindung anhand eines
bevorzugten Ausführungsbeispiels (Figur 1 des Klagepatents):
7
Die Beklagte stellt her und vertreibt Verpackungsmaschinen unter anderem vom Typ
"Typ1" und "Typ2". Die Maschine vom Typ "Typ2" war auf der Messe "interpack 2002"
in E ausgestellt. Im März 2002 hat die Beklagte auf ihrer Internetseite "www.B1.it" eine
Abbildung der Maschine des Typs "Typ1" dargestellt sowie den englischsprachigen
Hinweis, dass sie auf der Messe "interpack 2002" in E vertreten sein wird.
8
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Vermarktung und Vertrieb der oben benannten
Verpackungsmaschinen aus dem Klagepatent auf Unterlassung, Rechnungslegung und
Schadensersatz in Anspruch.
9
Die Klägerin beantragt,
10
die Beklagte wie erkannt zu verurteilen.
11
Die Beklagte beantragt,
12
die Klage abzuweisen.
13
Sie macht geltend: Ein Angebot der von ihr hergestellten "Typ1" sei in Deutschland
nicht erfolgt. Bei dem Internetauftritt handele es sich um eine ausschließlich nationale
italienische Werbung. Insbesondere fehle es an einem Hinweis, dass diese Maschine
anläßlich der Messe in E ausgestellt werden solle.
14
Die Verpackungsmaschine vom Typ "Typ2" unterscheide sich wesentlich von der
"Typ1". Erstere mache von der technischen M des Klagepatents keinen Gebrauch. Es
fehle bereits an dem Merkmal, dass die Maschine zwei ringförmige Fördereinrichtungen
habe, da die obere Fördereinrichtung lediglich ein Ringsegment darstelle, welches hin-
und herverschwenkt werden müsse. Auch würden bei der "Typ2" keine leeren Beutel in
die als oben offenen Auflagen eingesetzt, da bei dieser Ausführungsform die Beutel
zunächst befüllt würden, bevor sie dann in die als Container ausgebildete Auflagen der
unteren Fördereinrichtungen fielen. Soweit in dem Klagepatent auch erwähnt werde,
dass befüllte Beutel in die Auflagen eingesetzt werden könnten, stünde dies in einem
offenen Widerspruch zu dem Wortlaut des Patentanspruches und sei nur erklärlich mit
dem Gang des Erteilungsverfahrens, in dem diese Formulierung zunächst als
eigenständiger Unteranspruch aufgeführt gewesen sei, was dann aber von der Klägerin
aufgrund von seitens des Europäischen Patentamts geäußerten Bedenken nicht mehr
weiter verfolgt worden sei.
15
Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Beklagten entgegen.
16
Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie der zu den Akten gereichten
Unterlagen verwiesen.
17
Entscheidungsgründe:
18
I.
19
Das Klagepatent betrifft eine Maschine zum Herstellen von Verpackungen unter
Vakuum oder in kontrollierter Atmosphäre.
20
Nach den einleitenden Darlegungen in der Klagepatentschrift ist eine derartige
Maschine bekannt aus der französischen Patentschrift FR-A-2 506 257 (Anlage K3), bei
der die der Verpackung dienenden Beutel zunächst mit dem Füllgut befüllt werden,
bevor sie dann zu einer Versiegelungsstation transportiert werden. In dieser
Versiegelungsstation werden die befüllten Beutel auf einer Ablage abgelegt, über die
eine Glocke gesetzt wird, so dass die Beutel unter ein Vakuum gesetzt werden können.
Hiernach werden sie durch eine Verschweißung der Beutelfolie verschlossen.
21
Bei dieser Maschine ist nachteilig, dass es während des Transfers der gefüllten Beutel
zu den Versiegelungsglocken zu Stockungen kommen kann, die den Produktionsablauf
behindern.
22
Der Erfindung des Klagepatents liegt dementsprechend das technische Problem
zugrunde, eine Maschine vorzuschlagen, die nicht störungsanfällig ist und mit der
insbesondere auch pulverförmiges Füllgut einwandfrei verpackt werden kann.
23
Zur Lösung dieser Aufgabe sieht das Klagepatent vor, dass die zu befüllenden Beutel
leer in becherförmig ausgestaltete Auflagen eingeführt werden, die so ausgestaltet sind,
dass die Beutel an den Becherwänden anliegen. Erst nach der Einbringung der Beutel
in die becherförmigen Auflagen werden erstere mit dem Füllgut befüllt. Anschließend
verbleiben die Beutel auch während der Dauer der weiteren Verarbeitungsschritte in der
Auflage, so dass ein Transport zu einzelnen Arbeitsstationen entfällt.
