Urteil des LG Düsseldorf vom 10.05.2006

LG Düsseldorf: transportunternehmen, wirtschaftliche tätigkeit, allgemeine geschäftsbedingungen, kündigung, eugh, agb, geschäftsbeziehung, öffentlich, vergütung, unterlassen

Landgericht Düsseldorf, 12 O 255/05
Datum:
10.05.2006
Gericht:
Landgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
Vors. Richterin am LG von Gregory, Richter am LG Dr. Wirtz, Richterin
Dr. Hesselbarth
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
12 O 255/05
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus
diesem Urteil beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
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Die Kläger wenden sich gegen den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung
durch die Beklagte, den sie im Wesentlich in einer Änderung der AGBs der Beklagten
zum 28.12.2004 sehen.
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Die Kläger zu 1. – 18. sind rechtsfähige Landesverbände der Unternehmen des
Deutschen Güterkraftverkehrsgewerbes; sie vertreten bundesweit mehr als 12.000
Transportunternehmen aus den Bereichen Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung.
Bei den Mitgliedsunternehmen der Kläger zu 1. bis zu 18. handelt es sich um
Transportunternehmen des gewerblichen, überwiegend durch Kleingewerbe geprägten
Güterkraftverkehrs.
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Bei den Klägern zu 19. bis zu 32. handelt es sich um rechtsfähige Verbände des
Transport- und Logistikgewerbes einzelner Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Gegenstand der Tätigkeit sämtlicher Kläger ist die Förderung der gewerblichen
Interessen ihrer Mitglieder.
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Die Beklagte ist ein Gemeinschaftsunternehmen der Firmen X. Ihr wurde durch das
Bundesamt für Güterverkehr (BAG) auf der Grundlage des § 4 Abs. 2
Autobahnmautgesetz (ABMG) die Befugnis zur Errichtung und zum Betrieb eines
Systems zur Erhebung der Maut für die Benutzung der deutschen Bundesautobahnen
mit schweren Nutzfahrzeugen (ab 12 t) übertragen. Am 15.12.2004 erhielt die Beklagte –
dies als einziges Unternehmen – vom BAG die vorläufige Erlaubnis zum Betrieb des
satellitengestützten Mautsystems in der BRD. Für die Errichtung und Bereitstellung der
technischen Einrichtungen des Mautsystems erhält die Beklagte vom Bund eine im
Betreibervertrag festgelegte Vergütung. Die Mautschuldner entrichten für die Nutzung
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des Mautsystems kein Entgelt an die Beklagte.
Die Mautgebührenentrichtung mittels des von der Beklagten bereitgestellten
Mautsystems ist auf verschiedenen Wegen möglich, nämlich über ein manuelles
Einbuchungsverfahren, bei dem die Mautpflichtigen lokale Zahlstellenterminals
benutzen, mittels eines manuellen Interneteinbuchungsverfahrens sowie über ein
automatisches/ satellitengestütztes Mauterhebungssystem unter Verwendung eines
OBU-Geräts (on board unit).
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Sofern die Mautpflichtigen von dem Interneteinbuchungsverfahren oder dem
automatischen Mauterhebungssystem Gebrauch machen möchten, müssen sie sich bei
der Beklagten registrieren lassen (registrierte Unternehmen). Ohne die Registrierung
sind die Transportunternehmen auf die Nutzug des manuellen Einbuchungsverfahrens
beschränkt.
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Für die Nutzung ihres Zahlungssystems durch registrierte Nutzer legt die Beklagte
Allgemeine Geschäftsbedingungen, die "AGB der X für die Nutzung des Systems zur
Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen
mit schweren Nutzfahrzeugen" zugrunde.
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Hintergrund der Klageanträge ist folgender Sachverhalt:
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Die Beklagte verwendete zunächst AGBs in einer Fassung vom 07.05.2003. Mit dem
nachstehend wiedergegebenen Schreiben vom 28.12.2004 (Anlage K 5) teilte die
Beklagte allen bei ihr registrierten Transportunternehmen ihre Absicht mit, ihre neuen
Geschäftsbedingungen in der Fassung vom 21.12.2004 einbeziehen zu wollen.
