Urteil des LG Dortmund vom 03.07.1997

LG Dortmund (patient, kläger, auskunft, arzt, abschrift, erläuterung, zpo, einsichtsrecht, beratung, auskunftserteilung)

Landgericht Dortmund, 17 S 76/97
Datum:
03.07.1997
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
17. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
17 S 76/97
Vorinstanz:
Amtsgericht Dortmund, 123 C 11232/96
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des
Amtsgerichts Dortmund vom 25.02.1997 wird
zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
Entscheidungsgründe
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(ohne Tatbestand gemäß § 543 l ZPO)
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Die zulässige Berufung ist unbegründet.
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Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Auskunftsanspruch, so wie er mit dem
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Klageantrag geltend gemacht wird, nicht zu. Die Kammer schließt sich im
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wesentlichen der ausführlichen und zutreffenden Begründung der angefochtenen
Entscheidung an.
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Es ist entspricht mittlerweile gefestigter Rechtsprechung (zuerst wohl BGHZ 85,
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327 ff), daß der Patient grundsätzlich Anspruch auf Einsicht in die
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Original-Behandlungsunterlagen hat. Die Einschränkungen, die insoweit bestehen,
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bedürfen hier keiner Erörterung. Aus dieser vertraglich begründeten Nebenpflicht
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kann der Kläger hier jedoch nichts für sich herleiten. Das Einsichtsrecht als solches
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ist durch Herausgabe einer vollständigen Kopie der Karteikarte erfüllt (zur
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grundsätzlichen Tauglichkeit von Kopien vgl BGH aaO S.338f).
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Ein weitergehender Anspruch auf Vorlage einer maschinenschriftlichen Abschrift
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unter Aufschlüsselung der Kürzel für Fachausdrücke läßt sich nach Auffassung der
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Kammer aus den vertraglichen Nebenpflichten des Arztes hier nicht herleiten.
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Während das Einsichtsrecht des Patienten im Hinblick auf die Betroffenheit des
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Persönlichkeitsrechts nach wohl überwiegender Auffassung nicht von der
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Darlegung eines besonders schutzwürdigen Interesses abhängig sein soll (vgl. etwa
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BGH NJW 1984 S.2627), kann eine ergänzende Auskunftspflicht des Arztes als
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vertragliche Nebenpflichten im Rahmen des § 242 BGB nur bestehen, wenn der
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Patient auf die entsprechende Informationserlangung angewiesen ist und die
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Informationserteilung dem Arzt unschwer möglich ist (vgl OLG Düsseldorf NJW
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84, 670). Nur soweit ein solches Informationsbedürfnis auf der einen Seite besteht,
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ist es gerechtfertigt, aus Billigkeitserwägungen und der allgemeinen vertraglichen
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Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme eine Verpflichtung der anderen
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Vertragspartei zur Auskunft herzuleiten. Hier fehlt es bereits an der hinreichenden
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Darlegung eines schutzwürdigen Informationsbedürfnisses für die mit dem
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Klageantrag verlangte Erläuterung der Karteikarte. Die Präge, ob ein Anspruch
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aufeine maschinenschriftliche Abschrift besteht, wenn die Originalunterlagen als
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unlesbar gelten müssen, stellt sich hier nicht, da die Karteikarte der Beklagte
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tatsächlich lesbar ist. Ein Informationsbedürfnis besteht also nur insoweit, als der
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Kläger nicht in der Lage ist, die Kürzel für Fachausdrücke zu verstehen.
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Dieses Informationsdefizit würde jedoch auch dann bestehen, wenn anstelle der
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Kürzel die jeweiligen Fachausdrücke stehen würden. Nahezu jeder Patient ist für
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eine sinnvolle Auswertung der Karteikarte nämlich auf fachlichen Rat angewiesen.
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Sich diesen zu beschaffen, ist Sache des Patienten (BGHZ 85 S.332). Wie die
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Erfahrung der Kammer zeigt, sind Kürzel in Behandlungsunterlagen für andere
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Mediziner in aller Regel aber verständlich, weil sie entweder allgemein
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gebräuchlich sind, oder sich ihr Sinn aus dem Zusammenhang erschließt. Im
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Regelfall kann daher davon ausgegangen werden, daß die Verwendung von
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Kürzeln in einer Behandlungsdokumentation eine sinnvolle Information des
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Patienten nicht behindert, weil er ohnehin fachlichen Rat benötigt und es für einen
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Fachmann keinen unterschied macht, ob die Fachausdrücke abgekürzt oder
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ausgeschrieben sind. Erst wenn sich bei Einholung fachlicher Beratung
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herausstellen sollte, daß der behandelnde Arzt individuelle Kürzel verwandt hat,
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deren Sinn sich auch für einen Fachmann nicht aus dem Zusammenhang erschließt,
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besteht ein Informationsbedürfnis, das nur der Behandler befriedigen kann. Erst
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dann ist der Patient aufeine zusätzliche Auskunft des Arztes angewiesen.
