Urteil des LG Dortmund vom 22.12.2010

LG Dortmund (entfernung, vernehmung von zeugen, schutz der menschenwürde, zustimmung, tochter, operation, eingriff, höhe, dokumentation, körperliche unversehrtheit)

Landgericht Dortmund, 4 O 191/09
Datum:
22.12.2010
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
4. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 O 191/09
Schlagworte:
ungewollte Schwangerschaft
Normen:
BGB §§ 829, 611, 280
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils
zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld und
Schadensersatz sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden aufgrund
einer gynäkologischen Behandlung im Haus der Beklagten zu 3. im Jahr 2008 in
Anspruch.
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Die Klägerin wurde am 15.11.1970 geboren und war zum Behandlungszeitpunkt 37
Jahre alt. Gemeinsam mit ihrem Ehemann G hat sie zwei Kinder, geboren am
17.03.2001 und 14.02.2003. Diese wurden und werden von dem Ehemann, der
Hausmann ist, versorgt. Die Klägerin selbst leitet seit dem Jahr 2000 eine staatlich
anerkannte Schule für Pflege- und Gesundheitsberufe, seit 2006 ist sie zusätzlich in
einer Schule für Alten- und Familienpflege im Angestelltenverhältnis tätig.
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Am 27.04.2008 wurde die Klägerin mit starken Unterbauchschmerzen und stark
aufgeblähtem Bauch auf der gynäkologischen Station der Beklagten zu 3.
aufgenommen. Chefarzt der Abteilung ist der Beklagte zu 1.. Dieser führte noch am
gleichen Tag eine Sonographie durch. Bei bekannten rezidivierenden Ovarialzysten
kam er zu der Diagnose, dass massiv freie Flüssigkeit im Abdomen vorhanden sei und
riet zu einer Entfernung der Ovarialzysten mittels einer Laparoskopie
(Bauchspiegelung). Noch am gleichen Tag führte die Beklagte zu 4. ein
Aufklärungsgespräch mit der Klägerin. Insoweit wird auf das Aufklärungsformular Bl. 25 f
d.A. verwiesen. Der operative Eingriff fand am Folgetag, den 28.04.2008, statt und
verlief ohne Komplikationen. Der Eingriff zur Entfernung der Zyste steht zwischen den
Parteien nicht in Streit.
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Während der Durchführung der Laparoskopie entfernte der Beklagte zu 1. bei der
Klägerin vaginal die Spirale Mirena. Hierbei handelt es sich um eine Hormonspirale, die
eine Liegezeit von 5 Jahren hat. Sie war der Klägerin von ihrer Gynäkologin, der Zeugin
S, am 28.04.2004 zum Zweck der Verhütung eingesetzt worden. Die Parteien streiten
darüber, ob der Klägerin die Entfernung der Spirale bekannt war und sie der Entfernung
zugestimmt hat.
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Nach der Operation stellten sich bei der Klägerin leichte vaginale Blutungen ein. Am
02.05.2008 konnte die Klägerin nach unauffälligem Befund bei der
Abschlussuntersuchung entlassen werden. Die ambulante Weiterbehandlung übernahm
wiederum die Gynäkologin S. Weder der vorläufige noch der endgültige an diese
gerichtete Arztbericht vom 02.05.2008 bzw. 20.05.2008 enthielten einen Hinweis auf die
Entfernung der Spirale.
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Nach mehreren Kontrolluntersuchungen stellte die Gynäkologin S am 19.08.2008 fest,
dass die Klägerin schwanger war.
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Am 23.03.2009 gebar die Klägerin per Kaiserschnitt eine gesunde Tochter namens B.