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Einige Transportunternehmen widersprachen der Änderung der AGBs, woraufhin die
Beklagte gegenüber den widersprechenden Transportunternehmen die Kündigung des
Vertragsverhältnisses zum 31.03.2005 aussprach. In dem Kündigungsschreiben führte
die Beklagte aus, dass die Kündigung der Geschäftsbeziehung zur Folge habe, dass
die Maut nicht mehr automatisch über das OBU und auch nicht mehr manuell über das
Internet, sondern ausschließlich nur noch über die manuelle Einbuchung am
Mautstellenterminal entrichtet werden könne. Sie forderte die betreffenden Unternehmen
auf, die OBU bis spätestens bis zum 31.03.2005 ausbauen zu lassen. Die Beklagte wies
darauf hin, dass am 31.03.2005 alle bei den Fahrzeugen der betreffenden Unternehmen
eingebauten Fahrzeuggeräte durch sie gesperrt werden würden und der Zugang für das
Interneteinbuchungsverfahren gelöscht werden würde.
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Die Kläger machen geltend, das manuelle Einbuchungsverfahren sei deutlich
umständlicher als die Mautentrichtung mittels Internet oder über das automatische
Einbuchungsverfahren. Das Anfahren der Terminals sei mit einem beträchtlichen
Zeitaufwand und entsprechendem Umsatzausfall bei den darauf verwiesenen
Transportunternehmen verbunden.
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Die Kläger sehen in der Verwendung der geänderten AGBs der Beklagten, dem
Ausspruch der Kündigung aufgrund des Widerspruchs von Transportunternehmen
gegen die Änderung der AGBs sowie der "Drohung" mit der Kündigung einen
Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung i. S. v. § 19 Abs. 1, 4 Nr. 1 GWB.
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Die Kläger haben die Klage zunächst auch darauf gestützt, dass einige der geänderten
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AGB-Klauseln unangemessen und benachteiligend seien, dies gelte insbesondere für
die Haftungsbeschränkung nach § 5 der AGB der Beklagten vom 21.12.2004, die
Kostentragungsregelung für Wartung, Pflege, Ein- und Ausbau der OBUs sowie den
Einwendungsausschluss gegen Mautabrechnungen einschließlich der Rügefrist von
zwei Monaten.
Die Kläger haben zunächst beantragt,
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die Beklagte bei Vermeidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu
verurteilen,
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es zu unterlassen.
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1. für den Fall des Widerspruchs gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der
Beklagten "für die Nutzung des Systems zur Erhebung von streckenbezogenen
Gebühren für die Benutzung der Bundesautobahnen mit schweren
Nutzfahrzeugen" mit der Kündigung der Geschäftsbeziehung zu drohen;
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2. im Fall des Widerspruchs gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der
Beklagten "für die Nutzung des Systems zur Erhebung von streckenbezogenen
Gebühren für die Benutzung der Bundesautobahnen mit schweren
Nutzfahrzeugen", Stand 21.12.2004, die Geschäftsbeziehungen mit
widersprechenden Unternehmen zu kündigen;
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3. im Fall einer auf Grundlage der Kündigungsdrohung der Beklagten gemäß Antrag
zu 1. bereits ausgesprochenen Kündigung die betroffenen Unternehmen im
automatischen Einbuchungsverfahren zu sperren;
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4. die "Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten für Unternehmer für die
Nutzung des Systems zur Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die
Benutzung der Bundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen" in der Fassung
vom 21.12.2004 gegenüber Transportunternehmen der Kläger zu verwenden.
