Urteil des LG Dortmund vom 28.05.2010

LG Dortmund (unterschrift, antrag, beschwerde, unterzeichnung, form, begründung, bad, zpo, zwangsvollstreckung, erlass)

Landgericht Dortmund, 9 T 278/10
Datum:
28.05.2010
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
9. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 T 278/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Unna, 5 M 613/10
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom 12.05.2010 gegen den
Beschluss des Amtsgerichts Unna vom 10.05.2010 wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Gläubigerin.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 361,75 €
festgesetzt.
G r ü n d e
1
I.
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Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem
Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Mayen vom 21.07.2006 über eine
Hauptforderung von 23,94 €; die Gesamthöhe der Vollstreckungsforderung
einschließlich Zinsen und Kosten beläuft sich auf 361,75 €.
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Mit schriftsätzlichem Antrag ihrer Prozessbevollmächtigten vom 17.03.2010, der nicht
eigenhändig unterschrieben, sondern mit einer eingescannten Unterschrift versehen
wurde, beantragte die Gläubigerin den Erlass eines Pfändungs- und
Überweisungsbeschlusses, mit dem sämtliche angeblichen und zukünftigen
Forderungen des Schuldners gegen eine Drittschuldnerin gepfändet und zur Einziehung
an die Gläubigerin überwiesen werden sollten.
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Mit Beschluss vom 10.05.2010 hat das Amtsgericht Unna den Antrag als unzulässig
zurückgewiesen, nachdem es die Gläubigerin zuvor mit Schreiben vom 25.03.2010 und
16.04.2010 vergeblich zur Vorlage eines handschriftlich unterzeichneten Antrags
aufgefordert hatte. Zur Begründung hat das Amtsgericht Unna ausgeführt, dass es die
eigenhändige Unterzeichnung eines Antrags auf Erlass eines Pfändungs- und
Überweisungsbeschlusses stets für erforderlich hält, um auf die Einhaltung der
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notwendigen Antragssorgfalt hinzuwirken und eine eindeutige Verantwortlichkeit für die
Antragstellung zuordnen zu können. Wegen der weiteren Begründung wird auf die
Ausführungen in dem angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
Die Gläubigerin hat gegen den Beschluss, der ihr am 12.05.2010 zugestellt worden ist,
mit Schriftsatz vom selben Tage, am 17.05.2010 eingegangen bei Gericht, sofortige
Beschwerde eingelegt. Dieser Schriftsatz trägt eine eigenhändige Originalunterschrift.
Die Gläubigerin ist der Ansicht, dass die eingescannte Unterschrift für eine wirksame
Antragstellung ausreiche und deren Ernsthaftigkeit im übrigen durch die Einzahlung der
Gerichtskosten dokumentiert werde; zur weiteren Begründung ihrer Beschwerde beruft
sie sich auf Entscheidungen des BGH vom 04.05.2005 und des LG Bad Kreuznach vom
23.04.2010, die sie jeweils in Ablichtung beigefügt hat.
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Das Amtsgericht Unna hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache
dem Landgericht Dortmund zur Entscheidung vorgelegt.
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II.
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Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist gem. §§ 793, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO
statthaft und zulässig, insbesondere gem. § 569 ZPO form- und fristgerecht eingelegt
worden.
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Sie ist jedoch unbegründet, da das Amtsgericht Unna den Antrag der Gläubigerin vom
17.03.2010 auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zu Recht und
aus zutreffenden Erwägungen zurückgewiesen hat.
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Denn in der vorgenommenen Form und angesichts der unstreitigen Vielzahl von
gleichgelagerten Fällen, die es erlauben, die Verfahren der Gläubigerin als
Massenverfahren zu bezeichnen, ist die eigenhändige Unterzeichnung der
Antragsschrift durch die Gläubigerin bzw. deren Prozessbevollmächtigte zu verlangen,
um die Ernsthaftigkeit und Sorgfalt der Antragstellung feststellen zu können.
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Ein entsprechender Antrag des Gläubigers ist Voraussetzung für den Erlass eines
Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses. Es ist daher in jedem Fall von dem
Vollstreckungsorgan – bei der Forderungspfändung also vom Vollstreckungsgericht –
festzustellen und für diese Feststellung frei zu würdigen, ob ein gestellter Antrag
ernstlich so gewollt war (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 829 Rdnr. 3; Stöber,
Forderungspfändung, 14. Aufl. 2005, Rdnr. 469).