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Die Klägerin behauptet, der Beklagte zu 1. habe während der Operation die Spirale
ohne vorherige Rücksprache mit ihr und ohne ihre Einwilligung entfernt. Zu keinem
Zeitpunkt sei sie darüber informiert worden. Es habe auch keine absolute Indikation für
den Eingriff bestanden, sodass auch nicht von einer mutmaßlichen Einwilligung
auszugehen sei, aufgrund derer man den geplanten Eingriff zur Zystenentfernung hätte
erweitern dürfen. Zudem fehle es an jeglicher postoperativen Aufklärung über die
Entfernung der Spirale. Obwohl sie über Blutungen geklagt habe, sei ihr auch in diesem
Zusammenhang die Entfernung der Spirale nicht mitgeteilt worden. Vielmehr habe die
Stationsärztin, die Beklagte zu 2., erklärt, die vaginale Blutung sei nach derartigen
Operationen normal. Spätestens beim Verlassen des Hauses habe ihr die Entfernung
der Spirale mitgeteilt werden müssen, damit sie sich anderweitig um eine
Schwangerschaftsverhütung hätte kümmern können.
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Eine Aufklärung sei weder prä- noch postoperativ dokumentiert.
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Auch die nachbehandelnde Ärztin sei nicht informiert worden. Aus diesem Grund sei mit
dieser die Entfernung der Spirale für den Monat März 2009 geplant worden, da erst dann
die Liegezeit abgelaufen wäre.
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Da sie von der Entfernung der Spirale keine Kenntnis gehabt habe und keine anderen
Maßnahmen zur Verhütung getroffen habe, sei sie schwanger geworden. Eine weitere
Schwangerschaft sei nicht gewollt gewesen. Die Familienplanung sei mit der Geburt der
bereits vorhandenen zwei Kinder abgeschlossen gewesen. In der Schwangerschaft
habe sie unter regelmäßigen Schwindel- und Übelkeitsanfällen gelitten.
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Die Klägerin erachtet ein Schmerzensgeld in Höhe von 12.500,00 € für angemessen.
Mit Schreiben vom 20.10.2008 unter Fristsetzung bis zum 17.11.2008 forderte sie die
Versicherung der Beklagten auf, das geltend gemachte Schmerzensgeld zu zahlen.
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Darüber hinaus verlangt sie für sich und ihren Ehemann die Freistellung von
Unterhaltsleistungen nach Einkommensgruppe 3 bzw. 9 der Düsseldorfer Tabelle
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abzüglich des erhaltenen Kindergeldes für die Dauer ihrer Unterhaltsverpflichtung
gegenüber der Tochter B. Sie errechnet einen Unterhaltsanspruch des Kindes
gegenüber ihrem Ehemann von monatlich 228,00 € und gegenüber sich selbst von
346,00 €. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf Seite 15 ff der Klageschrift
(Bl. 15 ff d.A.) Bezug genommen. Für die Monate März 2009 bis Juli 2009 verlangt sie 5
x 515,00 € (gemeint wohl 574,00 €), nämlich insgesamt 2.870,00 €.
Sie behauptet, es würden noch weitere Schäden drohen. Es sei bekannt, dass die
Erziehung und Betreuung eines Kindes mit rund 150.000,00 € bis zum 18. Lebensjahr
anzusetzen sei.
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Schließlich begehrt sie die Erstattung von Rechtsanwaltskosten für die
außergerichtliche Tätigkeit, und zwar in Höhe von 837,52 € für die Einholung einer
Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung und in Höhe einer 2-fachen
Geschäftsgebühr nebst Auslagen und Mehrwertsteuer in Höhe von 3.796,10 €. Wegen
der Einzelheiten wird auf die Berechnung Bl. 20 f d.A. verwiesen.
