Urteil des LG Dortmund vom 15.12.2006

LG Dortmund: treu und glauben, arglistige täuschung, vermittler, gegen die guten sitten, positive feststellungsklage, kapitalanlage, verkäuferin, kaufpreis, provision, unerlaubte handlung

Landgericht Dortmund, 3 O 799/04
Datum:
15.12.2006
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
3. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 O 799/04
Schlagworte:
Badenia, CIC und unerlaubte Handlung
Tenor:
Es wird festgestellt, dass aus dem Vorausdarlehensvertrag vom
18.7.1997/22.7.1997 keine Darlehensrückzahlungs- und
Zinszahlungsansprüche der Beklagten zu 1 gegenüber den Klägern
zustehen Zug um Zug gegen Auflassung eines Miteigentumsanteils von
5/1.000 an dem Grundstück G1, Gebäude und Freiflächen, zur Größe
von insgesamt 13.234 m² verbunden mit dem Sondereigentum der
Wohnung im 4. Obergeschoss mit einem Kellerraum, Aufteilungsplan Nr.
22, eingetragen im Wohnungsgrundbuch von H Blatt #### (vorher
Grundbuch von H Blatt #### (Amtsgericht H)) an die beklagten
Gesamtschuldner sowie die Bewilligung der Eintragung im Grundbuch.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten mit der Annahme des
Übereignungsanspruchs seit dem 16.5.2002 in Verzug befinden.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten den Klägern
gesamtschuldnerisch den gesamten Schaden und alle Kosten zu
ersetzen hat, die durch die Abwicklung des Darlehensvertrages und
Übereignung der vorstehend bezeichneten Eigentumswohnung
entstehen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger 35% und die
Beklagten 65% nach einem Streitwert in Höhe von 146.158,12 €.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des
beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
1
Seit 1989 vermittelten die Fa. I & C und die von ihr später gegründeten Firmen J und C2
den Verkauf von mehr als 8000 Eigentumswohnungen und deren Finanzierungen durch
Bausparverträge und Vorausdarlehen. Die Beklagte zu 1 hatte mit den Firmen I & C und
C2 Agenturverträge bezüglich der Vermittlung von Bausparverträgen geschlossen. Die
Beklagte zu 1 gewährte der I & C seit 1995 in erheblichem Umfang Kredite, um deren
Liquidität zu sichern (Einzelheiten Rn. 38 bis 48 der Stellungnahme der Q).
2
Die B (im Folgenden B) war Eigentümerin von mehr als 8.000 vermieteten
Eigentumswohnungen. Sie hatte diese Wohnungen von der in finanzielle
Schwierigkeiten geratenen M übernommen und beabsichtigte, die Wohnungen zu
veräußern. Die Bewirtschaffung der Wohnungen war wegen der überwiegend nicht auf
dem Marktniveau liegenden Mieten und des aufgrund gestiegener Zinsen hohen
Kapitaldienstes nicht kostendeckend. An der B war die Beklagte zu 1 mit 12,85%
beteiligt. B2 war bis 2001 Vorstandsmitglied der Beklagten zu 1 und
Aufsichtsratsmitglied der B. Der Vertrieb der Eigentumswohnungen erfolgte unter
anderem durch die Fa I & C. Die Geschäftsbeziehung zwischen der B und der I & C
hatte die Beklagte zu 1 vermittelt.
3
Mit notariell beurkundetem Kaufvertragsangebot vom 15.7.1997 (Anlage A5) bot die B
den Klägern die ursprünglich im Grundbuch von H Blatt #### und später im
Wohnungsgrundbuch von H Blatt ### eingetragene, 55,50 m² große
Eigentumswohnung Nr. 22 des Aufteilungsplanes (T- Str. 1 in H, 4. Obergeschoss) zu
einem Kaufpreis in Höhe von 144.578,-- DM zum Kauf an. Dieses Angebot nahmen die
Kläger mit notariell beurkundeter Erklärung vom 16.7.1997 an (Anlage A6).
4
Der 1948 geborene Kläger war Heilpädagoge die 1952 geborene Klägerin Frisörin. Ihr
monatliches Nettoeinkommen lag zwischen 5.800,- DM (Blatt 11) und 5.400,- DM
(Anlage D1). Wegen der weiteren Einzelheiten der persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse der Kläger wird auf die "Selbstauskunft/Auftrag" (Anlage D1) verwiesen.
5
Zur Finanzierung des Kaufpreises schlossen die Kläger und die Beklagte zu 1, auch
handelnd im Namen und für Rechnung der Beklagten zu 2, unter dem 18.7.1997 und
22.7.1997 einen schriftlichen Darlehensvertrag (Anlagen A7 und WK1, Blatt 376 - 389)
unter anderem mit folgendem Inhalt:
6
"Vorausdarlehen 176.000,- DM, Zinssatz nominal 5,55%, anfängl. effekt. Jahreszins
6,69%, Zins fest für Jahre 5, Disagio 7.040,- DM, Nettokredit 168.960,- DM,
7
Zur Verzinsung hat der Darlehensnehmer monatlich zu zahlen: 814,00 DM
8
......
9
Während der Dauer der Zinsfestschreibung wird das Vorausdarlehen nicht getilgt.
10
Die Tilgung des Vorausdarlehens soll mit der/den zugeteilten Bausparsumme/n der
nachgenannten Bausparverträge erfolgen:
11
########01 88.000,- DM
12
########02 88.000,- DM
13
Die monatliche Sparrate beträgt:
14
1. – 3. Jahr 132,00 DM
15
4. – 6. Jahr 184,80 DM
16
7. – 9. Jahr 255,20 DM
17
ab dem 10. Jahr 325,60 DM
18
Bei mehreren Bausparverträgen wird vom Bausparer zunächst der erste Vertrag mit den
angegebenen Sparraten bespart. ...Nach dessen Zuteilung gemäß ABB werden
nacheinander die weiteren Bausparverträge bespart....
19
......
20
Die in § 1 genannten Darlehen werden gesichert durch:
21
Guthaben aus dem/den vorfinanzierten Bausparvertrag/verträgen
Grundschuldeintragung zugunsten der C3 über 176.000,- DM ....
22
.......
23
Auszahlungen aus Vorfinanzierungsdarlehen (...) und zugeteilten Bauspardarlehen
erfolgen, wenn
24
......
25
Beitritt in eine Mieteinnahmegemeinschaft, die nur mit unserer Zustimmung gekündigt
werden darf......"
26
Unter dem 22.7.1997 unterschrieben die Kläger eine Widerrufsbelehrung (Blatt 384) in
der es unter anderem heißt:
27
"Habe ich das Darlehen empfangen, gilt der Widerruf als nicht erfolgt, wenn das
Darlehen nicht binnen zweier Wochen entweder nach Erklärung des Widerrufs oder
nach Auszahlung des Darlehens zurückbezahlt wird."
28
Mit notariell beurkundeter Erklärung vom 12.11.1997 (Urkundenrolle #####, Anlagen A9
und WK 2, Blatt 390, 391) bestellte die B der Beklagten zu 1 eine Grundschuld in Höhe
von 176.000,- DM. Die Kläger übernahmen die persönliche Haftung und unterwarfen
sich der sofortigen Zwangsvollstreckung. Sie wiesen die Beklage zu 2 an das Darlehen
auf das Notaranderkonto treuhänderisch zu überweisen.
29
Sämtliche Verträge wurden durch T2 angebahnt. Er führte die Verhandlungen mit den
Klägern. Einen persönlichen Kontakt zwischen den Klägern und den Beklagten gab es
nicht. Der Ort und Inhalt der Vertragsverhandlungen sind streitig.
30
Die Kläger unterschrieben folgende formularmäßigen Urkunden:
31
unter dem 27.5.1997
32
Selbstauskunft (Anlage D1 )
33
Unter dem 13.6.1997
34
Besuchsbericht (Anlage D3), unter anderem mit folgendem Inhalt: "... Vorauszahlung auf
die Mietpoolausschüttung von zZt.: 718,-DM…..mtl. Aufwand vor Steuern 516,-- DM…"
35
Besuchsprotokoll (Anlage D7), unter anderem mit folgendem Inhalt:"... Wir wissen, dass
nach Abzug der Mietausschüttung ein monatlicher Aufwand inklusive Ansparung von
DM 516,- vor Steuer anfällt und dass dieser Betrag monatlich von unserem Konto
abgebucht wird. ... "
36
unter dem 11.7.1997
37
Darlehensantrag und Vollmacht zum Abschluss von Bausparverträgen(Anlage A3),
38
Besuchsbericht (Anlage D3a), unter anderem mit folgendem Inhalt: "…..mtl. Aufwand vor
Steuern 516,-- DM…"
39
Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag (Anlagen A1 –so die Kläger- oder D5 – so
die Beklagten-, sowie Anlagen B10 und R18 (Muster)) an J und C2 unter anderem mit
folgendem Inhalt:
40
"Ich erteile hiermit den Auftrag, mir das o.g. Objekt und die Finanzierung zu vermitteln.
Der Auftrag soll durch die in Punkt 4 und 5 der nachfolgenden Aufstellung benannte
Firma zu den dort genannten Gebührensätzen ausgeführt werden. ...
41
1. Kaufpreis .....
42
2. Grunderwerbsteuer .....
43
3. Notar- und Gerichtskosten .....
44
4. Finanz.-Verm. Gebühr .....3.520,- oder 4.860,- DM
45
5. Courtage 3,45% oder 5,75% ..... 6.815,- oder 8.313,- DM
46
6. Abschlussgebühr 1,6%......"
47
Ohne Datum:
48
Risikohinweise (Anlage D2),
49
Vereinbarung über Mietenverwaltung (Anlage A4).
50
Die Beklagte zu 1 nahm die Bausparanträge der Kläger (Anlage A3) an (Anlage A8) und
die Beklagte zu 2 zahlte die Darlehenssumme auf das Notaranderkonto.
51
Am 28.3.1996 fand eine Besprechung zwischen den Vorständen U und E der Fa. B und
den Geschäftführern der "I & C Gruppe" statt an der auch B2 teilnahm. In dem von B2
unterschriebenen "Ergebnisprotokoll" heißt es unter anderem:
52
"Er (B2) stellt klar, dass die B hervorragende Produkte liefert, die I & C Gruppe
erstklassig vertreibt und einen ausgefeilten Service für die Kunden auch in der Zeit nach
Durchführung des Kaufes bietet. Was ganz besonders aus der Sicht des Finanzierers
wichtig ist, ist die Tatsache, dass man sich stets mit besonderem Engagement um
Störfälle kümmert. Von den inzwischen rd. 4.400 durch die C3 finanzierten Wohnungen
sind kaum welche in eine Zwangsversteigerung geraten und wenn, habe die Gruppe die
Wohnungen unter Inkaufnahme finanzieller Einbußen übernommen. Es läge im
allseitigen Interesse, über Abwicklungen zu verfügen, die keinerlei "Rauch" in der
Öffentlichkeit aufsteigen ließen.