24
Gegliedert in einzelne Merkmale gibt Patentanspruch 1 hierzu die Kombination
folgender Merkmale an:
25
Maschine zum Herstellen von Verpackungen unter Vakuum oder in
kontrollierter Atmosphäre,
26
mit
27
1. zwei getrennten ringförmigen Fördereinrichtungen, die auf zwei
getrennten übereinander liegenden horizontalen Ebenen verlaufen,
28
2. mit zur Lagerung der Beutel eingerichteten Auflagen an der einen
Fördereinrichtung,
29
3. Deckeln an der anderen Fördereinrichtung.
30
4. Die zur Lagerung der Verpackungsbeutel bestimmten Auflagen sind als
nach oben offene Becher ausgebildet, die
31
a) mit den Deckeln verschließbar sind und
32
b) der an den Becherwänden anliegenden Aufnahme der vorgeformten
leeren Beutel dienen.
33
5. Die Verpackungsbeutel verbleiben vom Zeitpunkt ihrer Aufnahme in die
Becher bis nach dem Verschließen der Verpackung in den Bechern.
34
Mit der erfindungsgemäßen Maschine können die Beutel im Gegensatz zu der
vorbekannten Maschine insbesondere nicht mehr während des Transfers verklemmen,
da sie schon am Anfang des Arbeitszyklus direkt in die Becher eingegeben werden, in
deren Innerem sie stabil verbleiben, ohne in irgendeiner Weise transferiert werden zu
müssen.
35
II.
36
1.
37
Von dieser technischen M macht die angegriffene Ausführungsform "Typ1" Gebrauch.
38
Dass die von der Beklagten vertriebene Verpackungsmaschine "Typ1" die Merkmale
des Klagepatents verwirklicht, wird von der Beklagten nicht hinreichend bestritten. Die
Klägerin hat unter Vorlage der "Gerichtlichen Beschreibung der Maschine Typ1"
(Anlage K8) substantiiert das Aussehen der angegriffenen Ausführungsform
beschrieben. Aus dieser Beschreibung ergibt sich, dass sämtliche Merkmale des
Klagepatents verwirklicht werden. Es handelt sich um eine Maschine zum Herstellen
von Verpackungen unter Vakuum (Anl. K8, Bl. 14 letzter Abs., Z. 1) , die mit zwei
getrennten ringförmigen Fördereinrichtungen ausgestattet ist, einem unteren in Form
einer "Acht" und einem oberen Förderer (Anl. K8, Bl. 15, 4.Abs.), die in übereinander
liegenden horizontalen Ebenen verlaufen (Merkmal 1).
39
An der unteren Fördereinrichtung sind Becher angebracht (Anl. K8, Bl. 14, letzter Abs.),
die der Lagerung der Beutel dienen (Anl. K8, Bl. 15, letzter Absatz), Merkmal 2, während
an der oberen Fördereinrichtung gemäß Merkmal 3 Deckel angebracht sind (Anl. K8, Bl.
15, 3. Abs.).
40
Die angegriffene Ausführungsform weist entsprechend Merkmal 4 nach oben offen
ausgeformte Becher aus, die mit Deckeln, die an der oberen Fördereinrichtung
angebracht sind, verschließbar sind und der an den Becherwänden anliegenden
Aufnahme der vorgeformten leeren Beutel dienen. Dies folgt aus der Beschreibung in
Anlage K8, Bl. 15, letzter Abs., wonach die Beutel zunächst ausgebildet werden und
dann in einen der vorbeilaufenden unteren Becher eingesetzt werden. Im weiteren
Verlauf folgt dann ein Trichter – welcher der Befüllung der in die Becher eingebrachten
Beutel dient – und andere Vorrichtungen, bevor dann die an der oberen
Fördereinrichtung befindlichen Deckel jeweils auf einen Becher abgesenkt werden und
diese verschließen.
41
Die Beutel bleiben in den Bechern, bis sie als Verpackung geschlossene Beutel durch
eine Schiebevorrichtung auf ein Förderband transportiert, wobei die Beutel zuvor von
den in den Bechern befindlichen beweglichen Böden angehoben werden, hierdurch
wird auch das Merkmal 5 des Klagepatents verwirklicht.