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Dabei beschränkt sich die zu prüfende Ernsthaftigkeit der Antragstellung nicht lediglich
auf die Frage, ob der Antragsschriftsatz willentlich und nicht z.B. nur versehentlich oder
im Entwurf übersandt worden ist. Dieses Problem stellt sich erst, wenn allein die
Übermittlungsentscheidung bzw. -version fraglich ist, aber ansonsten unterstellt werden
kann, dass grundsätzlich im Hause des Antragstellers eine ernsthafte Prüfung und
Formulierung des zu stellenden Antrags erfolgt. Dies wird nach außen regelmäßig durch
individuelle Formulierung oder zumindest eigenhändige Unterzeichnung der
Antragsschrift dokumentiert und ist dann für das Vollstreckungsorgan ohne weiteres
feststellbar; dabei kann im Einzelfall für die Feststellung der Ernsthaftigkeit der
Antragstellung genügen, dass das Dokument mit einer eingescannten Unterschrift
versehen oder jedenfalls ein späterer Schriftsatz von dem Unterzeichner eigenhändig
unterschrieben worden ist (vgl. BGH DGVZ 2005, 94; Stöber, Forderungspfändung, 14.
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Aufl. 2005, Rdnr. 469).
Handelt es sich allerdings erkennbar um Massenverfahren, die beim Gläubiger bzw.
seinen Prozessbevollmächtigten im standardisierten Verfahren unter Verwendung von
Computerprogrammen zur Erstellung der Antragsschriften und der
Forderungsaufstellungen betrieben werden, dann reicht eine eingescannte Unterschrift
unter der Antragsschrift, die ebenfalls im automatisierten Verfahren hinzugefügt werden
kann, nicht aus. Denn sie lässt nicht den sicheren Rückschluss darauf zu, dass der
vermeintliche Verfasser der Antragsschrift diese überhaupt selbst erstellt oder sie auch
nur selbst geprüft hat, bevor sie versandt worden ist. Hat er sie nicht selbst erstellt oder
zumindest geprüft, kann eine willentliche und ernsthafte Antragstellung des
angegebenen Verfassers denknotwendig nicht gegeben sein.
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Ist der angegebene Verfasser ein Rechtsanwalt, der vom Gläubiger mit dem Betreiben
der Zwangsvollstreckung beauftragt worden ist, dann muss die Antragsschrift auch
erkennen lassen, dass dieser Rechtsanwalt den Antrag tatsächlich selbst gestellt, d.h.
auch nach evt. Vorarbeit durch Angestellte ihn jedenfalls in der dann übersandten Form
selbst gelesen, geprüft und abgezeichnet hat.
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Diese Anforderungen sind nicht nur zulässig, sondern angesichts der strengen
Formalisierung der Zwangsvollstreckung, die eine weitergehende Überprüfung der zur
Vollstreckung gestellten Forderung, ihres Zustandekommens und ihrer Berechtigung
verbietet, auch dringend geboten, da sie die einzige Handhabe des
Vollstreckungsorgans darstellen, dem gebotenen Schuldnerschutz im Rahmen der
Zwangsvollstreckung Rechnung zu tragen und einem missbräuchlichen Betreiben des
streng formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahrens Einhalt zu gebieten.
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Dies gilt um so mehr, wenn – wie hier – nicht nur fraglos von Massenverfahren im
standardisierten Betrieb auszugehen ist, sondern es überdies bei der Beantragung von
Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen regelmäßig zu Fehlern, fehlerhaften
Berechnungen und zur Geltendmachung unberechtigter Forderungspositionen kommt.
Den entsprechenden Ausführungen des Amtsgerichts Unna in dem angefochtenen
Beschluss ist die Gläubigerin in ihrem Beschwerdevorbringen mit keinem Wort
entgegengetreten. Gerade die vom Amtsgericht Unna dargelegten, aus früheren
Verfahren dort gerichtsbekannten Umstände bestätigen zumindest die Vermutung, dass
eine gewissenhafte Überprüfung des Antrags durch den von der Gläubigerin
beauftragten und bevollmächtigten Rechtsanwalt als unabhängigem Organ der
Rechtspflege eben nicht erfolgt ist, sondern die Antragstellung ungeprüft "aus dem
Apparat heraus" zustande gekommen ist.
