Urteil des LG Dortmund vom 25.06.2004

LG Dortmund: vergütung, anteil, rechtshängigkeit, unentgeltlich, abnahme, gesetzesmaterialien, unternehmen, absicht, erfüllung, begünstigung

Landgericht Dortmund, 6 O 563/03
Datum:
25.06.2004
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
6. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 O 563/03
Nachinstanz:
Oberlandesgericht Hamm, 29 U 97/04
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.276.129,80€ (i.W.
einemillionzweihundertsechsundsiebzigtausendeinhundertneunundzwanzig
80/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz ab dem 29.01.2004 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Einschließlich Kosten der Streitverkündung.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110%des
jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
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Die Klägerin verlangt von der Beklagten Belastungsausgleich nach dem
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am 18.05.2000 in Kraft getretenen Kraftwärmekopplungsgesetz (KWKG)
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noch für den Zeitraum 18.05. bis 31.12.2000.
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Die Klägerin ist ein kommunales Energieversorgungsunternehmen, dass
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die allgemeine Versorgung von Letztverbrauchern u. a. im Gebiet der
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Stadt E sicherstellt. Sie ist ein Energieversorgungsunternehmen
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der allgemeinen Versorgung im Sinne von § 10 Energiewirtschaftsgesetz
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und betreibt ein örtliches Verteilungsnetz, dass zur Verteilung von Strom
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an Letztverbraucher eingesetzt wird.
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Die Beklagte firmiert im streitgegenständlichen Zeitraum als S2
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und bündelte alle Stromnetzaktivitäten des S-Konzerns. Sie betrieb ein
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Übertragungsnetz, dass der Übertragung elektrischer Energie zur
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nachgeordneten Verteilernetzen dient und dem Strom-Verteilernetzen der
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Klägerin im Sinne des § 5 Abs. 1 KWKG vorgelagert ist.
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Die Streitverkündete produziert am Standort E Industrieruß für die
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Reifen- und Gummiindustrie sowie Pigmentruß,. für die Farb-, Druck- und
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Kunststoffindustrie. Sie betreibt zudem eine KWK-Anlage im Sinne von § 2
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Abs. 3 KWKG. Die Klägerin bezieht von der Streitverkündeten hergestellten
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Strom aufgrund Liefervertrages vom 19./26.05.1983 in Verbindung
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mit einer Vereinbarung vom 02./08.11.1994.
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Für den bezogenen Strom zahlte die Klägerin für den Zeitraum vom
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18.05.2000 bis zum 31.12.2000 einen Bezugspreis von mindestens
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3 Pf/kWh.
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Die Klägerin erzeugt zudem Strom mit dem nachfolgend aufgeführten
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4 KWK-Anlagen, bei denen es sich um Verbrennungsmotoren-Anlagen im
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Sinne von § 2 Abs. 3 KWKG handelt:
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-Erdgas, Entspannungsanlage E2, die im Jahre 1989
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in Betrieb genommen wurde,
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-Heizkraftwerk E3, die im Jahre 1990
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in Betrieb genommen wurde,
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-Blockheizkraftwerk E4, das am 22.10.1997
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in Betrieb genommen wurde,
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-Blockheizkraftwerk E5, das im Oktober 2000
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in Betrieb genommen wurde.
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Dabei ist zwischen den Parteien streitig, ob das letztgenannte
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Blockheizkraftwerk bereits im Jahre 1999 hergestellt wurde.
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Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin ursprünglich Belastungsausgleich
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für von der Streitverkündeten hergestellten Strom und für selbsthergestellten
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Strom ursprünglich für den Zeitraum 18.05.2000 bis zum 31.12.2000 und
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für den Zeitraum 01.01.2002 bis 31.03.2002 geltend gemacht. Nach
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Rechtshängigkeit sind die Belastungsausgleichszahlungen für das Jahr
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2002 von der Beklagten gezahlt worden. Insofern haben die Parteien den
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Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
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Die Klägerin trägt vor:
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Hinsichtlich des von der Streithelferin bezogenen Stromes sei der dritte
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Förderungsweg (§ 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 KWKG) einschlägig. Der
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Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. 2 KWKG greife hinsichtlich des dritten
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Förderungsweges (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 Nr. 2 KWKG) nicht ein. Im
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Übrigen seien die tatsächlichen Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes
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nicht gegeben. Sie habe während des gesamten zeitlichen
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Geltungsbereichs des KWKG eine Vergütung an die Streitverkündete
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gezahlt, die der gesetzlichen Vergütung nach § 4 Abs. 1 KWKG
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entspreche.
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Unter Berücksichtigung der bezogenen Strommengen belaufe sich der
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Ausgleichsbetrag nach § 5 KWKG für den Zeitraum 18.05.2000 bis
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31.12.2000 für den von der Streithelferin bezogenen Strom auf
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- unstreitig - 1.276.129,80 €.