42
Vor dem Hintergrund dieser detaillierten Beschreibung der Maschine "Typ1" ist es nicht
ausreichend, dass die Beklagte sich darauf beruft, dass aus der Abbildung der "Typ1"
auf ihrer Internetseite (Anlage K5) die Verwirklichung der Merkmale des Klagepatents
nicht ersichtlich sei.
43
Die Beklagte hat die "Typ1" auch in Deutschland angeboten. Anbieten bedeutet nicht
nur ein "zum Verkauf halten", sondern auch ein zum Kauf anbieten, wobei es letztlich
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nicht darauf ankommt, ob ein Gegenstand gekauft, gemietet oder geleast werden soll.
Es kommt auf die Rechtsnatur des vorgesehenen Rechtsgeschäfts nicht an. Die Art des
Anbietens ist hierbei unerheblich. Es kann mündlich, schriftlich oder auf andere Art
erfolgen (vgl. Busse, PatG, 5.Aufl. § 9 Rn 72,73). Die Beklagte hat auf ihrer Internetseite
ein Lichtbild der angegriffenen Ausführungsform abgebildet, bei dem der Interessent
durch Anklicken des Bildes eine größere Abbildung mit den technischen Merkmalen der
Maschine erhält (Anl. K6). Es ist weiterhin auf dieser Internetseite die Möglichkeit
gegeben, mit der Beklagten Kontakt auf elektronischem Wege aufzunehmen. Dieses
Angebot der angegriffenen Ausführungsform erfolgt auch im Inland, da es auf die Art des
Anbietens im Inland nicht ankommt (Busse, a.a.O., Rn 133). Die Internetseite der
Beklagten ist in das weltweite Netz (www.) eingestellt worden, so dass sie überall auf
der X und damit auch in Deutschland aufgerufen werden kann. Dass es sich nicht
lediglich um ein Angebot handelt, welches für Italien bestimmt war, wie die Beklagte
behauptet, folgt auch daraus, dass der Internetauftritt der Beklagten zweisprachig erfolgt
und der Hinweis gegeben ist, dass die Beklagte auf der Messe "interpack 2002" in E
ausstellt. Der Adressbestandteil ".it" ist lediglich die Kenntlichmachung dafür, dass es
sich um eine Internetseite handelt, die aus Italien stammt. Eine Bestimmung dieser Seite
nur für Italien läßt sich daraus – entgegen der Auffassung der Beklagten – gerade nicht
herleiten.
2.
45
Auch die weitere von der Klägerin angegriffene Ausführungsform "Typ2" macht von der
technischen M des Klagepatents Gebrauch.
46
Die von der Beklagten – unstreitig – auf der Messe "interpack 2002" ausgestellte
Verpackungsmaschine des Typs "Typ2" verfügt über zwei übereinanderliegende
Fördereinrichtungen (Merkmal 1), an denen sich einerseits die becherförmigen Auflagen
und andererseits die die Becher verschließenden Deckel befinden. Zwar verfügt hier die
untere Fördereinrichtung ebenfalls über becherförmig ausgestaltete Auflagen. Auch
befinden sich hierzu darüber angeordnete Deckel, die dazu verwendet werden, die
Becher zu schließen. Die Klägerin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt,
dass es als wahr unterstellt werden kann, dass die angegriffene Ausführungsform
"Typ2" der schematischen Darstellung der von der Beklagten als Anlage B 3 zu der
Gerichtsakte gereichten Zeichnung entspricht. Damit kommt es auf den vorherigen
Sachvortrag der Klägerin zu diesem Merkmal nicht mehr an. Im Ergebnis kann es
dahingestellt bleiben, ob die angegriffene Ausführungsform Merkmal 1 des
Hauptanspruchs wortsinngemäß erfüllt, wie die Klägerin meint, denn jedenfalls liegt in
der Ausführung durch die Beklagte eine äquivalente Verletzung dieses Merkmals.
Gegen die Auffassung der Klägerin, der Wortlaut des Merkmals 1, die beiden
Fördereinrichtungen müssten ringförmig ausgestaltet sein, beinhalte nicht, dass es sich
um geschlossene S handeln müsse, spricht, dass nach dem allgemeinen
Sprachgebrauch unter einem Ring eine geschlossene Figur verstanden wird. Auch
wenn es Verwendungen dieses Begriffes gibt, die eine geöffnete Ausgestaltung eines
Ringes zulassen, so ist es in diesen Fällen, auch nach den von der Klägerin im Termin
hierzu überreichten Unterlagen (Anlage K 12) so, dass grundsätzlich dann klarstellend
von einem "offenen" Ring gesprochen wird.
