Urteil des LG Dortmund vom 26.06.2008

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Landgericht Dortmund, 2 O 292/05
Datum:
26.06.2008
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
2. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 O 292/05
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen nach einem Streitwert von
76.008,04 € die Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
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Die Kläger beantragten am 19.10.2001 bei der Beklagten unter Vermittlung des
Versicherungsagenten X den Abschluss einer Gebäude-Vielschutz-Versicherung,
bestehend aus Feuerversicherung, Leitungswasserversicherung und Sturmversicherung
für das im Eigentum der Kläger stehende Geschäfts- und Wohngebäude C-Weg in E.
Die im Antragsformular der Beklagten enthaltene Frage, ob das Gebäude leerstehend
und/oder ungenutzt sei, verneinten die Kläger.
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Die Beklagte erteilte am 08.11.2001 den Versicherungsschein. Versichert ist das
Leitungswasserrisiko mit einer Versicherungssumme von 600.000,00 € zum Neuwert
unter Geltung der AWB 87 der Beklagten. Nach der eingeschlossenen Klausel 510501
gilt abweichend von § 1 Nr. 2 b AWB 87 der Beklagten als Leitungswasser auch
Wasser, was aus sonstigen mit dem Rohrsystem verbundenen Einrichtungen
bestimmungswidrig ausgetreten ist. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den in
Ablichtung bei den Gerichtsakten befindlichen Versicherungsschein nebst
Deklarationserläuterungen und Klauseln sowie die Bedingungen der Beklagten
verwiesen.
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Bei dem versicherten Objekt handelt es sich um ein mehrgeschossiges Wohn- und
Geschäftsgebäude, bestehend aus Keller-, Erd-, 1. Ober- und Dachgeschoss mit einem
eingeschossig gewerblich genutzten Anbau. Die Geschäftsräume im Erdgeschoss
sowie ein Großteil der Wohnräume im Dachgeschoss standen jedenfalls seit Sommer
2004 leer. Eine Mietwohnung im Dachgeschoss hatten die Kläger fristlos gekündigt. Für
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den Mieter dieser Wohnung war eine Betreuung eingerichtet worden und im Oktober
2004 die zwangsweise Unterbringung in einer anderen Unterkunft angeordnet worden.
Am 17.03.2005 meldeten die Kläger zunächst telefonisch durch eine Mitarbeiterin der
von ihnen betriebenen Zahnarztpraxis der Beklagten, dass Leitungswasser aus einem
Durchlauferhitzer ausgetreten und einen Wasserschaden verursacht habe. Die Beklagte
beauftragte den Zeugen T und den Sachverständigen M mit der Schadensfeststellung.
Eine Ortsbesichtigung erfolgte am 22.03.2005 im Beisein einer Mitarbeiterin der Kläger.
Mit E-Mail vom 30.03.2005 wies der Sachverständige M die Kläger darauf hin, dass der
Schaden durch Frosteinwirkung entstanden und durch das ausgetretene Wasser eine
Schimmelbildung zu besorgen sei. Daher sei eine umgehende Trocknung durch eine
Fachfirma dringend erforderlich.
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Mit Schreiben vom 04.04.2005 lehnte die Beklagte Leistungen unter Berufung auf
Verletzung von Obliegenheiten durch die Kläger ab und erklärte zugleich die Kündigung
des Vertrages.
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Die Kläger beauftragten den Architekten F mit der Schadensfeststellung, welcher am
20.04.2005 eine Ortsbesichtigung durchführte und unter dem 29.04.2005 sein Gutachten
vorlegte. Danach sei denkbar, dass durch erhöhten Innendruck der obere Deckel des
elektrisch betriebenen Durchlauferhitzers abgeplatzt sei, so dass Wasser ungehindert
austreten konnte. Als mögliche Ursache bestimmt der Architekt eine Druckschwankung
durch Wiederbefüllung der Hauptwasserleitung nach Absperren und Entleeren zum
Winter. Die Schadensbeseitigungskosten bezifferte der Architekt auf netto 67.008,04 €.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 29.04.2005 Bezug
genommen.