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Die Kläger möchten nun die Angemessenheit und Wirksamkeit der AGB-Klauseln der
Beklagten ausdrücklich nicht mehr überprüft wissen und beantragen,
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die Beklagte bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen
Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht
beigetrieben werden kann, zu Ordnungshaft, oder zu Ordnungshaft bis zu sechs
Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, die Ordnungshaft jeweils zu
vollziehen an den im Rubrum angegebenen Geschäftsführern, zu verurteilen,
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es zu unterlassen,
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1.) für den Fall des Widerspruchs von Transportunternehmen, die Mitglieder der
Kläger sind, gegen geänderte Allgemeine Geschäftsbedingungen der Beklagten
"für die Nutzung des Systems zur Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für
die Benutzung der Bundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen" mit der
Kündigung der Geschäftsbeziehung zu drohen, wenn dies geschieht wie in dem
Schreiben vom 28.12.2004 (Anlage K 5)
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2. im Fall des Widerspruchs der bis zum 28.12.2004 bei der Beklagten für das
automatische Mauterhebungssystem registrierten Transportunternehmen, die
Mitglieder der Kläger sind, gegen die geänderten Allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Beklagten "für die Nutzung des Systems zur Erhebung
von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung der Bundesautobahnen mit
schweren Nutzfahrzeugen" Stand 21.12.2004, die Geschäftsbeziehungen mit
widersprechenden Unternehmen zu kündigen;
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3.) im Fall einer auf Grundlage der Kündigungsdrohung der Beklagten bereits
ausgesprochenen Kündigung gemäß Ziffer 1.) und 2.) die betroffenen
Unternehmen im automatischen Einbuchungsverfahren zu sperren;
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4.) die "Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten für Unternehmer für die
Nutzung des Systems zur Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die
Benutzung der Bundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen" in der Fassung
vom 21.12.2004 gegenüber den Transportunternehmen der Kläger zu verwenden,
die bis zum 28.12.2004 bei der Beklagten für das automatische
Mauterhebungssystem registriert waren, dem Benutzungsverhältnis zugrunde zu
legen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hält die Klageanträge bereits für unzulässig. Sie meint, die im Rahmen des
von ihr bereitgestellten Mausystems durchgeführte Gebührenerhebung sei keine
unternehmerische Tätigkeit im Sinne des Kartellrechts. Sie werde gegenüber den
Transportunternehmen nur innerhalb des vom Bund vorgegebenen gesetzlichen
Rahmens tätig und erbringe die Bereitstellung des Systems gegenüber den
Transportunternehmen unentgeltlich. Es fehle deshalb jedenfalls im Verhältnis zu den
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Transportunternehmen an einer wirtschaftlichen Tätigkeit.
Im Übrigen liegt nach Ansicht der Beklagten auch kein missbräuchliches Verhalten im
Sinne der § 19 Abs. 1, Abs. 4 GWB, Art. 82 EGV vor. Die Beklagte verweist
diesbezüglich auf die Angemessenheit und faktische Notwendigkeit der in ihren AGBs
getroffenen Regelungen. Schließlich könnten die Kläger – so meint die Beklagte – nicht
von ihr verlangen, dass sie jedwede künftige Änderung ihrer AGBs sowie die
Verwendung der AGBs gemäß Schreiben vom 28.12.2004 unterlasse. Den
Mitgliedsunternehmen der Kläger stehe ungeachtet der Monopolstellung der Beklagten
jedenfalls kein Anspruch auf einen bedingungsfreien Zugang zu dem automatischen
Mauterfassungssystem mittels OBU und Einbuchung mittels Internet zu. Schließlich
beruft sich die Beklagte darauf, dass, die von den Klägern geschilderten Nachteile des
manuellen Buchungssystems keineswegs in dem behaupteten Umfang gegeben seien;
auch seien die Haftungsregelungen angemessen und ausreichend; die Rügefrist für
Rechnungen beruhe auf gesetzlichen Vorgaben des AMG. Die Beklagte macht
schließlich geltend, dass sie nur zuvor vom BAG genehmigte AGBs verwenden dürfe.
Eine solche Genehmigung liege hinsichtlich der AGBs gemäß Schreiben vom
28.12.2004 vor, auch wenn die Genehmigung – insoweit unstreitig – mit dem Vermerk
erteilt wurde, dass die AGBs der Beklagten nicht auf ihre zivilrechtliche Wirksamkeit hin
überprüft worden seien.
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Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die Schriftsätze nebst
Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
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I. Die Klage ist in der geänderten Fassung der Klageanträge zu 1.) – 4.) zulässig.
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1. Die Kläger sind nach § 33 Abs. 2 GWB klagebefugt, da es sich bei ihnen um
rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen handelt, denen jeweils
eine erhebliche Zahl von Transportunternehmen angehört. Die im Klagewege geltend
gemachte Zuwiderhandlung berührt auch die Interessen ihrer Mitglieder, denn die von
den Klägern behauptete Verwendung unangemessener und benachteiligender AGBs
seitens der Beklagten ist geeignet, die Mitgliedsunternehmen der Kläger bei der
Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit zu behindern.