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Die Klägerin beantragt,
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1. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie ein in das Ermessen des
Gerichtes gestelltes Schmerzensgeld nebst 5-Punkten Zinsen über dem
Basiszinssatz seit dem 18.11.2008 zu zahlen;
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen
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a. sie von der Unterhaltsverpflichtung gegenüber ihrer Tochter B, geb. am
23.03.2009, nach Einkommensgruppe 9 der Düsseldorfer Tabelle (152 %),
abzüglich des hälftigen Kindergeldes, zahlbar monatlich im Voraus, spätestens
zum dritten Werktag eines jeden Monats für die Dauer ihrer Unterhaltspflicht
gegenüber ihrer Tochter B, freizustellen;
b. den Kindesvater G von der Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Tochter B,
geb. am 23.03.2009, nach Einkommensgruppe 3 der Düsseldorfer Tabelle (110
%), abzüglich des hälftigen Kindergeldes, für die Dauer seiner Unterhaltspflicht
gegenüber ihrer Tochter B, freizustellen;
c. an sie 2.870,00 € nebst 5 %-Punkten Zinsen über dem Basiszins seit
Rechtshängigkeit zu zahlen;
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festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner ihr und dem
Kindesvater G als Gesamtgläubiger den aufgrund der Entfernung der Spirale "Mirena"
während der Operation vom 28.04.2008 entstehenden weiteren materiellen Schaden zu
ersetzen, der ihr und dem Kindesvater G aufgrund der Entfernung der Spirale "Mirena"
und der Geburt ihrer Tochter B, geb. am 23.03.2009, entstanden ist und noch entstehen
wird;
die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie 3.796,10 € nebst Zinsen in
Höhe von 5%Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
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die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie 837,52 € nebst Zinsen in
Höhe von 5%Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten behaupten, die Spirale sei auf Wunsch und mit Zustimmung der Klägerin
entfernt worden. Sie habe angegeben, dass die Spirale Mirena bereits seit 4 ½ Jahren
liegen würde. Bei der Sonographie am 27.04.2008 sei die Klägerin deshalb von dem
Beklagten zu 1. darauf hingewiesen worden, dass die Spirale in 6 Monaten entfernt
werden müsse, da sie dann ihre Wirksamkeit verlieren werde. Hierbei habe die Klägerin
darauf hingewiesen, dass das Einsetzen der Spirale äußerst unangenehm und
schmerzhaft gewesen sei. Deshalb habe ihr der Beklagte zu 1. angeboten, die Spirale
bei der Operation, wenn sie in Vollnarkose sei, mit zu entfernen. Dies sei auf dem
Sonographiebogen und in dem OP-Bericht vermerkt worden.
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Die Beklagte zu 2. habe die Klägerin im Rahmen der Visite am 29.04.2008 nochmals
ausführlich über den durchgeführten Eingriff und die Entfernung der Spirale informiert.
Die Klägerin sei darüber aufgeklärt worden, dass kein Verhütungsschutz mehr
bestanden habe.
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Im Übrigen fehle es an einer Aktivlegitimation, um einen Schaden des Kindsvaters
geltend zu machen.
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Es werde bestritten, dass der Klägerin die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in
Rechnung gestellt worden seien und dass überhaupt eine Deckungszusage eingeholt
worden sei. Die Höhe sei unangemessen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien
Bezug genommen.
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Das Gericht hat die Parteien angehört und Beweis erhoben durch die Vernehmung der
Zeugen G, U und S. Wegen der Anhörung der Parteien und des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 10.12.2009 Bl. 132 – 138
und vom 16.09.2010 Bl. 177 – 189 d.A. Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Klägerin steht gegen die Beklagten weder ein Anspruch auf Zahlung von
Schmerzensgeld und Schadensersatz noch auf Freistellung von der
Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Tochter B oder auf Feststellung der Ersatzpflicht
für weitere Schäden zu, und zwar weder aufgrund von vertraglichen Ansprüchen nach
§§ 611, 280, 278, 253, 249 BGB noch aufgrund von deliktsrechtlichen Ansprüchen nach
§§ 823, 831, 31, 253, 249 BGB.
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I. Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld
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Soweit die Klägerin aufgrund einer vermeintlich ungewollten Schwangerschaft
Schmerzensgeldansprüche gegen sämtliche Beklagten geltend macht, scheitern
vertragliche Ansprüche gegen die Beklagten zu 1., 2. und 4. bereits an einem fehlenden
Vertragsverhältnis. Die Klägerin ist bei der neuen BKK gesetzlich versichert. Am
27.04.2008 ist mit ihr ein Behandlungsvertrag in Form eines sogenannten totalen
Krankenhausaufnahmevertrages zustande gekommen. Nur gegen die Beklagte zu 3.
könnten vertragliche Ansprüche bestehen.