53
Er hebt weiter hervor, dass sowohl die I & C Gruppe als auch die B wechselseitig stets
voneinander profitieren, was auch so bleiben soll. Dies liegt ganz besonders auch im
Interesse der C3, deren Beteiligung an der B nur dann dem Bausparkassengesetz
entspricht, wenn sie aus dieser Verbindung Nutzen für das Bausparerkollektiv in Form
von Neugeschäft ziehen kann.
54
.......
55
Zu dem immer wieder angesprochenen Thema der Abgabepreise führt Herr U aus, dass
I & C freilich den maximalen Preis anstrebe. Die B muss aber als Kaufmann den
Marktpreis ausloten und ihren Abgabepreis danach ausrichten. Bekommt die Fa. I & C
aber höhere Preise, so muss man bei B annehmen, man habe sich verschätzt, oder "sie
nehmen dem Kunden zuviel ab". Wir kalkulieren für die B ein möglichst großes Stück
aus dem Kuchen.
56
Nach langer Diskussion merkt Herr I an, dass die B I & C nicht verstehen kann und
erinnert daran, dass der Markt für die Immobilien zu dem von I & C geforderten Preis
ohnehin nicht vorhanden ist sondern erst im Beratungsgespräch gemacht werden muss.
57
....
58
Die Herren U und E erkennen den Wunsch auf eine Mehrerlösabrede an. Sie meinen
aber, dass mit der 30 %igen Gesamtbelastung der Wohnungen mit Weichkosten die
Schallgrenze erreicht ist. Andernfalls leidet das B-Produkt darunter. ......"
59
Die Beklagte zu 2 trat ihre Ansprüche aus dem Darlehensvertrag an die Beklagte zu 1
ab (Anlage R14 Muster).
60
Mit Anwaltsschreiben vom 16.5.2002 erklärten die Kläger den Widerruf (Anlage WK3,
Blatt 392). Mit der vorliegenden Klage begehren sie Schadensersatz wegen eines
Verschuldens bei Vertragsschluss und hilfsweise die Rückabwicklung der Verträge.
61
Ihren Schaden berechnen sie wie folgt:
62
streitige Darlehenszinsen in Höhe von 501,68 € x 85 Monate (August 1997 bis
September 2004) = 42.642,80 € (Blatt 151),
63
hilfsweise Disagio (3.599,49 €) sowie Mehrkosten gegenüber einem
Annuitätendarlehen (die Kläger behaupten 44.953,82 €, Einzelheiten Blatt 51 – 58).
64
Die Kläger behaupten, T2 habe sie im Juni 1997 angerufen und gefragt, ob sie Interesse
an Steuerersparnissen hätten. Es sei ein Termin in ihrer Privatwohnung vereinbart
worden. T2 habe sie dort aufgesucht und die Vorzüge des Erwerbes der vermieteten
Eigentumswohnung (Steuerersparnis, steigende Mieten, Sicherheit, Altersvorsorge)
herausgestellt. Er habe das Finanzierungsmodell der Beklagten als festen Bestandteil
des Kapitalanlagekonzepts angepriesen und alle anderen Finanzierungsmöglichkeiten
wegen des Steuersparmodells und der Vollfinanzierung aller Kosten als ungeeignet
ausgeschlossen. Er habe erklärt, dass es sich um eine optimale Finanzierungsform
handele, die genau auf das Steuersparkonzept der Kapitalanlage abgestimmt sei und
den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen der Kläger am besten entspräche.
Das Finanzierungskonzept sei gut durchdacht und nach allen Seiten hin abgesichert. Es
sei nur ein monatlicher Betrag in Höhe von 80,98 € (Blatt 63, Anlage A2) einzusetzen.
Tatsächlich betrage die erzielbare Miete 4,80 DM je m² (laut Mietspiegel) abzüglich 30%
Bewirtschaftungskosten und 15% Mietausfallwagnis mithin 2,86 DM je m² (Blatt 62), die
Unterdeckung der Liquidität 1.768,58 € (Blatt 66, 67), die Differenz von Aufwand und
Mietertrag nach 10 Jahren 1.306,80 DM (Blatt 464) und der monatlich Aufwand nach
Steuern 470,35 DM (Blatt 466 – 468). Die derzeitigen Zahlungen beliefen sich auf
544,28 € (Blatt 468). Alle oben genannten Urkunden und der Darlehensvertrag seien in
der Privatwohnung unterschrieben worden.
65
Die Kläger meinen, die Beklagten hätten Beratungs- und Aufklärungspflichten verletzt,
weil sie nicht über
66
1. die Vor- und Nachteile der Ausgestaltung der Finanzierung
67
einschließlich Disagio (3.599,49 €) insbesondere die Mehrkosten gegenüber einem
Annuitätendarlehen (die Kläger behaupten 44.953,82 €), die Laufzeit der Finanzierung
(die Kläger behaupten bis zu 35 Jahre) , den vom Regelbausparbeitrag abweichenden,
geringeren anfänglichen Bausparbeitrag , den Anstieg der monatlichen Belastungen,
die Tilgungsaussetzung, die steuerlichen Auswirkungen, die lebenslange Verschuldung
sowie
68
2. die objektbezogenen Risiken insbesondere des Mietpools und
69
dessen Verbindlichkeiten (Auszahlung überhöht kalkulierter Mieteinnahmen), der
Liquiditätsunterdeckung, den tatsächlichen Verkehrswert (die Kläger behaupten
59.29,90 DM, Blatt 117 – 123) und die Innenprovisionen (die Kläger behaupten 20% -
40%) hingewiesen worden seien und
70
3. die Beklagte zu 1 den Beleihungswert nach dem streitigen Vortrag
71
der Kläger allein entsprechend der Höhe der Gesamtaufwendungen (Finanzbedarf)
unter Missachtung der üblichen Bewertungsfaktoren (Nettomiete, Bodenrichtwert,
Miteigentumsanteil, Gesamtnutzungsdauer, Vervielfältiger) und entgegen § 16 der ABB
(Anlage B17) viel zu hoch angesetzt habe.
72
Sie behaupten, sie hätten den Kauf- und den Kreditvertrag nicht abgeschlossen, wenn
73
die Beklagten ihre Aufklärungspflichten nicht verletzt hätten.
Die Kläger beantragen,
74
1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie die Zinsen des
Vorausdarlehens in Höhe von 42642,80 € nebst 5 % Zinsen über dem Basisdiskontsatz
der Europäischen Zentralbank seit dem 16.5.2002 zu zahlen,
75
2. die Beklagte zu 1 zu verurteilen, die Kläger von den bestehenden
Darlehensrückzahlungs- und Zinszahlungsverpflichtungen aus dem zwischen den
Klägern und der Beklagten zu 2 bestehenden Vorausdarlehensvertrag vom 18.7.1997,
Konto-Nr.: ######### freizustellen,
76
3. festzustellen, dass aus dem unter Ziffer 2 bezeichneten Vorausdarlehensvertrag keine
Darlehensrückzahlungs- und Zinszahlungsansprüche der Beklagten zu 1 gegenüber
den Klägern zustehen,
77
jeweils Zug um Zug gegen Auflassung eines Miteigentumsanteils von 5/1.000 an dem
Grundstück G1, Gebäude und Freiflächen, zur Größe von insgesamt 13.234 m²
verbunden mit dem Sondereigentum der Wohnung im 4. Obergeschoss mit einem
Kellerraum, Aufteilungsplan Nr. 22, eingetragen im Wohnungsgrundbuch des
Amtsgerichts H #### an die beklagten Gesamtschuldner sowie die Bewilligung der
Eintragung im Grundbuch,
78
4. festzustellen, dass sich die Beklagten mit der Annahme des Übereignungsanspruchs
seit dem 16.5.2002 in Verzug befinden,
79
5. die Beklagte zu 1 weiter zu verurteilen, das Bausparguthaben der Kläger nebst
Zinsen aus dem Bausparvertrag Nr. ########01 abzurechnen und den sich aus der
Abrechnung ergebenden Betrag an die Kläger zu zahlen,
80
6. festzustellen, dass die Beklagten den Klägern gesamtschuldnerisch den gesamten
Schaden und alle Kosten zu ersetzen hat, die durch die Abwicklung des
Darlehensvertrages und Übereignung der unter Ziffer 3 bezeichneten
Eigentumswohnung entstehen,
81
7. Hilfsweise gegenüber den Anträgen zu Ziffern 1,2,3,4 und 6
82
a. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Kläger 48.553,31 € nebst 5
% Zinsen über dem Basisdiskontsatz der Europäischen Zentralbank seit
Rechthängigkeit zu bezahlen,
83
b. die Beklagte zu 2 verurteilen, eine Neuberechnung des effektiven Jahreszinses des
Darlehensvertrages vom 18.7.1997, Konto-Nr.: ######### auf der Grundlage des
gesetzlichen Zinssatzes vorzunehmen und den sich aus der Neuberechnung zugunsten
der Kläger ergebenden Betrag an die Kläger zu zahlen.
84
Die Beklagten beantragen,
85
die Klage abzuweisen und die Beklagte zu 1 widerklagend
86
1. festzustellen, dass der zwischen den Widerbeklagten (im Folgenden Kläger) und der
Beklagten zu 2 abgeschlossene Vorausdarlehensvertrag vom 18.7./22.7.1997 durch
den von Klägerseite erklärten Haustürwiderruf nicht aufgelöst worden ist, sondern
wirksam fortbesteht und hilfsweise:
87
2. festzustellen, dass die Beklagte zu 1/Widerklägerin berechtigt ist, wegen ihrer
aufgrund Haustürwiderrufes des vorbezeichneten Darlehensvertrages bestehenden
Rückabwicklungsansprüche (§ 3 Abs. 1 HWiG a. F.) die Zwangsvollstreckung aus der
Urkunde des Notars T3 vom 12.11.1997, UR-Nr. #######, Grundschuld und
persönliche Vollstreckungsunterwerfung, gegenüber den Klägern zu betreiben und
höchst hilfsweise:
88
3. die Kläger als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Beklagte zu 1/Widerklägerin
86.387,88 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen.
89
Die Kläger beantragen,
90
die Widerklage abzuweisen.
91
Die Beklagten berufen sich auf die Einrede der Verjährung.
92
Sie meinen, sie träfen keine Aufklärungspflichten über das Risiko der Verwendung des
Darlehens und sie hätten ihre Auskunftspflichten über die Finanzierung und den
Immobilienmarkt durch die Risikohinweise und den Inhalt des Darlehensvertrages
erfüllt. Die Beleihungswertermittlung sei zutreffend und allein in ihrem Interesse und
nicht im Interesse der Kläger erfolgt.
93
Die Beklagten behaupten, ihnen sei zum Zeitpunkt des Abschlusses des
Darlehensvertrages nicht bekannt gewesen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe
Vermittlungsprovisionen von der Verkäuferin an die Fa. I & C oder die Firma J bezahlt
worden seien.
94
Die Beklagten bestreiten die Haustürsituation und deren Kausalität. Für den Fall der
Wirksamkeit des Widerrufes erklären sie die Aufrechnung mit Ansprüchen auf
Nutzungsvergütung und Kapitalrückzahlung.
