Urteil des LG Dortmund vom 20.08.2009

LG Dortmund (konkludentes verhalten, gas, unternehmen, höhe, erhöhung, inhalt, entnahme, energie, verhalten, versorgung)

Landgericht Dortmund, 13 O 179/08 Kart.
Datum:
20.08.2009
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
II. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 O 179/08 Kart.
Nachinstanz:
Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-2 U 35/09 (Kart)
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen,
die Vollstreckung des Beklagten abzuwenden gegen Sicherheitsleistung
in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht zuvor
der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d:
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Die Klägerin belieferte den Beklagten seit Jahren mit Gas und Strom. Auf welcher
Vertragsgrundlage dies geschah, ist streitig.
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Der Beklagte bezahlte Abschlags- und Jahresrechnungen der Klägerin zunächst ohne
Beanstandungen.
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Zum 01.101.2005 erhöhte die Klägerin ihre Gaspreise und veröffentlichte dies. Der
Beklagte widersprach dem mit Schreiben vom 17.12.2004 unter Hinweis auf § 315 BGB.
Er verlangte Nachweis der Erforderlichkeit und Angemessenheit der Preiserhöhungen
durch Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen. Er widerrief die erteilte
Einzugsermächtigung und kündigte Zahlung nur in Höhe der bisherigen Preise an. Mit
Schreiben vom 29.05.2005 teilte er der Klägerin mit, dass er seinen Widerspruch
aufrechterhalte und den bisherigen Gaspreis und einen Zuschlag von 2 % akzeptiere.
Zum Inhalt der Schreiben wird auf Blatt 25 und 27 f d.A. Bezug genommen.
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Die Klägerin erstellte Jahresrechnung vom 22.06.2005 für die Lieferung von Strom und
Gas in der Zeit vom 12.06.04 bis 24.05.05 über restlich 139,25 €. Der Beklagte zahlte
hierauf entsprechend seiner Ankündigung, so dass ein Restbetrag für Gas von 98,63 €
verblieb.
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Die Klägerin erhöhte ihre Preise weiterhin zum 01.10.2005, 01.01.2006, 01.10.2006 und
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01.03.2007 und machte dies jeweils öffentlich bekannt. Sie erstellte Jahresrechnungen
vom 23.06.2006, 22.06.2007 und 23.06.2008, auf die der Beklagte weiterhin nur
Teilbeträge zahlte.
Die Klägerin verlangt mit der im Dezember 2008 eingegangenen Klage die vollständige
Bezahlung der vorgenannten Rechnungen.
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Die Klägerin behauptet, sie beliefere den Beklagten als Tarifkunden, dies ab dem
01.03.2007 auf der Grundlage eines Tarifvertrages mit dem Grundversorgungstarif
Heizgas- und Vollversorgungstarif II. Es handele sich dabei um den in der
Grundversorgung günstigsten Tarif, bei dem der höhere Grundpreis durch den in
Abhängigkeit von der Verbrauchsmenge niedrigeren Arbeitspreis kompensiert werde.
Entgegen der auf überholter Rechtsprechung zur Stromversorgung basierenden
Auffassung des Beklagten sei es nicht erforderlich, das angerufene Gericht durch
Vortrag in die Lage zu versetzen, die Preisgestaltung nachzuvollziehen. Ausreichend
sei vielmehr die Darlegung einer Bezugskostensteigerung in absoluten Zahlen, die
vorliege. Die Preiserhöhungen seien auch ausschließlich durch die Erhöhung der
Beschaffungskosten veranlasst worden. Ihr Gaseinkaufspreis sei für den
Referenzzeitraum 01.01.2004 bis zum 01.10.2006 um insgesamt 1,843 Cent/kWh
gestiegen. Die Anhebung der Gaspreise in ihren Endkundensegmenten für den
Referenzzeitraum 01.01.2004 bis 01.10.2005 betrage insgesamt 1,660 Cent/kWh und
liege damit unter der Erhöhung der Bezugskosten. Die übrigen Kosten hätten sich nicht
so wesentlich verändert, dass sie Auswirkungen auf die Preisfestsetzung gehabt hätten.