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Deliktsrechtliche Ansprüche gegen die Beklagten zu 1., 2. und 4. sowie vertragliche und
deliktsrechtliche Ansprüche gegen die Beklagte zu 3. bestehen aber nicht. Die Klägerin
hat entgegen der vorliegenden Dokumentation der Behandler nicht zu beweisen
vermocht, dass die Spirale ohne ihre Zustimmung entfernt worden ist.
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Dabei unterliegt es zunächst keinen Zweifeln, dass eine Zustimmung der Klägerin zu
der Entfernung der Spirale erforderlich war, da die Entfernung, die vaginal stattfindet und
ohne Narkose mit Schmerzen verbunden ist, einen Eingriff in die körperliche
Unversehrtheit der Klägerin darstellte und ihr Selbstbestimmungsrecht tangierte.
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Die Entfernung der Spirale war auch nicht durch die Einwilligung zur Laparoskopie zum
Zweck der Entfernung der Ovarialzyste gedeckt und stellte auch keine notwendige
Ausdehnung dieses Eingriffes dar. Denn die Parteien sind sich einig, dass die
Operation der Ovarialzyste und die Spiralenentfernung in keinem inneren
Zusammenhang standen. Der eine Eingriff erfolgte ausschließlich laparoskopisch im
Bauchraum, der andere vaginal. Auch nach Darstellung der Beklagten handelte es sich
um eine weitere, von der Zystenentfernung unabhängige Behandlung.
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Es ist grundsätzlich Sache des Krankenhausträgers bzw. der behandelnden Ärzte zu
beweisen, dass diesem zusätzlichen Eingriff eine Zustimmung der Klägerin
vorausgegangen ist. An die Darlegungs- und Beweislast der Behandlerseite sind aber
keine überzogenen Anforderungen zu stellen.
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Für eine Zustimmung der Klägerin spricht die Dokumentation des Beklagten zu 1.. So ist
auf dem Sonographiebefund vom 27.04.2008 handschriftlich von dem Beklagten zu 1.
vermerkt:
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" Procedere Dg on LSK + IUP entfernung.
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(Pat ist über die IUP Entfernung aufgeklärt !!) "
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In dem OP-Bericht vom Folgetag heißt es:
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"…Die noch in situ liegende Mirena wird, wie mit der Patientin besprochen, entfernt…."
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Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass der ärztlichen Dokumentation und den
darin enthaltenen Angaben bis zum Beweis der Unrichtigkeit Glauben zu schenken ist,
sofern die Eintragungen zeitnah und nicht erst nachträglich erstellt worden sind und
auch keine Umstände ersichtlich sind, die zu Zweifeln an der allgemeinen
Vertrauenswürdigkeit der Niederlegungen berechtigen (BGH NJW 1978, 1681; vgl.
Schmid, NJW 1987,681 m.w.N.).
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Die Kammer hat nach Anhörung des Beklagten zu 1. keine Zweifel, dass er die
Eintragungen in den Sonographiebericht am 27.04.2008 vorgenommen hat und auch
den OP-Bericht zeitnah erstellt hat. Die Klägerin behauptet selbst nichts Gegenteiliges.
Damit oblag es der Klägerin die von der Dokumentation ausgehende Indizwirkung zu
widerlegen und zu beweisen, dass ihre dort niedergelegte Zustimmung anlässlich des
Sonographiegesprächs tatsächlich nicht erteilt worden ist.
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Dieser Beweis ist der Klägerin nicht gelungen. Nach Anhörung der Parteien,
Vernehmung von Zeugen und Würdigung der sonstigen Umstände hat die Kammer
nicht feststellen können, dass die Sachverhaltsdarstellung der Klägerin entgegen der
Dokumentation die richtige ist.
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Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2010 den Beklagten zu 1.
als behandelnden Chefarzt und die Klägerin angehört. Der Beklagte zu 1. hat erklärt,
dass die Klägerin im Hinblick auf die Spirale erklärt habe, dass diese etwa 4 ½ Jahre
liegen würde und er darauf hingewiesen habe, dass in einem halben Jahr ein Wechsel
stattfinden müsse. Die Klägerin habe erklärt, dass die Einlage schmerzhaft gewesen sei.