95
Die Klage ist am 26.11.2004 eingegangen. Der mit der Kostenrechnung vom 8.12.2004
angeforderte Vorschuss ist am 30.11.2005 eingezahlt und die Klage daraufhin am 16.
und 19.12.2005 zugestellt (Blatt 254, 255) worden.
96
Wegen der weiteren Einzelheiten des umfangreichen Vortrages der Parteien wird auf
den Inhalt der Akten einschließlich Anlagen verwiesen.
97
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
98
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet und im Übrigen
teilweise unzulässig und unbegründet. Die Widerklage ist teilweise unzulässig und nicht
begründet. Die Kläger haben gegen die Beklagten wegen eines Verschuldens bei
Vertragsschluss oder - sofern insoweit Verjährung eingetreten sein sollte - wegen einer
nach § 830 BGB gemeinschaftlich begangenen sittenwidrigen vorsätzlichen
99
Schädigung nach § 826 BGB, einen Anspruch auf Rückgängigmachung des
Darlehensvertrages (nachfolgend I.) mit den nachfolgend unter II. im Einzelnen für jeden
Antrag dargestellten Rechtsfolgen.
I.
100
Es gelten nach Art 229 § 5 EGBGB die Gesetze (BGB, HWiG, VerbrKG) in der bis zum
31.12.2001 geltenden Fassung, weil die streitgegenständlichen Schuldverhältnisse
vorher begründet worden sind.
101
Den Beklagten fällt ein Verschulden bei Vertragsschluss (jetzt § 311 BGB) nämlich eine
Verletzung einer Aufklärungspflicht zur Last.
102
Nach der Entscheidung des BGH vom 16.5.2006 (XI ZR 6/04) können die Anleger in
den Fällen eines institutionalisierten Zusammenwirkens der kreditgebenden Bank mit
dem Verkäufer oder Vertreiber des finanzierten Objektes unter erleichterten
Voraussetzungen mit Erfolg auf einen die
Aufklärungspflicht auslösenden konkreten
Wissensvorsprung
Täuschung des Anlegers durch unrichtige Angaben der Vermittler
Fondsinitiatoren bzw. des Fondsprospektes über das Anlageobjekt berufen. Die eine
eigene Aufklärungspflicht auslösende Kenntnis der Bank von einer solchen arglistigen
Täuschung wird widerleglich vermutet, wenn Verkäufer, Fondsinitiatoren oder die von
ihnen beauftragten Vermittler und die Bank in institutionalisierter Art und Weise
zusammenwirken, die Finanzierung der Kapitalanlage vom Verkäufer oder Vermittler
angeboten wurden und die Unrichtigkeit der Angaben nach den Umständen des Falls
evident ist, so dass sich aufdrängt, die Bank habe sich der Kenntnis der arglistigen
Täuschung geradezu verschlossen.
103
Arglistige Täuschung durch die Vermittler
104
Die Vermittler (hier Fa. I & C und deren Untervermittler T2 ) haben die Kläger arglistig
über die Höhe der Vermittlungskosten getäuscht. Falsche oder zumindest entstellende
(dies ist ausreichend Palandt § 123 Rn 3) Angaben enthält der Objekt- und
Finanzierungsvermittlungsauftrag (Anlagen A1 (diese Anlage betrifft wahrscheinlich den
streitgegenständlichen Kauf) oder D5 (diese Anlage betrifft wahrscheinlich nicht den
streitgegenständlichen Kauf) zu den Vertriebskosten. Darin sind und 3,45% oder 5,75%
(6.815,- oder 8.313,- DM) Courtage beziffert worden (ebenso die Muster B10 und R18).
Die tatsächlichen Vertriebskosten, die zusätzlich zu der vorstehend genannten Courtage
von der Verkäuferin an I & C gezahlt wurden, lagen über 20 %. Dem entsprechenden,
durch zahlreiche Indizien belegten Sachvortrag der Kläger sind die Beklagten nicht
substantiiert entgegengetreten.
105
Die Beklagten bestreiten nicht, dass die Verkäufer für die Vermittlung des Kaufvertrages
generell eine Verkäuferprovision gezahlt haben. Sie bestreiten die Höhe der von den
Klägern behaupteten Provisionen, die die Verkäufer bezahlt haben sollen (20 % bis
40%) tragen aber zur Höhe dieser Provisionen nichts vor. Ihr Bestreiten ist damit
unbeachtlich (§ 138 Abs. 3 ZPO).
106
Die Erklärungslast des Gegners (§ 138 Abs. 2 ZPO) ist Auswirkung des
Verhandlungsgrundsatzes, der Wahrheitspflicht und der Prozessförderungspflicht. Aus
107
ihr folgt, dass der Gegner sich im Allgemeinen nicht auf ein bloßes Bestreiten
beschränken darf. Die Erklärungslast ist in Bestehen und Umfang davon abhängig, wie
die darlegungspflichtige Partei vorgetragen hat. Trägt der Darlegungspflichtige – wie
vorliegend die Kläger - substantiiert vor, dann muss sich der Gegner auch substantiiert
äußern (Zöller § 138 Rn. 8, 8a). Eine Partei darf sich nicht durch arbeitsteilige
Organisation ihres Betätigungsbereiches ihren prozessualen Erklärungspflichten
entziehen, sondern muss innerhalb desselben Erkundigungen anstellen (Zöller § 138
Rn. 16). Dieser Verpflichtung sind die Beklagten nicht nachgekommen.
Die Beklagten sind mit Beschluss vom 19.6.2006 auf ihre Substantiierungslast
hingewiesen worden. Sie haben daraufhin lediglich vorgetragen, ihre Erkundigungen
bei den Verkäuferunternehmen über die Vertriebsvereinbarungen und etwaige
Provisionssätze hätten bislang zu keinem Erfolg geführt, was damit zusammenhängen
mag, dass sich auch die Verkäuferunternehmen zahlreichen Anlegerprozessen
ausgesetzt sehen, in denen ihre Interessenlage mit derjenigen der
Finanzierungsbanken durchaus divergiert. Es könne nicht "einfach" bei der Firma I & C
nachgefragt werden. Die Firmengruppe sei seit Herbst 2000 in Insolvenz. Ob derartige
Unterlagen vom Insolvenzverwalter beschafft werden können sei derzeit unklar. Dieser
Vortrag rechtfertigt ein einfaches Bestreiten nicht, worauf die Beklagten mit Verfügung
vom 11.9.2006 ausdrücklich hingewiesen worden sind. Es fehlt jeglicher konkreter
Vortrag dazu, bei wem die Beklagten wann, was und auf welche Weise erfragt haben
und welche Reaktion auf diese Nachfrage erfolgte. Die Insolvenz sämtlicher Firmen der
I & C Gruppe ist kein nachvollziehbarer Grund, denn die seinerzeit handelnden
Personen sind nicht verstorben und können ebenso wie der Insolvenzverwalter befragt
werden. Die Beklagte zu 1 hat über 10 Jahre mit der I & C Gruppe institutionell
zusammen gearbeitet (dazu später). Nachdem das Insolvenzverfahren über das
Vermögen der Firmen der I & C Gruppe eröffnet worden war, veranlasste die Beklagte
zu 1, die Herausgabe von Unterlagen die bei diesen Firmen verblieben waren (Seite 35
des Prüfberichtes X). Ihr war es also auch nach der Insolvenzeröffnung möglich,
Informationen zu erhalten.
108
Zudem ist die Kammer zweifelsfrei davon überzeugt, dass alle Verkäuferinnen für alle
von der Fa. I & C und der Fa. J vermittelten Verkäufe, also auch im vorliegenden Fall,
Verkaufsprovisionen gezahlt haben, die 15 % des Kaufpreises überstiegen. Diese
Feststellung beruht auf den nachfolgend dargestellten unstreitigen Urkunden und
Indizien, denen die Beklagten nicht entgegengetreten sind.
109
1.
110
Gutachten der X vom 27.11.2001 (im Folgenden X )
111
Die von dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen im Mai 2001 beauftragten
Wirtschaftsprüfer sind bei der Geschäftsprüfung (wegen der Einzelheiten der
Prüfungsdurchführung und der Prüfungsunterlagen wird auf Seite 7 bis 9 des
Prüfberichtes verwiesen) der Beklagten unter anderem zu folgenden Ergebnissen
gekommen:
112
(Seite 39)
113
Aus den von der U2 bzw. der W im Falle der Eheleute H zu Verfügung gestellten
Unterlagen ergibt sich, dass dem "Vertriebspartner" der I & C, Frau K, für die Objekt- und
114
Finanzierungsvermittlung eine Provision von 12,5 % des Nettokaufpreises plus
Mehrwertsteuer sowie eine Sonderprovision von 1,6 % der Finanzierungssumme
zuzüglich Mehrwertsteuer zugesagt worden ist. In dem vorliegenden Fall müsste somit
ein Provisionsbetrag von 15.436 (brutto) an den Vertriebspartner geflossen sein. Selbst
wenn man unterstellt, dass die J und die C2 in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug
berechtigt waren, übersteigt dieser Betrag die gegenüber den Kreditnehmern
ausgewiesenen Beträge für die Finanzierungsvermittlungsgebühr, die Abschlussgebühr
und die Nettocourtage von 6.727 um 6.696.
Da I & C neben den Provisionen an die Vertriebspartner auch noch die Kostren des
eigenen Geschäftsbetriebes decken mussten, kann davon ausgegangen werden, dass
ein nicht unerheblicher Teil des beurkundeten "Kaufpreises" nicht an den Verkäufer der
Eigentumswohnung (im vorliegenden Fall die zu I & C gehörende M) geflossen ist,
sondern bei den Vertriebsgesellschaften verblieben ist.
115
In den Fällen, in denen die Wohnungen von der B verkauft worden sind ist zu vermuten,
dass ein Teil des Kaufpreises von der B an I & C erstattet worden ist.
116
Welchen Umfang diese über den erhöhten Kaufpreis mitfinanzierten sogenannten
"weichen" Kosten hatten, konnten wir nicht eindeutig nachvollziehen, da wir trotz der
Aufsichtsratstätigkeit von Herrn B2 bei der B bei der E3 keine Unterlagen über die
Kalkulation der Abgabepreise der B vorgefunden hatten. Hinweise auf die
Größenordnung der Weichkosten ergeben sich jedoch aus dem Protokoll einer von
Herrn B2 moderierten Besprechung zwischen dem Vorstand der B und den Herren I und
C am 28.März 1996, in der es um die zukünftige Zusammenarbeit im Immobilienvertrieb
ging. Von Seiten der B wurde kritisiert, dass I & C auf zu hohe Verkaufspreise dränge
und festgestellt" ... dass mit einer 30 %igen Gesamtbelastung der Wohnungen mit
Weichkosten die Schallgrenze erreicht ist (vgl. Anlage 4.2 Nr. 5 Blatt 7).
117
....