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Mit der Klage begehren die Kläger den Ausgleich der vom Architekten F bezifferten
Nettoschadensbeseitigungskosten, einen behaupteten Mietausfallschaden für die
Obergeschosswohnung in Höhe von insgesamt 7.500,00 € sowie die durch das
Gutachten F entstandenen Kosten in Höhe von 1.500,00 €, insgesamt 76.008,04.
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Die Kläger behaupten, der Schadensfall habe sich am 17.03.2005 ereignet. Ursächlich
sei das Abplatzen des oberen Deckels des Durchlauferhitzers aufgrund eines erhöhten
Innendrucks. Zu Beginn der Frostperiode im November/Dezember 2004 hätten sie
diverse Maßnahmen zur Verhinderung von Frostschäden ergriffen. So seien im Keller
des Hauses die Wasserhauptzuführungshähne geschlossen und das in den Räumen
befindliche Wasser abgelassen worden. Darüber hinaus seien regelmäßig zwei- bis
dreimal wöchentlich Kontrollgänge durchgeführt worden, Thermometer in sämtlichen
Etagen ausgelegt worden und durch aufgestellte mobile Heizlüfter mit
Frostschutzeinstellung für Wärme gesorgt worden. Hierzu hätte man einen Stromzähler
in Betrieb gelassen, an dem die Heizlüfter angeschlossen worden seien. Etwa Mitte
Februar 2005 bzw. am 08.03.2005 sei alsdann die Hauptwasserzuleitung wieder
geöffnet worden. Danach habe es keine Temperaturen unter null Grad Celsius mehr
gegeben, so dass ein Frostschaden nicht habe eintreten können. Den Schadenfall habe
noch am Tag der Entdeckung der Mitarbeiter L der Beklagten auf Drängen der Kläger
besichtigt. Dieser habe ihnen erläutert, dass er aufgrund der Schadenhöhe nicht
zuständig sei. Durch diverse Maßnahmen habe man dafür gesorgt, dass sich der
Schaden nicht vergrößere. Austrocknungsmaßnahmen seien unverzüglich eingeleitet
worden.
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Die Kläger behaupten weiter, sie hätten am 10.01.2005 mit der Mieterin Q einen auf ein
Jahr befristeten Mietvertrag für Lagerräume im ersten Obergeschoss abgeschlossen,
nach welchem Frau Q die Räumlichkeiten ab dem 01.02.2005 zu einem monatlichen
Kaltmietzins von 750,00 € angemietet habe. Durch das Schadenereignis hätten sie
ihren Verpflichtungen aus dem Mietverhältnis nicht nachkommen können, wodurch
ihnen ein Mietausfall für 10 Monate entstanden sei.
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Ferner behaupten die Kläger, dem Versicherungsagenten X der Beklagten sei bereits
bei Antragsstellung bekannt gewesen, dass lediglich etwa 10 % der Gesamtfläche
vermietet gewesen sei. Ein Hinweis darauf, dass für Frostsicherheit gesorgt werden
müsse oder sonstige Obliegenheiten zu beachten seien, sei nicht erfolgt. Auch sei dem
Zeugen X der Zustand des Objektes in vollem Umfang bekannt gewesen, da er in
regelmäßigen Abständen dort vorbeigefahren sei.