Da auch die Entfernung schmerzhaft sein könne, habe er eine Entfernung während der
ohnehin anstehenden Operation angeboten. Dies sei von der Klägerin bejaht worden.
So sei es auf dem Sonographiebogen und in dem OP-Bericht vermerkt worden.
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Die Klägerin hat dem gegenüber angegeben, dass sie nachgefragt habe, ob die
Zystenbildung an der Spirale liegen könne, was der Beklagte zu 1. verneint habe. Auf
die Frage nach der Liegezeit habe sie erklärt, dass die Spirale 1 Jahr nach der Geburt
der Tochter (14.02.2003) eingesetzt worden sei und daher im nächsten Jahr gewechselt
werden solle. Es sei nicht darüber gesprochen worden, dass die Einbringung der
Spirale problematisch gewesen sei. Dies sei auszuhalten gewesen. Wenn, dann hätte
sie sich auch eine neue Spirale einsetzen lassen. Wenn über die Entfernung
gesprochen worden wäre und sie eine Zustimmung erklärt hätte, dann hätte sie dies
auch gegenüber der aufklärenden Ärztin, der Beklagten zu 4., erwähnt bzw. die
Entfernung wäre Teil des Aufklärungsgespräches gewesen.
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Beide Parteien schließen ein Missverständnis aus.
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Aufgrund des persönlichen Eindrucks von den Parteien konnte die Kammer nicht die
Überzeugung gewinnen, dass der Darstellung der Klägerin mehr Glauben zu schenken
ist als der des Beklagten zu 1.. Beide Parteien haben vor der Kammer einen gleich
guten Eindruck hinterlassen.
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Es gibt gewichtige Argumente, die für die Richtigkeit der Darstellung der Klägerin
sprechen und das behauptete Einverständnis zur Entfernung der Spirale wenig
nachvollziehbar erschienen lassen. Die Spirale war, wie die Befragung der Zeugin S
ergeben hat, am 28.04.2004 eingesetzt worden und konnte tatsächlich noch ein ganzes
Jahr bis April 2009 belassen werden. Es ist also wenig verständlich, warum die Klägerin
einer Entfernung der Spirale ein ganzes Jahr zu früh zugestimmt haben sollte. Nichts
Anderes gilt im Übrigen, wenn die verbleibende Liegezeit nur ein halbes Jahr betragen
hätte. Probleme durch die liegende Spirale bestanden nicht. Dies hat die Befragung der
Zeugin S ergeben. Wenig nachvollziehbar ist auch, warum sich die Klägerin im Hinblick
auf angebliche Schmerzen bei der letzten Einbringung die Spirale hätte entfernen
lassen sollen, ohne direkt in Narkose eine neue einsetzen zu lassen. Dann hätte sie
sich nämlich unmittelbar nach dem Krankenhausaufenthalt der schmerzhaften
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Neueinlage bei ihrer Frauenärztin unterziehen müssen. Gegenüber einem Wechsel im
Folgejahr, bei dem Frau S nach ihren Angaben Herausnahme und Einsetzen zeitgleich
durchgeführt hätte, bestanden keine Vorteile. Allerdings ist auch nicht auszuschließen,
dass die Klägerin entsprechend der von ihr geschilderten Frage an den Behandler doch
einen Zusammenhang mit der Zystenbildung befürchtete und aus diesem Grund einer
Neubildung durch die Entfernung der Spirale begegnen wollte.
Auch für die Richtigkeit der Darstellung des Beklagten zu 1. gibt es auf der Hand
liegende Argumente. Er hatte nämlich ohne Einverständnis der Klägerin keinerlei
Veranlassung, die Spirale zu entfernen. Vaginal wurde nicht operiert. Mit den Angaben
des Beklagten zu 1. deckt sich auch, dass in dem Aufnahmebogen aufgeführt ist, dass
nach den Angaben der Klägerin die Spirale bereits seit 4 ½ Jahren liegen würde. Dies
war zwar nicht richtig. Die Klägerin hat aber ausweislich der Dokumentation diese
Angabe gemacht.