118
In den Fällen, in denen I & C Objekte anderer Anbieter vertrieben hat, scheint die
Relation von 30 % Weichkosten im Verhältnis zum Wert der Immobilien deutlich
überschritten worden zu sein. Dies ergibt sich aus einem Schreiben des Kreditnehmers
H2 an die E3 vom 4.1.1999 (Anlage 4.2 Nr. 6). ... Aus der Kostenrechnung des Notars
ergibt sich, dass an I & C Provisionen in Höhe von 49.237,39 geflossen sind; dies
entspricht ca. 60 % des für die Pfandfreistellung bzw. zur Auszahlung an den Verkäufer
verwendeten Betrags."
119
Die Kammer schließt sich den Schlussfolgerungen der Wirtschaftsprüfer, denen die
Beklagten nicht entgegengetreten sind, an. Daraus ergibt sich, dass die Verkäuferinnen
in der Regel mehr als 15 % Verkaufprovisionen gezahlt haben denn Weichkosten von
mindestens 30 % stehen ausweislich der Objekt- und
Finanzierungsvermittlungsaufträge (Anlage B10 und R18) lediglich ausgewiesene
Kosten von 12,73 % (B10/1), 12,93 % (B10/2), 12,36 % (B10/3), 9,13 % (B10/4), 14,72 %
(R18a), 16,98 % (R18b), 16,93 % (R18c), 12,76 (R18d), 15,12 % (R18e) und 10,78 %
(R18f) gegenüber.
120
Ein weiteres Indiz dafür, dass unüblich hohe Verkäuferprovisionen gezahlt wurden ist
die Notiz B2 vom 26.1.1990 (Anlage 4.1 Nr. 4 des Berichtes X)
121
B2 beichtet darin über ein Telefongespräch mit I2 (Vorstand B) unter anderem wie folgt:
122
"Im Übrigen würde Herr I2 es gerne sehen, wenn die beiden Herren nicht schon wieder
"mit mir gedroht" hätten und sich darüber hinaus endlich mit bescheideneren
Provisionen begnügen würden. ...
123
Was die Frage der Provisionen angeht, machte ich Herrn I2 darauf aufmerksam, dass
diese ja nicht den Deckungskostenbetrag der B schmälern und er daher dieser Frage
nicht mit solchem Nachdruck nachsetzen sollte. ...."
124
Daraus lässt sich zwar nicht die genaue Höhe der Verkäuferprovisionen entnehmen,
wohl aber, dass erheblich überdurchschnittliche Provisionen gezahlt wurden.
Andernfalls wäre die Beschwerde des Vorstandes der B unverständlich.
125
2.
126
Vertriebsvereinbarungen mit L und E4 (Anlage B26)
127
Daraus folgt, dass mit den Untervermittlern Provisionen von 5 % bis 12 % des
Nettokaufpreises vereinbart worden waren. Da I & C nicht unentgeltlich tätig sein
konnte, müssen die gezahlten Provisionen erheblich darüber gelegen haben.
128
3.
129
Protokoll der mündlichen Verhandlung der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bochum
vom 7.9.2006 in dem Verfahren 1 o 582/04 (Zur Verwertung als Urkundenbeweis wird
auf Zöller § 373 Rn. 9 verwiesen).
130
Die Zeugin E5 hat unter anderem ausgesagt:
131
"Bevor ein Objekt des B in den Vertrieb ging, fand eine gemeinsame Besprechung von
Mitarbeitern der B, der C3 und von I und C statt. Bei diesen Gesprächen äußerte die
Firma B zunächst den erwarteten Kaufpreis. C3 teilte dann mit, bis zu welchem Betrag
das Objekt finanziert würde. Herr I oder Herr C erhielten dann auf Grund einer
Vereinbarung, die bei diesen Gesprächen getroffen wurde, 23 % Provision vom
Verkaufspreis, den die B festsetzte. Die entsprechende von B an I und C gezahlte
Provision wurde dann in den Verkaufspreis, der von B festgesetzt wurde, eingerechnet.
….
132
Ich weiß deshalb über die Vorgänge so genau Bescheid, weil ich 1 ½ Jahre die
Sekretärin von Herrn C war, und zwar von März 90 bis Ende 91, es kann auch Anfang
92 gewesen sein und an den vor mir geschilderten Gesprächen selbst teilgenommen
habe. Ich musste nämlich die entsprechenden Niederschriften fertigen. … "
133
Der Zeuge X2hat unter anderem ausgesagt:
134
"Ich erhielt für die Vermittlung einer Wohnung in der Regel 9 % Provision. Diese
Provision bekam ich von Herrn T4, für dessen Vertrieb ich arbeitete. Wie viel Provision
Herr T4 selbst erhalten hat, weiß ich nicht."
135
Aus der Aussage der Zeugin E5 ergibt sich eindeutig, dass die B stets 23 %
136
Verkäuferprovision zahlte. Zur Aussage des Zeuge X2 gilt das zu den
Vertriebsvereinbarungen mit L und E4 (Anlage B26) Gesagte.
Die vorgenannten Urkunden beziehen sich zwar nicht auf den konkreten Fall aber auf
die allgemeine Geschäftspraxis von I & C und den von I & C betriebenen Vertrieb von
Eigentumswohnungen und Finanzierungen, die in allen Fällen identisch waren. Daraus
folgert die Kammer, dass auch im vorliegenden Fall an I & C mindestens 15%
Verkäuferprovision gezahlt worden sind. Anhaltspunkte, die gegen diese
Schlussfolgerung sprechen, sind weder ersichtlich noch dargelegt.
137
Festzuhalten bleibt damit, dass die Beklagten den Vortrag der Kläger, es seien zu den in
dem Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag ausgewiesenen Kosten und
Provisionen weitere 20 % bis 40 % Verkäuferprovisionen gezahlt worden nicht
substantiiert bestritten haben und die Kammer zudem aufgrund der vorstehend
dargestellten Urkunden zweifelsfrei davon überzeugt ist, dass jede Verkäuferin für jeden
einzelnen Verkauf mindestens 15 % Verkäuferprovision an I & C gezahlt hat.
138
Den Vermittlern fällt eine Täuschungshandlung zur Last. In diesem Zusammenhang
spielt es letztlich keine entscheidende Rolle, ob die Täuschung in einem aktiven Tun
(positive Falschangabe der Vermittlungskosten in dem Objekt- und
Finanzierungsvermittlungsauftrag) oder einem Unterlassen (Verschweigen der im
Kaufpreis einkalkulierten oder versteckten Provisionen) liegt, denn die Vermittler traf
eine Offenbarungspflicht.
139
Eine Aufklärungspflicht besteht immer dann, wenn es sich um besonders wichtige
Umstände handelt, die für den anderen Vertragsteil offensichtlich von
ausschlaggebender Bedeutung sind. Diese müssen ungefragt offenbart werden
(Palandt § 123 Rn. 5b). Dies gilt insbesondere für Tatsachen, die den Vertragszweck
erheblich gefährden. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn sich ein Makler – hier I & C
– nicht nur von dem Käufer sondern auch von der Verkäuferin Provisionen und zwar in
einem weit über das übliche Maß hinausgehende Umfang versprechen und bezahlen
lässt, denn den von der Verkäuferin in den Kaufpreis einkalkulierten
Verkäuferprovisionen steht kein entsprechender Ertrags- und/oder Sachwert gegenüber.
Insbesondere bei einer aus Immobilien bestehenden Vermögensanlage (eine
Selbstnutzung der Wohnung durch die Kläger war nicht vorgesehen) können sich aus
der Existenz und der Höhe von Innenprovisionen, die als solche nicht die Gegenleistung
für die Schaffung von Sachwerten darstellen, Rückschlüsse auf eine geringere
Werthaltigkeit des Objekts und der Rentabilität der Kapitalanlage ergeben (BGH NJW
2004, 1732 (1734) = BGHZ 158, 110ff). Sie sind geeignet, den wirtschaftlichen Sinn der
Vermögensanlage in Zweifel zu ziehen (BGH III ZR 290/04).
140
Zwar ist eine Doppelmakelung, wie § 654 BGB zeigt, grundsätzlich zulässig (BGH III ZR
318/02) sofern kein "institutionalisierter Interessenkonflikt" (BGH NJW 1992, 2818,
BGHZ 138, 170) vorliegt (Handelsvertreter). Ist dem Makler – wie im vorliegenden Fall -
die Doppeltätigkeit gestattet, so bleibt dennoch die Grundpflicht des Maklers bestehen,
für seinen (hier: seine) Auftraggeber treu tätig zu werden. Es ist anerkannt, dass er auch
bei einem Doppelauftrag nicht den einen dadurch bevorzugen darf, dass er den Vorteil
des anderen »schlecht und gewissenlos« wahrnimmt, gar »Mittel, die gegen die guten
Sitten verstoßen«, anwendet (so RG JW 1913,641 = RG WarnRspr 1913 Nr. 288). Auch
bei einem erlaubten Doppel-Auftrag ist deshalb der Makler gehalten, seinen
Auftraggeber - hier also beide - über all das aufzuklären, was für dessen Entschluss
141
bestimmend sein kann und was er wissen muss, um sich vor Schaden zu bewahren
(RGZ 138, 94, 97; BGH Urt. v. 8. März 1956 - II ZR 73/55 -, BB 1956, 733; BGHZ 48, 344
ff; BGH III ZR 290/04 für einen Geschäftsbesorger). Diese Pflicht zum Reden, die ihm
gegenüber dem einen Auftraggeber obliegt, geht der gegenüber dem anderen Teil
bestehenden Pflicht vor, die von diesem Teil ihm anvertrauten ungünstigen Umstände
für sich zu behalten. Das entspricht dem wohlverstandenen Interesse seiner beiden
Auftraggeber. Jeder von ihnen nimmt in Kauf, dass der Makler den Gegner über
ungünstige Umstände aufklärt, weil dem der Vorteil gegenübersteht, vom Makler auch
das zu erfahren, was dem Gegner ungünstig ist. Dennoch hat auch der Doppel-Makler
die Interessen seiner beiden Auftraggeber zu wahren, indem er sich strenger
Unparteilichkeit gegenüber beiden befleißigen muss, um ihnen in fairer Weise zu
dienen (BGHZ 48, 344 ff). Unerheblich ist, dass die Vermittler nicht die Aufgabe hatten,
die Rentierlichkeit der Kapitalanlage der Kläger zu überprüfen, denn es geht hier um die
Offenbarung von vorhandenen Kenntnissen der Vermittler (BGH III ZR 290/04 für
Geschäftsbesorger). Das oder die Gespräche mit dem Vermittler waren die
entscheidende Informationsquelle für die Kläger und damit die maßgebliche Grundlage
für ihre Anlageentscheidung. Sie sind besonders schutzwürdig, weil ihnen eine nähere
Prüfung der Werthaltigkeit bei derart komplexen Anlageentscheidungen kaum möglich
ist und nach dem nächstliegenden Verständnis eines durchschnittlichen Erwerbers die
Vorstellung ausgeschlossen ist, in dem Gesamtaufwand könnten so außergewöhnliche
Gewinnspannen für den Verkäufer stecken, dass die Rentabilität oder der Wert der
Anlage von vorneherein in Frage gestellt sein könnte (BGH III ZR 290/04).
