Urteil des LG Düsseldorf vom 15.12.2008

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Landgericht Düsseldorf, 9 O 257/08
Datum:
15.12.2008
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
9. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 O 257/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger ist Versicherungsnehmer einer über das Motorrad, amtliches Kennzeichen X,
bei der Beklagten abgeschlossenen Teilkaskoversicherung. Dem Vertrag liegen die
Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten (AKB) zu Grunde. Das Motorrad
war jedenfalls zwischenzeitlich der finanzierenden Santander Bank
sicherungsübereignet.
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Der Kläger zeigte am 14.05.2008 gegen 5:45 Uhr bei der Polizei den Diebstahl des
Motorrades an. In einem mit der Schadensanzeige der Beklagten übersandten
Ergänzungsformular vom 19.05.2007 gab er unter Ziff. 13 als Zeugen für das Abstellen
seine Ehefrau an.
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Das Ergänzungsformular enthält in Fettdruck über der Unterschrift des Klägers
folgenden Hinweis:
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"Bitte beantworten Sie alle gestellten Fragen vollständig und wahrheitsgemäß.
Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass bewusst unwahre oder unvollständige
Angaben auch dann zum vollständigen Verlust des Anspruchs auf
Versicherungsschutz führen können, wenn dem Versicherer dadurch ein
Nachteil nicht entsteht."
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 3 ff. im Anlagenheft verwiesen.
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In der Zeugenvernehmung bei der Polizei am 24.05.2007 gab er als Zeuge für das
Abstellen seine Tochter an, im Rechtstreit hat er ferner noch seine Mutter und seine
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Schwiegermutter als Zeugen benannt.
Das Motorrad hat einen Restwert von 10.800,00 € (Bl. 3 GA).
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Der Kläger behauptet, unter Verweis auf ein Schreiben der X vom 31.05.2007, in dem
bestätigt wird, dass die Finanzierung erledigt sei, er sei nunmehr Eigentümer des
Motorrades. Ferner er habe es am Sonntag, dem 13.05.2007, vor seinem Haus geparkt
und sei mit dem Fahrrad zur Nachtschicht gefahren. Am Morgen des 14.05.2007 als er
von der Nachtschicht zurückgekommen sei, sei das Motorrad weg gewesen. Er
behauptet ferner, die außergerichtlich angefallen Kosten seien von ihm bezahlt worden.
Neben diesen und dem Restwert des Motorrads macht er eine Auslagenpauschale von
25,00 € geltend.
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Nachdem er zunächst mit dem Antrag zu 1) die Zahlung von 10.825,00 € beantragt hat,
hat er die Klage um die Selbstbeteiligung von 150,00 € zurückgenommen und beantragt
nunmehr
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1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.675,00 € nebst 5 % Zinsen über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.05.2007 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 837,52 € Kosten vorgerichtlicher
Rechtsverfolgung zu zahlen
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie behauptet, der Diebstahl sei vorgetäuscht. Ferner beruft sie sich auf
Leistungsfreiheit wegen der Verletzung von Aufklärungsobliegenheiten. Diese folge aus
falschen Angaben zu den Schlüsseln, zur Laufleistung des Motorrades, zum Top Case,
zum letzten Werkstattaufenthalt und daraus, dass der Kläger falsche Angaben zu den
vorhandenen Zeugen für das Abstellen des Motorrades gemacht habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
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Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Ersatz des
Wiederbeschaffungswertes des Motorrades nach § 49 VVG a.F., §§ 12, 13 AKB, da die
Beklagte wegen der Verletzung einer Aufklärungsobliegenheit von ihrer Leistungspflicht
freigeworden ist, § 7 I Nr. 2 S. 3, V Nr. 4 AKB i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG a.F.
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Daher kann offen bleiben, ob die Klagefrist des § 12 Abs.3 VVG versäumt wurde, indem
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der Kläger eine Klage auf Leistung an sich selbst erhoben hat. Es kommt auch nicht
darauf an, ob der Kläger den ihm obliegenden Beweis für das Nichtauffinden des
Motorrades mit dem in der mündlichen Verhandlung auf gerichtlichen Hinweis
benannten Zeugen führen kann oder die Beklagte den ihr obliegenden Beweis dafür,
dass eine erhebliche Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Diebstahl vorgetäuscht ist.