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Beide Darstellungen sind in sich schlüssig, miteinander aber unvereinbar.
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Eine weitere Klärung der Erörterungen anlässlich des Sonographiegespräches am
27.04.2008 war nicht möglich. Die Beklagte C, die an der Behandlung teilgenommen
haben soll, hatte bei ihrer Befragung keine Erinnerung an das Geschehene.
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Die Beklagte C hat alsdann das Aufklärungsgespräch zu der geplanten Operation
geführt. Eine konkrete Erinnerung an das Gespräch hatte sie ebenfalls nicht. Soweit in
dem Ausklärungsbogen zur geplanten Laparoskopie die Entfernung der Spirale keine
Erwähnung findet, misst die Kammer dem keine durchgreifende Bedeutung bei. Mit der
Entfernung der Spirale waren keine Risiken verbunden, über die hätte aufgeklärt
werden müssen. Das Aufklärungsgespräch bezog sich statt dessen auf die
Laparoskopie, die mit der Spiralenentfernung nicht im inneren Zusammenhang stand.
Ausweislich der Dokumentation war die Entscheidung zur Entfernung der Spirale schon
am 27.04.2008 getroffen worden.
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Obwohl sich auch aus dem Folgegeschehen Argumente für die Ahnungslosigkeit der
Klägerin ableiten lassen, ist die Kammer letztlich nicht überzeugt, dass es von Anfang
an an einer Zustimmung zur Entfernung der Spirale fehlte.
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Insbesondere spricht dabei für die Darstellung der Klägerin, dass sie nach den
bestätigenden Angaben ihrer Gynäkologin S die Entfernung der Spirale für den Monat
April oder Mai 2009 plante. In diesem Zusammenhang möchte die Kammer
ausschließen, dass die Klägerin dies bewusst getan hat und in Wirklichkeit den Wunsch
nach einer Schwangerschaft gehabt hätte. Nach Befragung der Klägerin und ihres
Ehemannes ist die Kammer davon überzeugt, dass die Familienplanung abgeschlossen
war. Die Klägerin selbst war seit dem Jahr 2000 beruflich stark eingespannt und sorgte
für das Familieneinkommen. Der Ehemann, der als Hausmann die Betreuung der
beiden Kinder übernommen hatte, plante die Aufnahme einer Berufstätigkeit.
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Die von der Klägerin beklagten Blutungen sind in diesem Zusammenhang nicht
richtungsweisend. Die Beklagten tragen selbst vor, dass diese Blutungen postoperativ
durch die Entfernung der Zyste bedingt sein konnten. Bei den Nachuntersuchungen
durch die Zeugin S waren teils leichte Blutungen vorhanden, teils keine. Es ist zwar
ungewöhnlich, war aber nicht ausgeschlossen, dass es unter der Hormonspirale zu
leichten (Regel)Blutungen kam.
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Auch die Tatsache, dass nach der Entfernung der Spirale kein Faden mehr zu tasten
war, lässt keinen Rückschluss zu. Bereits der Beklagte zu 1. hat bei seiner Befragung
eingeräumt, dass der Faden der Spirale für die Klägerin nicht zwingend spürbar war und
ihr das Fehlen nicht zwingend hätte auffallen müssen. Das Gleiche hat die Gynäkologin
S bestätigt, die die Klägerin nach der Operation sogar vaginal untersucht hat und der
selbst nicht der Verdacht gekommen ist, dass die Spirale entfernt sein könnte.
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Der vermeintlichen Ahnungslosigkeit der Klägerin steht aber entgegen, dass in den
Krankenunterlagen am Folgetag der Operation vermerkt ist: "Info OP". Die Beklagte zu
2. selbst hatte zwar keine Erinnerung mehr an das Gespräch bei der Visite. Da aber in
der Kurve ein OP-Eintrag "Ex-IUP" von dem Zeugen U vorhanden war, hat sie
nachvollziehbar darauf verwiesen, dass sie – wenn sie an der Operation nicht beteiligt
war - sich bei dem Nachgespräch an der Eintragung orientiert und üblicherweise über
das berichtet, was in den Unterlagen eingetragen ist. Dann muss auch die Entfernung
der Spirale Gegenstand der Unterredung bei der Visite gewesen sein.