Dieses Gebot haben I & C und deren Untervermittler verletzt. Sie haben von den
Verkäuferinnen Provisionen von mindestens 15 % erhalten und diese den Klägern
unstreitig nicht offenbart. Diese Provision übersteigt die ortübliche Verkäuferprovision
von 3,45 % bis maximal 5,75 % bei weitem und ist für die Kaufentscheidung der
Erwerber von erheblicher Bedeutung, weil sie als solche nicht die Gegenleistung für die
Schaffung von Sachwerten darstellt und Rückschlüsse auf eine geringere Werthaltigkeit
des Objekts und Rentabilität der Kapitalanlage ermöglicht (BGH NJW 2004, 1732
(1734). Zudem besteht bei einer so hohen Provision die nahe liegende Gefahr, die sich
im vorliegenden Fall auch verwirklicht hat, dass der Makler dass Vertrauen und die
Interessen der Käufer verletzt und sich allein von seinem Provisionsinteresse leiten
lässt. Deutliche Indizien für diese Interessenkollision sind das Besprechungsprotokoll
vom 28.3.1996 und die Feststellungen der Wirtschaftsprüfer im Gutachten von X .
Danach diente der Verkauf der Eigentumswohnungen überwiegend den
Umsatzinteressen der Beklagten, I & C sowie der Verkäuferin und nicht den Interessen
der Erwerber. Ihre Steuersparmöglichkeiten waren angesichts ihrer verhältnismäßig
geringen Einkommen stark eingeschränkt. Sie standen in keinem vernünftigen
Verhältnis zu ihrem verfügbaren Einkommen. Die Steuersparmöglichkeiten dienten im
Wesentlichen als Verkaufargument der Vermittler. Von sich aus hatten die Erwerber
dafür keinen Bedarf geäußert. Er wurde ihnen in den Verkaufsgesprächen eingeredet.
142
Ohne Bedeutung ist, ob die Verkäuferin gegenüber den Klägern verpflichtet ist, den Teil
der Provision, den sie an I & C zahlt und in den Kaufpreis einkalkuliert oder anders
ausgedrückt versteckt (im Folgenden Innenprovision), zu offenbaren, denn hier geht es
um die Pflichten des Maklers, der nach Treu und Glauben in viel weitergehendem
Ausmaß die Interessen seines Auftraggebers wahrnehmen muss als ein Verkäufer, der
einen möglichst hohen Kaufpreis erzielen will, und für jedermann erkennbar
offensichtlich in erster Linie eigene Interessen vertritt (im Ergebnis ebenso BGH III ZR
290/04). Die bisherige Rechtsprechung des BGH zu den Aufklärungspflichten einer
143
Bank über gezahlte Innenprovisionen (BGH XI ZR 53/02 = NJW- RR 2004, 632) dürfte
damit, jedenfalls dann, wenn der BGH ernsthaft dem Verbraucherschutz und den
Risiken der vorliegenden Vertriebsumstände Rechnung tragen will (BGH XI ZR 6/04 Rn.
50), in der vorliegenden Fallkonstellation - arglistige Täuschung über die Provisionen,
die insgesamt an die Maklerin insgesamt gezahlt werden - überholt sein. Entscheidend
für diese Ausdehnung der Haftung der Beklagten ist, dass die Beklagte und I & C
bewusst und gewollt zusammengearbeitet haben, um Kleinanleger durch ausgeklügelte
Vertriebsmethoden zu veranlassen, mit erheblichen Vertriebskosten belastete
Eigentumswohnungen zu erwerben, für die sie nach ihren persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnissen keinen Bedarf hatten und von sich aus auch keinen
Bedarf geäußert haben (dies ergibt sich eindrucksvoll aus dem Besprechungsprotokoll
vom 28.3.1996). Wenn die Beklagten sich die Vertriebsmethode zu Nutze machen
(Neugeschäft mit Bausparverträgen und Krediten, dies belegt die Notiz B2 vom
26.1.1990, X Anlage 4.1 Nr. 4), dann müssen sie auch für sämtliche arglistige
Täuschungen des Vertriebes nach §§ 123 Abs. 2 BGB einstehen. Für den Fall einer
arglistigen Täuschung kommt es nicht darauf an, in welchem Pflichtenkreis der
Anlagevermittler tätig wird, denn andernfalls wäre die neue Rechtsprechung des BGH
zur Haftung der Bank für unrichtige Mieteinnahmen (die betreffen das Anlageobjekt und
gehören zum Pflichtenkreis der Verkäuferin und nicht der Bank) unverständlich (jetzt
Urteil vom 17.10.2006, XI ZR 205/05).
Die Pflichtenkreisrechtsprechung führt nur im Regelfall, nämlich bei gutverdienenden,
steuerberatenen Kapitalanlegern, die wegen ihrer hohen Steuerbelastung nach
Steuersparmöglichkeiten suchen und die sich daraus ergebenden Risiken nach ihren
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen auch tragen können, zu einer
interessengerechten Risikoverteilung zwischen Kreditnehmer und Bank. Dies gilt aber
dann nicht, wenn – wie im vorliegenden Fall - Gering- oder Durchschnittsverdiener, die
bis zur streitgegenständlichen Kapitalanlage aus ihren Einkünften kein (oder zumindest
kein nennenswertes) Vermögen bilden konnten und auch nicht gebildet haben und die
zudem eine absolut gesehen geringe Steuerbelastung zu tragen haben, im Wege des
Strukturvertriebes mit erheblichen Vertriebskosten belastete, vollständig
fremdfinanzierte Eigentumswohnungen aufgeschwatzt bekommen, bei denen die
Kredithöhe und das Risiko in keinem vernünftigen Verhältnis zu ihren Einkünften und
ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen steht und ihnen jegliche
Liquiditätsreserven – soweit sie überhaupt vorhanden sein sollten – rauben.
144
Es gibt keinen vernünftigen Grund und es ist deshalb ungerecht, dass ein
Kaufinteressent einer Immobilie oder eines Immobilienanteils im Rahmen eines
Steuerspar- oder Geldanlagemodells (Fondanteil oder Eigentumswohnung), dem das
Anlageobjekt von dem Vertreiber mittels eines Prospektes vorgestellt wird
(Hinweispflicht bei Innenprovisionen von mehr als 15% so BGH III ZR 359/02) anders
behandelt werden soll als derjenige dem das Objekt durch eine mündliche Beratung
anhand eines Berechnungsbeispiels – wie vorliegend – vorgestellt wird (keine
ungefragte Hinweispflicht so BGH V ZR 66/06). Der in der Entscheidung des BGH vom
13.10.2006 (V ZR 66/06) für diese Differenzierung genannte Grund, dass der Käufer
einer Immobilie keinen Anspruch auf den Erwerb zum Verkehrswert hat, gilt für jede
Kapitalanlage (Fondsanteil oder Eigentumswohnung) und jede Vertriebsform. Dass ein
Vermittler bei einem persönlichen Gespräch/Beratung über ihm bekannte
Innenprovisionen von mehr als 15% schweigen darf ein Prospekt über dieselbe
Tatsache hingegen ausdrücklich hinweisen muss, leuchtet nicht ein. Beide
Vertriebsmethoden dienen dem Zweck, den Kapitalanleger zum Erwerb der
145
Eigentumswohnung oder des Fondsanteils zu bewegen. Bei beiden Vertriebsmethoden
ist das Informationsdefizit des Kapitalanlegers identisch und jeder Kapitalanleger ist
gleich schutzwürdig. Bei einem persönlichen Gespräch besteht zwar anders als bei
einem anonymen Vertrieb durch einen Prospekt die Möglichkeit Fragen zu stellen.
Dieser Aspekt rechtfertigt aber keine Ungleichbehandlung, weil nach dem
nächstliegenden Verständnis eines durchschnittlichen Erwerbers die Vorstellung
ausgeschlossen ist, in dem Gesamtaufwand könnten so außergewöhnliche
Gewinnspannen für den Verkäufer stecken, dass die Rentabilität oder der Wert der
Anlage von vorneherein in Frage gestellt sein könnte (BGH III ZR 290/04). Es fehlt somit
ein Anlass, dem Vermittler entsprechende Fragen zu stellen. Hinzu kommt, dass die
Kammer davon überzeugt ist, dass die vor Ort den Erwerbern gegenüber auftretenden
Abschlussvermittler bestrebt waren, die Innenprovisionen, die als solche für jedermann
(auch die Vermittler und Erwerber) erkennbar nicht die Gegenleistung für die Schaffung
von Sachwerten darstellen und Rückschlüsse auf eine geringere Werthaltigkeit des
Objekts und Rentabilität der Kapitalanlage ermöglicht hätten (BGH NJW 2004, 1732
(1734), den "Erwerbern" gegenüber nicht aufzudecken und keinen Argwohn oder
Zweifel zu wecken (wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die nachfolgende
Begründung der Arglist verwiesen). Gerade deshalb besteht nach dem Grundsatz von
Treu und Glauben die Verpflichtung, für die Entscheidung besonders wichtige
Umstände (dazu zählt eine Innenprovision von mehr als 15%, weil sie die Rentabilität
oder der Wert der Anlage von vorneherein in Frage gestellt sein könnte (BGH III ZR
290/04)) ungefragt zu offenbaren. Es geht hier letztlich um die Offenbarung von
vorhandenem Wissen der Vermittler, welches für die Entscheidung der Kapitalanleger
unabhängig von der Art der Kapitalanlage von ausschlaggebender Bedeutung ist.
Dieses Wissen darf ein redlicher Makler nach dem Grundsatz von Treu und Glauben
nicht zurückhalten zumal dem hier betroffenen Personenkreis (geschäftsunerfahrene
Kapitalanleger mit eher kleinen, allenfalls mittleren Einkommen) eine nähere Prüfung
der Werthaltigkeit bei derart komplexen Anlageentscheidungen kaum möglich wenn
nicht sogar unmöglich ist.
Für eine Gleichbehandlung beider Vertriebsmethoden spricht schließlich auch der
Umstand, dass keine vernünftige Differenzierung der unterschiedlichen Hinweispflichten
möglich ist, wenn bei in einem persönlichen Gespräch ein Prospekt, der keinen Hinweis
auf die Innenprovisionen von mehr als 15% enthält, ganz oder teilweise übergeben oder
vorgelegt wird.
146
Die Vermittler (sowohl I & C als auch deren Untervermittler) handelten arglistig. Arglist
erfordert einen Täuschungswillen, der gegeben ist, wenn der Handelnde die
Unrichtigkeit seiner Angaben kennt und weiß, dass der andere Teil durch die
Täuschung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt wird, das heißt dass dieser bei
wahrheitsgemäßer Erklärung nicht oder nur zu anderen Bedingungen abgeschlossen
hätte. Insoweit genügt bedingter Vorsatz, nämlich die Vorstellung, die unrichtige
Erklärung könne möglicherweise für die Willensbildung des anderen Teils von
Bedeutung sein (Palandt § 123 Rn. 11). Diese Voraussetzungen liegen vor.