Die Beklagte ist wegen Verletzung einer Aufklärungsobliegenheit durch den Kläger
nach § 7 I Nr. 2 S. 3, V Nr. 4 AKB i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG a.F. von ihrer Leistungspflicht
befreit. Nach § 7 I Nr. 2 Satz 3 AKB ist der Versicherungsnehmer nach Eintritt des
Versicherungsfalles verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes
dienlich sein kann. Dazu gehört auch die Pflicht, den Versicherer wahrheitsgemäß und
vollständig über solche Umstände zu unterrichten, die für die Regulierung von
Bedeutung sind. Der Kläger hat diese Aufklärungsobliegenheit im vorliegenden Fall
verletzt.
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Unstreitig hat der Kläger trotz ordnungsgemäßer Belehrung in dem Ergänzungsformular
zur Schadensanzeige falsche Angaben zu den zur Verfügung stehenden Zeugen zum
Abstellen des Motorrades gemacht. In dem Formular "Ergänzung der
Schadensmeldung" hat er nur seine Ehefrau mit der Angabe 17:00 Uhr aufgeführt, so
dass sich diese Angabe nicht lediglich darauf beziehen kann, dass sie später noch den
Hund ausgeführt hat und die letzte gewesen ist, die das Motorrad gesehen haben soll.
Bereits bei polizeilichen Vernehmung kurze Zeit nach dem Vorfall hat der Kläger
(alleine) seine Tochter für das Abstellen benannt. Im Prozess hat der Kläger schließlich
noch seine Mutter und Schwiegermutter benannt.
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Damit liegt eine objektive Falschangabe vor. Dieser Verstoß, dessen Folgenlosigkeit
einmal unterstellt wird, ist im Fall der Geltendmachung von Versicherungsleistungen
wegen eines Fahrzeugdiebstahls generell geeignet, die Interessen des Versicherers
ernsthaft zu gefährden. Der Kaskoversicherer muss für seine Regulierungsentscheidung
über die zur Verfügung stehenden Zeugen informiert sein, um die Angaben des
Versicherungsnehmers überprüfen zu können. Außerdem hat der Versicherer auch ein
Interesse daran, dass der Versicherungsnehmer möglichst zeitnah nach Eintritt des
Versicherungsfalls vollständige Angaben macht, damit die Möglichkeit nachträglicher -
möglicherweise unzutreffender - Ergänzungen oder Änderungen der Schilderung des
Hergangs ausgeschaltet wird (vgl. OLG Köln RuS 2001, 14 zitiert nach juris, dort Rn. 6;
OLG Köln RuS 2006, 326 zitiert nach juris dort Rn. 27).
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Den Kläger trifft auch ein erhebliches Verschulden. Nur wenn ein Verstoß vorliegt, der
auch einem sonst ordentlichen Versicherungsnehmer leicht unterlaufen kann und für
den ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufzubringen vermag, kann ein erhebliches
Verschulden zu verneinen sein. Es ist aber für jedermann leicht erkennbar, dass bei
Fahrzeugentwendungsfällen Zeugen für das Abstellen und Nichtwiederauffinden von
besonderer Wichtigkeit sind.
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Der Vortrag des Klägers ist nicht geeignet die Vorsatzvermutung des § 6 Abs. 3 VVG
a.F. zu widerlegen. Seine Tochter hat er bereits gegenüber der Polizei - wenige Tage
nach Ausfüllen der Schadensanzeige – als Zeugin benannt. Mit seiner Mutter und seiner
Schwiegermutter will er sich nach dem Abstellen des Motorrades noch unterhalten
haben, als diese beim Abstellen aus der Haustür kamen. Es erschließt sich daher nicht,
warum er diese Zeugen wenige Tage nach dem Geschehen nicht gegenüber der
Beklagten als Zeugen benannt hat.
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Demnach kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte auch wegen der Verletzung von
weiteren Aufklärungspflicht von ihrer Leistungspflicht freigeworden ist.
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Für die Geltendmachung einer Auslagenpauschale gegenüber dem Kaskoversicherer
ist keine Anspruchsgrundlage ersichtlich.
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Da der Hauptanspruch nicht gegeben ist, kann der Kläger auch nicht Erstattung
vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangen.
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Die Ausführungen in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen beider Parteien boten
keinen Grund für eine Wiedereröffnung der Verhandlung. Der Vorwurf des Klägers
erforderliche Hinweise seien nicht erteilt worden, ist nicht nachzuvollziehen, da der
Kläger gerade auf einen vorsorglichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung die
Zeugen für das Nichtwiederauffinden des Motorrades sogleich benennen konnte und
benannt hat. Für eine Entscheidung kommt es jedoch auf eine Beweisaufnahme nicht a
n.
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