Urteil des LG Dortmund vom 16.11.2006
LG Dortmund: firma, verjährungsfrist, bereicherung, rückforderung, rückerstattung, pauschal, energieversorgung, vollstreckbarkeit, aktivlegitimation, ergänzung
Landgericht Dortmund, 13 O 39/06
Datum:
16.11.2006
Gericht:
Landgericht Dortmund
Spruchkörper:
II. Kammer für Handelssachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 O 39/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:
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Die Klägerin verlangt von der Beklagten aus abgetretenem Recht der Firma N teilweise
Rückerstattung von in der Zeit von 1990 bis 1995 geleisteter Zahlungen für
Stromlieferung.
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Die Firma N schloss am 18.12.1986/09.01.1987 mit der Firma W AG E einen
Stromlieferungsvertrag für ihr Werk in H. Zum Inhalt des Vertrages wird auf Blatt 32 bis
49 der Akten Bezug genommen.
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Die Firma N zahlte für die Verbrauchszeiträume 1990 bis 1995 an die Firma W AG auf
Grund unheitlicher Abrechnungen insgesamt 55.146.086,00 DM zuzüglich
Mehrwertsteuer ohne Ausgleichsabgabe.
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Die Firma W AG kündigte den Vertrag im Juni 1995 zum 31.12.1995. Die im März 1995
gegründete Firma W2 AG teilte der Firma N im Juni 1995 mit, sie übernehme mit
Wirkung vom 01.07.1995 den Vertrag.
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Die Beklagte ist auf Grund Verschmelzungsvertrages der Firma S AG und der Firma W
AG Rechtsnachfolgerin der letzteren. Rechtsnachfolge der Firma W2 AG ist die Firma
S2 AG.
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Die Firma N und die Firma F schlossen am 25.11.2004 Forderungskaufvertrag
betreffend die Rückforderungsansprüche der Firma N gegenüber der Firma W AG und
W2 AG auf Grund evtl. fehlerhafter Stromabrechnungen. Sie trat alle gegenwärtigen und
zukünftigen Forderungen der Jahre 1990 bis 2000 aus dem Stromlieferungsvertrag ab.
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Auf Blatt 460 der Akten wird Bezug genommen.
Die Klägerin beantragte unter dem 30.12.2004 Erlass eines Mahnbescheides über
9.305.500,00 € nebst Zinsen wegen "ungerechtfertigter Bereicherung gemäß
Stromerstattung vom 01.01.1990 bis zum 29.05.1998". Der Mahnbescheid wurde der
Beklagten am 27.01.2005 zugestellt. Die Klägerin beantragte Durchführung des
streitigen Verfahrens nur wegen eines Betrages von 5.736,078,63 € für Ansprüche in der
Zeit vom 01.01.1990 bis zum 31.12.1995.
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Die Klägerin hält den Stromlieferungsvertrag wegen intransparenter Preisregelung für
unwirksam und die abgerechneten Vertragspreise, da auf Grund einer nicht
nachvollziehbaren Preisänderungsklausel willkürlich angesetzt, für unbillig. Sie erklärt
gemäß § 318 BGB die Anfechtung der Leistungsbestimmung und errechnet auf der
Grundlage einer Grundsatzanalyse eines Privatgutachters zur Erlös- und Kostenstruktur
der Beklagten ein Minderkostenpotential von 11.218.794,68 DM brutto.
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Die Klägerin behauptet, über eine Inkassoerlaubnis zu verfügen, die auch einen Ankauf
fremder Forderung zum Zwecke der Geltendmachung umfasse. Auf Grund des
Forderungskaufvertrages nebst Abtretung betreibe sie den Rechtsstreit im eigenen
Interesse und unterliege insoweit keinem Erlaubniszwang. Die Ansprüche seien auch
ordnungsgemäß abgetreten worden. Die Beklagte sei passivlegitimiert. Die Firma W2
AG sei frühestens zum 01.12.1995 neue Energielieferantin geworden.
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Die Klägerin hält Ansprüche nicht für verjährt. Es gelte die Verjährungsfrist von 30
Jahren des § 195 BGB a. F., da erst durch die Leistungsbestimmung des Gerichts der
Anspruch entstehe und vor seiner Entstehung keine Verjährung eintreten könne.
Ansprüche auf Rückerstattung überhöhter Stromentgelte, die noch nicht auf ihre
Billigkeit untersucht worden seien, hätten zum 01.01.2002 noch nicht bestanden und
könnten auch nicht verjährt sein. Es fehle zudem an einer Kenntnis der Zedentin gemäß
§ 199 BGB n. F..
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Die Klägerin stützt die Klage hilfsweise auf einen Schadensersatzanspruch gemäß §
823 Abs. 2 BGB, 19, 20 GWB. Die unangemessene Überhöhung der Preise sei auch auf
eine Ausnutzung marktbeherrschender Stellung gemäß § 19 Abs. 4 GWB oder eine
Diskriminierung der Zedentin nach § 20 GWB zurückzuführen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.736.078,63 € nebst 5 % Zinsen auf
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766,042,36 € seit dem 01.01.1991, auf 846.823,89 € seit dem 01.01.1992, auf
915.164,57 € seit dem 01.01.1993, auf 1.108.130,42 € seit dem 01.01.1994, auf
978.418,48 € seit dem 01.01.1995, auf 1.121.498,91 € seit dem 01.01.1996, sowie 5
% Zinsen über dem Basiszinssatz auf 5.736,078,63 € ab dem 01.05.2000 bis
einschließlich 31.12.2001 sowie 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf
5.736.078,62 € gemäß § 247, 288 Abs. 2 BGB seit dem 01.01.2002 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hält sich für nichtpassivlegitimiert und eine Aktivlegitimation der Klägerin
nicht für gegeben. Die Zedentin habe der Übertragung der Energieversorgung
einschließlich aller Rechte und Pflichten auf die Firma W2 AG zugestimmt. Die Klägerin
sei nicht die in der Abtretungserklärung bezeichnete Zessionarin.