147
Die Vermittler kannten die von ihnen mit den Verkäuferinnen vereinbarten und von den
Verkäuferinnen an sie auch gezahlten Innenprovisionen. Sie handelten auch mit
Täuschungswillen.
148
Sämtliche Beteiligte, auch für die vor Ort den Erwerbern gegenüber auftretenden
Abschlussvermittler waren bestrebt, die gesamten Kaufnebenkosten, die einschließlich
149
Innenprovisionen mindestens 30 % des Kaufpreises betrugen und die als solche für
jedermann (auch die Vermittler und Erwerber) erkennbar nicht die Gegenleistung für die
Schaffung von Sachwerten darstellen und Rückschlüsse auf eine geringere
Werthaltigkeit des Objekts und Rentabilität der Kapitalanlage ermöglicht hätten (BGH
NJW 2004, 1732 (1734), den "Erwerbern" gegenüber nicht aufzudecken. Allen gemein
war das Wissen, dass bei Aufdeckung der erheblichen, im Kaufpreis versteckten
Innenprovisionen die Erwerber möglicherweise vom Kauf abgehalten hätten werden
können. Diesbezüglichen Argwohn gerade angesichts des potentiellen
Erwerberklientels (nicht geschäftserfahrene Kapitalanleger mit eher kleinen, allenfalls
mittleren Einkommen) nicht entstehen zu lassen, war ersichtlich Motivation der
scheinbar vollständigen Offenlegung aller "weichen Kosten", die an Notar und die I & C
Gruppe zu zahlen waren. Insoweit greift auch der mögliche Einwand nicht, offengelegt
seien nur die "vom Erwerber unmittelbar selbst" zu zahlenden Provisionen. Nach
Überzeugung des Gerichts belegt die gesamte Gestaltung des Vertriebes der
Eigentumswohnungen ("I & C verkauft alles wie z.B. Emden und Nordenham, weil auch
für solche Objekte der Markt geschaffen wird" Zitat aus dem Ergebnisprotokoll der
Besprechung vom 28.3.1996) und die Art und Weise der Finanzierung (Vollfinanzierung
des Kaufpreises und aller Kosten, geringe Anfangsbelastung, die Erwerber mussten nur
die ihnen vorgelegten Formulare unterschreiben und sich in keiner Weise aktiv um die
Finanzierung kümmern), dass es allen Beteiligten (Vermittler, Verkäufer, Beklagte) ohne
Rücksichtnahme auf die Interesses der Erwerber allein darauf ankam, ihre
Umsatzinteressen durchzusetzen und keinerlei Argwohn oder Zweifel bei den
Erwerbern zu wecken. Belegt wird diese Feststellung zudem durch folgende Urkunden
und Indizien:
1.
150
Notiz B2 vom 26.1.1990 (X Anlage 4.1 Nr. 4)
151
Darin heißt es unter anderem wie folgt:
152
"
Was die Frage der Provisionen angeht, machte ich Herrn I2 darauf aufmerksam,
dass diese ja nicht den Deckungskostenbetrag der B schmälern und er daher
dieser Frage nicht mit solchem Nachdruck nachsetzen sollte
darauf hin, dass wir uns an der Allwo nicht mit 30 % beteiligen mussten, von unserer
Vorarbeit abgesehen, wenn wir dann "nur gerecht" bedient würden. Ich ... äußerte aber
meine Erwartung, dass wir etwas gerechter als gerecht behandelt werden sollten. Ich
sähe mich zunehmend kritischer Fragen nach dem Sinn des B-Engagements
gegenüber, so dass ich sehr dafür wäre,
wenn die Herren I & C Volumen bekommen
könnten, da dies die einzige Schiene sei, über die wir überhaupt etwas von der B
hätten
153
2.
154
Ergebnisprotokoll B2 vom 9.4.1996 über die Besprechung vom 28.3.1996 (X Anlage 4.2
Nr. 5)
155
Darin heiß es unter anderem wie folgt:
156
"Er (B2) stellt klar, dass die B hervorragende Produkte liefert, die I & C Gruppe
157
erstklassig vertreibt und einen ausgefeilten Service für die Kunden auch in der Zeit nach
Durchführung des Kaufes bietet. Was ganz besonders aus der Sicht des Finanzierers
wichtig ist, ist die Tatsache, dass man sich stets mit besonderem Engagement um
Störfälle kümmert. Von den inzwischen rd. 4.400 durch die C3finanzierten Wohnungen
sind kaum welche in eine Zwangsversteigerung geraten und wenn, habe die Gruppe die
Wohnungen unter Inkaufnahme finanzieller Einbußen übernommen.
Es läge im
allseitigen Interesse, über Abwicklungen zu verfügen, die keinerlei "Rauch" in der
Öffentlichkeit aufsteigen ließen.
Er hebt weiter hervor, dass sowohl die I & C Gruppe als auch die B wechselseitig stets
voneinander profitieren, was auch so bleiben soll. Dies liegt ganz besonders auch im
Interesse der C3, deren Beteiligung an der B nur dann dem Bausparkassengesetz
entspricht, wenn sie aus dieser Verbindung Nutzen für das Bausparerkollektiv in Form
von Neugeschäft ziehen kann.
158
.......
159
Um die direkte Vergleichbarkeit zu gewährleisten, stellt die M der J exakt 20 % zur
Verfügung, woraus die direkt dem Vertrieb zuzuordnenden Kosten finanziert werden.
160
......
161
Zu dem immer wieder angesprochenen Thema der Abgabepreise führt Herr U aus, dass
I & C freilich den maximalen Preis anstrebe. Die B muss aber als Kaufmann den
Marktpreis ausloten und ihren Abgabepreis danach ausrichten. Bekommt die Fa. I & C
aber höhere Preise, so muss man bei B annehmen, man habe sich verschätzt, oder "sie
nehmen dem Kunden zuviel ab". Wir kalkulieren für die B ein möglichst großes Stück
aus dem Kuchen.
162
Nach langer Diskussion merkt Herr I an, dass die B I & C nicht verstehen kann und
erinnert daran, dass der Markt für die Immobilien zu dem von I & C geforderten Preis
ohnehin nicht vorhanden ist sondern erst im Beratungsgespräch gemacht werden muss.
163
....
164
Die Herren U und E erkennen den Wunsch auf eine Mehrerlösabrede an. Sie meinen
aber, dass mit der
30 %igen Gesamtbelastung der Wohnungen mit Weichkosten die
Schallgrenze erreicht
165
Unerheblich ist, dass diese Urkunden nicht unmittelbar die streitgegenständlichen
Vertragsschlüsse betreffen, denn daraus ergibt sich deutlich die allgemeine
Geschäftspraxis von I & C insbesondere deren Egoismus und Gewissenlosigkeit.
166
Festzuhalten bleibt damit zunächst, dass den Vermittlern eine arglistige Täuschung der
Kläger zu Last fällt.
167
Die Anlagevermittler und I & C waren für die Beklagten wegen der Zusammenarbeit in
institutionalisierter Art und Weise (dazu später) auch keine Dritte nach § 123 Abs. 2
BGB.
168
Wissensvorsprung
169
Die eine eigene Aufklärungspflicht auslösende Kenntnis der Bank von einer solchen
arglistigen Täuschung wird widerleglich vermutet, wenn Verkäufer, Fondsinitiatoren
oder die von ihnen beauftragten Vermittler und die Bank in institutionalisierter Art und
Weise zusammenwirken, die Finanzierung der Kapitalanlage vom Verkäufer oder
Vermittler angeboten wurden und die Unrichtigkeit der Angaben nach den Umständen
des Falls evident ist, so dass sich aufdrängt, die Bank habe sich der Kenntnis der
arglistigen Täuschung geradezu verschlossen (BGH XI ZR 6/04 Rn 52).
170
Erforderlich ist zunächst, dass zwischen den Verkäufern, den von ihren beauftragten
Vermittlern und der finanzierenden Bank ständige Geschäftsbeziehungen bestanden.
Diese können etwa in Form einer Vertriebsvereinbarung, eines Rahmenvertrages oder
konkreter Vertriebsabsprachen bestanden haben, oder sich daraus ergeben, dass von
den eingeschalteten Vermittlern - von der Bank unbeanstandet – Formulare des
Kreditgebers benutzt wurden, oder daraus, dass die Vermittler dem finanzierenden
Institut wiederholt Finanzierungen von Eigentumswohnungen desselben Objekts
vermittelt haben (BGH XI ZR 6/04 Rn. 53). Diese Voraussetzungen liegen vor. Zwischen
den Beklagten, B und I & C bestand unstreitig seit 1990 eine ständige
Geschäftsbeziehung und ein gemeinsames Vertriebskonzept (BGH XI ZR 6/04 Rn. 59).
Dies ergibt sich auch aus dem Gutachten X insbesondere der Anlage 4.1 Nr. 4. Die
Beklagten finanzierten unstreitig den Erwerb zahlreicher Eigentumswohnungenen in
einem Objekt. Allein vor dieser Kammer sind mehr als 200 Verfahren rechtshängig
gewesen (80) bzw. noch rechtshängig (120). Die Gesamtzahl überschreitet 5000.
171
Dass die Finanzierung der Kapitalanlage vom Vermittler angeboten wurde ist dann
anzunehmen, wenn der Kreditvertrag nicht aufgrund eigener Initiative des
Kreditnehmers zustande kommt, der von sich aus eine Bank zur Finanzierung seines
Erwerbgeschäftes aussucht, sondern deshalb, weil der Vertriebsbeauftragte dem
Interessenten im Zusammenhang mit den Anlage- oder Verkaufunterlagen einen
Kreditantrag des Finanzierungsinstitutes vorgelegt hat, das sich zuvor dem Verkäufer
gegenüber zur Finanzierung bereit erklärt hatte (BGH XI ZR 6/04 Rn. 54). Dies war
vorliegend der Fall. Sämtliche Verträge wurden durch I & C und deren Untervermittler
angebahnt. Der Vermittler legte den Klägern das Darlehensantrags- und die
Bausparantragsformulare der Beklagten vor (Darlehens- und Bausparanträge Anlagen
A3 und B19 (Muster)). Einen persönlichen Kontakt zwischen den Parteien gab es nicht.
Von den Klägern ging keinerlei Initiative aus. Die Art und Weise der Finanzierung durch
die Beklagten war vorab zwischen I & C, der Verkäuferin und der Beklagten zu 1
abgesprochen.
172
Von einer evidenten Unrichtigkeit der Angaben der Vermittler ist dann auszugehen,
wenn sie sich objektiv als grob falsch dargestellt haben, so dass sich aufdrängt, die
kreditgebende Bank habe sich der Kenntnis der Unrichtigkeit und der arglistigen
Täuschung geradezu verschlossen (BGH XI ZR 6/04 Rn. 55). Auch dies ist vorliegend
der Fall.