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Der in den eigenen Anlagen produzierte Strom sei nach § 1 Abs. 1 Satz 1
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KWGK zu fördern. Dies gelte auch für den Zeitraum 2000. Die Bagatellgrenze
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nach § 2 Abs. 2 KWKG sei insoweit eingehalten, obwohl zu
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diesem Zeitpunkt die installierte elektrische Kraftwerkleistung in Kraft-Wärme-
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Kopplung bezogen auf ihre installierte Kraftwerkleistung
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insgesamt weniger als 25 vom 100 betragen habe. Nach dem Wortlaut
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des § 2 Abs. 2 sei eine Ausgleichszahlung nur dann nicht zu erbringen,
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wenn beide Schwellenwerte nicht erreicht seien. Die erzeugte
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Strommenge habe bezogen auf ihre gesamte Stromerzeugung im Jahr
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21,9 % betragen.
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Das Blockheizkraftwerk E5 sei bereits im Januar 1999
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gestellt worden.
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Unter Berücksichtigung der selbst produzierten Strommengen beliefen
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sich die Ausgleichsansprüche - in der Höhe nach unstreitig - auf
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71.690,79 € für den fraglichen Zeitraum 2000.
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Die Streithelferin widerspricht den Ausführungen der Klägerin nicht.
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Nach teilweiser Klagerücknahme hinsichtlich
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der Zinsen beantragt die Klägerin,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.347,820,59 € nebst Zinsen in
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Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit
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zu zahlen.
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Die Streithelferin hat sich diesem Antrag angeschlossen.
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Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Sie trägt vor:
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Die mit der Streithelferin vertraglich vereinbarte Vergütung habe unter der
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Mindestvergütung nach § 4 Abs. 1 KWKG gelegen. Insofern sei die
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Klägerin nicht berechtigt, Ausgleichsansprüche geltend zu machen.
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Für selbstproduzierten Strom könne die Klägerin gleichfalls keinen
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Belastungsausgleich verlangen, da sie keine getrennten Konten geführt
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habe und im Übrigen der Ausschlusstatbestand nach § 2 Abs. 2 KWKG
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eingreift, da die installierte Kraftwerkleistung insgesamt weniger als 25 %
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betragen habe. Um die Förderung nach § 3 KWKG zu eröffnen sei es
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jedoch erforderlich, dass sowohl die installierte Kraftwerkleistung 25 %
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und die in Kraftwärmekopplung erzeugte Strommenge mehr als 10 % der
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installierten Leistung bzw. erzeugten Strommenge betrage. Dies ergebe
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sich durch eine Auslegung der Regelung in § 2 Abs. 2 KWKG.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf
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den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen
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sowie auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage hat zum ganz überwiegenden Teil Erfolg.
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Für den von der Nebenintervenientin bezogenen Strom steht der Klägerin
100
für den noch fraglichen Zeitraum vom 18.05.2000 bis 31.12.2000 ein
101
Anspruch auf Zahlung des Ausgleichsbetrages nach § 5 KWKG in Höhe
102
von 1.276.129,80 € zu, nicht jedoch für den in den eigenen KWK-Anlagen
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in der Zeit produzierten Strom.
104
I.
105
Für den von der Streithelferin im Jahre 2000 bezogenen Strom steht dem
106
Anspruch der Klägerin aus § 5 Abs. 1 Satz 1 KWKG - entgegen der
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Ansicht der Beklagten - nicht entgegen, dass diese möglicherweise der
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Streithelferin nicht die Mindestvergütung nach § 4 Abs. 1 KWKG gezahlt
109
hat. Dabei kann dahinstehen, ob die in der genannten Regelung
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aufgeführte Mindestvergütung gezahlt wurde oder nicht. Darauf kommt es
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nicht an. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin in dem
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fraglichen Zeitraum für den von der Streithelferin bezogenen Strom
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zumindest 3 Pf/kWh vergütet hat. Da die sonstigen Erfordernisse erfüllt
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sind, steht ihr damit der Anspruch auf Zahlung des Belastungsausgleichs
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zu.
116
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 KWKG kann der Netzbetreiber - hier die Klägerin-
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"Ausgleich für seine Zahlungen" verlangen. Demnach setzt der
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Anspruch auf Belastungsausgleich voraus, dass der Netzbetreiber für den
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bezogenen Strom Zahlungen erbracht hat.
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Zugleich folgt aus dem Begriff "Ausgleich", dass die geleisteten Zahlungen
121
nicht geringer sein dürfen als der für sie begehrte Ausgleich. Als
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Voraussetzung für einen Belastungsausgleich in Höhe von 3 Pf/kWh sind
123
demnach geleistete Zahlungen in Höhe von mindestens 3 Pf/kWh zu
124
fordern. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.