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2. Die Klage ist nicht wegen fehlender Bestimmtheit gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO oder
fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
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a) Gegen den Klageantrag zu 1.) bestehen keine Zulässigkeitsbedenken; insbesondere
ist der geänderte Antrag hinreichend bestimmt. Durch die Bezugnahme auf das
Schreiben der Beklagten vom 28.12.2004 ist das angegriffene und zu unterlassende
Verhalten, nämlich "mit der Kündigung der Geschäftsbeziehung zu drohen", hinreichend
klar umschrieben. Die Frage, ob der Klageantrag zu 1.) zu weit gefasst ist, weil er auch
auf die Untersagung eines zulässigen Verhaltens, nämlich jede Änderung der AGBs der
Beklagten "für die Nutzung des Systems zur Erhebung von streckenbezogenen
Gebühren für die Benutzung der Bundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen"
gerichtet ist, ist für die Zulässigkeit ohne Belang. Ein Unterlassungsantrag, der durch
eine zu weite Verallgemeinerung zu weit gefasst ist und über den bestehenden
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Anspruch hinausgeht, ist nicht unzulässig, sondern (teilweise) unbegründet (vgl. BGH,
GRUR 1999, 509, 511).
Den Klägern fehlt schließlich in Bezug auf den Klageantrag zu 1.) nicht das
Rechtsschutzbedürfnis. Das klägerische Begehren ist auf die künftige Unterlassung von
Kündigungsdrohungen zwecks Änderung der AGBs der Beklagten gerichtet, so dass die
Mitgliedsunternehmen der Kläger bei einem Klageerfolg auch vor für sie nachteiligen
Änderungen der AGBs der Beklagten geschützt wären.
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b) Der Klageantrag zu 2.) ist gleichfalls nicht wegen fehlenden
Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Selbst wenn zugunsten der Beklagten unterstellt
wird, dass bereits sämtlichen widersprechenden Nutzern des Mautsystems der
Beklagten gekündigt wurde und weitere Kündigungen nicht mehr vorkommen können,
lässt dies nicht das Rechtsschutzbedürfnis, sondern allenfalls die Wiederholungsgefahr
entfallen. Das Vorliegen der Wiederholungsgefahr stellt kein prozessuales Erfordernis
dar, sondern gehört zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen des
Unterlassungsanspruchs. Das im Rahmen der Zulässigkeit zu prüfende
Rechtsschutzinteresse ergibt sich regelmäßig schon aus der Nichterfüllung des
behaupteten materiell-rechtlichen Anspruchs, dessen Vorliegen für die Prüfung des
Interesses an seiner gerichtlichen Durchsetzung zu unterstellen ist (BGH, GRUR 1973,
208, 209).
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c) Gegen die Zulässigkeit, insbesondere die Bestimmtheit des auf Unterlassung der
Sperrung der von der Kündigung betroffenen Transportunternehmen gerichteten
Klageantrages zu 3.) bestehen aus den vorstehenden Gründen ebenfalls keine
Bedenken.
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d) Der auf Unterlassung der Verwendung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der
Beklagten in der Fassung vom 21.12.2004 gerichtete Klageantrag zu 4.) ist gleichfalls
zulässig. Die Frage, ob den Mitgliedsunternehmen der Kläger im Fall der Unwirksamkeit
der AGBs der Beklagen ein Unterlassungsanspruch zusteht, ist allein im Rahmen der
Begründetheit zu prüfen. Gleiches gilt in Bezug auf die von der Beklagten geltend
gemachte rechtliche Unmöglichkeit der Erfüllung.
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Den gem. § 33 Abs. 2 GWB klagebefugten Klägern fehlt für den Unterlassungsantrag
auch nicht das Rechtsschutzschutzbedürfnis, denn mittels eines erfolgreichen
Unterlassungsantrages könnten die Kläger nicht nur inzident die Unwirksamkeit der
AGBs der Beklagten feststellen lassen, sondern zugleich auch die Verwendung der
AGBs durch die Beklagte unterbinden.
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II. Die zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Den Klägern stehen die geltend
gemachten Unterlassungsansprüche gem. § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 GWB, Art. 82 EGV
nicht zu.