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Daher ist zur Dokumentation einer willentlichen und ernsthaften Antragstellung aus
einem automatisierten Verfahren heraus erforderlich, dass der Antrag eigenhändig
unterschrieben wird, weil nur dies ein zuverlässiger Hinweis darauf sein kann, dass der
beauftragte Rechtsanwalt als Verfasser der Antragsschrift diese in der übersandten
Form zumindest in Händen gehalten und mutmaßlich gelesen, d.h. inhaltlich zur
Kenntnis genommen, und sie gebilligt hat.
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Die Verwendung einer eingescannten Unterschrift trägt eine solche Vermutung aus den
bereits dargelegten Gründen jedenfalls in standardisierten Massenverfahren nicht. Im
vorliegenden Fall gilt dies zudem auch deshalb, weil der Schriftzug derart unleserlich
ist, dass sich kein einziger Buchstabe ausmachen lässt und eine Zuordnung zu einem
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der beiden im Briefkopf genannten Rechtsanwälte unmöglich ist, zumal ein
Namenszusatz neben dem unter der Unterschrift stehenden Wort "Rechtsanwalt" fehlt.
Auch die Tatsache, dass sodann die Beschwerdeschrift handschriftlich unterzeichnet
worden ist, verschafft hier keine Aufklärung und verhilft daher dem Antrag auch nicht
nachträglich (vgl. BGH DGVZ 2005, 94; Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl. 2005,
Rdnr. 469) zur Wirksamkeit. Denn auch die eigenhändige Unterschrift unter der
Beschwerdeschrift ist unleserlich und lässt einzelne Buchstaben nicht erkennen; auch
hier fehlt neben dem Wort "Rechtsanwälte" (!) unter der Unterschrift ein Namenszusatz.
Dabei ist aber anhand des Schriftbildes zweifelsfrei festzustellen, dass die
handschriftliche Unterschrift unter der Beschwerdeschrift und die eingescannte
Unterschrift unter dem Antrag nicht identisch sind. Dies ist um so auffälliger, als
ausweislich des Briefkopfs beide Schreiben aus dem Büro I der
Prozessbevollmächtigten der Gläubigerin stammen, für dieses Büro aber nur ein
Rechtsanwalt im Briefkopf namentlich genannt ist.
Zu der fehlenden Feststellbarkeit einer willentlichen und ernsthaften Antragstellung
kommt daher noch hinzu, dass eine Verantwortlichkeit für die Antragstellung nicht
ausgemacht werden kann. Dies ist angesichts der strengen formalen Anforderungen im
Zwangsvollstreckungsverfahren nicht hinnehmbar und gebietet überdies im Interesse
des Schuldnerschutzes, einen solchen Antrag zurückzuweisen.
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Die von der Gläubigerin zitierten Beschlüsse des BGH (DGVZ 2005, 94) und des LG
Bad Kreuznach (Beschluss vom 23.04.2010, Az. 1 T 78/10) stehen dieser Entscheidung
nicht entgegen, soweit sie sich mit der hier nicht entscheidungserheblichen Frage
befassen, ob eine eigenhändige Unterschrift zur Formwirksamkeit des Antrags
erforderlich ist oder ob hierfür eine eingescannte Unterschrift ausreicht. Soweit das LG
Bad Kreuznach auch Ausführungen dazu gemacht hat, dass seiner Auffassung nach der
Antrag ernstlich gewollt war, weil die Gerichtskosten eingezahlt worden sind, handelt es
sich um eine Tatsachenbewertung, an die das hiesige Beschwerdegericht nicht
gebunden ist und der es nicht folgen kann.
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Nach hiesiger Auffassung kann sich die im Wege der freien Würdigung festzustellende
Ernsthaftigkeit der Antragstellung allenfalls dann allein aus der Einzahlung der
Gerichtskosten ergeben, wenn diese einem vom beauftragten Rechtsanwalt verfassten
oder zumindest gebilligten Antrag eindeutig zugeordnet werden kann. Hiervon ist das
LG Bad Kreuznach ausgegangen, nachdem dort offenbar "die fehlende Unterschrift
durch Unterzeichnung der Rechtsmittelschrift" nachgeholt wurde. Im vorliegenden Fall
fehlt es daran jedoch.
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Zur weiteren Begründung wird auf die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss
des Amtsgerichts Unna Bezug genommen, denen das Beschwerdegericht sich
vollumfänglich anschließt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 3, 97 Abs. 1 ZPO.
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