125
Für das Erfordernis der Vereinbarung und Zahlung einer Vergütung in
126
Höhe von mindestens 9 Pf/kWh findet sich keine Grundlage. Diesen
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Betrag setzt § 4 Abs. 1 Satz 1 KWKG als gesetzliche Mindestvergütung
128
fest. Der gesetzlichen Mindestvergütung gehen jedoch im Einzelfall
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getroffene Vergütungsvereinbarungen vor, wie sich aus § 3 Abs. 1 Satz 1
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2. Halbsatz und § 4 Abs. 2 KWKG ergibt. Es steht dem Anspruch auf
131
Belastungsausgleich demnach nicht entgegen, wenn Lieferverträge -wie
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vorliegend - Vergütungen von weniger als 9 Pf/kWh vorsehen, solange
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eine Vergütung von 3 Pf/kWh nicht unterschritten wird. Das KWKG
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schließt demnach den - in der Praxis unwahrscheinlichen - Fall nicht aus,
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dass der Netzbetreiber den geförderten Strom praktisch unentgeltlich
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bezieht, wenn er für eine gezahlte Vergütung von 3 Pf/kWh einen
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Belastungsausgleich in derselben Höhe erhält. Dem von dem
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Gesetzgeber im KWKG statuierten Förderungsmechanismus ist mangels
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ausdrücklichen Ausschlusses - die zumindest theoretisch
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denkbare Möglichkeit immanent, dass sich ein durch die Abnahme- und
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Vergütungspflicht des § 3 Abs. 1 Satz 1 KWKG belasteter Netzbetreiber
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durch die Vereinbarung sehr geringer Vergütungen letztlich Strom zum
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Nulltarif beschaffen kann.
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II.
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Die Zinsentscheidung folgt aus den § 284 ff. BGB.
146
III.
147
Ein Anspruch auf Zahlung des Belastungsausgleichs für den von der
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Klägerin im Jahre 2000 selbst erzeugten Strom steht dieser nicht zu.
149
Dabei kann dahinstehen, ob das Blockheizkraftwerk E5
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bereits im Januar 1999 gestellt wurde und ob die Klägerin nach § 3 Abs. 2
151
KWKG getrennte Kosten über die Einspeisung aus ihren Kraftwerken
152
geführt hat. Ein Anspruch auf Zahlung des Belastungsausgleichs für das
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Jahr 2000 für den von ihr erzeugten Strom scheitert an dem Ausschlusstatbestand
154
des § 2 Abs. 2 KWKG.
155
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Ausschlussregelung so zu
156
verstehen, dass eine Förderung nur dann möglich ist, wenn sowohl die
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installierte Kraftwerkleistung zumindest 25 % und die in Kraftwärmekopplung
158
erzeugte Strommenge zumindest 10 % der installierten Leistung
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bzw. erzeugten Strommenge betragen.
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Entgegen dem wörtlichen Verständnis ist das Wort "und" in § 2 Abs. 2
161
KWKG nicht kommutativ, sondern alternativ zu verstehen. Dies ergibt sich
162
durch die Auslegung der genannten Regelung unter Berücksichtigung der
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Intention des Gesetzgebers. Unstreitig ist zum zweiten Absatz des § 2
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KWKG in den Gesetzesmaterialien in der Bundestagsgrunddrucksache
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14/2765, Seite 4 f, ausgeführt:
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"Es müssen nicht alle Anlagen der öffentlichen Versorgung
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begünstigt werden. Wenn sie anteilmäßig für die Stromversorgung
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nur von deutlich untergeordneter Bedeutung sind, wird ihr
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Weiterbetrieb im Unternehmen insgesamt nicht gefährdet sein. Als
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Grenze ist vorgesehen mindestens 25 % Anteil an der installierten
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Gesamtleistung des Unternehmens
und
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des KWK-Stroms an der Stromerzeugung des Unternehmens."
173
Der Auffassung des Gesetzgebers, dass KWK-Anlagen von deutlich
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untergeordneter Bedeutung keine Begünstigung zukommen soll, wird
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letztlich nur die von der Kammer vertretene Auffassung gerecht.
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Andernfalls wäre es nämlich möglich, dass allein durch den Umstand,
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dass die installierte elektrische Kraftwerkleistung in Kraftwärmekopplung
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bezogen auf ihre installierte Kraftwerkleistung 25 oder mehr vom Hundert
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beträgt, die Förderung nach KWKG eröffnet ist, unabhängig von dem
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Verhältnis der erzeugten Strommenge bezogen auf die Gesamtstromerzeugung.
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Bei anderer Auffassung wäre es möglich, dass bei Erfüllung des ersten
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Kriteriums (25 %-Anteil) auch der tatsächlich erzeugte Strom gefördert
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würde, der bezogen auf die gesamte Stromerzeugung nur relativ gering
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wäre, z. B. 0,1 vom Hundert. Das ist unter Berücksichtigung der Intention
185
des Gesetzgebers ersichtlich nicht die Absicht des Gesetzgebers
186
gewesen.
187
IV.
188
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits ergibt sich aus §§ 91,
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91 a, 92 Abs. 2, 101, 269 Abs. 3 ZPO.
190
Dabei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits auch hinsichtlich des
191
übereinstimmend erledigten Teiles zu tragen. Durch die Zahlung nach
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Rechtshängigkeit hat sie sich letztlich in die Rolle der Unterlegenen
193
begeben. Dies folgt offensichtlich auch zu Recht. Denn für das fragliche
194
Jahr 2002 lag das Ausschlusskriterium des § 2 Abs. 2 KWKG für den von
195
der Klägerin erzeugten Strom - bezogen auf das ganze Jahr -
196
offensichtlich nicht vor.
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