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1. Die Beklagte tritt bei der Bereitstellung des Mautsystems gegenüber den
Transportunternehmen nicht als Unternehmen im Sinne von § 19 Abs. 1 GWB auf; sie
handelt nicht unternehmerisch im Sinne der Kartellrechtsvorschriften. Als
unternehmerisch im Sinne des GWB ist jedwede, sich auf Waren oder gewerbliche
Leistungen erstreckende Betätigung im geschäftlichen Verkeh
r
es auf die Rechtsform oder die Absicht der Gewinnerzielung ankommt.
(Immenga/Mestmäcker, § 1 Rn. 30 ff.; KG 14. 12. 1977 WuW/E OLG 1967, 1970 "WAZ";
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KG 26. 6. 1991 WuW/E OLG 4811, 4823 "Radio NRW".) Nach der Rechtsprechung des
EuGH sind Unternehmen im Sinne des Kartellrechts eine wirtschaftliche Tätigkeit
ausübende Einheiten unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung
(EuGH, NJW 1993, 2344, 2345 unter Ziff. 18).
An einer wirtschaftlichen Betätigung der Beklagten bei der Bereitstellung des
Mautsystems fehlt es jedenfalls im Verhältnis zu den Transportunternehmen. Die
Beklagte wird insoweit lediglich aufgrund eines ihr vom Bund erteilten Auftrages und im
Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung nach § 4 Abs. 2 ABMG tätig. Da die Erhebung
der Mautgebühren eine originär hoheitliche Tätigkeit darstellt, ist ungeachtet des
Umstands, dass sich der Staat hierbei der Mitwirkung der privatrechtlich organisierten
Beklagten bedient, die Bereitstellung des Mautsystems als nicht-wirtschaftliche Tätigkeit
im Verhältnis zu den Nutzern des Systems, den mautpflichtigen Transportunternehmen,
einzuordnen. Denn bei der Bereitstellung des Mautsystems handelt es sich um eine mit
der Erhebung der öffentlich-rechtlichen Mautgebühren unmittelbar in Zusammenhang
stehende Tätigkeit; die Bereitstellung des Mautsystems stellt eine unabdingbare
Voraussetzung für die Mautgebührenerhebung dar. Dies wird nicht zuletzt dadurch
unterstrichen, dass sich die Beklagte wegen der bei der Inbetriebnahme des Systems
eingetretenen Verzögerungen mit Schadensersatzforderungen des Bundes wegen
entgangener Mautgebühren in Milliardenhöhe konfrontiert sieht. Zwar ist auch der Staat
grundsätzlich überall dort als Unternehmen zu behandeln, wo er sich, gleich in welcher
Form, durch das Angebot von wirtschaftlichen Leistungen oder durch die Nachfrage
nach solchen Leistungen wirtschaftlich betätigt (Immenga/Mestmäcker, § 130, Rn. 31).
Hier liegt indessen im Verhältnis zwischen der Beklagten und den
Transportunternehmen keine auf das Angebot von wirtschaftlichen Leistungen oder auf
die Nachfrage nach solchen Leistungen gerichtete Tätigkeit vor. Die von der Beklagten
geschaffene Möglichkeit, die Maut mittels des von ihr angebotenen Systems zu
entrichten, beinhaltet nicht eine wirtschaftliche Leistung gegenüber den
Transportunternehmen. Diese treten der Beklagten auch nicht als "Nachfrager" im Sinne
des Kartellrechts gegenüber, sondern als aufgrund Gesetzes zur Entrichtung der
Mautgebühr verpflichtete Gebührenschuldner, § 4 Abs. 3 S. 2 ABMG. Der Umstand,
dass die originär hoheitliche Mautgebührenerhebung über die privatrechtlich
organisierte Beklagte erfolgt, die wiederum in ein privatrechtlich ausgestaltetes
Rechtsverhältnis zu den Gebührenschuldnern – dies unter Zugrundelegung ihrer AGBs
– tritt, macht die Tätigkeit der Beklagten gegenüber den Transportunternehmen nicht zu
einer unternehmerischen Tätigkeit im Sinne des Kartellrechts. Die Beklagte nimmt
vielmehr durch ihre Mitwirkung bei der Mautgebührenerhebung eine Aufgabe von
allgemeinem öffentlichen Interesse wahr. Ihre Tätigkeit gegenüber den Transporteuren
wird wesentlich durch den ihr im Rahmen seitens des Bundes erteilten Auftrag sowie
die gesetzlichen Rahmenvorgaben bestimmt. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass
der Beklagten eine öffentlich-rechtliche Erlaubnis zum Betrieb des Mautsystems erteilt
wurde, dass sie – insofern unstreitig – nur vom BAG geprüfte AGBs verwenden darf und
schließlich auch daran, dass die von der Beklagen eingezogenen Mautgebühren allein
nach den gesetzlichen Vorgaben von den Mautschuldnern erhoben werden. Die
Beklagte erhält von den Transportunternehmen keine Vergütung für die Bereitstellung
des Mautsystems, diese erfolgt ausschließlich durch den Bund aufgrund der im
Betreibervertrag getroffenen Regelungen.
