Urteil des LG Dortmund vom 13.07.2007

LG Dortmund: allgemeine geschäftsbedingungen, unterlassen, verbrauch, werkzeug, zone, gestaltung, verfügung, aufwand, preisliste, rechtshängigkeit

Landgericht Dortmund, 8 O 370/06
Datum:
13.07.2007
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
8. Zivilkammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 O 370/06
Tenor:
Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung zu zahlenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00
€, für den Fall dass dieses nicht beizutreiben ist, ersatzweise
Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft, zu unterlassen,
im Wettbewerb handelnd gegenüber Verbrauchern in
Auftragsbestätigungen und/oder Angeboten Arbeitswerte bzw.
Berechnungseinheiten darzustellen, ohne gleichzeitig anzugeben, dass
zwingend eine bestimmte Anzahl von Arbeitswerten berechnet wird und
ohne zugleich diesen Mindestpreis anzugeben.
Die Beklagte zu 1) wird ferner verurteilt,
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden
Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, für den Fall dass dieses nicht
beizutreiben ist, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft, zu
unterlassen, die nachfolgenden Klauseln und/oder inhaltsgleichen
Klauseln in Bedingungen zu Werkverträgen über
Türöffnungen/Tresoröffnungen zu verwenden und/oder sich bei der
Abwicklung der Verträge auf diese Klauseln zu berufen, insbesondere in
Auftragsbestätigungen und Rechnungsformularen:
„Allgemeine Bereitstellungskostenpauschale für 24-Stunden-Notdienst“
und/oder
„Notdienstzulage: Bereitstellungskosten für 24-Stunden-Notdienst ohn
vorherige Terminabsprache (logistische Zusatzkosten)“
und/oder
„Spezialwerkzeugkosten: Kosten für Einsatz/Verbrauch von
Spezialwerkzeugöffnungswerkzeugen je nach Werkzeug und
Verschleiß“
und/oder
„Spezialwerkzeugkosten Hartmetallbohrer/-fräser“
und/oder
„Spezialwerkzeugkosten Spezialzugschrauben“
und/oder
„Arbeiten mit anderen Spezialwerkzeugen
Die Beklagte zu 1) wird weiter verurteilt, an die Klägerin 189,00 € nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 28.11.2006 zu zahlen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits hinsichtlich des
Klageantrages zu 1) als gemeinsamen Verurteilung als
Gesamtschuldner. Die weiteren Kosten trägt die Beklagte zu 1) allein.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 13.500,00 €
vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: insgesamt: 10.000,00 €,
im Verhältnis zum Beklagten zu 2): 5.000,00 €
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Unterlassung der Verwendung von bestimmten
Formulierungen bzw. Klauseln im Zusammenhang mit Schlüsselnotdienst-Verträgen in
Anspruch.
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Die Beklagte zu 1) (im Folgenden: Beklagte) ist ein Sicherheitsunternehmen, zu deren
Tätigkeitsfeldern die mechanische und elektronische Sicherheitstechnik nebst
Dienstleistungen gehören. U. a. bietet die Beklagte einen 24-Stunden-
Schlüsselnotdienst an, der telefonisch kontaktiert werden kann. Der Beklagte zu 2) ist
Geschäftsführer der Beklagten zu 1).
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Bei Inanspruchnahme des Notdienstes füllt der vor Ort tätige Monteur der Beklagten
zwei Formulare aus, die vom Kunden unterschrieben werden. Dabei handelt es sich
zum einen um ein mit "Angebot und Auftragsbestätigung" und zum anderen um ein mit
alternativ "Rechnung", "Lieferung", "Angebot" überschriebenes Schriftstück. Wegen des
jeweiligen Inhaltes und des genauen Erscheinungsbildes wird Bezug genommen auf
die in Ablichtung zur Akte gereichten Formulare (Anlagen K 2, Bl. 21 d. A., und K 1, Bl.
14 ff. d. A.).
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Die Klägerin meint, das Formular "Angebot und Auftragsbestätigung" verstoße gegen
Wettbewerbsrecht, weil entgegen dem bei dem Kunden hervorgerufenen Eindruck
tatsächlich feststünde, dass für Monteurkosten immer mindestens vier Einheiten
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abgerechnet würden.
Hinsichtlich der Angaben zu einer Notdienstpauschale und Kosten für Spezialwerkzeug
vertritt die Klägerin die Ansicht, es handele sich dabei um Allgemeine
Geschäftsbedingungen, welche die Kunden der Beklagten unangemessen
benachteiligten.