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Auf Grund individueller Verhandlungen zu den Rahmenbedingungen des
Stromlieferungsvertrages finde § 315 BGB keine Anwendung. Unbilligkeit sei zudem
nicht gegeben und mit dem schon im Ansatz ungeeigneten, da auch zum großen Teil
aus dem Zusammenhang gerissenen Darstellungen aus Geschäftsberichten
bestehende Privatgutachten nicht dargetan. Die Preisanpassungsklausel sei wirksam
vereinbart.
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Die Beklagte beruft sich auf Verjährung. Es gelte die Verjährungsfrist des §
20
197 BGB a. F. für regelmäßig wiederkehrende Leistungen, die mit dem Schluss des
Jahres, in dem Zahlungen erfolgten, begonnen habe. Selbst bei Anwendung der
30jährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB a. F. sei die Forderung verjährt mit Ablauf
des 31.12.2004. Da im Mahnbescheidsantrag pauschal für einen Zeitraum 9 Jahren
eine Stromrückforderung geltend gemacht werde und eine Spezifizierung fehle, sei
Hemmung nicht erfolgt.
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Kartellrechtliche Ansprüche gemäß §§ 19, 20 GWB seien nicht gegeben, da im Zeitraum
1990 bis 1995 die genannten Vorschriften noch nicht galten und die Preisgestaltung
vom Bundeskartellamt nach § 22 GWB a. F. nicht beanstandet wurde.
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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet.
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Es kann dahinstehen, ob Aktiv- und Passivlegitimation der Parteien gegeben sind. Ein
Rückzahlungsanspruch der Zedentin aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB wegen
ungerechtfertigter Bereicherung, auf den die Klage vorrangig gestützt wird, ist verjährt.
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Es gilt die vierjährige Verjährungsfrist des § 197 BGB a. F.. Da Zahlungen der Zedentin
spätestens 1996 erfolgten, ist Verjährung zum 31.12.2004 eingetreten. Das ab dem
01.01.2002 geltende neue Verjährungsrecht findet keine Anwendung gemäß Art. 229; §
6 Abs. 1 EGBGB. Die Beantragung des Mahnbescheides konnte, da erst nach Eintritt
der Verjährung erfolgt, eine Hemmung der Verjährung nach § 204 BGB nicht mehr
bewirken.
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Rückforderungsansprüche aus Energielieferverträgen unterliegen der kurzen
Verjährungsfrist des § 197 BGB a. F., wenn es sich um die Rückforderung
wiederkehrend erbrachter Leistungen handelt (BGH, Urteil vom 26.04.1989, Kopie Blatt
399 bis 405 der Akten). Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Zedentin hat Zahlungen auf
Grund monatlicher Abrechnungen erbracht. Ein Rückforderungsanspruch entstand mit
jeder einzelnen Zahlung. Dass der Zahlungsanspruch des Energielieferanten bei
Anwendbarkeit der Billigkeitsvorschrift des § 315 BGB im Fall der Unbilligkeit der
Leistungsbestimmung nicht fällig wird, ist unbeachtlich. Daraus folgt entgegen der
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Auffassung der Klägerin nicht mangelnde Fälligkeit des Rückforderungsanspruchs.
Fällig ist eine Forderung, sobald der Gläubiger die Leistung verlangen und
entsprechende Klage erheben kann. Im Fall der Rückforderung wegen Unbilligkeit der
Leistungsbestimmung kann die Rückzahlung sofort verlangt werden, da der
Billigkeitseinwand sofort erhoben werden kann. Ein Rückforderungsanspruch kann
auch durch Leistungsklage geltend gemacht werden, ausnahmsweise mit unbeziffertem
Zahlungsantrag, da der Zahlungsbetrag vom Gericht nach § 315 BGB rechtsgestaltend
zu bestimmen ist.
Ob ein hilfsweise geltend gemachte deliktischer Schadensersatzanspruch wegen
Verstoßes gegen kartellrechtliche Vorschriften nach § 823 II BGB in Verbindung mit § 26
GWB a. F. oder § 826 BGB besteht, kann dahinstehen, da auch ein solcher verjährt ist.
Es gilt die dreijährige Verjährungsfrist des § 825 BGB a. F.. Kenntnis der Zedentin von
der schädigenden Handlung und der Person des Schädigers lagen vor im Zeitpunkt der
jeweiligen Zahlung. Das ab 01.01.2002 geltend Verjährungsrecht findet keine
Anwendung gemäß Art. 229, § 6 Abs. 1 EGBGB, da Verjährung angesichts der
spätestens 1996 erfolgten Zahlungen bereits zum 31.12.1999 eingetreten war.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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