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Entsprechend den vorstehenden Erwägungen hat der EuGH für ein privatrechtlich
organisiertes Unternehmen, das Gebühren im Auftrag mehrerer Staaten erhebt, wobei
die Tätigkeit des privaten Unternehmens durch entsprechende öffentlich-rechtliche
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Vorgaben ihr Gepräge erhält und die Vergütung seitens des öffentlichen Auftraggebers
gezahlt wird, die Anwendbarkeit des Kartellrechts wegen Fehlens einer wirtschaftlichen
Tätigkeit gegenüber den Gebührenschuldnern verneint (EuGH, SAT Fluggesellschaft
mbH/Europäische Organisation für Flugsicherung (Eurocontrol), NJW 1994, 2344 ff.).
Nach Auffassung der Kammer erfüllt die Tätigkeit der Beklagten gegenüber den
Transportunternehmen die vom EuGH genannten Kriterien; so dass in Übereinstimmung
mit der Rechtsauffassung des EuGH trotz der privatrechtlichen Ausgestaltung des
Rechtsverhältnisses zwischen der Beklagten und den Transportunternehmen der
Anwendungsbereich des Kartellrechts nicht eröffnet ist.
2. Selbst wenn zugunsten der Kläger die Anwendbarkeit des Kartellrechts unterstellt
wird, ist die Klage unbegründet.
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a) Ein Anspruch auf Unterlassung künftiger Kündigungsdrohungen, wie er mit dem
Klageantrag zu 1.) geltend gemacht wird, steht den Klägern nicht zu.
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Die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung gem. § 19 Abs. 1,
Abs. 4 Nr. 1 GWB, Art. 82 EGV durch die Beklagte setzt neben dem Aussprechen einer
Kündigungsdrohung zwecks Durchsetzung ihrer AGBs das Hinzutreten weiterer
Umstände voraus, die das Verhalten der Beklagten als missbräuchlich erscheinen
lassen; da die AGBs der Beklagten (Stand 21.12.2004) ein ordentliches
Kündigungsrecht vorsehen (vgl. BGH, NJW-RR 1995, 1260; BGH, NJW-RR 2003,
1348). Allein die Androhung gegenüber den Transportunternehmen, das bestehende
Vertragsverhältnis zu kündigen, wenn die geänderten AGBs von den
Transportunternehmen nicht akzeptiert werden, stellt als solches kein missbräuchliches
Verhalten dar. Denn der Beklagten ist es trotz ihrer Stellung als einziges mit der
Mautgebührenerhebung betrautes Unternehmen nicht verwehrt, gegenüber den
Transportunternehmen AGBs zu verwenden. Steht der Beklagten aber ein Recht auf
Verwendung von AGBs zu, so ist sie auch befugt, das Vertragsverhältnis mit den diese
AGBs nicht akzeptierenden Transportunternehmen zu kündigen. Erfolgt – wie im
vorliegenden Fall – die Kündigungsdrohung bzw. Kündigung unter der Voraussetzung,
dass die Transportunternehmen die geänderten AGBs nicht akzeptieren, so liegt gerade
kein Behinderungsmissbrauch durch Zugangsverweigerung i. S. v. § 19 Abs. 4 Nr. 1
GWB vor. Denn der Zugang wird den Transportunternehmen nicht generell verwehrt,
sondern von der Einhaltung bestimmter Konditionen abhängig gemacht. Dass dies
grundsätzlich zulässig ist, ergibt sich im Übrigen auch aus der Regelung in § 19 Abs. 4
Nr. 2 GWB, die andernfalls gegenstandslos wäre.