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Die Klägerin hat die Beklagte mit Schreiben vom 15.02.2006 (Anlage K4 zur
Klageschrift, Bl. 26 d. A.) erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung aufgefordert.
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Die Klägerin beantragt,
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1.
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die Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung zu zahlenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, für den
Fall dass dieses nicht beizutreiben ist, ersatzweise Ordnungshaft, oder der
Ordnungshaft, zu unterlassen,
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im Wettbewerb handelnd gegenüber Verbrauchern in Auftragsbestätigungen
und/oder Angeboten Arbeitswerte darzustellen, ohne gleichzeitig anzugeben, dass
zwingend eine bestimmte Anzahl von Arbeitswerten berechnet wird und ohne
zugleich den Endpreis anzugeben
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und
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2.
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die Beklagte zu 1) darüber hinaus zu verurteilen,
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a)
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es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden
Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, für den Fall dass dieses nicht
beizutreiben ist, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft, zu unterlassen,
die nachfolgenden Klauseln und/oder inhaltsgleichen Klauseln in Bedingungen zu
Werkverträgen über Türöffnungen/Tresoröffnungen zu verwenden und/oder sich
bei der Abwicklung der Verträge auf diese Klauseln zu berufen, insbesondere in
Auftragsbestätigungen und Rechnungsformularen:
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"Allgemeine Bereitstellungskostenpauschale für 24-Stunden-Notdienst"
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und/oder
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"Notdienstzulage: Bereitstellungskosten für 24-Stunden-Notdienst ohn vorherige
Terminabsprache (logistische Zusatzkosten)"
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und/oder
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"Spezialwerkzeugkosten: Kosten für Einsatz/Verbrauch von
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Spezialwerkzeugöffnungswerkzeugen je nach Werkzeug und Verschleiß"
und/oder
22
"Spezialwerkzeugkosten Hartmetallbohrer/-fräser"
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und/oder
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"Spezialwerkzeugkosten Spezialzugschrauben"
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und/oder
26
"Arbeiten mit anderen Spezialwerkzeugen"
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b)
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an die Klägerin 189,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Sie vertreten die Auffassung, die von ihr Verwendeten Formulare verstießen nicht gegen
gesetzliche Vorschriften, sondern stünden in Einklang mit der üblichen Praxis, mit
Preisverzeichnissen gem. § 1 Abs. 3 PAngV zu werben.
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Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitig
eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Die Klage ist den Beklagten am 27.11.2006 zugestellt worden.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist begründet.
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I.
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Die Klägerin ist gem. §§ 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG, 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert. Ihr
stehen gegen die Beklagten die geltend gemachten Ansprüche zu.
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1.
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Der unter Ziff. 1 geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagten ergibt sich aus §§ 3;
5; 8 Abs. 1, 2 UWG; 1 PAngV. Die Darstellung der Arbeitswerte bzw.
Berechnungseinheiten hinsichtlich der Rüst- und Fahrtzeiten sowie der Pkw-Kosten ist
irreführend und nicht mit den nach § 1 PAngV festgelegten Erfordernissen zu den
Grundsätzen der Preisklarheit und Preiswahrheit sowie des Endpreises vereinbar. Aus
dem von Mitarbeitern der Beklagten zu 1) vor Ort verwendeten Formular "Angebot und
Auftragsbestätigung" ergibt sich für die Kunden nicht hinreichend klar, welchen Preis sie
letztlich zu zahlen haben. Tatsächlich steht aufgrund der Gestaltung des
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Rechnungsformulars der Beklagten zu 1) aber von vornherein fest, dass mindestens vier
Einheiten "Kundendienst – Monteurkosten, An- und Abfahrtszeit ..." und mindestens 2
"Pkw-Unterhaltungskosten" anfallen. Soweit die Beklagte behauptet, dies sei nicht der
Fall; es vielmehr bei jedem Kunden offen, wie viele Einheiten die Monteure vor Ort in
Ansatz bringen, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Denn bei beiden o. g.
genannten Positionen sind in dem Rechnungsformular die Werte mit "4" und "2" bereits
vorgedruckt. Dies ist auch nicht bloß ein Mittel der Vereinfachung, von dem im Einzelfall
kein Gebrauch gemacht werden muß. Denn soweit weitere Felder ohne einen
vorgedruckten Multiplikator in dem Rechnungsformular enthalten sind, handelt es sich
nicht um genau gleichlautende, die anstelle der vorgedruckten Verwendung finden
könnten, sondern um abweichende. So ist in der vierten Zeile der Zusatz "(auch
weitere)" und in der siebten Zeile der Zusatz "Weitere" enthalten. Daraus ergibt sich,
dass hier regelmäßig nur zusätzliche Stunden zu den bereits feststehenden eingetragen
werden.