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Jedenfalls stellt aber die Ausführungsform der Beklagten eine äquivalente Verletzung
des Klagepatents dar. Denn der Schutzbereich eines Patentes umfasst nach § 14 PatG
nicht nur den wortlautgemäßen bzw. wortsinngemäßen (identischen) Gegenstand,
48
sondern er schließt auch äquivalente (inhaltsgleiche) Ausführungsformen ein.
Äquivalente (inhaltsgleiche) Mittel sind dabei solche, die den patentgemäßen Mitteln in
ihrer technischen Funktion entsprechen und mit ihnen im wesentlichen gleichwirkend
sind. Außerdem muss der Fachmann beim Studium der in den Patentansprüchen
beschriebenen Erfindung die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten
abgewandelten Mittel unter Einsatz seines Fachwissens auffinden können. Diese
Voraussetzungen liegen hier im Hinblick auf das Merkmal 1 vor. Für die Verwirklichung
der technischen M ist es maßgeblich, dass die an der unteren ringförmigen
Fördereinrichtung angeordneten becherförmig ausgestalteten Auflagen von den an der
oberen Fördereinrichtung befestigten Deckeln verschlossen werden können, in dem
Arbeitsbereich, in dem der Verpackungsinhalt unter Vakuum gesetzt wird und das
Verschweißen der Verpackung erfolgt. Hierzu ist es aber gerade nicht zwingend
erforderlich, dass auch die obere Fördereinrichtung –geschlossen- ringförmig
ausgestaltet ist, da eben nur im Bereich eines Ringsegmentes eine ringförmige und
simultane Bewegung mit den Auflagen gefordert ist, um eben in diesem Teilbereich
einen vakuumdichten Verschluß zu ermöglichen. Dies ist für den Fachmann auch
offenkundig.
Die Merkmale 2 und 3 werden unstreitig von der angegriffenen Ausführungsform
verletzt.
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Schließlich wird auch Merkmal 4 von der "Typ2" verwirklicht. Auch die "Typ2" verfügt
über Auflagen, die zur Lagerung der Verpackungsbeutel bestimmt sind. Diese sind als
nach oben offene Becher ausgebildet. Die Beklagte wendet hiergegen ein, dass die
Auflagen bei der von ihr hergestellten Maschine so konstruiert seien, dass es sich um
Container handele, in denen sich Becher befinden würden, die ihrerseits in den
Containern vertikal beweglich angebracht sind und in deren Böden sich zwei Löcher
befänden, die ein Entweichen der Luft beim Absenken der Verpackungsbeutel
ermöglichten.
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Demgegenüber weist das Klagepatent keine Hinweise dazu auf, wie die Auflagen im
einzelnen ausgestaltet sein müssen, mit Ausnahme der Festlegung, dass es sich um
nach oben offene Becher handeln muß. Es ist mit diesem weit gefaßten
Merkmalsbestandteil jedoch nicht bestimmt, wie diese Becher an der Fördereinrichtung
befestigt sein müssen. Die Anbringung der becherförmigen Auflagen kann auch in
einem Container erfolgen, so dass dieser Teil des Merkmals 4 wortsinngemäß erfüllt ist.
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Auch Merkmal 4 a) ist wortsinngemäß verwirklicht. Die an der angegriffenen
Ausführungsform unstreitig befindlichen Deckel sind dazu bestimmt und geeignet, die
Becher zu verschließen. Das Klagepatent lehrt nicht, dass zwischen den Bechern und
den Deckeln eine hermetische Verschließung erreicht werden muß. Ein solcher, zur
Erzeugung eines Vakuums erforderlicher, dichter Verschluß kann auch dadurch erreicht
werden, dass die Dichtfläche zwischen dem Deckel und dem Container besteht, in dem
sich der Becher zur Aufnahme der Verpackungsbeutel befindet.