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Die Kammer kann daher nicht feststellen, dass dem Beklagten zu 1. bei Absprache des
Operationsumfangs oder der Beklagten zu 4. als aufklärende Ärztin oder der Beklagten
zu 2. als Behandlerin am Folgetag ein Versäumnis vorzuwerfen ist.
61
Soweit im Übrigen unstreitig ist, dass die nachbehandelnde Ärztin in beiden Briefen
nicht von der Entfernung der Spirale in Kenntnis gesetzt worden ist, sieht die Kammer
hierin keinen Fehler in der (therapeutischen) Aufklärung und keinen Haftungsgrund
gegenüber der Klägerin. Die Kammer hat die Klägerin als energische, intelligente und
moderne Frau kennengelernt. Dass einer solchen bei Entfernung der Spirale klar war,
dass ggf. ein anderer Weg der Verhütung gewählt werden musste, ist offensichtlich und
bedurfte keiner postoperativen weiteren Aufklärung. Die jetzige Handhabung im Haus
der Beklagten zu 3., den Patientinnen die Spirale auf das Nachtschränkchen zu stellen,
ist nachvollziehbar, aber nicht zwingend erforderlich.
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II. Anspruch auf Zahlung bzw. Freistellung von der Unterhaltslast
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Die Klägerin hat gegen die Beklagten auch keinen Schadensersatzanspruch in Höhe
der Unterhaltsbelastung, die ihr und ihrem Ehemann durch die Geburt der Tochter B
entstanden ist (§ 249 BGB).
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Eine Haftung der Beklagten zu 1., 2. und 4. scheidet bereits aus, weil für diese ohnehin
nur eine Haftung aufgrund von deliktsrechtlichen Vorschriften in Betracht käme und eine
solche Vermögensschäden nicht abdeckt. Die Geburt des gesunden Kindes B ist
erfreulich und stellt keinen Schaden dar. Die Kammer verweist auf die Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts. Der Schutz der Menschenwürde gemäß Artikel 1 des
Grundgesetzes verbietet es, die Existenz eines Kindes als Schaden zu bewerten (BGH
VersR 1995, 964; BVerfG NJW 1993, 1751).
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Ob unter rechtlichen Gesichtspunkten eine Haftung der Beklagten zu 3. aus
Vertragsrecht zumindest für den Mindestunterhalt in Betracht käme und der Fall der
mutwilligen Entfernung eines Verhütungsmittels den Fällen gleichzustellen wäre, bei
denen der Schutz vor wirtschaftlichen Belastungen durch die Geburt eines Kindes
Gegenstand des jeweiligen Behandlungs- oder Beratungsvertrages war, kann
dahinstehen. Wie bereits dargetan, hat die Klägerin entgegen der Dokumentation nicht
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beweisen können, dass für den Eingriff keine Zustimmung ihrerseits vorlag.
III. Anspruch auf Feststellung der weiteren Schadensersatzpflicht sowie weitere
Schadensersatzansprüche
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Da die Klägerin entgegen der Dokumentation ihre fehlende Zustimmung nicht beweisen
kann, scheitern auch die geltend gemachten weiteren Ansprüche auf Zahlung und
Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden.
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Im Übrigen wäre auch bei einer Haftung wegen einer ungewollten Schwangerschaft der
Schadensersatzanspruch auf den eventuellen Mindestunterhaltsbedarf begrenzt,
sodass weitere Betreuungskosten für ein gesundes Kind oder damit verbundener
Verdienstausfall ohnehin nicht verlangt werden könnte (BGH NJW 1997, 1638).
69
IV. Nebenentscheidungen
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
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Über die Kosten der Nebenintervention war nicht zu entscheiden, da der Beitritt erst
nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgt ist (vgl. Zöller, ZPO § 101, 2).
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