Dieses Vorgehen der Beklagten zu 1) ist für den Kunden aufgrund des Angebots nicht
hinreichend deutlich. Zwar ist über der Unterschriftszeile ein versteckter Passus
enthalten, wonach mindestens zwei Arbeitswerte für Rüst- und Anfahrtszeiten anfallen.
Entsprechend ist in der rechten Spalte unter dem Punkt "PKW-Kosten" vermerkt, dass
immer für Hin- und Rückfahrt jeweils mindestens eine Zone berechnet wird. Hinsichtlich
der Rüst- und Anfahrtszeit ist aber nicht erkennbar, dass tatsächlich vier Einheiten
abgerechnet werden. Bei beiden Punkten wird nicht hinreichend der tatsächlich
anfallende Endpreis deutlich. Dies stellt einen Verstoß gegen § 1 Abs. 6, S. 2, 3 PAngV
dar.
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Der Anspruch gegen den Beklagten zu 2) folgt aus § 8 Abs. 2 UWG.
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2.
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Der Klägerin steht ferner gegen die Beklagte zu 1) der unter Ziff. 2 geltend gemachte
Anspruch aus §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG zu. Die aus dem Tenor ersichtlichen Klauseln
sind als Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen, weil es sich um vorformulierte
Auftragsbedingungen handelt, die dem Kunden als vorgegebener Teil der
Vergütungsabsprache erscheinen können. Die Klauseln stellen eine Verstoß gegen §§
307, 305c BGB dar, da sie aufgrund mangelnder Klarheit und Verständlichkeit die
Kunden unangemessen benachteiligen. Ein Kunde, der einen 24-Stunden-Notdienst
beauftragen will, muß nicht damit rechnen, dass neben den üblichen Stundensätze noch
weitere Positionen wie eine 24-Stunden-Notdienstpauschale und eine weitere
Extraposition für den Einsatz von Spezialwerkzeug. Wesenselement eines
Unternehmens, das einen 24-Stunden-Notdienst anbietet, ist es, dass die Leistung eben
rund um die Uhr zur Verfügung gestellt und damit dauerhaft verfügbar ist. Weiterhin ist
der Einsatz von Spezialwerkzeug nach dieser allgemeinen Bezeichnung der zum
Einsatz kommenden Werkzeuge ebenfalls integraler Bestandteil der angebotenen
Leistung. Für den Kunden ist die zusätzliche Berechnung dieser Einzelpositionen
überraschend.
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Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Beklagten, ein 24-
Stunden-Notdienst würde nur einen Teil der unternehmerischen Tätigkeit darstellen.
Denn es ist für den durchschnittlichen Kunden nicht erkennbar und auch irrelevant, wie
das Unternehmen, das einen Notdienst betreibt, organisiert ist. Der Aufwand für das 24-
stündige Bereithalten von Leistungen fällt unabhängig von der Betriebsstruktur immer
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an.
Die Kammer vermag auch nicht der Argumentation der Beklagten in Bezug auf die
Spezialwerkzeuge zu folgen. Für den Kunden ist aufgrund der umfassenden Klausel,
die die Berechnung von Spezialwerkzeugen zu Preisen von 8,70 € - 452,40 €
ermöglicht, völlig unklar, welche Kosten anfallen könnten. Die Beklagte wäre jedenfalls
gehalten, eine detaillierte Preisliste bezüglich der einzelnen Spezialwerkzeuge
beizulegen, damit für den Kunden deutlich wird, dass bei dem Einsatz und Verbrauch
besonderer Werkzeuge auch zusätzliche Kosten anfallen können.
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3.
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Die Klägerin hat einen Zahlungsanspruch in Höhe von 189,00 € nebst
Rechtshängigkeitszinsen gem. §§ 5 UKlaG; 12 Abs. 1, S. 2 UWG; 280, 286, 291 BGB.
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II.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
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