Es zeige sich ein Rückgang um 239.011,00 € in 2007 gegen 2006. Dieser Betrag sei bei
der nach der Feststellung des Jahresabschlusses 2007 vorgenommenen Kalkulation
der Preisänderung in 2008 berücksichtigt worden und habe zu keinem zusätzlichen
Gewinn geführt.
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Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die Preisänderungen seit dem 01.03.2007
durch die Gegenseite durch konkludentes Verhalten akzeptiert worden seien. Da es seit
Februar 2007 in ihrem Netzgebiet weitere Gasanbieter für die Belieferung von
Haushaltskunden mit Erdgas gebe, sei die Entnahme der Energie trotz bestehender
unentgeltlicher Wechselmöglichkeiten als konkludente Annahme des Angebots auf
Änderung des Preises zu sehen.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.533,19 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte hält ein Preiserhöhungsrecht der Klägerin nicht für gegeben. Der von der
Klägerin angebotene Sondervertrag für Haushalte sei ein Sondervertrag außerhalb der
Gasgrundversorgung, sodass das gesetz-liche Preisanpassungsrecht des § 5 Abs. 2
GasGVV nicht zur Anwendung komme. Ein Preisanpassungsrecht sei auch nicht
vereinbart worden. Schriftlich sei ein Sondervertrag nicht geschlossen worden. Sollte
gleichwohl eine Klausel mit dem Inhalt der §§ 4 AVGasV und 5 Abs. 2 GasGVV
vereinbart worden sein, halte dies wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot einer
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AGB-rechtlichen Prüfung nicht stand. Es sei nicht zu erkennen, nach welchen Regeln
eine Preisanpassung vollzogen werde. Etwaige Forderungen der Klägerin seien zudem
nicht fällig auf Grund der erhobenen Unbilligkeitseinrede. Die Klägerin habe die
Billigkeit der Preissteigerung in geeigneter Form darzulegen und dabei die für die
Kalkulation der Erhöhung maßgeblichen Faktoren, nämlich die Veränderungen bei den
Netzentgelten, den Finanzierungskosten und den Sach- und Personalkosten,
Vertriebskosten und Veränderungen des Gewinns durch die Preiserhöhungen darzutun.
Der pauschale Hinweis auf Preisveränderungen über die letzten Jahre und künftig zu
erwartende Erhöhungen reiche nicht aus. Es fehle zudem jedweder Vortrag zur
Bemühung, marktgerecht einzukaufen. Der Umstand, dass die Klägerin mit ihrer
Vorlieferantin geschwisterlich als Kommanditistin verbunden ist, vermöge ihre sich aus
§§ 1, 2 EnWG ergebende Pflicht zur günstigen Versorgung nicht zu beseitigen. Das
vorgelegte WP-Testat sei ohne Aussagekraft, da es überhaupt nichts zur betrieblichen
Situation der Klägerin aussage. Die Auffassung der Wirtschaftsprüfer, die klägerischen
Gasverkaufspreise seien aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht unbillig, sei
unerheblich. Die behauptete bloße Weitergabe der Erhöhung von Bezugskosten sei
schon nicht dargetan. Die Klägerin habe auch nicht dargelegt, dass eine
Bezugskostensteigerung durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen nicht
ausgeglichen worden sei. Die Behauptung der Klägerin, Preiserhöhungen des
Vorlieferanten nicht vollständig weitergegeben zu haben, indiziere vielmehr, dass die
Klägerin einen breiten Spielraum hatte, Preiserhöhungen wirtschaftlich durch
Kostensenkung in anderen Bereichen auszugleichen.
Der Beklagte hält die Preiserhöhungen der Klägerin auch für kartellrechtswidrig wegen
Verstoßes gegen § 29 Abs. 1 GWB. Er behauptet, die Klägerin als marktbeherrschendes
Unternehmen des lokalen Gasmarktes fordere Entgelte, die deutlich höher seien als die
von vergleichbaren Versorgungsunternehmen.
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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist unbegründet.