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Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht letztlich auch Merkmal 4 b) des
Patentanspruchs. Das Klagepatent lehrt in seiner Beschreibung, dass die
erfindungsgemäße Maschine in der Weise eingerichtet ist, dass "ein oder mehrere,
entweder leere oder bereits vorher gefüllte Beutel schon am Anfang des Arbeitszyklus
direkt in einen Becher eingegeben werden" (Anlage K1, Sp. 3 Z. 28-31) und zeigt auch
in der "Figur 17 eine abgewandelte Ausführungsform der Ausstattung, in der die direkte
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Eingabe der bereits gefüllten Beutel in den Becher" (Anlage K1, Sp. 4 Z. 30-32) erfolgt.
Dies spricht dafür, dass auch bereits befüllte Beutel in die Becher abgelegt werden
dürfen. Da es sich um einen Sachanspruch handelt, genügt auch, dass die Becher so
ausgebildet sind, dass sie leere Beutel anliegend aufnehmen können. Auch vor dem
Hintergrund von Aufgabe und Lösung des Klagepatents ist nicht einzusehen, wieso die
Ablage von gefüllten Beuteln in die Becher nicht ausreichen soll. Beanstandet am Stand
der Technik ist die Transportvorrichtung, die die gefüllten Beutel zur
Versiegelungsstation bringt. Bei diesem Transport und der Übergabe der Beutel kann es
zu Stockungen kommen, die vermieden werden sollen. Sp. 2 Z. 5 –17 hebt
dementsprechend hervor, dass der bisher notwendige Transfer problematisch ist, weil
es zu Verklemmungen kommen kann. Solche Transfers (Transporte) sind auch dann
entbehrlich, wenn die gefüllten Beutel nicht mittels eines besonderen Bandes oder
dergleichen zur Versiegelungseinheit befördert werden, sondern direkt von der
Füllstation in die Becher übergeben werden.
Dies ist bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall. Entgegen der von der
Beklagten im Termin geäußerten Auffassung stellt diese Übergabe in Form eines
"Herabfallens" des gefüllten Beutels in die leeren Becher keinen solchen Transport dar,
wie er nach den Beschreibungen in der Klagepatentschrift als nachteilig im Stand der
Technik bezeichnet wird. Durch die fehlende Übergabe befüllter Beutel auf / von
entsprechenden Transporteinrichtungen kann es auch bei der angegriffenen
Ausführungsform, wie es die technische M des Klagepatents verlangt, nicht zu
Verklemmungen kommen.
54
Vor diesem Hintergrund stellt es auch keinen offenen Widerspruch der oben zitierten
Beschreibungsstellen zu dem Patentanspruch dar –wie die Beklagte meint-, da es –
soweit es vorliegend darauf ankommt- in der Tat für die Vermeidung der Nachteile des
Standes der Technik nicht darauf ankommt, ob leere oder bereits befüllte Beutel zu
Beginn des Arbeitszyklus in die Becher abgesenkt werden.
55
Es kann auch der Gang des Erteilungsverfahrens vorliegend keine Berücksichtigung bei
der Schutzbereichsbestimmung finden. Die ursprüngliche Fassung des
Patentanmeldung sah die Ausführungsvariante, in der die bereits befüllten Beutel in die
Becher abgesenkt werden, als Unteranspruch 9 vor. Erst nachdem das Europäische
Patentamt im Erteilungsverfahren auf diesbezügliche Bedenken hingewiesen hatte,
erfuhr das Klagepatent seine jetzige Form, in der der ehemalige Unteranspruch 9 zu
einer nicht gesondert hervorgehobenen Beschreibungsstelle im Text wurde. Nach der
neueren Rechtsprechung des BGH (BGH, in: GRUR 2002, 511 – Kunststoffrohrteil-)
sind solche Vorgänge im Erteilungsverfahren bei der Schutzbereichsbestimmung nicht
einschränkend zu berücksichtigen. Eine Ausnahme hierzu wird danach nur im Falle
eines Verzichts des Antragstellers möglich sein, wofür vorliegend aber keinerlei
Anhaltspunkte gegeben sind.
56
III.
57
Da die Beklagte den Gegenstand des Klagepatents rechtswidrig benutzt hat, ist sie der
Klägerin zur Unterlassung verpflichtet, Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG.
58
Die Beklagte ist weiterhin gewohnheitsrechtlich nach den Grundsätzen von Treu und
Glauben (§ 242 BGB) zur Rechnungslegung verpflichtet, damit die Klägerin in die M2
versetzt wird, den ihr gem. § 139 PatG zustehenden Schadensersatzanspruch zu
59
beziffern.
IV.
60
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Anordnung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit folgt aus § 709, 108 ZPO.
61