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Die Verwendung der AGBs kann aus den genannten Gründen allenfalls dann als eine
missbräuchliche Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung gem. § 19 Abs. 1, Abs.
4 Nr. 2 GWB angesehen werden, wenn die AGBs unangemessene und
benachteiligende Regelungen enthalten. Ob dies vorliegend der Fall ist, bedarf keiner
Entscheidung. Die Kläger machen nämlich eine Unwirksamkeit oder
Unangemessenheit der AGBs der Beklagten selbst ausdrücklich nicht mehr geltend, so
dass schon für die Kündigungsandrohung mit Schreiben vom 28.12.2004 eine
Missbräuchlichkeit nicht festgestellt werden kann. Für künftige Kündigungsdrohungen,
deren Unterlassung die Kläger mit ihrem Klageantrag zu 1.) begehren, kann eine
Missbräuchlichkeit erst recht nicht festgestellt werden, denn die mittels der Drohung
durchzusetzenden AGB-Regelungen sind in keiner Weise konkretisiert und damit einer
Überprüfung auf ihre Missbräuchlichkeit hin von vornherein entzogen.
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Schließlich ist von einer Missbräuchlichkeit der Kündigungsdrohung auch deshalb nicht
auszugehen, weil sich die Beklagten in ihren AGBs (Stand 07.05.2003), dort unter Teil
B, Ziffer 14.1, ausdrücklich die Möglichkeit von Änderungen vorbehalten hat. Dort heißt
es: "Beim Benutzer gelten sie [die Änderungen] als genehmigt, wenn dieser nicht
schriftlich oder auf dem vereinbarten elektronischen Kommunikationsweg Widerspruch
erhebt. Auf diese Folge wird der Benutzer bei der Bekanntgabe der Änderung von TC
besonders hingewiesen. Der Benutzer muss den Widerspruch innerhalb von sechs
Wochen nach Bekanntgabe der Änderungen an TC absenden. Ein Widerspruch gilt als
Abmeldung im Sinne des Teil B Ziff. 14.3."
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b) Die auf Unterlassung der Kündigung gegenüber widersprechenden
Transportunternehmen sowie der Sperrung gerichteten Klageanträge zu 2. und 3. haben
aus den vorstehend unter II. 2. a) ausgeführten Gründen gleichfalls keinen Erfolg.
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c) Ungeachtet der Frage nach der zivilrechtlichen Wirksamkeit der AGBs der Beklagten
steht den Klägern der mit dem Klageantrag zu 4.) geltend gemachte Anspruch auf
Unterlassung der Verwendung bzw. Zugrundelegung der AGBs der Beklagten
gegenüber ihren Mitgliedsunternehmen nicht zu.
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Einen etwaigen zivilrechtlichen Anspruch gegen die Beklagte, die Verwendung
unwirksamer AGBs zu unterlassen, können die Kläger nach § 33 Abs. 2 GWB von
vornherein nicht geltend machen. Sie sind gemäß § 33 Abs. 2 GWB nur zur
Geltendmachung der Ansprüche nach § 33 Abs. 1 GWB, mithin von
Unterlassungsansprüchen nach dem GWB sowie den Art. 81 und 82 EGV befugt.
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Ein Anspruch der Kläger darauf, dass die Beklagte ihre geänderten AGBs dem
Benutzungsverhältnis nach § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 GWB nicht zugrunde legt, besteht
schon deshalb nicht, weil die Beklagte zur Verwendung von AGBs gegenüber den
Transportunternehmen grundsätzlich befugt ist und von einer Missbräuchlichkeit der in
den AGBs der Beklagten enthaltenen Regelungen nicht auszugehen ist. Auf die obigen
Ausführungen unter II. 2. a) wird insoweit verwiesen. Im Übrigen liegt wegen der
Regelung in Teil B Ziff. 14.1 der AGBs der Beklagten (Stand: 07.05.2003) auch eine
wirksame Einbeziehung der geänderten AGBs vor.
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III. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 Satz 1 ZPO.
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Streitwert: 1.150.000,- Euro.
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