173
Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang die unsubstantiierte und im Hinblick auf
die oben zitierten Urkunden zumindest schwer nachvollziehbare Behauptung der
Beklagten, ihnen (wem genau?) sei zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht bekannt
gewesen, ob und in welcher Höhe für Vermittlung des konkreten von der Klägerseite
erworbenen Immobilienobjektes eine Verkaufprovision – kaufpreiserhöhend – bezahlt
174
worden sei, weil ihnen (wem genau?) die zwischen I & C und den Verkäuferinnen
geschlossenen Vertriebsvereinbarungen nicht bekannt gewesen seien. Es fehlt
jeglicher konkreter Vortrag zur Organisation des internen Ablaufes und
Informationsaustausches und dazu, welcher Mitarbeiter der Beklagten an der
Vorbereitung und dem Abschluss der Darlehensverträge im Allgemeinen und im
streitgegenständlichen Fall beteiligt war und welche Kenntnisse jeder von ihnen hatte.
Auf ihren unsubstantiierten Vortrag sind die Beklagten mit Verfügung vom 11.9.2006
ausdrücklich hingewiesen worden. Die Beklagten müssen sich die Kenntnisse ihrer
Hilfspersonen auch der selbständigen Vermittler, entsprechend § 166 Abs. 1 BGB
zurechnen lassen (BGH NJW 2004 S. 2156, NJW 1992, S. 899; Palandt § 166 Rn. 6, 6a,
8). Selbst wenn entgegen der vorgenannte Gründe zugunsten der Beklagten unterstellt
wird, dass ihr Vortrag hinreichend substantiiert ist und aus welchen Gründen auch
immer eine Kenntniszurechnung ausscheidet, ist davon auszugehen, dass den
Beklagten die von den Verkäuferinnen gezahlten Provisionen und das Verschweigen
derselben bekannt war.
Wenn den Beklagten diese Umstände nicht bekannt gewesen sein sollten, dann haben
sie sich der Kenntnis geradezu verschlossen, weil sie die erheblichen, in den Kaufpreis
einkalkulierten und den Erwerbern unstreitig nicht aufgedeckten Innenprovisionen nicht
übersehen konnten. Aus der Notiz B2 vom 26.1.1990 (X Anlage 4.1 Nr. 4) ergibt sich
zweifelsfrei, dass B2 wusste, dass I & C erhebliche und nicht die üblichen Provisionen
verlangten und erhielten, die auf den "Deckungskostenbeitrag" der Verkäuferin
aufgeschlagen wurden. Aus dem Ergebnisprotokoll über die Besprechung vom
28.3.1996 (X Anlage 4.2 Nr. 5) ergibt sich, dass im Beisein von B2 über
Verkäuferprovisionen für I & C von 20 % (M) oder 30 % "Weichkosten" der Wohnungen
der B gesprochen wurde und dies eine bereits bestehende und keine neue Art und
Weise der Zusammenarbeit betraf. Eine Frage hätte genügt, und B2 hätte genau
gewusst, welche Provisionen gezahlt werden. Anhaltspunkte und Gelegenheiten,
konkret nachzufragen, gab es nach den oben dargestellten Urkunden genug.
175
Da sich die Beklagten der Kenntnis zumindest geradezu verschlossen haben (die
Beklagte zu 2 muss sich nach § 166 Abs. 1 BGB die Kenntnis der Beklagten zu 1
zurechnen lassen, weil die Beklagte zu 1 rechtsgeschäftliche Vertreterin der Beklagten
zu 2 war), müssen sie sich nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (der
Strukturvertrieb erfolgte mit Wissen und Wollen und auch im Umsatzinteresse der
Beklagten), im Interesse der Effektivierung des Verbraucherschutzes bei
realkreditfinanzierten Wohnungskäufen, die nicht als verbundene Geschäfte behandelt
werden können und um dem in den Entscheidungen des EuGH vom 25.10.2005 (C-
350/03 und C-229/04) zum Ausdruck kommenden Gedanken des Verbraucherschutzes
vor den Risiken von Kapitalanlagemodellen Rechnung zu tragen (BGH XI ZR 6/04 Rn.
50) auch so behandeln lassen, wie bei positiver Kenntnis (vgl. dazu auch BGH NJW
1999, 423, 2000, 952 und 2001, 1721).
176
Die zahlreichen weiteren Pflichtverletzungen, die die Kläger den Beklagten vorwerfen,
können damit dahinstehen.
177
Schaden
178
Welcher Schaden unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss
erstattungsfähig ist, richtet sich angesichts der Vielgestaltigkeit, in der eine Verletzung
vorvertraglicher Pflichten in Betracht kommen kann, nach der Ursächlichkeit des
179
schadensstiftenden Verhaltens für den eingetretenen Schaden im Einzelfall. Da die
Grundlage eines solchen Schadensersatzanspruchs enttäuschtes Vertrauen ist, geht er
in der Regel auf Ersatz des sog. negativen Interesses; d.h. der Geschädigte ist so zu
stellen, wie er ohne das schadensstiftende Verhalten des anderen Teils stehen würde
(BGH Urteil vom 16.5.2006 XI ZR 6/04 Rn. 61, BGH, NJW-RR 1997, 144, NJW 1981,
2050 = WM 1981, 689 (690) m.w.Nachw. Palandt § 311 Rn. 24, 42, 57). Steht fest, dass
die benachteiligte Partei im Falle pflichtgemäßer Aufklärung einen für sie ungünstigen
Vertrag nicht abgeschlossen hätte, so kann sie Rückgängigmachung des Vertrags
verlangen (BGH WM 1982, 960f.). Der durch die Pflichtverletzung verursachte Schaden
liegt dann in der Eingehung des für sie nachteiligen Vertrags. Bereits der Eingriff in die
persönliche Entscheidungsfreiheit begründet den Anspruch auf Rückgängigmachung
des Vertrages (BGH NJW 2005, 2450)
Die Beweislast obliegt in diesem Zusammenhang den Beklagten. Wer vertragliche oder
vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt ist beweispflichtig dafür, dass der Schaden
auch bei pflichtgemäßem Verhalten entstanden wäre, denn es besteht eine Vermutung,
dass sich der Geschädigte aufklärungsrichtig verhalten hätte (Palandt § 280 Rn. 39). Die
Kläger behaupten, sie hätten den Kaufvertrag und damit auch die Finanzierungsverträge
nicht abgeschlossen, wenn sie zutreffend aufgeklärt worden wären.
180
Die Beklagte haben keine Tatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass dies
unzutreffend ist. Sie sind mit Beschluss vom 19.6.2006 auf ihre Darlegungslast
hingewiesen worden.
181
Festzuhalten bleibt damit, dass die Kläger gegen die Beklagten wegen eines
Verschuldens bei Vertragsschluss einen Anspruch auf Rückgängigmachung des
Darlehensvertrages haben.
182
Verjährung
183
Dahinstehen kann die umstrittene Rechtsfrage, ob die Verjährung des
Schadensersatzanspruches wegen eines Verschuldens bei Vertragsschluss
kenntnisunabhängig am 31.12.2001 begann und demzufolge Verjährung am 1.1.2005
eintrat (dagegen: Palandt Art 229 § 6 Rn 6, Münchener Kommentar Art 229 § 6 EGBGB
Rn 12, Staudinger, Neubearbeitung 2003, Art 229 EGBGB Rn. 11, Erman 11. Aufl. Vor §
194 Rn. 9; Oberlandesgerichte Stuttgart (6 U 92/05) und Bamberg NJW 2006, 304; dafür
OLG Hamm 5 U 43/00 und 5 U 202/00) und ob die Voraussetzungen des § 167 ZPO
angesichts der erst am 30.11.2005 erfolgten Vorschusszahlung vorliegen. Wenn der
vertragliche Anspruch der Kläger verjährt sein sollte, dann steht ihnen gleichwohl ein
Schadensersatzanspruch auf Rückabwicklung des Darlehensvertrages zu und zwar aus
§§ 826, 830 BGB (dazu nachfolgend 1), der nicht verjährt ist (dazu nachfolgend 2).
184
1.
185
Den Beklagten fällt eine gemeinschaftliche, vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung nach
§§ 826, 830 BGB zur Last, denn eine arglistige Täuschung erfüllt den Tatbestand einer
vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung. Das Verschweigen von Umständen ist
sittenwidrig, wenn sie dem Vertragspartner unbekannt sind, nach Treu und Glauben
aber bekannt sein müssen, weil sein Verhalten bei den Vertragsverhandlungen und die
von ihm zu treffenden Entscheidungen davon wesentlich beeinflusst werden (Palandt §
826 Rn. 23).
186
Die Vermittler haben die Kläger nach dem oben zu I. Gesagten über die von der
Verkäuferin gezahlte Vermittlungsprovision arglistig getäuscht.
187
Die Beklagten waren Mittäter oder Beteiligte, denn sie haben nach dem oben zu I.
Gesagten institutionell mit den Vermittlern zusammengearbeitet. Nach Überzeugung
des Gerichts belegt die gesamte Gestaltung des Vertriebes der Eigentumswohnungen
("I & C verkauft alles wie z.B. Emden und Nordenham, weil auch für solche Objekte der
Markt geschaffen wird" Zitat aus dem Ergebnisprotokoll der Besprechung vom
28.3.1996) und die Art und Weise der Finanzierung (Vollfinanzierung des Kaufpreises
und aller Kosten, geringe Anfangsbelastung, die Erwerber mussten nur die ihnen
vorgelegten Formulare unterschreiben und sich in keiner Weise aktiv um die
Finanzierung kümmern), dass es allen Beteiligten (Vermittler, Verkäufer, Beklagte) ohne
Rücksichtnahme auf die Interesses der Erwerber allein darauf ankam, ihre
Umsatzinteressen durchzusetzen und keinerlei Argwohn oder Zweifel bei den
Erwerbern zu wecken.
188
Dahinstehen kann, ob den Beklagten die Einzelheiten des Vertriebes insbesondere die
Verkäuferprovisionen bekannt waren. Die Tatbeiträge der anderen Mittäter sind jedem
Beteiligten zuzurechnen unabhängig davon, ob er sie in den Einzelheiten gekannt bzw.
den Schaden eigenhändig mitverursacht. Nur Exzesse anderer Mittäter, die vorliegend
unzweifelhaft nicht gegeben sind, sind davon ausgenommen (Palandt § 830 Rn. 3).
Selbst wenn den Beklagten nicht alle Umstände bekannt gewesen sein sollten, dann
haben sie sich der Kenntnis bewusst verschlossen, weil sie die erheblichen, in den
Kaufpreis einkalkulierten und den Erwerbern unstreitig nicht aufgedeckten
Innenprovisionen nicht übersehen konnten. Diese entlastet sie nach dem Grundsatz von
Treu und Glauben (der Strukturvertrieb erfolgte mit Wissen und Wollen und auch im
Umsatzinteresse der Beklagten) natürlich nicht. Das Gegenteil ist der Fall, denn keine
Partei kann sich durch eine arbeitsteilige Organisation ihrer Haftung entziehen.
189
Zu ersetzen ist das negative Interesse (Palandt § 826 Rn. 15 und Vor § 823 Rn. 17), das
heißt die Kläger können auch hier die Befreiung von den vertraglichen Verpflichtungen
verlangen.
190
2.