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Diese Voraussetzungen sind hier nicht dargetan, da die Klägerseite bislang eine
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fachliche Auswertung der Karteikarte der Beklagten offenbar noch gar nicht
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veranlaßt hat.
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Auf die vom Amtsgericht und der Berufung angestellten Überlegungen dazu, in
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welchem Umfang eine solche Auskunftserteilung den Arzt belasten würde, kommt
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es nicht an. Bei der Annahme einer aus § 242 BGB herzuleitenden
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Auskunftspflicht ist zwar regelmäßig auch eine Interessenabwägung vorzunehmen,
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Grundvoraussetzung eines solchen Anspruchs ist jedoch, daß der Patient
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überhaupt ein berechtigtes Informationsbedürfnis hat. Dies ist nicht der Fall, wenn
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er ihm obliegende und zumutbare Maßnahmen zur Informationsbeschaffung
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unterläßt. Eine solche Maßnahme stellt die Einholung fachlichen Rates dar, da sie
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dem Patienten obliegt (BGH aaO) und für eine sinnvolle Bewertung des Inhalts
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der Dokumentation ohnehin in aller Regel unerläßlich ist.
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Zur Klarstellung sei bemerkt, daß ein das Einsichtsrecht ergänzendes
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Auskunftsrecht, soweit es denn im Einzelfall besteht, auch unter dem
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Gesichtspunkt der Interessenabwägung nicht gleichbedeutend sein kann mit dem
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Verlangen nach einer maschinenschriftlichen Abschrift. Da es bei generell lesbaren
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Dokumentationen, wie ausgeführt, Sache des Patienten ist, die Notwendigkeit
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einer ergänzenden Auskunft darzutun, geht der Anspruch grundsätzlich auch nur
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auf Erteilung dieser konkreten Auskunft.
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Der Klageanspruch ergibt sich auch nicht aus dem allgemeinen
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Auskunftsanspruchs des Patienten. Dieser geht, soweit der Patient diese
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Informationen noch nicht hat, auf Mitteilung der Diagnose, der wesentlichen
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Behandlungsschritte sowie etwaiger Komplikationen. Daß der Kläger bzw. seine
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gesetzlichen Vertreter insoweit irgendwelche Informationslücken haben, ist nicht
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vorgetragen. Davon abgesehen steht die Art und Weise der Auskunftserteilung
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grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Arztes. Soweit dies nach Lage des
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Arzt-Patienten-Verhältnisses noch möglich und zumutbar ist, kann eine
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gesprächsweise Erläuterung nicht nur ausreichend und sinnvoll (vgl. BGH aaO
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S. 334), sondern im Einzelfall sogar medizinisch geboten sein. Keinesfalls läßt sich
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aus dem allgemeinen Auskunftsanspruch ein Recht auf Vorlage einer
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kommentierten, maschinenschriftlichen Abschrift der Behandlungsdokumentation
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herleiten.
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Soweit mit der Berufung auf die Übung der erkennenden Kammer hingewiesen
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wird, beklagten Ärzten im Rahmen von Arzthaftungsverfahren aufzugeben,
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Leseabschriften ihrer Unterlagen vorzulegen, verkennt sie, daß dies einen anderen
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tatsächlichen und rechtlichen Hintergrund hat. Tatsächlich handelt es sich hierbei
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um wenige Einzelfälle unlesbarer Dokumentationen. Davon unabhängig kann das
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zur amtswegigen Aufklärung verpflichtete Gericht im Rahmen der §§142, 138,
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273 ZPO Auflagen machen, mit denen kein subjektiver Anspruch der anderen
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Partei korrespondieren muß (vgl. insoweit Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des
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Arztrechts, § 60 Rdn.8 f). Weiche prozessualen Konsequenzen sich an die
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Nichterfüllung solcher Auflagen knüpfen, ist eine andere Frage und von der im
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Einzelfall geltenden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast abhängig.
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Keinesfalls hat die Kammer in der Vergangenheit die (vorsorgliche) Erläuterung
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von Abkürzungen verlangt, wenn nicht aufgrund einer sachverständigen Beratung
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festgestanden hätte, daß die Abkürzung unklar und für die Entscheidung
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wesentlich war
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Die Kostentscheidung beruht auf § 97 l ZPO.
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