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Die Kläger beantragen,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 76.008,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2005 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie beruft sich auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzungen der Kläger. Sie
behauptet, die Kläger hätten über den Winter 2004/2005 keinerlei
Frostvorsorgemaßnahmen getroffen. Weder seien Kontrollen der leerstehenden
Räumlichkeiten erfolgt, noch habe man die Wasserleitungen entleert. Während der
gesamten Frostperiode sei das stromlos geschaltete Gebäude durch die Kläger nicht
beheizt worden. Die Feststellung des Schadens durch die Mitarbeiterin U der Kläger am
17.03.2005 sei reiner Zufall gewesen. Die Mitarbeiterin U habe den Auftrag der Kläger
gehabt, mit einem Mitarbeiter einer Entrümpelungsfirma das Haus aufzusuchen. Bei
dieser Gelegenheit sei der Wasserschaden, der bereits geraume Zeit vor dem
17.03.2005 eingetreten sei, entdeckt worden. Ursache des Schadens sei das Einfrieren
des Durchlauferhitzers, wodurch nach Einsetzen des Tauwetters über einen Zeitraum
von mehreren Tagen eine erhebliche Menge an Wasser habe ausfließen können.
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Die Beklagte behauptet weiter, aufgrund der telefonischen Schadenmeldung habe sie
den Zeugen T beauftragt, der sich mit dem Kläger zu 2) telefonisch in Verbindung
gesetzt und wegen Dringlichkeit angeboten habe, ein Besichtigungstermin noch am
18.03.2005, notfalls am 19.03.2005 durchzuführen. Die Besichtigungstermine seien von
den Klägern nicht akzeptiert worden. Man habe deshalb einen Besichtigungstermin am
22.03.2005 vereinbart. Im Rahmen dieses Ortstermins sei die von den Klägern
beauftragte Mitarbeiterin angewiesen worden, unverzüglich eine Trocknungsfirma zur
Verhinderung weiterer Schäden zu beauftragen. Die Kläger hätten sich ausdrücklich
geweigert, solche Erstmaßnahmen zur Schadenminderung durchzuführen, sofern nicht
die Beklagte ihre Eintrittspflicht dem Grunde nach anerkenne und Abschlagsleistungen
erbringe.
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Die Beklagte bestreitet die Schadenshöhe. Sie meint, die Kläger könnten lediglich
Zeitwertentschädigung beanspruchen, da eine Schadenbeseitigung nicht erfolgt sei. Ein
Großteil der Schäden beruhe auf dem Unterbleiben zeitnaher Trocknungsmaßnahmen.
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Hilfsweise macht sich die Beklagte den Vortrag der Kläger, das Gebäude stand bereits
bei Antragsstellung weitgehend leer zu eigen und hat deshalb die Anfechtung des
Vertrages wegen arglistiger Täuschung erklärt.
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Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen Bezug genommen.
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Die Kammer hat den Kläger zu 2) persönlich gehört sowie Beweis erhoben durch
Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen S. Wegen des
Anhörungsergebnisses wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27. Juli
2006 (Bl. 89 f. d. A.), wegen des Beweisergebnisses auf das Gutachten des
Sachverständigen vom 15.01.2007, die schriftliche Erläuterung vom 10.12.2007 und die
Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 26.06.2008
Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Klage ist nicht begründet.
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Die Beklagte ist gemäß § 7 Nr. 2 AWB 87 i. V. m. § 6 Abs. 1 und 2 VVG leistungsfrei
wegen Verletzung der Obliegenheit nach § 7 Nr. 1 lit. c AWB 87 vor dem
Versicherungsfall seitens der Kläger. Die Beklagte hat ordnungsgemäß und fristgerecht
den Versicherungsvertrag gekündigt (§ 6 Abs. 1 Satz 2 VVG). § 7 Nr. 1 lit. c AWB 87
verlangt die genügende Beheizung und genügend häufige Kontrolle aller Gebäude oder
Gebäudeteile während der kalten Jahreszeit oder das Absperren, Entleeren und
Entleerthalten aller wasserführenden Anlagen. Unstreitig haben die Kläger im Zeitpunkt
des behaupteten Eintritts des Versicherungsfalls nicht die wasserführenden Anlagen
abgesperrt. Der Kläger zu 2) hat, persönlich angehört, erklärt, dass er um den
29.02.2005 den Hauptabsperrhahn geöffnet habe. Die Kläger hätten daher das
versicherte Gebäude genügend beheizen und genügend häufig kontrollieren müssen.