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Es kann dahinstehen, ob es sich bei dem Vertragsverhältnis der Parteien um einen
Tarifkundenvertrag oder einen Normsonderkundenvertrag handelt. Ein fälliger
Zahlungsanspruch der Klägerin auf Zahlung restlichen Kaufpreises für die erbrachte
Lieferung von Gas kommt in beiden Fällen nur in Betracht, wenn die Klägerin bei
Ausübung eines gesetzlich normierten oder vertraglich vereinbarten einseitigen
Leistungsbestimmungsrechtes die Bestimmung gemäß § 315 Abs. 1 BGB nach billigem
Ermessen getroffen hat. Dafür darlegungs- und beweisverpflichtet ist die Klägerin, da ihr
ein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB zukommt. Dies gilt auch für
Preisänderungen ab dem 01.03.2007. Auch insoweit ist die Vorschrift des § 315 BGB
anzuwenden. Eine konkludente Vereinbarung der geänderten Preise durch Entnahme
der Energie in Kenntnis der Preisänderungen und trotz unentgeltlicher
Wechselmöglichkeit liegt nicht vor. Angesichts der fortlaufend erfolgten
Zahlungskürzungen des Beklagten ist die unveränderte Energieentnahme durch den
Beklagten aus Sicht der Klägerin keineswegs als Annahme eines Angebots auf
Änderung des Preises zu sehen. Eine andere Beurteilung ist auch nicht im Hinblick auf
die Neuregelung des § 5 Abs. 3 GasGGV geboten. Die Regelung begründet für den
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Kunden das Recht, bei einseitiger Preiserhöhung den Vertrag zu kündigen. Eine Pflicht
zur Kündigung ergibt sich für ihn hieraus nicht.
Die Klägerin hat nicht substantiiert dargetan, die einseitige Leistungsbestimmung nach
billigem Ermessen getroffen zu haben. Zwar behauptet sie unter ausdrücklicher
Anlehnung an die Ausführungen des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 13.06.2007, VIII
ZR 36/06 als ausschließlichen Grund für die Preissteigerung einen nur teilweise
weitergegebenen Anstieg von Beschaffungskosten und fehlende Kompensation durch
rückläufige Kosten in anderen Bereichen. Ihr Vortrag hierzu ist aber nicht ausreichend.
Es fehlt, worauf der Beklagte zu Recht hingewiesen hat, schon am erforderlichem
Sachvortrag zum Bestehen und zur Ausschöpfung von Kostensenkungspotentialen.
Angesichts der sich aus §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 EnWG ergebenden Verpflichtung des
Energieversorgungsunternehmens zu einer möglichst sicheren, preisgünstigen,
verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen leitungsgebundenen
Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas ist es als unbillig anzusehen,
wenn Kostensteigerungen weitergegeben werden, die auch unter Berücksichtigung
eines unternehmerischen Entscheidungsspielraums ohne die Möglichkeit einer
Preiserhöhung aus betriebswirtschaftlichen Gründen vermieden worden wären (BGH,
Urteil vom 19.11.1968, VIII ZR 138/07, Rn 43). Die Kammer folgt dieser Auffassung
uneingeschränkt. Für Unternehmen, die im Wettbewerb stehen, ergibt sich die
betriebswirtschaftliche Notwendigkeit zu kostensparendem Verhalten aus dem
bestehenden Wettbewerbsdruck. Dies mag für Unternehmen, die wie die Klägerin nicht
oder nur eingeschränkt sich den Anforderungen des Wettbewerbs stellen müssen,
anders sein. Zumindest im Rahmen der Billigkeitsprüfung ist aber auch für solche
Unternehmen die Pflicht zur Vermeidung von unnötigen Kosten zu postulieren. Dies gilt
auch keineswegs nur im Hinblick auf die Kosten der Beschaffung. Auch im Hinblick auf
die übrigen Kosten der Gassparte besteht die Verpflichtung zur Ausschöpfung von
Kostensenkungspotentialen.
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Die Klägerin hat hierzu nichts vorgetragen. Dies ist vom Beklagten ausdrücklich
beanstandet worden. Eines richterlichen Hinweises auf die Notwendigkeit ergänzenden
Vortrags bedurfte es angesichts dessen nicht. Ohne den Vortrag zu vermeidbaren
Kosten kann weder die Billigkeit der klägerischen Leistungsbestimmung noch die
gerichtliche Festsetzung einer billigen Leistungsbestimmung erfolgen. Ob auch der
weitere Vortrag der Klägerin zur Beschaffungskostensteigerung unzureichend ist, kann
angesichts dessen dahinstehen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Ziff. 11, 711 ZPO.
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