191
Der Beginn der Verjährung einer unerlaubten Handlung, die vor dem 1.1.2002
begangen worden ist, richtet sich nach Art 229 § 6 Abs 1 S. 2 EGBGB für die Zeit bis
zum 31.12.2001 nach § 852 BGB a F. Danach beginnt die Verjährung erst mit der
Kenntnis von Schädiger und Schaden. Die Darlegung- und Beweislast für die Kenntnis
sowohl vor als auch dem 1.1.2002 trifft die Beklagten (Palandt § 199 Rn 46, Vor 194 Rn
23). Darauf sind die Beklagten mit Beschluss vom 19.6.2006 ausdrücklich hingewiesen
worden. Sie haben habe keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass die
Kläger vor dem 1.1.2002 Kenntnis von den streitgegenständlichen
anspruchsbegründenden Tatsachen insbesondere der arglistigen Täuschung hatten
(vgl. dazu Palandt 61. Aufl. § 852 Rn. 11).
192
Dahinstehen kann, ob die Kläger einen Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages
nach § 3 HWiG (jetzt §§ 355, 357 BGB) haben, denn dieser Anspruch gewährt keine
weitergehenden Ansprüche als der oben dargestellte Schadensersatzanspruch wegen
eines Verschuldens bei Vertragsschluss oder wegen einer vorsätzlich sittenwidrigen
193
Schädigung.
II.
194
Der Klageantrag zu 1
195
Die Kläger haben zwar nach der unter I. dargelegten Rechtslage dem Grunde nach
einen Anspruch auf Rückgängigmachung des Darlehensvertrages, mithin Rückzahlung
ihrer Leistungen. Der streitige Vortrag der Kläger zur Höhe ihrer Leistungen ist aber
unsubstantiiert und nicht unter Beweis gestellt, worauf die Kläger sowohl in dem
Beschluss vom 19.6.2006 als auch mit Verfügung vom 11.9.2006 ausdrücklich
hingewiesen worden sind.
196
Die Kläger behaupten, sie hätten "Darlehenszinsen" in Höhe von 501,68 € x 85 Monate
mithin 42.642,80 € gezahlt (Blatt 151). Dieser Vortrag ist evident ins Blaue hinein
aufgestellt und falsch. Er sollte die Beklagten lediglich zur sehr umfangreichen, zeit- und
arbeitsaufwendigen Darstellung aller Zahlungen der Kläger veranlassen, wozu sie nicht
verpflichtet sind (Zöller § 138 Rn 8). Der von den Klägern behauptete monatliche Betrag
übersteigt die ursprünglich vereinbarten Zinsen (814,00 DM = 416,19 €). Er lässt sich
auch nicht durch eine Addition mit den monatlichen Sparraten erklären, weil diese nicht
gleich blieben sondern anstiegen, die Bausparleistungen Gegenstand des Antrages zu
5 sind und die Addition nicht den streitgegenständlichen Betrag ergibt. Hinzu kommt,
dass unstreitig Zahlungen – in welcher Höhe auch immer - aufgrund der Vereinbarung
über die Mietverwaltung (im Folgenden Mietpool) erfolgt sind und die Kläger deshalb
auch nicht den vollen Betrag in Höhe von 416,19 € an die Beklagten gezahlt haben. Die
von dem Mietpool an die Beklagten gezahlten Beträge sind nicht ersatzfähig (Palandt §
311 Rn. 57), weil es sich insoweit um den Gewinn aus der Durchführung des
Kaufvertrages handelt, die Kläger aber so zu stellen sind, als wenn der Vertrag nicht
zustande gekommen wäre. Der Vortrag der Kläger ist auch nicht in Einklang zu bringen
mit der vereinbarten Zinsfestschreibung. Nach deren Ablauf wurden nicht dieselben
Zinsen vereinbart und gezahlt. Schließlich haben die Kläger für ihre in zulässiger Weise
bestrittenen (Zöller § 138 Rn. 8) Zahlungen keinerlei Belege beispielsweise
Kontoauszüge vorgelegt.
197
Der Klageantrag zu 2
Beklagte zu 1) ist nicht begründet, weil der Beklagten zu 2 nach der unstreitigen
Abtretung sämtlicher Ansprüche aus dem Darlehensvertrag an die Beklagte zu 2
keinerlei Ansprüche gegen die Kläger mehr zustehen worauf die Kläger mit Beschluss
vom 19.6.2006 ausdrücklich hingewiesen worden sind.
198
Der Klageantrag zu 3
Darlehensvertrag zustehen) ist zulässig und begründet.
199
Die Zulässigkeit ergibt sich aus § 256 ZPO (Zöller § 256 Rn 7, 14a), denn das
Rechtsverhältnis ist streitig. Die Beklagte zu 1 berühmt sich eines
Darlehensrückzahlungsanspruches aus abgetretenem Recht. Die Widerklage lässt das
Feststellungsinteresse nicht entfallen.
200
Erhebt der Beklagte der negativen Feststellungsklage seinerseits wegen desselben
Streitgegenstandes eine Leistungswiderklage oder eine ausnahmsweise zulässige
201
positive Feststellungsklage, dann besteht das ursprüngliche Feststellungsinteresse nur
solange fort, bis über die neue Klage streitig verhandelt wurde, diese also nicht mehr
einseitig zurückgenommen werden kann. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil
die Beklagte zu 1 eine unzulässige positive Feststellungsklage und hilfsweise eine
zulässige Leistungsklage mit anderem Streitgegenstand erhoben hat.
Der Widerklageantrag zu 1 ist unzulässig, nachdem die Beklagte zu 1 in der mündlichen
Verhandlung ausdrücklich klargestellt hat, dass das Ziel des Antrages die Feststellung
der Unwirksamkeit des Widerrufes und nicht die positive Feststellung des Fortbestehens
des Darlehensvertrages (so hatte die Kammer den Antrag bis zur mündlichen
Verhandlung ausgelegt und darauf auch im Beschluss vom 19.6.2006 hingewiesen) ist.
Nur das Rechtsverhältnis selbst kann Gegenstand der Feststellungsklage sein, nicht
aber seine Vorfragen oder einzelne Elemente (Zöller § 256 Rn. 3). Kein
Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO ist die Wirksamkeit einer Rechtshandlung
(BGHZ 37, 331 ff, Zöller § 256 Rn. 5), die im vorliegenden Fall nach der ausdrücklichen
Klarstellung in der mündlichen Verhandlung allein Streitgegenstand ist.
202
Der Streitgegenstand der hilfsweise Leistungsklage auf Rückgewähr der
Nettokreditsumme und des Klageantrages zu 3 auf Feststellung, dass der Beklagten zu
1 keine Darlehensrückzahlungsansprüche zustehen ist nicht identisch. Streitgegenstand
des Widerklageantrages zu 3 ist ein Rückgewähranspruch gemäß § 3 HWiG (Seite 15
der Widerklage und Sachzusammenhang sowie Stufenverhältnis mit dem
Widerklageantrag zu 1) , Streitgegenstand des Klageantrages zu 3 alle Ansprüche aus
dem Darlehensvertrag.
203
Der Antrag ist begründet, weil die Kläger nach dem Oben zu I. Gesagten einen
Schadensersatzanspruch auf Rückabwicklung des Vertrages haben, den sie ihrer
Inanspruchnahme entgegenhalten können (BGH XI ZR 6/04 Rn. 61).
204
Der Klageantrag zu 4
205
Das Feststellungsinteresse ergibt sich aus § 756 ZPO (Zöller § 256 Rn. 3, § 756 Rn. 9).
Der Antrag ist nach §§ 295, 298 BGB begründet, weil die Kläger nach dem oben zu I
Gesagten einen Anspruch auf Rückabwicklung des Darlehensvertrages haben und die
Beklagten die von ihnen geschuldeten Leistungen verweigern.
206
Der Klageantrag zu 5
unzulässig. Die Stufenklage und damit die einstweilige Befreiung von der
Bezifferungspflicht des § 253 Abs. 2 ist nur zulässig, wo die Auskunft der Bestimmung
des Leistungsanspruchs und nicht der Beschaffung von Informationen zu seiner
Durchsetzung dient (Zöller § 254 R. 2). Die Kläger kennen die von ihnen an die
Beklagten geleisteten Zahlungen und wollen die Beklagte zu 1 mit der Stufenklage
lediglich zur sehr umfangreichen, zeit- und arbeitsaufwendigen Darstellung ihrer
Zahlungen veranlassen, wozu sie nicht verpflichtet ist (Zöller § 138 Rn 8).
207
Der Antrag ist auch nicht begründet, weil die Kläger ihren streitigen Schaden nicht
dargelegt und unter Beweis gestellt haben. Es gilt insoweit das zu dem Klageantrag zu
1 Gesagte entsprechend.
208
Der Klageantrag zu 6
begründet. Die Kläger haben nach dem oben zu I Gesagten einen
209
begründet. Die Kläger haben nach dem oben zu I Gesagten einen
Schadensersatzanspruch auf Rückabwicklung. Sie können den Schaden, der
Gegenstand dieses Antrages nicht beziffern, weil die Höhe nicht feststeht, so dass eine
vorrangige Leistungsklage ausscheidet (Zöller § 256 Rn. 7a).
Über den hilfsweise gestellten
Klageantrag zu 7
sowie Neuberechnung und die sich daraus ergebende teilweise Rückzahlung der
gezahlten Zinsen) war nicht zu entscheiden, weil die Kläger nach dem Oben zu I
Gesagten dem Grunde nach einen weitergehenden Schadensersatzanspruch auf
Rückabwicklung der Verträge haben und die Hilfsanträge nur für den Fall gestellt
worden sind, dass dieser Anspruch nicht besteht.
210
Der unzulässige (insoweit wird auf das Oben zu dem Klageantrag zu 3 Gesagte
verwiesen)
Widerklageantrag zu 1
die zulässigen
Widerklageanträge zu 2
Zwangsvollstreckung aus der notariellen Vollstreckungsunterwerfungserklärung) und
zu
3
Kläger nach dem Oben zu I Gesagten einen Schadensersatzanspruch auf
Rückabwicklung des Vertrages haben, den sie ihrer Inanspruchnahme entgegenhalten
können (BGH XI ZR 6/04 Rn. 61).
211
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO und berücksichtigt das jeweilige
Unterliegen der Parteien. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt
aus § 709 ZPO.
212
Der Streitwert in Höhe von 146.158,12 € berechnet sich wie folgt:
213
Klageantrag zu 1 (Nennwert): 42.642,80 €
214
Klageantrag zu 2 und zu 3 (Nettokreditbetrag, da
215
beide Anträge wirtschaftlich identisch sind): 86.387,88 €
216
Klageantrag zu 4: 1.000,00 €
217
Klageantrag zu 5 (Blatt 4): 7.527,44 €
218
Klageantrag zu 6 (1/10 des Nettokreditbetrages): 8.600,00 €
219
Klageantrag zu 7: Es gilt § 45 Abs. 1 S. 2 GKG
220
Widerklageanträge: Es gilt das Additionsverbot wegen wirtschaftlicher Identität (Zöller §
5 Rn. 8).
221