Die o.g. Klausel, die einer ausgewogenen Risikoverteilung dient, verlangt vom
Versicherungsnehmer, dass er das versicherte Objekt beheizt und das
ordnungsgemäße Funktionieren der Heizung in zumutbarer und verkehrsüblicher Weise
("genügend häufig") überwacht, um das vom Versicherer übernommene Risiko eines
Frostschadens zu verringern (vgl. Pressemitteilung Nr. 122/2008 des
Bundesgerichtshofs zum Urteil vom 25.06.2008 - IV ZR 232/06 zu § 11 Nr.1 lit. d VGB
88). Danach ist jedenfalls erforderlich, dass in der kalten Jahreszeit das versicherte
Objekt beheizt wird. Hierzu hat der Kläger zu 2) in der Anhörung erklärt, dass die im
Haus vorhandene Nachtspeicherheizung den ganzen Winter nicht aktiv gewesen sei
und er deshalb drei bis vier Heizlüfter im Hause aufgestellt und tageweise zugeschaltet
habe. Diese Heizlüfter habe er etwa eine Woche vor Entdeckung des Schadenfalles
wieder abmontiert, da im Inneren des Hauses Temperaturen von über 10 Grad
vorhanden gewesen seien. Es war mithin im Zeitraum Anfang bis Mitte März überhaupt
keine Heizung in Betrieb, obwohl zu diesem Zeitraum noch durchaus winterliche
Temperaturen herrschten und die kalte Jahreszeit andauerte. So betrug die
Mindesttemperatur am 06.03.2005 minus 6 Grad, am 07.03.2005 minus 3 Grad und am
10.03.2005 ebenfalls minus 3 Grad laut dem von der Beklagten eingereichten
Wetterauskunft vom 21.10.2005 (Bl. 69 bis 71 d. A.), deren Korrektheit die Kläger nicht
substantiiert bestritten haben. Der Obliegenheitsverstoß der Kläger war mithin geeignet,
einen Frostschaden im Februar oder März 2005 hervorzurufen. Dass die
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Obliegenheitsverletzung weder auf Vorsatz noch grober Fahrlässigkeit beruhte, ist
seitens der Kläger nicht dargetan.
Den Klägern ist es nicht gelungen, den Kausalitätsgegenbeweis zu führen. Der
Sachverständige S hat überzeugend ausgeführt, dass der Schaden nur durch Frost
entstanden sein könne. Ferner deute das Schadenbild auf einen Frostschaden hin, da
bei der von den Klägern behaupteten Druckspitze der Deckel des Durchlauferhitzers
abgeflogen wäre und nicht nur, wie tatsächlich geschehen, etwas angehoben worden
wäre, wie dies bei einem Frostschaden, bei dem Wasser allmählich friert, eintritt. Der
Wasserdruck im Durchlauferhitzer könne maximal 8,15 bar betragen haben. Da der
Durchlauferhitzer für einen Maximaldruck von 10 bar zugelassen sei, würde er einem
Prüfdruck von mindestens 13 bar standhalten. Der normale Druck an der Einspeisung
im Keller des Hauses betrage maximal 9 bar nach Auskunft der zuständigen
Stadtwerke. Denkbar seien zwar Druckstöße, wenn in der Straße nach dem Haus die
Wasserleitung schlagartig abgeschlossen werde. Dass dies hier konkret im
Schadenszeitpunkt geschehen sein könnte, ist aber vom Sachverständigen verneint
worden.. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass die Stadtwerke, um derartige
Druckstöße zu vermeiden, die Schieber zum Absperren des Wassers langsam
schließen. Auch bei einem schlagartigem Schließen vieler Wasserentnahmestellen zur
selben Zeit, könne allenfalls ein geringfügiger Druck über dem als Maximaldruck
angenommen Wert von 8,15 bar erreicht werden, der nicht geeignet gewesen wäre den
Deckel des Durchlauferhitzers zu beschädigen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
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